| Titel: | Ueber die Darstellung und Benutzung der Phosphorsäure zur Entkalkung der Zuckersäfte, sowie über rationelle Verwendung der Superphosphate in den Zuckerfabriken; von Dr. C. Scheibler. | 
| Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. LIV., S. 267 | 
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                        LIV.
                        Ueber die Darstellung und Benutzung der
                           Phosphorsäure zur Entkalkung der Zuckersäfte, sowie über rationelle Verwendung der
                           Superphosphate in den Zuckerfabriken; von Dr. C. Scheibler.
                        Aus der Zeitschrift des Vereines für die
                                 Rübenzucker-Industrie des deutschen Reiches, Decemberheft 1873,
                              S. 973.
                        Scheibler, über Darstellung und Benutzung der Phosphorsäure zur
                           Entkalkung der Zuckersäfte.
                        
                     
                        
                           In den letzten Jahren habe ich wiederholt Veranlassung genommen, den
                              Zuckerfabrikanten die Benutzung der Phosphorsäure nach zwei verschiedenen Richtungen
                              zu empfehlen, einmal als Entkalkungs- und Neutralisationsmittel für
                              geschiedene Rübensäfte,Vereins-Zeitschrift, Jahrgang 1869, S. 343 und Jahrg. 1873, S.
                                    392. das anderemal als Zusatz zum Wasser bei der Saftgewinnung.Vereins-Zeitschrift, Jahrg. 1872, S. 495 und Jahrg. 1873, S. 294 u.
                                    392. Die Benutzung der Phosphorsäure (resp. des sauren phosphorsauren Kalkes) in
                              der erstgedachten Richtung ist nicht neu, denn diese Säure ist für die genannten Zwecke schon öfter
                              in Vorschlag gebracht worden, und zwar zuerst von Brande
                              (in den vierziger Jahren), demnächst auch von Kuhlmann in
                              der Form von phosphorsaurem Ammoniak, sowie zuletzt von E. Pfeifer, Fabrikbesitzer in Ossendorf bei Cöln, dem das Verfahren der
                              Entkalkung der Säfte mittelst Phosphorsäure unterm 14. März 1854 auf 5 Jahre
                              patentirt wurde.Man sehe die Vereins-Zeitschrift, Jahrg. 1855, S. 58; 1859, S. 76 und
                                    427. Trotz vielfachster Bemühungen der Genannten hat sich diese Enkalkungsmethode
                              einer bleibenden Einführung nicht zu erfreuen gehabt und zwar nach meinem
                              Dafürhalten vornehmlich wohl nur deßhalb, weil es zu jener Zeit nicht gelang, den in
                              den Zuckersäften mittelst Phosphorsäure erzeugten Niederschlag von
                              basisch-phosphorsaurem Kalk in technisch leichter, einen Verlust an Zucker
                              ausschließender Weise abzuscheiden. Ich zweifle nicht, daß schon die älteren
                              Bestrebungen in dieser Richtung reussirt haben würden, wenn zu jener Zeit der
                              Gebrauch der Filterpressen zur Abscheidung von Niederschlägen aus Flüssigkeiten
                              bekannt gewesen wäre. Vielleicht stand auch damals der höhere Preis der
                              Phosphorsäure, sowie die Schwierigkeit, dieselbe gyps- und schwefelsäurefrei
                              herzustellen, der Anwendung hindernd im Wege, denn man fürchtete mit Recht die
                              Einführung von Gyps in die Zuckerflüssigkeiten.
