| Titel: | Neues Verfahren der Brodbereitung. – Ueber die chemischen Untersuchungen des Hrn. Mège-Mouriès bezüglich des Weizens, des Weizenmehles und der Brodbereitung mit demselben; Bericht von Prof. Chevreul. | 
| Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. LVI., S. 209 | 
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                        LVI.
                        Neues Verfahren der Brodbereitung. – Ueber
                           								die chemischen Untersuchungen des Hrn. Mège-Mouriès bezüglich des Weizens, des
                           								Weizenmehles und der Brodbereitung mit demselben; Bericht von Prof. Chevreul.
                        Aus den Comptes rendus, Januar 1857, Nr.
                              								2.
                        Mège, neues Verfahren der Brodbereitung.
                        
                     
                        
                           Im Juni 1856 überreichte Hr. Mège-Mouriès der (französischen) Akademie der
                              									Wissenschaften eine zum Theil theoretische, zum Theil praktische Untersuchung über
                              									die Brodbereitung; einerseits gelang es ihm die wahre Ursache der Färbung des
                              									schwarzen Brodes zu entdecken und das Mittel zu finden, um die Färbung der Krume zu
                              									verhüten, selbst wenn
                              									die Kleie im Brodteig verbleibt; anderseits hat er ein neues Verfahren der
                              									Brodbereitung vorgeschlagen, welches kein bloßes Project mehr ist, da ein Pariser
                              									Kosthaus drei Monate lang das neue Brod bezog und seit dem Monat Juni 1856 das
                              									Personal des Waisenhauses St.-Charles zu Paris kein anderes Brod genossen
                              									hat.
                           Die Commission, welche zur Prüfung dieses für die Volkswirthschaft so wichtigen
                              									Verfahrens von der Akademie ernannt wurdeSie bestand aus den Professoren Dumas, Pelouze, Payen,
                                       												Peligot und dem Berichterstatter Chevreul., glaubte derselben nur aus der Erfahrung abgeleitete, bestimmte Thatsachen
                              									vorlegen zu dürfen und hat, um ihr Ziel zu erreichen, folgenden Weg
                              									eingeschlagen:
                           Der Seinepräfect gestattete der Commission auf ihr Ansuchen bereitwilligst, Versuche
                              									in der Bäckerei der Pariser Spitäler anzustellen, und Hr. Merruau, Generalsecretär der Seine, wurde beauftragt, die Commission mit
                              									Hrn. Salone, Director der Scipion-Bäckerei, in
                              									Verbindung zu setzen. Auf diese Weise waren wir in Stand gesetzt, unsere Versuche
                              									auf das Beste durchzuführen.
                           Man kam vor Allem überein, daß Hr. Mège-Mouriès sich mit Hrn. Salone zu verständigen und Hr. Salone ihm alles
                              									zu geben habe, was er zu seinen Operationen brauche; ferner daß die Commission sich
                              									erst dann betheilige, wenn den Versuchen zufolge anzunehmen sey, daß im Großen
                              									angestellte Operationen irgend ein bestimmtes Resultat geben können.
                           Drei Operationen wurden in der Scipionbäckerei von Hrn. Mège-Mouriès in Gegenwart des Hrn. Salone ausgeführt.
                           Das Gewicht des Getreides, des Mehles, der von diesem abgesonderten Kleie, des Teiges
                              									und des gebackenen Brodes wurden mit den Waagen der Anstalt in Gegenwart der HHrn.
                              										Mège und Salone
                              									bestimmt und die Aufzeichnung dieser Gewichte noch denselben Tag, nebst Proben des
                              									nach dem neuen Verfahren und zum Vergleiche auch nach dem alten Verfahren bereiteten
                              									Brodes, der Commission zugestellt.
                           Dem letzten Versuche wohnte die Commission selbst bei, und der Berichterstatter
                              									beorderte Hrn. Arnodon, einen seiner befähigtsten
                              									Schüler, die Operationen auf das Genaueste zu überwachen; was dieser darüber
                              									berichtete, stimmte genau mit den Ziffern überein, wie sie die HHrn. Mège-Mouriès und Salone angegeben hatten.
                           Wir werden zunächst den wissenschaftlichen Theil der Untersuchungen des Hrn. Mège-Mouriès besprechen, dann zur
                              									Anwendung derselben auf die Praxis übergehen.
                           
                        
                           
                           I. Theil. – Untersuchungen des Hrn. Mège-Mouriès in
                                 										theoretischer Beziehung.
                           Hr. Mège-Mouriès übergab der Akademie
                              									schon vor drei Jahren eine Arbeit über das KleienbrodPolytechn. Journal Bd. CXXXII S.
                                       											141., welcher zufolge er unter der Fruchthülle, im Innern der Keimhülle des
                              									Kerns, einen wirksamen Stoff, ein Ferment, gefunden hatte, den er seitdem Cerealin benannte; dieser Körper, obwohl dem eigentlichen
                              									Kern angehörend, findet sich vollständig oder doch fast vollständig in der Kleie
                              									wieder, und nicht im Mehl erster Sorte, welches in Paris zur Bereitung des weißen
                              									Brodes ausschließlich angewendet wird. Hr. Mège-Mouriès fand, daß die Auslösung des Cerealins,
                              									aus Kleie und Wasser bei einer Temperatur unter 40° R. bereitet, die
                              									Eigenschaft besitzt, das Stärkmehl zu verflüssigen (löslich zu machen), wie es das
                              									Diastas thut, und er schrieb der Gegenwart des Cerealins im Teige des Kleienbrodes
                              									den Umstand zu, daß dasselbe eine minder feste Krume bekommt als das weiße Brod,
                              									weil unter dem Einfluß des Cerealins viel Stärkmehl in auflösliche Substanz
                              									verwandelt worden sey. Diese Wirkung des Cerealins schien damals den Aerzten, welche
                              									in gewissen Krankheiten Kleienbrod vorschrieben, die leichtere Verdaulichkeit
                              									desselben im Gegensatz mit dem weißen Brod zu erklären.
                           Hr. Mège-Mouriès, indem er seine
                              									Arbeiten über das Kleienbrod und das Weißbrod fortsetzte, kam zu den merkwürdigen
                              									Resultaten, welche wir nun mittheilen wollen. Vor ihm glaubte man immer, daß das
                              									schwarze Brod seine Farbe der Kleie verdankt, weil das schwarze Brod mit Kleie enthaltendem Mehl bereitet wird, das weiße Brod hingegen mit kleiefreiem Mehl. Dieser Schluß
                              									war aber ein irriger, wie die zwei Thatsachen beweisen, welche wir auseinandersetzen
                              									werden, nachdem wir den Unterschied zwischen dem Verfahren der Pariser Bäcker bei
                              									Bereitung des weißen Brodes und dem neuen Verfahren des Hrn. Mège-Mouriès angedeutet haben.
                           
