| Titel: | Bericht der HHrn. de Prony, Gay-Lussac und Girard über eine Abhandlung des Hrn. Vicat unter dem Titel: Recherches sur les Mastics resineux. (Untersuchungen über die Erdharz-Mörtel.) | 
| Fundstelle: | Band 15, Jahrgang 1824, Nr. LXXII., S. 334 | 
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                        LXXII.
                        Bericht der HHrn. de Prony, Gay-Lussac und Girard über eine Abhandlung des Hrn. Vicat unter dem Titel: Recherches sur les Mastics resineux. (Untersuchungen über die
                              Erdharz-Mörtel.)
                        Aus den Annales de Chemie et de Physique. Septbr.
                              1824. S. 79.
                        Vicat's Untersuchungen über die Erdharz-Mörtel.
                        
                     
                        
                           Die Anwendung des Asphaltes bei Auffuͤhrung der
                              Mauerwerke wird von den aͤltesten Historikern beurkundet: sie hat sich bis
                              auf den heutigen Tag in beiden Hemisphaͤren erhalten. Diese, dem Wasser
                              undurchdringbare Substanz scheint sehr geeignet fuͤr den Wasserbau, um die
                              Steine unter dem Wasser zusammenzufuͤgen, und Mauerwerke gegen Feuchtigkeit
                              zu schuͤzen.
                           Man hat seit einigen Jahren den Asphalt, den man zu Seyssel, Departement de l'Ain,
                              gewinnt, hierzu vorgeschlagen; da aber der Preis desselben ziemlich hoch ist, hatte
                              Hr. Vicat die Idee,
                              kuͤnstlichen Erdharz-Moͤrtel (dessen Mischung und Eigenschaften der Gegenstand der
                              gegenwaͤrtigen Abhandlung sind, die wir gepruͤft haben) an der Stelle
                              desselben anzuwenden.
                           Gemeiner vegetabilischer Theer ist die Basis seiner Moͤrtel oder Kitte: die
                              gemeinsten pulverartigen Stoffe sind die uͤbrigen Elemente. Um sie
                              gehoͤrig zu mengen, laͤßt man den Theer in einem Gefaͤße aus
                              Gußeisen kochen, und schuͤttet waͤhrend des Kochens nach und nach
                              gepulverte Ziegel oder Scherben, gepuͤlverte Kalk, oder Kieselsteine,
                              Hammerschlag, Thonerde, Pflanzenerde etc. hinein. Man ruͤhrt waͤhrend
                              des Eintragend dieser erdigen Bestandtheile die Mischung kraͤftig um, und
                              hoͤrt auf von lezteren zuzusezen, wann der Theer beinahe gaͤnzlich
                              damit gesaͤttigt ist.
                           Hr. Vicat hat auf diese Welse
                              23 verschiedene Harz. Moͤrtel oder Kitte gebildet, und dieselben in Hinsicht
                              auf ihre relative Zaͤhigkeit unter derselben Temperatur gepruͤft, so
                              wie unter den verschiedenen Temperaturen, welche zu demselben Grade von Erweichung
                              nothwendig sind.
                           Er bildete in dieser Hinsicht aus jedem dieser Erzharz-Moͤrtel rechtwinkelige
                              Prismen, welche er an einem ihrer Ende horizontal in einem Gehaͤuse
                              einfuͤgte, und an dem anderen Ende mit einem Gewichte beschwerte, das er nach
                              und nach vermehrte, bis das in Untersuchung gestandene Stuͤk brach. Auf diese
                              Weise erhielt er den Widerstand eines jeden einzelnen Stuͤkes. Dieser
                              Widerstand; oder diese Faͤhigkeit, ist in der ersten Spalte der Tabelle, mit
                              welcher Hr. Vicat seine
                              Abhandlung schloß, in Zahlen ausgedruͤkt. Diese Zahlen spielen von 4000 bis
                              auf 500: der Harzmoͤrtel von 4000 Zaͤhigkeit besteht aus 16
                              Gewichttheilen Theer und 36 rothem Ziegelmehl-Pulver; jener von 500
                              Zaͤhigkeit aus 16 Theer und 22 Holzasche: die Versuche wurden bei einer
                              Temperatur von 14,50° am hundertgraͤdigen Thermometer angestellt.
                           Um ferner den Widerstand kennen zu lernen, den diese verschiedenen Arten von
                              Moͤrtel einem bestimmten Stoße oder schlage entgegensezen, bildete Hr.