                           Von den unzähligen im Laufe der Zeit vorgeschlagenen Hülfsmitteln zur Entkalkung der
                              Zuckersäfte entspricht nach meiner Ansicht keines dem Zwecke so vollständig, wie die
                              Phosphorsäure, und es dürfte, wie sich aus dem Folgenden ergibt, auch keines so
                              billig seyn. Ich betonte nämlich schon auf den verschiedenen
                              Zweigvereins-Versammlungen, wo ich diesen Gegenstand anregte, daß die bei der
                              Rübencultur gegenwärtig in erheblichen Mengen als Dünger zur Verwendung kommenden
                              Superphosphate, bevor sie dem Acker überwiesen würden, zuerst eine fast kostenlose
                              rationelle Ausnutzung im Fabrikbetriebe erfahren könnten, indem man die lösliche
                              Phosphorsäure derselben zunächst zur Ausfüllung des Kalkes aus den Zuckersäften
                              verwende und alsdann erst den erzielten Niederschlag von
                              basisch-phosphorsaurem Kalk dem Acker übergebe. Man würde so die lösliche
                              Phosphorsäure der Superphosphate in doppelter Weise nutzbar machen.
                           Was meinen Vorschlag der Verwendung der Phosphorsäure als Zusatz zum Wasser bei der
                              Saftgewinnung anbetrifft, ein Vorschlag, welcher durchaus neu ist, so habe ich mich
                              zur Begründung desselben bereits hinlänglich ausgesprochen (a. a. Orten) und die
                              seitdem auf Grund praktischer, im Großen angestellter Versuche gesammelten
                              Erfahrungen, namentlich
                              der HHrn. Melcher, Bodenbender, Eißfeldt u.a., scheinen
                              den Beweis zu enthalten, daß die richtige Verwendung der Phosphorsäure bei den
                              Saftstationen eine bleibende Zukunft haben dürfte. Die Gefahren einer Inversion des
                              vorhandenen Zuckers sind, wie die neueren Arbeiten der HHrn. Margueritte und Feltz
                              Jahrg. 1873 der Vereins-Zeitschrift, S. 915 und 917. darthun, hierbei nicht zu fürchten, sobald man die Menge der anzuwendenden
                              Phosphorsäure richtig bemißt; die Versuche der Genannten bestätigen das von mir
                              früher Gesagte.
                           Indem ich nicht zweifle, daß es der Technik gelingen wird, die Anwendung der
                              Phosphorsäure in der hier bezeichneten Richtung zu Ehren zu bringen, verlasse ich
                              für jetzt diesen Gegenstand, um mich der Entkalkung und partiellen Neutralisation
                              der Zuckersäfte mittelst Phosphorsäure zuzuwenden.
                           Wenn man, wie ich mich schon bei einer anderen VeranlassungVereins-Zeitschrift, Jahrg. 1870, S. 199. ausdrückte:
                           
                              „die Aufgabe, aus dem Safte der Runkelrüben Zucker
                                    darzustellen, auch als die Kunst bezeichnen kann, die neben dem Zucker im
                                    Safte enthaltenen Nichtzuckerstoffe zu entfernen,“
                              
                           – und wer wird heute an der Richtigkeit dieses Satzes
                              zweifeln, – so leuchtet es ein, daß jede bis dahin nicht gelungene
                              Beseitigung irgend eines Nichtzuckerbestandtheiles aus in der Verarbeitung
                              befindlichen Säften (Scheide-, Dünn- oder Dicksaft) als ein
                              Fortschritt bezeichnet werden muß, der sich durch einen Mehrgewinn an
                              krystallisirbarem Zucker geltend macht. Das zur Zeit vorzüglichste Mittel zur
                              Abscheidung von Nichtzuckerstoffen aus dem rohen Rübensafte ist die Kalkscheidung in
                              der Wärme, wodurch bekanntlich 40 bis 50 Proc. des gesammten Nichtzuckers entfernt
                              werden. Dafür aber empfängt der resultirende Scheidesaft freien überschüssigen
                              Aetzkalk, sowie verschiedene durch Wechselzersetzung entstandene Kalksalze, welche
                              ebenfalls wie andere Nichtzuckerstoffe melassebildend wirken. Die nachfolgende
                              Saturation und Filtration beseitigt nun zwar diesen Aetzkalk, sowie den größeren