                              Gewöhnliches oder altes Verfahren der Brodbereitung zu
                                    											Paris.
                              Das Pariser Weißbrod wird mit dem Mehl erster Sorte (1re
                                    											marque) bereitet, welches, keine Kleine enthaltend, aus feinstem Mehl (Blumenmehl), aus Mehl vom 1sten weißen Gries und Mehl vom 2ten weißen Gries
                                 										besteht. Wenn 100 Thle. Weizen 70 Thle. Mehl erster Sorte gegeben haben, so sagt
                                 										man von solchem Mehle, es sey auf 70 gebeutelt. Was vom Weizen übrig bleibt,
                                 										kann aus 10 Thln. mittelgrober und feiner Kleie und 20 Thln. schwarzer Grütze bestehen, welche
                                 										letztere 3 Thle. feine Kleie und 17 Thle. weißes Mehl enthält.
                              Das Verfahren ist folgendes:
                              
                                 
                                        1) Um 8
                                       												Uhr Abends nimmt man ein Stück Teig, welchesaus 8 Kilogr. Mehl und
                                       												4 Kilogr. Wasser besteht
                                      12,00 Kil.
                                    
                                 
                                        Man
                                       												überläßt ihn bis 6 Uhr Morgens sich selbst, dießist der frische Sauerteig (levain de chef).
                                    
                                    
                                 
                                        2)
                                       												Hierauf knetet man 8 Kil. Mehl und 4 Kil. Wasserbei; dieß ist der
                                       													einmal angefrischte
                                       												
                                       												Sauerteig (levain de
                                          													première)
                                      12,00   „
                                    
                                 
                                        3) Um 2
                                       												Uhr Nachmittags knetet man 16 Kil. Mehlund 8 Kil. Wasser bei, dieß
                                       												ist der zweimal ange-
                                       												
                                       												frischte Sauerteig (levain de seconde)
                                      24,00   „
                                    
                                 
                                        4) Um 5
                                       												Uhr macht man den Sauerteig fertig
                                       												(levain de tout point), indem man 100
                                       												Kil. Mehl beiknetetund 52 Kil. Wasser, welches 200 bis 300
                                       												GrammeBierhefe enthält
                                    152,20   „
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––––
                                    
                                 
                                                                                        Gesammter
                                       												Sauerteig
                                    200,20 Kil.
                                    
                                 
                                        5) Um 7
                                       												Uhr setzt man dem Sauerteig 132 Kilogr.Mehl, 68 Kil. Wasser,
                                       												welches 300 bis 600 GrammeHefe enthält, und 2 Kil. Kochsalz zu; man
                                       												knetet, umden Teig anzumachen
                                    402 Kil.
                                    
                                 
                              Aus diesem Quantum Teig werden fünf bis sechs Gebäcke gemacht, indem man auf
                                 										folgende Weise verfährt.
                              Erstes Gebäcke. – Man nimmt dazu die Hälfte
                                 										des obigen Teiges, welchen man abtheilt, um ihn in geflochtene Schüsseln zu
                                 										bringen, wo er aufgeht, wornach man ihn in den Ofen einschießt.
                              Das Brod vom ersten Gebäcke ist sauer, etwas schwärzlich und hat keine Risse.
                              Zweites Gebäcke. – Der Hälfte des Teiges,
                                 										welcher vom ersten Gebäcke verbleibt, werden 132 Kil. Mehl und ungefähr 68 Kil.
                                 										Wasser, welches 300 bis 600 Gramme Hefe und 2 Kil. Salz enthält, beigeknetet.
                                 										Das Brod ist weißer und besser als dasjenige vom ersten Gebäcke.
                              Drittes Gebäcke. – Der Hälfte des vom zweiten
                                 										Gebäcke übrig bleibenden Teiges werden 132 Kil. Mehl und 68 Kil. Wasser, welches
                                 										300 Gramme Hefe und 2 Kil. Salz enthält, beigeknetet.
                              Viertes Gebäcke. – Wird wie das vorhergehende
                                 										bereitet.
                              Fünftes Gebäcke. – Wie die vorhergehenden
                                 										bereitet. Es gibt alle sogenannten Luxus-Brode.
                              
                           
                              
                              Neues Verfahren der Brodbereitung von
                                    											Mège-Mouriès.
                              Man nimmt an, daß 100 Kilogr. gemahlenen Weizens gegeben haben:
                              
                                 
                                    72 Kil
                                    720 Grm.
                                    feinstes Mehl und weißen Gries,
                                    
                                 
                                    15   „
                                    720    „
                                    schwarze Grütze,
                                    
                                 
                                    15   „
                                    560    „
                                    Kleie.
                                    
