| Titel: | Ueber die im Jahr 1851 in der Experimentir-Seidenzuchtanstalt zu St. Tulle gemachten Versuche, hinsichtlich der Verbesserung des Zuchtverfahrens und der Krankheiten der Seidenwürmer; von F. E. Guérin-Meneville. | 
| Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. XXXIV., S. 148 | 
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                        XXXIV.
                        Ueber die im Jahr 1851 in der
                           								Experimentir-Seidenzuchtanstalt zu St. Tulle gemachten Versuche, hinsichtlich der
                           								Verbesserung des Zuchtverfahrens und der Krankheiten der Seidenwürmer; von F. E.
                              									Guérin-Meneville.
                        Aus den Comptes rendus, Februar 1852. Nr.
                              								7.
                        Guérin-Meneville, über Seidenraupenzucht.
                        
                     
                        
                           Jedermann weiß, wie ungünstig die Temperatur des Frühlings im J. 1851 war und wie
                              									schwer die Maulbeerblätter zu ihrer Entwickelung kamen, die grüne Farbe und die
                              									Eigenschaften eines guten Nahrungsmittels bekamen.
                           Der nachtheilige Einfluß eines Blattes, welches mit der Entwickelung des Seidenwurms
                              									nicht gleichen Schritt halten konnte, wurde auch im Departement der Niederalpen
                              									empfunden, und viele Anstalten, große und kleine, litten vollkommen Mangel.
                           Auch in der Magnanerie zu St. Tulle machte sich die schlechte Beschaffenheit der
                              									Blätter fühlbar; aber man begegnete ihrem Einfluß auf die Würmer durch zahlreiche
                              									Vorsichtsmaaßregeln, durch zweckmäßige Heizung und Lüftung, durch die Auswahl der
                              									Bäume deren Blätter in verschiedenen Zeitpunkten der Zucht verfüttert wurden, und in
                              									mehreren Fällen auch dadurch, daß man aus den zu verfütternden Blättern diejenigen
                              									ausschied, welche die normale Farbe nicht völlig erlangt hatten und den Würmern,
                              									wenn man sie gezwungen hätte dieselben zu verzehren, Krankheiten verursacht
                              									hätten.
                           In genanntem Jahre herrschten außer der Muscardine, deren Keimkörner fast in allen
                              									Seidenzuchtanstalten der Gegend verbreitet sind, noch viele andere Krankheiten,
                              									welche nur der schlechten Beschaffenheit der Blätter und den in der Gegend
                              									herrschenden üblen Gewohnheiten  bei der Zucht zugeschrieben werden können. Eine
                              									Krankheit, welche ebenso viele Verheerungen anstellte wie die Muscardine, ist die
                              									sogenannte Mattigkeit (passis). Diese Krankheit, welche ich mit jenen der höhern Thiergattungen
                              									vergleiche, die durch Störungen in deren Respirationsprocesse veranlaßt werden,
                              									zeigte sich von der dritten Häutung an und besonders heftig am Ende der vierten
                              									Häutung, und war in einigen Magnanerien die Ursache völligen Mißrathens Ich habe sie
                              									so gut als möglich studirt, und einige Sectionen, welche ich vornahm, bestätigten
                              									meine Ansicht über die sie veranlassenden Störungen, welche in den Luftröhren, in
                              									den Respirationsorganen eintreten, was auch Hr. Jourdan
                              									zu Lyon bestätigte.
                           Schon seit mehreren Jahren hatte ich bemerkt, daß die Zuchten bei den Bauern in dem
                              									als Küche dienenden Raum, welcher sich meistentheils zu ebener Erde befindet,
                              									beinahe immer gelingen, während diejenigen Zuchten, welche sie auf ihren Speichern,
                              									in unbewohnten Zimmern vornehmen, und namentlich solchen, wo sie nicht kochen,
                              									jedesmal von verschiedenen Krankheiten, vorzüglich von der Muscardine befallen
                              									werden. Ich konnte mir anfangs diese Verschiedenheit der Resultate nicht erklären;
                              									doch kam ich auf eine Vermuthung, von deren Richtigkeit ich mich dieses Jahr
                              									überzeugen konnte, als ich viele kleine Züchtereien in mehreren Dörfern besuchte.
                              									Meine Nachforschungen ergaben nämlich, daß das Gelingen der Zuchten, welche die
                              									Bauern zu ebener Erde veranstalten, in dem Raum wo sie kochen, dem durch das
                              									tägliche Feuer zur Bereitung der Kost hervorgebrachten Luftzug (der Ventilation)
                              									zuzuschreiben ist, so wie dem Umstand, baß die Thür dieser Stube, in welcher
                              									gewöhnlich auch das Bett steht, häufig geöffnet wird. Ich betrachte daher die
                              									Ventilation durch das Feuer, nach Dandolo's Verfahren,
                              									als ein schätzbares Mittel für diejenigen Seidenzüchtereien, welche nicht nach d'Arcets Verfahren eingerichtet werden können, und
                              									namentlich für Bauernhäuser, wo die verbesserten Verfahrungsweisen doch niemals in
                              									Anwendung kommen können, und zweifle nicht, daß die kleinen Seidenzüchter in andern
                              									Räumen ihres Hauses gute Zuchten zuwege bringen werden, wenn sie sich entschließen
                              									Kamine darin anzubringen und so viel Feuer in denselben unterhalten, daß die
                              									verdorbene Luft in Bewegung gesetzt und durch die Verbrennung verzehrt wird.
                           Uebrigens wurde diese meine Ansicht durch eine merkwürdige Thatsache bestätigt,
                              									welche mir Hr. v. Villeneuve mittheilte und die ich hier,
                              									wie sie mein Tagebuch (23. Junius 1851) enthält wieder gebe.
                           
                           
                              „Mehrere Jahre nach einander hatte ein Landmann im Var-Departement
                                 										den besten Erfolg mit seiner ziemlich großen Züchterei in einem auf dem Erdboden
                                 										selbst aufgebauten Schafstall, der eine einzige Thür, statt der Fenster einige
                                 										kleine Oeffnungen, und ein Ziegeldach von geringer Höhe hatte. Dieser Landmann
                                 										hält seine Thür verschlossen und mit einem doppelten Tuch überzogen, er
                                 										verstopft die Mauerlöcher mit Stroh und es dringt gar kein Licht in diese einem
                                 										Keller gleichende Höhle. Um darin ein wenig zu sehen, unterhält er in der Mitte
                                 										seines Stalles ein Feuer, welches er mittelst Fichtenzweigchen oft zum
                                 										Aufflackern bringt. Dieses Feuer gibt einen sehr starken Rauch, welcher durch
                                 										die Zwischenräume der Ziegel hinauszieht. Hr. v. Villeneuve bemerkte, baß in der Nähe des Feuers die Temperatur viel
                                 										höher war, was aber den Würmern nicht schadete, die hier wie an allen andern
                                 										Stellen dieser sonderbaren Seidenzuchtanstalt gediehen.“
                              
                           Offenbar ist das in diesem Stall erhaltene gute Resultat der durch das Feuer
                              									bewirkten Ventilation zuzuschreiben. Diese einfache Beobachtung kann für die
                              									Seidenzucht sehr wichtig werden, und ich fordere daher die Seidenzüchter auf, sich
                              									die Vortheile der Ventilation dadurch zu verschaffen, daß sie Feuer in ihren
                              									Anstalten unterhalten.