                              Theil der Kalksalze, letztere jedoch unter Umständen und je nach der Natur der
                              Saftbestandtheile nicht immer vollständig genug, so daß die zurückbleibenden
                              Kalkverbindungen sich zuletzt in mehr oder weniger ausgesprochener Weise an der
                              Melassebildung betheiligen. Die Entfernung dieses aus der Scheidung herrührenden
                              Kalkrestes wird also in jedem Falle ebenso nützlich seyn, wie die der anderen
                              Nichtzuckerstoffe. Daß dem so ist, davon habe ich mich seit Jahren durch
                              verschiedene entscheidende Versuche direct überzeugt. Indem ich nämlich alte, normal
                              eingedickte Melassen, aus welchen kein Zucker mehr auskrystallisirte, mit so viel
                              Phosphorsäure behandelte, als nöthig war, um allen Kalk bis auf einen sehr kleinen
                              Rest auszufällen, dann den Niederschlag abfiltrirte und das Filtrat wieder genau auf die ursprüngliche
                                 Dichtigkeit der Melasse eindampfte,Nämlich bis auf das ursprüngliche Gewicht der in Arbeit genommenen Melasse
                                    minus der vorher bestimmten Menge des
                                    entfernten Aetzkalkes. krystallisirte nach längerem Stehen (in der Regel begreiflich erst nach
                              Monaten) immer eine ansehnliche Menge Zucker in schönen großen Krystallen (Candis)
                              aus. Ich habe derartige Versuche sehr oft mit den verschiedensten Melassen
                              wiederholt und stets mit denselben Erfolgen. Von diesen Versuchen will ich nur einen
                              hier ausführlicher erwähnen, den ich im Jahre 1868 mit einer Melasse ausführte, die
                              sich seit 1859 in meiner Präparatensammlung befand, also jedenfalls 10 Jahre
                              gestanden hatte, ohne Zucker auszuscheiden. Dieselbe zeigte (bei einem Zuckergehalt
                              von 53,7 Proc.) im Mittel zweier Bestimmungen mit oxalsaurem Ammoniak einen Gehalt
                              von 0,11 Proc. Kalk als Aetzkalk berechnet. Von derselben wurden 400 Grm.,
                              entsprechend 0,44 Grm. Kalk, mit Wasser verdünnt und dann mit so viel Phosphorsäure
                              von bekanntem Gehalt versetzt, als erforderlich war, um 0,40 Grm. Kalk in der Form
                              von dreibasisch-phosphorsaurem Kalk auszufällen. Das Filtrat und die
                              Waschwässer vom Niederschlage wurden auf dem Oelbade ohne Verlust auf die
                              ursprüngliche Dichtigkeit (auf 399,6 Grm.) eingedampft und 393,8 Grm. dieser Melasse
                              nach dem Erkalten in ein mittelst Glasstöpsel verschlossenes Glasgefäß übergeführt.
                              Nach einiger Zeit begann die Krystallisation, und nach ungefähr Jahresfrist hatten
                              sich in dieser gereinigten nahezu kalkfreien Melasse große, schön ausgebildete
                              Candiskrystalle an den Wänden und besonders am Boden abgesetzt, von welchen der
                              Syrup möglichst vollständig abgegossen wurde. Die Krystalle, welche sehr fest am
                              Glase hafteten, konnten leider nicht ganz ohne Verlust herausgebracht werden; sie
                              wurden mittelst Fließpapier so gut als möglich von anhängender Melasse befreit,
                              getrocknet und gewogen. Ihre Menge betrug, auf die erhaltenen 399,6 Grm. Melasse
                              bezogen, 14,1 Grm., und die Analyse der Krystalle ergab:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Zucker
                                 98,20
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Nichtzucker
                                 
                                    
                                    
                                 Ascheorganische Stoffe
                                 0,741,06
                                 „„
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                                 
                              
                           
                           Es waren also aus obigen 400 Grm. Melasse 14,1 Grm. oder 3,53 Proc. Rohzucker, resp.