                                 
                              1) Um 6 Uhr Abends gibt man in 40 Liter Wasser von etwa 18° R., 70 Gramme
                                 										reiner oder 700 Gramme gewöhnlicher käuflicher Hefe und 100 Gramme Stärkezucker
                                 										(Fruchtzucker). Die Temperatur des Ortes, wo man dieses Gemisch stehen läßt, muß
                                 										ungefähr 18° R. betragen.
                              2) Am andern Morgen, um 6 Uhr, ist die Flüssigkeit mit Kohlensäure gesättigt. Den
                                 										Einfluß dieser Auflösung auf das Cerealin werden wir weiter unten ersehen.
                              Man rührt die 15 Kil. 720 Grm. schwarze Grütze hinein. Die Gährung beginnt
                                 										sogleich.
                              3) Um 2 Uhr Nachmittags setzt man 30 Liter Wasser zu und seiht durch ein
                                 										Seiden- oder Silberdrahtsieb, um die mittlere und die feine Kleie
                                 										abzusondern, welche die schwarze Grütze enthielt.
                              (Diese Kleie erfordert, um ihr das Mehl zu entziehen, 30 Liter Wasser und ein
                                 										nochmaliges Passiren durch das Sieb. Dieses Wasser, welches 1 Kil. 800 Grm. Mehl
                                 										enthält, dient zum Verdünnen des Sauerteigs bei der folgenden Operation.)
                              4) Die 70 Liter, womit man die Grütze behandelt hat, geben, nachdem sie durch das
                                 										Sieb gelaufen, ungefähr 55 Liter, mit denen man die 72 Kil. 720 Grm. weißen
                                 										Mehles, nachdem man 700 Grm. Salz zugesetzt hat, zu Teig anmacht.
                              Der Teig wird in Schüsseln gebracht, wo er gährt.
                              5) Er wird in den Ofen eingeschossen.
                              Wie man sieht, wird das Brod von Mège-Mouriès eigentlich bereitet aus
                              72 Kil. 720 Grm. weißem Mehl und 12 Kil. 20 Grm. Mehl, welches
                                 										von der schwarzen Grütze herrührt.
                              Hr. Mège-Mouriès wendete nicht
                                 										jedesmal Fruchtzucker an. So setzte er, bei dem der Akademie eingereichten
                                 										Verfahren, den 40 Litern Seinewasser 26 Gramme Weinsteinsäure zu, und den 30
                                 										Litern Wasser, welche er nach der Gährung beigab, 20 Grm. Weinsteinsäure; er
                                 										schrieb vor, bei einem Wasser welches mehr kohlensauren Kalk enthielt als das
                                 										Seinewasser, noch mehr Säure zuzusetzen. Uebrigens richtete er sich nach der
                                 										Farbe des Lackmuspapiers, welches merklich geröthet seyn mußte. Citronensäure und selbst
                                 										Essig, auf gleiche Weise angewandt, hatten die gleiche Wirkung.
                              Auf das mehrseitig geäußerte Bedenken, daß eine dem Brode zugesetzte Säure das
                                 										Publicum gegen das neue Verfahren einnehmen dürfte, änderte Hr. Mège-Mouriès dasselbe (wie
                                 										angegeben) ab, und ließ allen Säurezusatz weg.
                              Wir werden später auf den Unterschied zwischen dem gewöhnlichen und dem neuen
                                 										Verfahren zurückkommen.
                              Jetzt wollen wir die beiden Thatsachen mittheilen, welche darthun, daß die Farbe
                                 										des schwarzen Brodes nicht, wie man bisher glaubte, durch die Kleie
                                 										hervorgebracht wird, sondern die Folge des gewöhnlichen Verfahrens der
                                 										Brodbereitung ist.
                              Erste Thatsache. – Bei der Brodbereitung nach
                                 										dem Verfahren von Mège-Mouriès
                                 										mit Mehl, welches 2 bis 5 Thle. Kleie zurückhalten kann, die man von dem Wasser,
                                 										in welches die Grütze gerührt wurde, beim Durchseihen desselben durch das Sieb
                                 										nicht absondert, wird ein Brod von sehr blasser orangegelber Farbe erhalten,
                                 										welche sehr verschieden von der braunen Farbe des schwarzen Brodes ist, das man
                                 										bei Verarbeitung des schwarzen Grützemehls nach dem gewöhnlichen Verfahren
                                 										erhalten hatte. Wenn man die Krume des nach dem neuen Verfahren bereiteten
                                 										Brodes mit der Loupe, oder auch nur mit dem bloßen Auge betrachtet, so nimmt man
                                 										gewahr, daß die orangegelbliche Farbe von den in der weißen Krume zerstreuten
                                 										Kleienhäutchen erzeugt wird.
                              Zweite Thatsache. – Dieselbe wurde dem
                                 										Berichterstatter vom Oberstlieutenant Favé,
                                 										Ordonnanz-Officier des Kaisers, mitgetheilt.
                              Ein Fremder hatte Sr. Majestät die Erwerbung eines Verfahrens vorgeschlagen,
                                 										mittelst dessen alles reine Mehl des Weizens zur Bereitung des weißen Brodes
                                 										sollte verwendet werden können. Das Verfahren bestund darin, das gefärbte
                                 										Häutchen des Korns, also die Fruchthülle, durch Schroten des zugerichteten
                                 										Getreides abzusondern) durch diese Abscheidung aller gefärbten Theile mußte,
                                 										nach der gewöhnlichen Meinung, das Brod offenbar weiß werden. Dieß war aber bei
                                 										dem in der Scipionbäckerei von den HHrn. Favé
                                 										und Salone deßhalb angestellten Versuch nicht der
                                 										Fall. Das Brod war schwarz, zum großen Erstaunen dieser Herren und des Erfinders
                                 										selbst.
                              Die Farbe des schwarzen Brodes ist sonach keineswegs dem Vorhandenseyn von Kleie
                                 										im Mehl zuzuschreiben, wie man bisher annahm, sondern dem Verfahren der
                                 										Brodbereitung, weil Hr. Mège-Mouriès nach seinem Verfahren aus Kleie
                                 										enthaltendem Mehl Brod erhält das nicht schwarz ist, und weil man anderseits aus
                                 										kleiefreiem Mehl, wenn damit das Brod nach alter Weise bereitet wird,
                                 										schwarzes Brod erhalten kann, wie dieses in der Scipionbäckerei der Fall
