| Titel: | Einiges über den Kautschuk. Von Dr. Andrew Ure F. R. S. etc. | 
| Fundstelle: | Band 72, Jahrgang 1839, Nr. XXXVII., S. 148 | 
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                        XXXVII.
                        Einiges uͤber den Kautschuk. Von Dr.
                           Andrew Ure F. R.
                           S. etc.
                        Aus dem London Journal of arts. Maͤrz 1839, S.
                              364.
                        Ure, uͤber den Kautschuk.
                        
                     
                        
                           Der groͤßere Theil des kaͤuflichen Kautschuks kam bisher aus
                              Suͤdamerika, und zwar der beste aus Para; in den lezteren Jahren jedoch
                              wurden auch aus Java, Penang, Singapore und Assam bedeutende Sendungen davon
                              gemacht. Hr. William Griffith, der vor 12 Monaten
                              ungefaͤhr in Auftrag des Capitaͤns Jenkins,
                              Agenten des General-Gouvernements von Ostindien, einen Bericht uͤber
                              den Kautschukbaum von Assam, die Ficus elastica der
                              Botaniker, erstattete, gibt uns interessante Aufschluͤsse uͤber
                              denselben. Dieser Baum zeichnet sich naͤmlich in den Waͤldern, in
                              denen er waͤchst, durch seine Groͤße und den dichten Schatten, den er gewaͤhrt, aus;
                              ja man erkennt ihn schon auf einige engl. Meilen weit an seiner hohen und dichten
                              Krone. Der Hauptstamm mißt bei 100 Fuß Hoͤhe nicht selten 74 Fuß im Umfange,
                              und dieser Umfang ist durch die unmittelbar um den Stamm herum befindlichen
                              Luftwurzeln oft auf 120 Fuß gesteigert. Mit allen seinen Aesten bedekt ein großer
                              Baum haͤufig eine Flaͤche von 610 Fuß im Umfange. Angestellten
                              Untersuchungen gemaͤß duͤrften sich in dem Districte von
                              Chárdwár in Assam in einem Walde bei Ferozepoor, welcher 30 engl.
                              Meilen in der Laͤnge und 8 Meilen in der Breite hat, nicht weniger als 43,240
                              solcher herrlicher Baͤume befinden. Eben so haͤufig findet er sich
                              auch in anderen Districten, wie z.B. in jenem von Naudwar. Viele andere
                              Baͤume jener Gegenden, worunter von Feigenbaͤumen die Ficus indica, religiosa, Tsiela, Roxburghii, glomerata
                              und oppositifolia, und von Brodbaͤumen die Artocarpus integrifolia und Lakoocha, geben gleichfalls einen Milchsaft, aus welchem man Vogelleim und
                              eine schlechtere Art von Kautschuk bereitet.
                           Der Saft des Kautschukbaumes von Chárdwár ist besser, wenn er von alten
                              Baͤumen abgezapft wird, und reicher in der kuͤhlen als in der heißen
                              Jahreszeit. Man gewinnt ihn, indem man in Entfernungen von einem Fuß von einander
                              rings um den Stamm herum, so wie auch in die groͤßeren Aeste bis zur Krone
                              hinauf bis auf das Holz hinein quer durch die Rinde Einschnitte macht. Je
                              hoͤher oben die Einschnitte, um so reicher ist der Ausfluß. Man kann dieses
                              Anzapfen mit Sicherheit alle vierzehn Tage wiederholen. Man rechnet im Durchschnitte
                              bei jedem Anzapfen auf einen Baum ein halbes Maund oder 42 Pfd. eines Saftes,
                              welcher in frischem Zustande eine milchweiße Farbe und die Consistenz von Milchrahm
                              hat. 20,000 Baͤume geben beilaͤufig 12,000 Maunds Saft, der in 10
                              Theilen aus 4 bis 6 Theilen Wasser und 6 bis 4 Theilen Kautschuk besteht. Das
                              Anzapfen soll bloß in den kuͤhlen Monaten geschehen, indem es dann der
                              Vegetation der Baͤume keinen Schaden bringt. Den reichsten Saft geben nach
                              Griffith Quereinschnitte, welche in die
                              groͤßeren der Luftwurzeln gemacht werden. Die Eingebornen graben unter der
                              Einschnittslinie eine Grube in den Boden, in welche sie zur Aufnahme des Saftes ein
                              duͤtenfoͤrmig zusammengelegtes Blatt des Phrynium capitatum legen.
                           Nach Hrn. Griffith geben die verschiedenen Arten von Tetranthera, auf denen die Moonga-Seidenraupe
                              lebt, so wie auch die Pflanze, welche das Ricinusoͤhl (castor oil) liefert, und von der sich die Eria-Seidenraupe
                              naͤhrt, keinen milchigen Kautschuksaft. Es scheint daher nicht ganz richtig,
                              wenn Dr.