                              3,47 Proc. chemisch reiner Zucker gewonnen worden.
                           Derartige Versuche mit Melasse sind meines Erachtens viel beweisfähiger für die
                              Wichtigkeit der Entkalkung der Zuckersäfte, als etwaige Versuche mit
                              Scheide-, Dünn- oder Dicksaft. Die Resultate derselben sind im
                              höchsten Grade lehrreich und interessant. So z.B. ergibt sich für den eben
                              angeführten Versuch, daß die Anwesenheit von 0,4 Grm. Kalk in der Melasse 13,85 Grm.
                              oder die 34,6fache Menge chemischreinen Zucker am Auskrystallisiren verhindert
                              hatte. Man würde aber, glaube ich, einen Trugschluß machen, wenn man diesen
                              melassimetrischen Coefficienten 34,6 dem Kalk allein beilegen wollte, denn es sind
                              hierbei verschiedene andere Momente mit in Betracht zu ziehen. Wir müssen nämlich
                              erwägen, daß der Kalk der Melasse an verschiedene organische Säuren gebunden ist und
                              daß diese Kalksalze es waren, nicht der Kalk derselben allein, welche melassebildend
                              wirkten. Indem nun der Kalk durch Phosphorsäure ausgefällt wurde, warfen sich die
                              freigewordenen organischen Säuren auf die vorhandenen, als starke Melassebildner
                              fungirenden freien oder kohlensauren Alkalien, dieselben neutralisirend und so deren
                              melassebildende Kraft verringernd. Der Coefficient 34,6 ist somit die resultirende
                              von mindestens zwei gleichzeitig verlaufenden Wirkungen, nämlich erstens der
                              factischen Beseitigung eines Nichtzuckerstoffes und zweitens der Neutralisation des
                              zurückbleibenden übrigen Nichtzuckers. Vielleicht betheiligt sich hier als eine
                              dritte Wirkung auch noch der Umstand, daß die mit Phosphorsäure entkalkten Melassen
                              bei der gleichen Dichtigkeit dünnflüssiger sind als die ursprünglichen, und daß
                              dadurch der krystallinischen Anordnung der vorhandenen Zuckermolecüle weniger
                              Widerstand geboten ist.Man vergleiche meine Betrachtungen über das Wesen der Melassebildung in der
                                    Vereins-Zeitschrift, Jahrg. 1872, S. 298. Welche Erklärung auch die richtige seyn möge, jedenfalls ist die Thatsache
                              von großer praktischer Bedeutung, daß die Beseitigung des Kalkes aus den
                              Zuckersäften einen erheblichen Mehrgewinn an krystallisirbarem Zucker zur Folge
                              hat.
                           Um den wirklichen Vorgang bei der Entkalkung der Melassen mittelst Phosphorsäure
                              vollständig zu erklären, habe ich noch einiger Umstände und Wahrnehmungen zu
                              gedenken, welche von Interesse seyn dürften. Dieser Vorgang besteht nicht allein
                              darin, daß die zugesetzte Phosphorsäure mit dem vorhandenen Kalk sich zu
                              dreibasisch-phosphorsaurem Kalk verbinden, er ist vielmehr complicirter. Die
                              Phosphorsäure fällt
                              nämlich immer etwas weniger als 3 Aequivalente Kalk aus, der fehlende mehr oder
                              weniger große Rest ist ersetzt durch eine organische stickstoffhaltige Verbindung,
                              eine alkalische Base,Die Natur dieser organischen Base, welche nicht Betaïn zu seyn
                                    scheint, behalte ich mir vor, noch näher zu ermitteln, und würde mich sehr
                                    freuen, wenn ich das Material dazu, nämlich größere Mengen eines mit
                                    Phosphorsäure in Melassen erzeugten Niederschlages demnächst aus der einen
                                    oder anderen Zuckerfabrik erhalten könnte, da die Darstellung solcher Mengen
                                    im Laboratorium immer mit erheblichen Schwierigkeiten verknüpft ist. und außerdem enthält der Niederschlag mechanisch gefällte Farbstoffe. Durch
                              den Niederschlag werden also auch organische Nichtzuckerstoffe aus den
                              Zuckerflüssigkeiten entfernt, und der oben erwähnte Coefficient 34,6 für das
                              gegebene Beispiel dürfte hierdurch eine weitere partielle Begründung finden.