                                 										war.
                              Ich will nun auseinandersehen, wie Hr. Mège-Mouriès zu diesem Schluß gekommen ist.
                              Er studirte vor Allem die Structur des Weizenkorns, ohne das Mikroskop zu Hülfe
                                 										zu nehmen, so genau, daß seine Resultate durch die mikroskopische Untersuchung
                                 										des Botanikers Trécul vollkommen bestätigt
                                 										wurden.
                              Das Weizenkorn besteht aus der Fruchthülle (dem
                                 										Pericarpium) und dem eigentlichen Kern.
                              A. Fruchthülle. –
                                 										Diese besteht nach Mège-Mouriès
                                 										und Trécul aus drei Theilen.
                              1) Der äußere Theil. – Er ist farblos und hat
                                 										keine Zellen; Mège-Mouriès nennt
                                 										ihn die äußere Fruchthaut (epicarpium), Trécul die Oberhaut (cuticula).
                              2) Der mittlere Theil. – Er besteht aus
                                 										gelbgefärbten Zellen; Mège-Mouriès nennt ihn die Fleischhaut (sarcocarpium).
                              3) Der innere Theil. – Er besteht, wie der
                                 										vorige, aus Zellen und wird von beiden Beobachtern die innere Fruchthaut (endocarpium)
                                 										genannt.
                              B. Eigentlicher Kern.
                                 										– Er besteht aus zwei Hüllen, der äußern Haut
                                 											(testa) und der innern
                                    											Membran; dann dem Eiweißkörper (perispermum) und dem Keim
                                 											(embryo).
                              Mège-Mouriès und Trécul stimmen über die anatomische
                                 										Zusammensetzung der Kleie vollkommen überein.
                              Die Kleie entsteht durch das mittelst Quetschung oder Druck hervorgebrachte
                                 										Zerbrechen oder Zerreißen des Pericarpiums, dem die
                                 											beiden Hüllen des Kerns anhaften, sammt den
                                 										großen äußeren Zellen des Eiweißkörpers und einigen darunter befindlichen Zellen
                                 										welche Stärkmehlkügelchen enthalten.
                              Die großen äußeren Zellen des Eiweißkörpers enthalten kein Stärkmehl; hierüber
                                 										stimmen beide Beobachter überein. Nach Mège-Mouriès enthalten sie hauptsächlich Cerealin und Pflanzencafeïn. Der Kleber mit dem
                                 										Stärkmehl befindet sich unter denselben.
                              Nach dieser Beschreibung der anatomischen Zusammensetzung des Weizenkorns wird
                                 										man Mège-Mouriès' Ansicht über
                                 										den chemischen Proceß der Brodbildung leichter verstehen.
                              Er nimmt im Weizen dieselben näheren Bestandtheile an, wie die Chemiker, nur fand
                                 										er noch einen Stoff in demselben, welchen er Cerealin
                                 										nennt, und der, wie das Pflanzencafeïn und der
                                 											Kleber, durch eine geringe Modication, die vielleicht durch
                                 										den Zutritt der Luftveranlaßt wird, die Eigenschaft eines Ferments erlangt. Diese drei Substanzen sind stickstoffhaltig.
                              Cerealin. – Es ist in Wasser auflöslich, in
                                 										Alkohol unauflöslich.
                              Es wirkt auf das Stärkmehl, das Dextrin, den Fruchtzucker und den Rohrzucker, als
                                 										Ferment.
                              Seine wässerige Auflösung verliert durch die Wärme, von 48° R. an, ihre
                                 										Wirksamkeit; ebenso durch Fällung mittelst concentrirten Alkohols oder Säuren,
                                 										selbst Kohlensäure.
                              Eine aus 9 Theilen Wasser und 1 Thl. Alkohol bestehende Mischung fällt sie, ohne
                                 										ihr ihre Wirksamkeit zu benehmen.
                              Das Diastas verliert seine Wirksamkeit bei 72 bis 80° R., es unterscheidet
                                 										sich also in dieser Hinsicht vom Cerealin.
                              Das Cerealin verwandelt den Stärkekleister in Dextrin, das Dextrin in
                                 										Fruchtzucker und diesen in Milchsäure, bei längerer Berührung sogar in
                                 										Buttersäure.
                              Wenn das Stärkmehl in Form von Kügelchen und im Wasser suspendirt ist, so beginnt
                                 										die Einwirkung des Cerealins erst bei etwa 40° R.
                              Da das Cerealin bei seiner Einwirkung auf das Stärkmehl kein Kohlensäuregas
                                 										bildet, so könnte es, wenn es bei der Brodbildung allein wirken würde, den
                                 										Mehlteig nicht zum Aufgehen bringen.
                              Der Kleienmilch ertheilt es die Eigenschaft, sauer zu
                                 										werden und an der Luft sich zu färben.
                              Den Kleber verändert es stark; derselbe gibt, unter andern Producten, Ammoniak,
                                 										dann eine Substanz, deren braune Farbe an das Ulmin
                                 										erinnert und ein stickstoffhaltiges Product, welches den Zucker in Milchsäure
                                 										umwandeln kann.
                              Caseïn. – Das Caseïn ist
                                 										stickstoffhaltig, wie das Cerealin, auflöslich in Wasser und unauflöslich in
                                 										Alkohol; durch die Säuren wird es gefällt.
                              Obwohl das Caseïn unter den Umständen, wo das Cerealin auf das Stärkmehl
                                 										wirkt, so zu sagen ohne Wirkung ist, kann man doch nicht sagen, daß es absolut
                                 										unwirksam ist, denn mit der Zeit kann es das Stärkmehl in Dextrin, in
                                 										Fruchtzucker und in Milchsäure umwandeln.
                              Kleber. – Der Kleber wird, einige Zeit sich
                                 										selbst überlassen, ein Ferment, welches das Stärkmehl in Dextrin, dieses in
                                 										Fruchtzucker und letzteren in Alkohol und Kohlensäure umwandeln kann.
                              