                              Royle in seinem schoͤnen Werke uͤber Indien sagt,
                              daß Kautschuk nothwendig zu den Bestand theilen des Seidenraupenfutters
                              gehoͤre, und daß ihr Gespinnst hiedurch seine Zaͤhheit bekommt. Die
                              Chemie scheint dieß noch mehr zu bestaͤtigen; denn die Seide enthaͤlt
                              11,33 Proc. Stikstoff und der Kautschuk gar keinen; derselbe ist bloß ein fester
                              Kohlenwasserstoff, waͤhrend die Seide in 100 Theilen aus 34,04 Sauerstoff,
                              11,33 Stikstoff, 50,60 Kohlenstoff und 3,94 Wasserstoff besteht. Ein
                              aͤhnlicher Kohlenwasserstoff findet sich haͤufig in den Pflanzen,
                              welche zu den Familien der Euphorbiaceen und Urticeen gehoͤren, und welche
                              als die Hauptlieferanten des Kautschuks zu betrachten sind.
                           Dr.Royle sandte an die wissenschaftlichen und
                              landwirthschaftlichen Gesellschaften von Bengalen Cylinder von 1 1/2 bis 2 1/2 Zoll
                              Durchmesser und 4 bis 5 Zoll Laͤnge, welche den Eingebornen als Muster
                              fuͤr die dem Kautschuk zu gebenden Formen empfohlen werden sollen. Griffith hingegen findet diese Form, welche auch von der
                              London Joint-Stock-Caoutchouc-Company angenommen ist, eine der
                              schlechtesten, da sie viele Muͤhe und Arbeit macht, da sie veranlaßt, daß
                              sich der Kautschuk beim Troknen schwaͤrzt, und doch der Klebrigkeit, die der
                              Saft bekommt, wenn er der Sonne ausgesezt wird, nicht abhilft. Weit besser ist es
                              seiner Ansicht nach, ihn mit der Hand zu bearbeiten, in Wasser zu bleichen und dann
                              einem Druke auszusezen. Ich will jedoch eine noch bessere Methode angeben, auf die
                              ich kam, als ich kuͤrzlich einige Versuche mit Kautschuksaft anstellte; denn
                              mit einiger Vorsicht, bei sorgfaͤltiger Absperrung der Luft und Anwendung von
                              Waͤrme laͤßt sich diese Fluͤssigkeit sehr lange Zeit hindurch
                              aufbewahren.
                           Nach meinen Versuchen hat der beste compacte Kautschuk von Para, in Alkohol genommen,
                              ein spec. Gewicht von 0,941567; jener von Assam eines von 0,942972; jener von
                              Singapore eines von 0,936650; und jener von Penang eines von 0,919178. Bei der
                              Verfertigung elastischer Gewebe wird den Kautschukfaͤden zuerst alle
                              Elasticitaͤt genommen. Man dehnt sie zu diesem Zweke, indem man sie auf einen
                              Haspel aufwindet, auf das 7 bis 8fache ihrer natuͤrlichen Laͤnge aus,
                              und laͤßt sie in ausgedehntem Zustande 2 bis 3 Wochen lang auf den Haspeln.
                              Diese ihrer Elasticitaͤt beraubten Kautschukfaͤden haben ein spec.
                              Gewicht von 0,948732; gibt man ihnen durch Reiben in der erwaͤrmten Hand
                              wieder ihre fruͤhere Laͤnge, so vermindert sich das specifische
                              Gewicht desselben Fadenstuͤkes auf 0,925939. Diese Erscheinung ist mit einer
                              anderen beim Drahtziehen beobachteten verwandt; hiebei wird naͤmlich das
                              Eisen oder der Messing verdichtet, hart und sproͤde, waͤhrend sich
                              viele Waͤrme entwikelt. Lezteres ist auch bei dem Kautschuk der Fall, und
                              zwar in einem solchen
                              Grade, daß es ungewohnte Haͤnde nicht auszuhalten im Stande sind.