                           Was die Darstellung der Phosphorsäure anbetrifft, so werde ich am Schlusse dieser
                              Abhandlung eingehend darauf zurückkommen und will jetzt noch die Frage des Näheren
                              erörtern:
                           
                              „in welchem Stadium der Saftverarbeitung soll die
                                    Entkalkung und Neutralisation der Säfte mit Phosphorsäure vorgenommen
                                    werden?“
                              
                           Diese Frage läßt sich endgültig begreiflich nicht vom Laboratorium aus entscheiden,
                              doch möchte ich einige Punkte, welche hier in Betracht kommen, zur Erwägung
                              stellen.
                           Es können hier verschiedene Wege eingeschlagen werden und wird die Praxis zeigen
                              müssen, welche derselben die besten sind. Die Behandlung der Säfte mit Phosphorsäure
                              kann eigentlich nur bei einer der 4 folgenden Stationen stattfinden, nämlich:
                           
                              1) nach der Scheidung und Saturation der Säfte, oder
                              2) nach der Filtration des Dünnsaftes vor dessen Verdampfung im
                                 Robert'schen Apparat, oder
                              3) nach der Filtration des Dünnsaftes nach dessen Verdampfung im
                                 Robert'schen Apparat, oder
                              4) nach der Filtration des Dicksaftes vor dessen Verkochen im
                                 Vacuum.
                              
                           Obgleich die Einwirkung des Aetzkalkes auf die Nichtzuckerstoffe des Saftes
                              hauptsächlich im Momente der Scheidung erfolgt, so wissen wir doch, daß diese
                              Einwirkung damit nicht abgeschlossen ist, daß sich vielmehr unter dem ferneren
                              Einfluß der Wärme auf den kalkhaltigen Saft noch eine langsam verlaufende Reaction
                              vollzieht, welche sich unter Anderem durch eine continuirliche Entwickelung von
                              Ammoniak kundgibt. Diese Nachwirkung des Kalkes wird bekanntlich von einigen
                              Technikern so gerühmt,
                              daß man zu ihrer Förderung ein Nachkochen mit Kalk eintreten läßt.
                              Begreiflicherweise wird man nun in allen den Fällen, wo man eine solche Nachwirkung
                              für nützlich erachtet, die Entkalkung der Säfte nicht unmittelbar bei der ad 1) bezeichneten Station, sondern erst später
                              eintreten lassen müssen. Ferner wird man bei denjenigen Säften, welche an sich wenig
                              Alkalität, oder eine Neigung zum sogen. Umschlagen zeigen, die Entkalkung nicht bei
                              den Stationen 1) und 2) vornehmen dürfen, bei welchen die Säfte noch eine geringe
                              Alkalität besitzen, sondern man wird dieselbe erst bei den unter 3) und 4) genannten
                              Stationen eintreten lassen, nachdem die Alkalität mit der Concentration eine höhere
                              geworden ist. Diesen Fällen gegenüber hat dagegen die Entkalkung bei der Station ad 1) den Vortheil, daß der Knochenkohle bei der
                              nachfolgenden Dünnsaft-Filtration nicht mehr die Aufgabe der Entkalkung
                              zufällt, die Kohle also ihre volle Absorptionskraft auf die übrigen
                              Nichtzuckerstoffe ausüben und somit länger wirksam bleiben kann. Wie bemerkt, haben
                              Praxis und Erwägungen des Fabrikdirigenten hier das entscheidende Wort zu reden.