                              Folgendes ist nach Mège-Mouriès
                                 										der Hergang bei der Brodbildung bei dem alten und dem neuen Verfahren.
                              
                           
                              A. Brodbildung bei dem alten
                                    											Verfahren.
                              a) Schwarzes Brod.
                                 										– Da das Mehl, welches das schwarze Brod gibt, alle näheren Bestandtheile
                                 										des Weizenkorns enthält, so ist es gerade deßhalb geneigt, die größte
                                 										Veränderung von Seite derjenigen näheren Bestandtheile zu erleiden, welche als
                                 											Fermente wirken.
                              Da das Cerealin, das kräftigste von allen Fermenten
                                 										des Weizenmehls, in dem zur Bereitung von Schwarzbrod geeigneten Mehl in viel
                                 										größerer Menge enthalten ist als in dem kleiefreien weißen Mehle erster
                                 										Qualität, so ist es nicht zu verwundern, daß seine Wirkung gegen diejenige des
                                 											Caseïns und des Klebers, welche ebenfalls Fermente sind, vorwaltet. Deßhalb ist die
                                 											milchsaure Gährung vorwaltend gegen die
                                 										dextrinbildende, die fruchtzuckerbildende und die geistige Gährung, welche das
                                 										Caseïn und der Kleber hervorbringen.
                              Jene herrscht in dem Maaße vor, daß sich anfangs mehr Dextrin, mehr Fruchtzucker
                                 										und mehr Milchsäure erzeugt, als verhältnißmäßig Alkohol und Kohlensäuregas
                                 										(welches das Aufgehen des Teiges veranlaßt) und
                                 										hernach auf Kosten des Klebers, Ammoniak und eine braune Substanz; endlich geht
                                 										ein Theil des Klebers selbst in milchsäurebildendes
                                    											Ferment über, und während des Backens verwandelt sich Stärkmehl in
                                 										Dextrin und in Fruchtzucker.
                              Man sieht mithin, daß diese Reaction die Färbung des schwarzen Brodes und die
                                 										Entwickelung von Ammoniak erklärt; ferner daß durch die Verminderung des Klebers
                                 										und seine Veränderung, so wie durch das Vorherrschen der auflöslichen
                                 										Substanzen, wie Dextrin und Fruchtzucker, sich die geringe Festigkeit der Krume
                                 										des schwarzen Brodes, deren Weichheit, klebrige Beschaffenheit und
                                 										Untauglichkeit zur Bereitung von Suppe erklären lassen.
                              Man ersieht daraus ferner, was von der Ansicht zu halten ist, daß das schwarze Brod unbedingt nahrhafter als das weiße sey.
                                 										Auch in dem Falle, wo nachgewiesen würde, daß in dem zu seiner Bereitung
                                 										dienenden Mehle, bei gleichem Gewichte, mehr stickstoffhaltige Substanz
                                 										enthalten ist als im weißen Mehle, wäre dieß noch kein Grund auf größere
                                 										Nahrhaftigkeit des schwarzen Brodes zu schließen, weil durch den Act der
                                 										Brodbildung die stickstoffhaltigen Substanzen eine Veränderung erleiden und
                                 										unter anderen Producten Ammoniak liefern können.
                              b) Weißes Brod. –
                                 										Das weiße Mehl, mit welchem das feinste Brod bereitet wird, enthält kein oder
                                 										beinahe kein Cerealin. Da letzteres. wie schon erwähnt, ganz oder fast ganz mit den
                                 										verschiedenen Kleien beseitigt wurde, so befindet sich das weiße Mehl in einem
                                 										günstigen Zustande, weil die zum Aufgehen des Teiges
                                 										unerläßliche geistige Gährung gegen die milchsaure vorwaltet.
                              Der Teig von weißem Mehl hat, ehe er in den Ofen eingeschossen wird, drei
                                 										Gährungen durchgemacht, die geistige, die essigsaure und die milchsaure.
                              Die erstere muß gegen die beiden anderen vorwalten. Sie geht auf Kosten des
                                 										Fruchtzuckers vor sich, welcher, wenn er nicht im Weizenkorne vorhanden war,
                                 										sich später im Mehle entwickelt hat; sie wird durch Kleberferment hervorgerufen, wenn man dem Teige keine Hefe zugesetzt
                                 										hat. Damit die geistige Gährung gehörig vor sich gehe, muß sich nach dem
                                 										Auswirken des Teiges (Abtheilen desselben in Brode) so viel kohlensaures Gas
                                 										entwickeln, daß der Teig aufzugehen, das heißt sich zu erheben vermag, ohne daß
                                 										seine oberflächliche Schicht berstet, welche die Rinde des ausgebackenen Brodes
                                 										bildet; diese Bedingung wird aber nur dann erfüllt, wenn der Kleber seine ganze
                                 										Zähigkeit behält.
                              Nach Erwähnung des Uebelstandes einer zu großen
                                 										Kohlensäuregas-Entwicklung, durch welche der Teig zu stark in die Höhe
                                 										getrieben und bersten würde, warnt Mège-Mouriès vor einem zu sauren, zu stark
                                 										gegohrenen Sauerteige, welcher die milchsaure Gährung
                                    											veranlassen kann; ein solcher würde nach Art des Cerealins wirken und
                                 										mit dem Teig von weißem Mehl ein mehr oder weniger gefärbtes Brod geben.
                              
                           
                              B. Brodbildung bei dem
                                    											Verfahren von Mège-Mouriès.
                              Dieses Verfahren besteht in drei Hauptoperationen: 1) dem
                                    											Mahlen; 2) der Bereitung des Teiges mit weißem
                                    											Mehle und dem Wasser, worin die schwarze Grütze gegohren hat; 3) dem Backen des aufgegangenen Teiges. Die neue Methode
                                 										ist einfacher als die alten Verfahrungsweisen zur Bereitung des weißen und
                                 										schwarzen Brodes, wie wir im II. Theil sehen werden.
                              1) Mahlen. – Bei diesem Verfahren geht der
                                 										Weizen nur einmal durch die Steine; eine einzige Beutelung reicht hin, um zu
                                 										erhalten 1) das weiße Mehl, welches aus dem Blumenmehl und dem weißen Gries besteht; 2) die schwarze Grütze, und 3) die
                                    											grobe und mittlere Kleie.
                              2) Bereitung des Teiges. – Man braucht nur
                                 										schwarze Grütze, die in ihrem vierfachen Gewichte Wasser eingeweicht wurde, in
                                 											welchem vorher
                                 										Hefe und FruchtzuckerWenn der Zusatz von Weinsteinsäure oder einer andern organischen Säure
                                       												unterbleiben soll. gegohren haben, der geistigen Gährung auszusetzen, 1) um die
                                 										Milchsäurebildung durch das Cerealin, wenn nicht gänzlich, doch größtentheils zu
                                 										verhindern (das Cerealin zu neutralisiren); 2) um die feine Kleie abzusondern;
                                 										3) um mit dem weißen Mehl, indem man ihm das gegohrne Wasser der schwarzen
                                 										Grütze mit seinem Bodensatz zusetzt, einen Teig zu erhalten, welcher den ganzen
                                 										mehligen Theil des Weizenkorns repräsentirt.
                              Der Vortheil dieses Verfahrens besteht nicht nur in der Absonderung der seinen
                                 										Kleie, sondern auch in der erwähnten Neutralisation des Cerealins und der
                                 										Erzeugung einer neuen Quantität Hefe, welche hinreicht um den ganzen Weizenteig
                                 										in den zum Aufgehen desselben geeignetsten Grad geistiger Gährung zu
                                 										versetzen.
                              Die Bierhefe und der Fruchtzucker, welche dem Grützewasser zugesetzt wurden, sind
                                 										die Ursache der Neutralisation des Cerealins; der Beweis dafür ist, daß, wenn
                                 										man 3 bis 5 Theile Kleie im Teige läßt, man statt schwarzen Brodes ein Brod
                                 										erhält, dessen Krume unstreitig weiß ist, wie wir oben gesehen haben.
                              Anderseits bildet sich, wenn die Gährung eine Neutralisation der zugesetzten Hefe
                                 										veranlaßt, eine noch größere Menge Hefe als neutralisirt wurde. Mithin ist
                                 										dieses Grützewasser in vorzüglichem Grade geeignet, den mit sämmtlichem Mehl der
                                 										Weizenkörner erhaltenen Teig zum Aufgehen durch die geistige Gährung zu bringen.
                                 										Daraus erklärt sich die Leichtigkeit des nach dem neuen Verfahren dargestellten
                                 										Brodes.
                              3) Das Backen geschieht ganz so wie beim alten
                                 										Verfahren.
                              