                              Vicat kleine Kugeln von
                              0,026 Durchmesser, die er von verschiedener Hoͤhe auf eine harte und polirte
                              Flaͤche herabfallen ließ. Er bemerkte die Hoͤhe, von welcher er sie
                              herabfallen lassen mußte, damit sie durch den Schlag bei dem Fallen zerspringen
                              konnten. Er berechnete ihre Endgeschwindigkeit nach der Hoͤhe, und bildete aus dem Produkte dieser
                              Geschwindigkeit und der Masse einer jeden dieser Kugeln, die er der Probe unterzog,
                              eine Reihe von Zahlen, die die zwei Spalte in seiner oben erwaͤhnten Tabelle
                              bilden. Diese Zahlen spielen zwischen 1188, welche Zahl die Zaͤhigkeit einer
                              Kugel aus 16 Theilen Theer und 28 Hammerschlag ausdruͤkt, und 413, welche
                              Zahl dir Zaͤhigkeit einer Kugel aus Theer und Holzasche andeutet.
                           Die beiden folgenden Spalten derselben Tabelle bezeichnen die Grade der Temperatur,
                              unter welchen diese kleinen Kugeln unter einem Gewichte von 5 Kilogrammen anfangen
                              sich abzuplatten, und die Grade der Temperatur, unter welchen eben diese Abplattung
                              unter demselben Gewichte 1/3 Durchmesser dieser Kugeln gleich wird. Man findet hier,
                              daß die haͤrtesten Harz-Moͤrtel sich bei 38–39°
                              Temperatur erweichen, waͤhrend die gebrechlichsten, wie z.B. jene aus Theer
                              und Holz-Asche, erst bei einer Temperatur von 80° anfangen sich zu erweichen.
                              Alle andere Harzkitte erweichten sich zwischen diesen beiden aͤußersten
                              Graͤnzpuncten der Temperatur.
                           Die fuͤnfte und lezte Spalt zeigt die specifische Schwere eines jeden dieser
                              Harz-Moͤrtel. Der leichteste ist der aus Theer und Holzkohle oder Holzasche,
                              welche beide auch die hoͤchste Temperatur zu ihrer Erweichung fordern: daher
                              Hr. Vicat mit Recht schließt,
                              daß sie zum aͤußeren Ueberzuge der sogenannten terrasses italiennes, die der Sonne und der Kaͤlte abwechselnd
                              ausgesezt sind, am besten taugen.
                           Da der Hauptzwek des Hrn. Vicat
                              darin bestand, statt des theueren Asphaltes von Seyssel, wovon der metrische Zentner
                              im Dptt. du Lot 42 Franken kostet, Harz-Moͤrtel
                              anzuwenden, die weit wohlfeiler sind, so macht er vorzuͤglich auf jene
                              Harz-Moͤrtel aufmerksam, die aus Theer und Straßenstaub oder Pflanzenerde
                              bestehen.
                           Man bedient sich schon seit langer Zeit beim Land- und Wasserbaue, und auch in
                              gewissen Kuͤnsten schmelzbarer Moͤrtel, die man bei einer mehr oder
                              minder erhoͤhten Temperatur anwendet: hierher gehoͤrt z.B. der
                              Brunnenmeister-Kitt (mastic de fontainier), der schwarze
                              Kitt (im Franzoͤsischen paroisse
                              genannt); allein sie
                              kommen viel theurer zu stehen, als die Compositionen des Hrn. Vicat.
                           So vortrefflich auch Hrn. Vicat's Arbeit ist, so muß doch die zweite Spalte seiner Tabelle
                              verbessert werden, wo er den Widerstand, den die Kuͤgelchen einem Stoße
                              entgegen sezen, in Zahlen ausbruͤten wollte, und dazu das Product aus der
                              Masse der Kugeln mit der Geschwindigkeit waͤhlte, welche die Kugeln im
                              Augenblike des Zerbrechens erhalten haben. Nun weiß man aber, daß die
                              Intensitaͤt des Stoßes, die hier mit der Zaͤhigkeit verwechselt wird,
                              nicht durch die einfache Geschwindigkeit, sondern durch das Quadrat derselben
                              bemessen wird, d.h. durch die Hoͤhe des Falles, die also hier allein statt
                              des Produktes zu beachten kommt, und alle weitere Berechnung
                              uͤberfluͤßig macht.