                           An welcher Stelle der Saftverarbeitung man sich nun auch für die Vornahme der
                              Entkalkung entscheiden möge, immer sollte diese nur erfolgen auf Grund einer
                              vorangegangenen analytischen Bestimmung des in dem Safte sich vorfindenden Gehaltes
                              an Kalk. Kennt man alsdann den Kalkwerth (den Titer) der aufzuwendenden
                              Phosphorsäure, so weiß man damit genau die Menge derselben, welche dem Safte, ohne
                              jedwede Gefahr für eine Inversion des Zuckers, zugesetzt werden kann. Diese Menge
                              Phosphorsäure sollte man so bemessen, daß stets noch ein kleiner Kalkrest ungefüllt
                              bleibt, damit keine Phosphorsäure Gelegenheit hat, sich mit den vorhandenen
                              Alkalien, diese neutralisirend, zu löslichen phosphorsauren Salzen zu verbinden, da
                              die Phosphorsäure dieser letzteren für Düngezwecke nicht wiedergewonnen werden
                              würde. Läßt man den Säften einen kleinen Rest an Kalkalkalität, so fallen auch die
                              von Hrn. Dr. Bodenbender
                              (Jahrg. 1873 der Vereins-Zeitschrift, S. 396) ausgesprochenen Befürchtungen
                              bezüglich eines etwaigen Eintrittes von Gährungserscheinungen bei den Füllmassen
                              oder Nachproducten, Befürchtungen, die ich auf Grund meiner Erfahrungen im Kleinen
                              übrigens nicht theile.
                           Was die Kalkbestimmung in den Säften einerseits, sowie die Kalkwerthbestimmung einer
                              gegebenen Phosphorsäure andererseits betrifft, so glaube ich, daß man diese
                              Bestimmungen, statt durch eigentliche analytische Einzeloperationen, in einer
                              leichteren, für das praktische Bedürfniß hinreichend genauen Weise, ohne Wägungen
                              etc., wird vornehmen können, indem man ein bestimmtes Volum des zu entkalkenden
                              Saftes einfach mit der
                              in Gebrauch zu ziehenden Phosphorsäure titrirt, d.h. so lange versetzt, als noch ein
                              Niederschlag von basisch-phosphorsaurem Kalk entsteht. Auf das Nähere einer
                              solchen Bestimmungsmethode gedenke ich in nächster Zeit besonders
                              zurückzukommen.
                           Die Apparate, welche für die Entkalkung mittelst Phosphorsäure erfordert werden, sind
                              durchaus einfacher Art: ein Mischkasten für die Vermischung des Saftes mit der
                              Phosphorsäure, sowie ein Absatzbottich, resp. zwei Mischkästen, welche wechselweise
                              in Anwendung kommen, werden voraussichtlich genügen. Der durch den
                              Phosphorsäurezusatz bewirkte Niederschlag von basisch-phosphorsaurem Kalk,
                              obgleich flockig voluminös, setzt sich bald ab, so daß die klare überstehende
                              Flüssigkeit zum größten Theile abgelassen und dem weiteren Fabricationsverlauf
                              überwiesen werden kann. Die den Niederschlag enthaltende Bodenflüssigkeit treibt man
                              durch eine eigends bei dieser Station abgestellte Filterpresse und erhält so den
                              ausgeschiedenen basisch-phosphorsauren Kalk für sich. Derselbe kann
                              nöthigenfalls noch ausgesüßt werden. Die erhaltenen Schlammkuchen bilden begreiflich
                              einen Dünger von hohem Werthe, da sich in demselben die gesammte aufgewendete
                              Phosphorsäure wieder findet und zwar in feinster, für die Pflanzen leicht
                              assimilirbarer Vertheilung. Daß man dieses Material daher sorgfältig für die Felder
                              aufheben wird, versteht sich von selbst; man verwendet es wie die Superphosphate.