                           
                              Betrachtungen über die Theorie der
                                    										Brodbildung.
                              Bei dem gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft können wir uns zwar noch nicht
                                 										mit Gewißheit über die Natur der einzelnen Gährungsstoffe (Fermente), ihre
                                 										Anzahl und ihre charakteristischen Eigenschaften aussprechen, so viel geht aber
                                 										aus den Untersuchungen des Hr. Mège-Mouriès hervor, daß die Brodbildung völlig
                                 										auf einer zweckmäßigen Gährung des Weizenmehlteiges beruht, und daß es von der
                                 										Leitung dieser Gährung abhängt, ob man weißes oder gefärbtes Brod erhält.
                              Während es keinem Zweifel unterliegt, daß das Cerealin, das Caseïn und der
                                 										Kleber unter einem noch wenig bekannten Einfluß zu Fermenten werden, welche, wie
                                 										wir gesehen haben, unter gleichen Umständen auf verschiedene Weise
                                 										wirken, herrscht dagegen noch die größte Unsicherheit über die wesentlichen
                                 										Eigenschaften des Cerealins, des Caseïns und selbst des Klebers, in ihrem
                                 										reinen Zustande; folglich können wir uns auch noch nicht klar machen, warum das
                                 										Caseïn, obgleich minder kräftig als das Cerealin, mit dem Stärkmehl
                                 										Dextrin, Fruchtzucker und Milchsäure erzeugt; warum der Kleber, welcher unter
                                 										dem Einfluß der Luft ein alkoholbildendes Ferment werden kann, sich unter dem
                                 										Einfluß des Cerealins in Ammoniak, in eine braune Materie und in eine Substanz
                                 										welche selbst ein milchsäurebildendes Ferment ist,
                                 										umwandelt. Endlich fragt es sich, ob eine stickstoffhaltige Materie, indem sie
                                 										nach einander verschiedene Molecularzustände durchgeht, nicht verschiedene
                                 										Gährungswirkungen hervorbringen kann, wovon jede einem dieser Molecularzustände
                                 										entspricht.
                              Wir regen diese Fragen an, nicht um Hrn. Mège-Mouriès' Arbeit zu tadeln, sondern im
                                 										Gegentheil um das Verdienst und die Neuheit derselben hervorzuheben; denn vor
                                 										ihm hätten diese Fragen nicht so bestimmt und klar gestellt werden können.
                              
                           
                        
                           II. Theil. – Ueber die Untersuchungen des Hrn.
                                 										Mège-Mouriès hinsichtlich ihrer praktischen
                                 									Anwendung.
                           Um Hrn. Mège-Mouriès' Arbeit gehörig
                              									zu würdigen, muß das Mahlen, wie es heutzutage geschieht und wie es das neue
                              									Verfahren strenge erheischt, in Betracht gezogen werden.
                           
                              § 1. Vom Mahlen des
                                    											Weizens.
                              Das jetzt (in Frankreich) gebräuchliche Mahlen
                                 										unterscheidet sich von dem früher üblich gewesenen Grobmahlen dadurch, daß man den weißen
                                    											Gries gewöhnlich zweimal durch die Steine gehen läßt, die schwarze Grütze gewöhnlich dreimal, und dann die
                                 										Kleie zu feiner und mittelfeiner vermahlt. Nur das vom ersten und zweiten weißen
                                 										Gries abgesonderte Mehl ist weiß; alles andere Griesmehl ist schwarz. Die
                                 										übrigen Producte des gegenwärtigen Mahlens werden nicht zur Brodbereitung
                                 										verwendet: es sind die Kleien (issues); sie bestehen in weißer und schwarzer Grieskleie (remoulage blanc et bis), schwarzem
                                    											Kleienmehl oder Asterkleie (recoupettes ou rougeurs), feiner, mittlerer und grober Kleie.
                              Wir erinnern, daß das Pariser Weißbrod nur mit dem feinsten Mehl bereitet wird, welches aus dem Blumenmehl und dem Mehl vom ersten und zweiten weißen Gries
                                 										besteht.
                              
                              Folgendes sind die Resultate der vier Mahloperationen, welche unter Aufsicht der
                                 										HHrn. Mège-Mouriès und Salone vorgenommen wurden. Die betreffenden Documente
                                 										enthalten die wirklichen Gewichte jeder Operation und der verschiedenen
                                 										Producte) hier führen wir nur drei Producte auf: das weiße
                                    											Mehl, die grobe oder schwarze Grütze und die
                                 											verschiedenen Kleien, deren Mengenverhältniß auf
                                 										den Centner reducirt.
                              Erste Operation; man verwendete dazu ein neues
                                 										Getreide, wovon der Hektoliter 80 Kilogr. wog:
                              
                                 
                                    weißes Mehl
                                      73,899
                                    
                                 
                                    schwarze Grütze
                                      15,957
                                    
                                 
                                    verschiedene Kleien   
                                      10,144
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––
                                    
                                 
                                    
                                    100,000
                                    
                                 
                              Zweite Operation; dazu diente ein altes Getreide
                                 										mittlerer Qualität, von welchem der Hektoliter 78,66 Kilogr. wog:
                              
                                 
                                    weißes Mehl
                                      74,300
                                    
                                 
                                    schwarze Grütze
                                      12,390
                                    
                                 
                                    verschiedene Kleien   
                                      13,310
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––
                                    
                                 
                                    