                           Da mir von Hrn. Sievier, dem Director der
                              Joint-Stock-Caoutchouc-Company, und Hrn. Beale zwei verschiedene Proben von Kautschuksaft uͤberlassen
                              wurden, so habe ich einige Versuche damit vorgenommen. Das erstere dieser Muster
                              hatte eine graulich-braune, das leztere eine milchig graue Farbe; in beiden
                              Faͤllen war diese Faͤrbung durch das Daseyn eines dem Aloebitter
                              aͤhnlichen Stoffs, der zugleich mit dem Kautschuk aus dem Baume ausfließt,
                              bedingt. Das erstere, welches bei einer duͤnnen Rahm-Consistenz ein
                              spec. Gewicht von 1,04125 zeigte, gab, wenn man es in einer duͤnnen Schichte
                              auf einer Porzellantasse einige Tage uͤber der Luft aussezte, oder auch durch
                              Sieden 20 Proc. festen Kautschuk. Das leztere, welches seiner dikeren
                              Rahm-Consistenz ungeachtet nur ein spec. Gewicht von 1,0175 hatte, gab nicht
                              weniger als 37 Proc. weißen, festen und sehr elastischen Kautschuk. Sehr interessant
                              ist es zu beobachten, wie schnell und fest sich die einzelnen kleinen
                              Kautschukfaͤden beim Sieden, besonders wenn der Kautschuksaft
                              umgeruͤhrt wird, zu einer schwammigen Masse verbinden. Man darf jedoch nicht
                              vergessen, hiebei Wasser zuzugießen, weil sich sonst der geronnene Kautschuk an die
                              Waͤnde und an den Boden des Gefaͤßes anlegt und dadurch verbrannt
                              wird. Um die auf solche Weise entstehende schwammige Masse in guten Kautschuk zu
                              verwandeln, braucht man sie nur zwischen einem Tuche einer maͤßigen Pressung
                              auszusezen. Nach diesem Verfahren wird der Bitterstoff und die sonstigen
                              vegetabilischen Substanzen, womit die auf Java und in Assam gewonnenen
                              Kautschukmassen verunreinigt sind, gaͤnzlich beseitigt, und man
                              erhaͤlt ein beinahe weißes und geruchloses Praͤparat.
                           Einige der aus Amerika kommenden Kautschukkuchen stoßen, wenn man sie entzwei
                              schneidet, einen Geruch nach faulem Kaͤse aus, und dieser Geruch
                              haͤngt selbst nach allen Reinigungsmethoden noch den aus ihnen fabricirten
                              Faͤden an. In vielen Kautschukkugeln, sie moͤgen aus Brasilien oder
                              aus Ostindien kommen, findet man haͤufig Nester einer klebrigen theerartig
                              aussehenden Substanz, welche der Luft ausgesezt, gleichsam wie ein
                              Gaͤhrungsstoff wirkt, und den ganzen Kautschuk in eine zu Nichts zu
                              brauchende weiche Substanz umwandelt. Diese beiden Maͤngel wuͤrden
                              vermieden, und mit viel geringerem Aufwande an Zeit und Arbeit erhielte man eine
                              reinere Waare, als bisher je zu Markte gebracht wurde, wenn man den frischen
                              Kautschuksaft mit seinem Volumen oder auch mit etwas mehr Wasser sieden wollte, wie
                              ich es hier angegeben habe.
                           Keine der mir zur Verfuͤgung gestellten Proben des Kautschuksaftes zeigte irgend eine Spur von
                              Gerinnung, wenn man sie in was immer fuͤr Verhaͤltnissen mit Alkohol
                              von 0,825 spec. Gewicht versezte. Ich vermuthe hienach, daß Eiweiß nicht zu den
                              nothwendigen Bestandtheilen des Kautschuksaftes gehoͤrt, wie dieß Faraday nach seinen im 21sten Bande des Journal of the Royal Institution bekannt gemachten
                              Versuchen annimmt. Die von Hrn. Sievier empfangene Probe
                              hatte einen etwas saͤuerlichen Geruch; jene des Hrn. Beale, die viel reicher und reiner war, hatte gar keinen unangenehmen
                              Geruch. Leztere zeigte anfaͤnglich einen milden und sehr schwachen Geschmak,
                              der jedoch spaͤter wegen des beigemengten Bitterstoffs ein starkes Bitter auf
                              der Zunge zuruͤkließ. Erstere hatte gleich von Anfang an wegen ihres starken
                              Gehaltes an Bitterstoff einen bitteren Geschmak. Wenn die braune Aufloͤsung,
                              welche nach Abscheidung der schwammigen Kautschukmasse durch Sieden
                              zuruͤkbleibt, durch ein Filter geseiht und eingedampft wird, so
                              erhaͤlt man aus 100 Granen des reicheren Saftes 4 Grane Bitterstoff.
                           Beide Proben vermischten sich leicht mit Wasser, Alkohol und Holzgeist, ohne jedoch
                              dadurch heller oder klarer zu werden. Dagegen vermischten sie sich weder mit
                              Kautschukcin (dem Oehl, welches man bei der trokenen Destillation des Kautschuks
                              erhaͤlt), noch mit Steinoͤhl; sie blieben in diesen
                              Fluͤssigkeiten am Boden eben so unangegriffen, wie Wasser in Queksilber.
                              Aezende Natronlauge loͤste den Saft nicht auf; Salpetersaͤure
                              verwandelte ihn in ein rothes dikes Magma. Die filtrirte Aufloͤsung des
                              Bitterstoffs zeigte mit salzsaurem Baryt und Silber keine Reaction; kleesaures
                              Ammoniak zeigte darin eine Spur von Kalk.
                           Ich hoffe demnaͤchst in einem weiteren Aufsaze einige interessante, die
                              Fabrication des Kautschuks im Großen betreffende Thatsachen bekannt machen zu
                              koͤnnen.