                              Auch kann es vielleicht mit Nutzen vorerst als Beifutter für Jungvieh, zum Zwecke
                              der Knochenbildung, durch den Thiermagen geschickt dem Acker zugeführt werden.
                              –
                           Durch das Entkalken der Zuckersäfte dürften folgende Vortheile erreicht werden:
                           
                              1) Beseitigung nicht allein des Kalkes, sondern auch gewisser mit
                                 dem Kalk ausfallender organischer Nichtzuckerstoffe aus den Zuckersäften.
                              2) Verminderte Melassenbildung in Folge des kleiner gewordenen
                                 Nichtzuckergehaltes und der verringerten Alkalität.
                              3) Leichteres Kochen der Säfte und dadurch ermöglichte höhere
                                 Concentration derselben und vermehrte Zuckerausscheidung.
                              4) Reinerer Geschmack der Füllmassen und Producte.
                              5) Eventuelle Nichtbelastung der Knochenkohle mit der Aufgabe der
                                 Entkalkung, wodurch die Kohle in ihren anderen Functionen länger wirksam
                                 bleibt.
                              6) In Folge dessen Ersparniß an Salzsäure bei der Wiederbelebung
                                 dieser kalkärmeren Kohle.
                              
                           Denjenigen Zuckerfabrikanten, welche sich noch im Laufe dieser Campagne von dem Werthe der hier
                              besprochenen Entkalkungsmethode überzeugen wollen, glaube ich vorschlagen zu müssen,
                              einen lehrreichen Parallelversuch in der Weise zu machen, daß sie die eine Hälfte
                              der letzten Syrupe, welche in die Bassins gelangen sollen, entkalken, die andere
                              aber nicht, nur demnächst festzustellen, ob und in welcher Menge ein besseres
                              Auskrystallisiren des Zuckers aus der ersteren erfolgt.
                           Es bleibt mir jetzt noch übrig, das Verfahren zu beschreiben, nach welchem der
                              Zuckerfabrikant sich seinen Bedarf an Phosphorsäure selbst darstellen kann. Wie
                              schon im Eingange bemerkt, benutzt man dazu am einfachsten die käuflichen
                              Superphosphate und zwar selbstverständlich nur die reinen, nicht etwa die mit
                              Ammoniaksalzen oder anderen löslichen Stoffen versetzten. Laugt man diese
                              Superphosphate mit Wasser aus, so erhält man eine Lösung, die wesentlich freie
                              Phosphorsäure neben saurem phosphorsaurem Kalk und Gyps enthält. Durch systematische
                              Auslaugung, indem man die ersten Auszüge von Neuem mit frischem Superphosphat in
                              Berührung bringt u.s.f., kann man den Gehalt der Lauge an den beiden erstgenannten
                              Bestandtheilen bis zu einem hohen Grade anreichern, während der Gypsgehalt derselben
                              nicht bemerklich steigt. Man verfährt hierbei ungefähr nach demselben Princip, wie
                              bei der Auslaugung der Rübenschnitzel durch Diffusion. Die Darstellung dieser
                              Superphosphat-Auszüge hat keine Schwierigkeit und ein Arbeiter ist bald
                              darauf eingeübt. Erforderlich sind eine Anzahl (etwa 3–4 Stück) oben offener
                              Auslaugebottiche, die zweckmäßig mit Blei ausgekleidet seyn können. In dem ersten
                              derselben wird etwa 1 Theil Superphosphat mit 3 bis 4 Theilen Wasser durch kräftiges
                              Umrühren zu einer dünnen Milch gemischt. Man läßt absitzen und bringt die
                              überstehende Lauge in den zweiten Bottich zu einer frischen Menge Superphosphat,
                              während man den Bodensatz im ersten Bottich mit frischem Wasser anrührt und so fort.