                                    100,000
                                    
                                 
                              Dritte Operation; dazu diente ein altes Getreide
                                 										mittlerer Qualität, von welchem der Hektoliter ebenfalls 78,66 Kilogr. wog:
                              
                                 
                                    weißes Mehl
                                      72,060
                                    
                                 
                                    schwarze Grütze
                                      14,250
                                    
                                 
                                    verschiedene Kleien   
                                      13,690
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––
                                    
                                 
                                    
                                    100,000
                                    
                                 
                              
                                 Vierte Operation:
                                 
                              
                                 
                                    weißes Mehl
                                      72,720
                                    
                                 
                                    schwarze Grütze
                                      15,720
                                    
                                 
                                    verschiedene Kleien   
                                      11,560
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––
                                    
                                 
                                    
                                    100,000
                                    
                                 
                              Die Mahlung wird durch das Verfahren von Mège-Mouriès sehr vereinfacht, weil, wie erwähnt,
                                 										das Getreide nur einmal durch die Steine geht und auch nur einmal gebeutelt
                                 										wird, wobei man bloß drei Producte erhält: das Blumenmehl
                                    											nebst der weißen Grütze, die grobe oder schwarze Grütze, und die grobe, mittlere und feine
                                    											Kleie.
                              Diese Einfachheit ist offenbar ein Vortheil für diejenigen Händler und Bäcker,
                                 										welche das Getreide gegen Lohn mahlen lassen, da, mit Berücksichtigung eines
                                 										sehr geringen Verlustes, die Summe der drei Producte das Gewicht des Getreides
                                 										ergeben muß und anderseits die respectiven Mengenverhältnisse dieser Producte
                                 										sich gegenseitig controliren.
                              
                           
                              
                              §. 2. Brodbereitung nach dem
                                    											alten und dem neuen Verfahren, ausgeführt in der
                                    										Scipionbäckerei.
                              Es wurden vier Operationen ausgeführt; die drei letzteren vergleichungsweise; Hr.
                                 											Mège-Mouriès befolgte dabei
                                 										genau das im ersten Theil dieses Berichtes beschriebene Verfahren. Folgendes
                                 										sind die Resultate der vier Operationen, auf den Centner gemahlenen Weizens reducirt.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 144, S. 222
                                 Operat.; Gewicht des Teiges;
                                    											Gewicht d. kalten gebacken Brodes; Gewichts-Unterschied zu Gunsten
                                    											des neuen Verfahrens; A bedeutet altes Verfahren; N bedeutet neues
                                    											Verfahren
                                 
                              Ehe wir auf die Bedeutung dieser Ziffern näher eingehen, müssen wir die
                                 										Schwierigkeiten besprechen, womit die Vergleichung zweier
                                 										Brodbereitungs-Methoden durch Versuche verknüpft ist.
                              Da es unbestreitbar ist, daß das Mehl von neuem Weizen, unter gleichen Umständen,
                                 										kein so weißes und so festes Brod gibt, wie das Mehl von älterem Weizen, so muß
                                 										man, wenn zwei Brodbereitungs-Methoden verglichen werden sollen,
                                 										nothwendig Mehl von demselben Weizen dazu verwenden. Um das nach dem neuen
                                 										Verfahren bereitete Brod zu beurtheilen, darf man daher auch kein gekauftes
                                 										Brod, von welchem die Qualität des Mehles nicht bekannt ist, zur Vergleichung
                                 										nehmen.
                              Anderseits erheischen Versuche, um das Ausgeben zweier Verfahrungsarten zu
                                 										beurtheilen, große Geschicklichkeit von Seite des Bäckers, weil es sehr schwer
                                 										ist das Backen so zu leiten, daß die Verdampfung des Wassers bei jedem Brode in
                                 										gleicher Weise vor sich geht.
                              Die Commission war bemüht, diese Schwierigkeiten möglichst zu vermindern. So hat
                                 										sie drei vergleichende Versuche mit demselben Mehle gemacht, und der letzte
                                 										dieser Versuche ist es in noch höherem Grade als die zwei anderen, aus folgendem
                                 										Grunde. Anstatt dem zum alten Verfahren der Brodbereitung bestimmten Mehle nach einander frischen Sauerteig, einmal angefrischten Sauerteig,
                                    											zweimal angefrischten und fertigen Sauerteig
                                 										beizukneten, um die zum Aufgehen des Teiges unerläßliche Gährung herzustellen,
                                 										mischte man ihm Bierhefe bei, also dasselbe Ferment, welches bei dem nach dem
                                 										neuen Verfahren zu Brod verarbeiteten Mehle angewendet wurde. Obwohl nur
                                 										vergleichende Versuche beweisend sind, haben wir doch auch den ersten Versuch
                                 										aufgeführt, zumal derselbe ein mit den drei anderen übereinstimmendes Resultat
                                 										gegeben hat.
                              Eben diese Übereinstimmung unter den vier Versuchen und der geringe
                                 										Unterschied der Ziffern 19, 20, und 17, welche die Differenzen im Ergebniß an
                                 										gebackenem Brod bei den drei vergleichenden Operationen bezeichnen, flößen uns
                                 										Vertrauen in die mitgetheilten Resultate ein und sind zugleich ein günstiges
                                 										Zeugniß für die geschickte Leitung der Spitalbäckerei durch Hrn. Salone.
                              Diesen Resultaten ist jedoch keine absolute Gültigkeit hinsichtlich des Ausgebens
                                 										der beiden Verfahrungsarten beizulegen; 100 Theile Weizen werden nach den beiden
                                 										Methoden nicht immer die in der Scipionbäckerei erhaltenen numerischen Resultate
                                 										geben ohne Rücksicht auf die Natur und den Feuchtigkeitsgrad des Mehles.
                              
                           
                              Eigenschaften des neuen Brodes, im Vergleich mit jenen des
                                    											alten.
                              Die zwischen den beiden Broden zuerst anzustellende Vergleichung betrifft ihren
                                 										Gewichtsverlust an der Luft; denn möglicherweise könnte ja bei dem neuen
                                 										Verfahren eine beträchtliche Menge nahrhafter Substanz verschwinden, indem sie
                                 										sich in Wasser verwandelt, so daß im neuen Brod mehr Wasser enthalten wäre als
                                 										im bisherigen. In dieser Hinsicht ergaben die Versuche Folgendes:
                              
                                 
                                    100 Thle. Krume des neuen Brodes
                                       												verloren   
                                    37,5 Wasser
                                    
                                 
                                          „                  
                                       												„      bisherigen    
                                       												„
                                    37,8      „
                                    
                                 
                                    100 Thle. Rinde des neuen Brodes
                                       												verloren
                                    14,2      „
                                    
                                 
                                          „                  
                                       												„      bisherigen    
                                       												„
                                    12,0      „
                                    
                                 
                              Dieß sind offenbar geringe Unterschiede.
                              Hr. Peligot fand bei Wiederholung dieser Versuche, daß
                                 										bei der Temperatur von 96° R. (120° C.)
                              
                                 
                                    100 Thle. des neuen Brodes, Krume und
                                       												Rinde, verloren   
                                    34,9 Wasser,
                                    
                                 
                                    100    „      „  
                                       												bisherigen      
                                       												„              „              „
                                    34,1      „
                                    
                                 
                              Hr. Payen erhielt nahezu dasselbe Resultat.
                              Hr. Mège-Mouriès fand auch stets,
                                 										daß sein Brod, wie das bisherige, bei 20 bis 24° R., 30 Proc. Wasser
                                 										verliert.
                              
                              Die übrigen Eigenschaften des neuen Brodes anbelangend, darf man daraus, daß
                                 										einzelne Proben desselben eine lichtgelbe Färbung hatten, nicht schließen, diese
                                 										Färbung sey dem Product des neuen Verfahrens eigentümlich; denn sehr viele Brode
                                 										waren absolut farblos.
                              Das neue Brod ist leichter verdaulich als das bisherige, schmeckt angenehmer und
                                 										ist vollkommen gesund, was durch das Zeugniß des Pfarrers Hamon und des Dr. Blatin, beide im Waisenhaus St. Charles, nach halbjährigem täglichem
                                 										Genuß desselben von den Kindern und Schwestern in dieser Anstalt bestätigt
                                 										wird.
                              
                           
                        
                           Rückblick.
                           1) Die Färbung des schwarzen Brodes rührt nicht von der Gegenwart von Kleie im Mehle
                              									her, sondern hängt von einer eigenthümlichen Gährung des Mehles ab; diese Gährung
                              									wird durch das Cerealin oder durch eine zu große Veränderung (Zersetzung) des
                              									Sauerteigs aus weißem Mehle veranlaßt. Zwei Thatsachen beweisen dieß: wenn man die
                              									Wirkung des in der Kleie enthaltenen Cerealins paralysirt, so erhält man trotz der
                              									Gegenwart der Kleie ein Brod, dessen Krume wahrhaft weiß ist; zweitens erhält man,
                              									wenn man sich eines zu sehr zersetzten (zu stark gegohrenen) frischen Sauerteigs von weißem Mehle bedient, mit kleiefreiem Mehle ein
                              									mehr oder weniger gefärbtes Brod, wie es in der Scipionbäckerei vorgekommen ist.
                           2) Die beim neuen Verfahren anwendbare Mahlmethode ist viel einfacher als das
                              									gewöhnliche Mahlsystem, und für die Bäcker, welche gegen Lohn mahlen lassen, sehr
                              									vortheilhaft, weil bei diesem Verfahren der Weizen nur einmal vermahlen und
                              									gebeutelt zu werden braucht.
                           3) Die Anfertigung des Teiges ist beim neuen Verfahren ebenfalls viel einfacher, als
                              									beim alten; denn man erspart dabei die Zubereitung des frischen Sauerteigs, des einmal angefrischten,
                              									des zweimal angefrischten und des fertigen Sauerteigs,
                              									gerade die schwierigsten Arbeiten des Bäckers, bei denen er am meisten von seinen
                              									Arbeitern abhängig ist; dagegen genügt es, die in Wasser gerührte schwarze Grütze
                              									mittelst Hefe in Gährung zu versetzen, die gegohrene Flüssigkeit zur Absonderung der
                              									feinen Kleie durch ein Sieb zu seihen, und sie nachher anzuwenden um das weiße Mehl
                              									in Teig zu verwandeln und diesen zum Aufgehen zu bringen.
                           4) Bei dem neuen Verfahren erhält man aus 100 Theilen Weizen 86 bis 88 Th. Mehl zur
                              									Bereitung von Weißbrod, wogegen das alte Verfahren nur 70 bis 74 Th. liefert. Bei
                              									den drei, in der Scipionbäckerei im Großen ausgeführten Operationen erhielt man von
                              									100 Theilen desselben
                              									Weizens 19, 20 und 17 Theile mehr Brod als durch das alte Verfahren.
                           So viel, was das Weißbrod anbelangt; aber das neue Verfahren gewährt den weitern
                              									Vortheil in Vergleich mit dem alten, daß mittelst desselben ein dem Weißbrod im
                              									Ansehen sehr ähnliches Brod bereitet werden kann, obgleich es das Mengenverhältniß
                              									von Kleie enthält, welches dem nach dem alten Verfahren bereiteten Brod die bekannte
                              										schwarze Farbe ertheilt. Ohne Zweifel wird man sich
                              									auf dem Lande und überall, wo schwarzes Brod genossen wird, des neuen Verfahrens
                              									bedienen, ohne dabei das gegohrene Wasser von der schwarzen
                                 										Grütze durch das Sieb seihen zu müssen.
                           5) Die Vorzüge des neuen Verfahrens vor dem alten hinsichtlich des Ausgebens des
                              									Weizens an Weißbrod scheinen uns genügend erwiesen zu seyn. Die Güte und Gesundheit
                              									des neuen Brodes anbelangend, ist das vorliegende Urtheil darüber nicht bloß
                              									dasjenige der Commission, sondern es beruht auf den oben erwähnten Zeugnissen,
                              									welche nach halbjährigem Genuß dieses Brodes in einer Anstalt von 115 Personen
                              									ausgestellt wurden.
                           Die Brodbereitung hat bis auf unsere Zeit noch so wenige Abänderungen aufzuweisen,
                              									daß die Wichtigkeit der Arbeit des Hrn. Mège-Mouriès nicht zu verkennen ist. Sein Verfahren
                              									beruht auf ihm eigenen chemischen Versuchen und hat sich durch bereits einjährige
                              									Anwendung im Großen bestätigt; es entspricht auch einem Bedürfniß der Bewohner
                              									großer Städte, welche nur weißes Brod wollen.