                              In dem zuletzt angesetzten Bottich erhält man dann eine starke Lauge, während das
                              Phosphat des ersten Bottichs mehr oder weniger erschöpft ist und dessen Bodensatz
                              wesentlich nur aus Gyps besteht. Man entfernt diesen Gypsschlamm aus dem ersten
                              Bottich und beschickt ihn von Neuem mit frischem Superphosphat, wodurch er nunmehr
                              in der Reihenfolge zum letzten Bottich wird.
                           Der ausgelaugte Gypsschlamm, dem immer noch etwas lösliche Phosphorsäure anhaftet,
                              oder unaufgeschlossenes Phosphat innewohnt, wird, um diese Bestandtheile nicht zu
                              verlieren, am besten in der Weise verwerthet, daß man ihn in den Stallungen
                              ausbreitet und die Miststätten damit begießt. Bei dieser Verwendung dient er dann
                              noch als kräftiges Ammoniak-Absorbens und trägt zur Verbesserung der
                              Stallluft bei.
                           
                           Die erzielte concentrirte Phosphatlauge enthält als Hauptbestandtheil Phosphorsäure,
                              ferner sauren phosphorsauren Kalk, sowie eine bestimmte Menge Gyps; sie kann für
                              Entkalkungszwecke, dort wo man den Gyps nicht scheut, wie z.B. bei den letzten
                              Producten, direct angewandt werden. Um den Gypsgehalt ganz wesentlich zu verringern
                              resp. völlig zu entfernen, bedarf es einer wenig kostspieligen Vorrichtung, welche
                              gestattet, die Lauge durch Eindampfen zu concentriren. Hierzu sind eine oder mehrere
                              flache Bleipfannen, gebildet aus Bleitafeln mit aufrecht umgebogenen Rändern
                              erforderlich, die durch abgehende Dämpfe geheizt werden können. In dem Maaße in
                              diesen Pfannen die Lauge concentrirt wird, krystallisirt der Gyps aus und zuletzt
                              resultirt eine Flüssigkeit von einem hohen Gehalte an Phosphorsäure und saurem
                              phosphorsaurem Kalk, die verhältnißmäßig nur wenig Gyps enthält.
                           Den vorhandenen sauren phosphorsauren Kalk dieser concentrirten Flüssigkeit kann man,
                              was zweckmäßig ist, dadurch beseitigen, daß man ihn durch Schwefelsäure in
                              Phosphorsäure und Gyps spaltet. So lange man immer mit demselben Superphosphat
                              arbeitet und die Auszüge davon durch Verdampfung auf dieselbe
                              Saccharometerdichtigkeit oder Grädigkeit nach Beaumé etc. bringt, ist es nur
                              nöthig, ein für allemal die in der Lauge vorhandene Kalkmenge zu bestimmen, um
                              darnach die Menge Schwefelsäure zu berechnen, welche erforderlich ist, um diesen
                              Kalk als Gyps auszufallen. Da die concentrirte Lauge bereits mit Gyps gesättigt ist,
                              so kann dieser neu entstehende Gyps nicht gelöst bleiben, er fällt quantitativ aus und die Flüssigkeit selbst wird nicht
                              reicher an Gyps, als sie vor dem Ausfällen war. Diesen Gyps, sowie denjenigen,
                              welcher sich beim Eindampfen der Laugen in den Bleipfannen abscheidet, bringt man in
                              den mit frischem Superphosphat zu beschickenden Auslaugebottich zurück, um die
                              diesem Gyps anhaftende Phosphorsäure nicht zu verlieren.
                           In der hier geschilderten Weise erzielt man zuletzt eine Lösung, welche wesentlich
                              fast nur aus Phosphorsäure besteht und nur so wenig Gyps enthält, als der
                              Löslichkeit desselben in dieser sauren Flüssigkeit entspricht. Für die meisten
                              Zwecke dürfte selbige in dieser Reinheit völlig genügen, aber es ist leicht,
                              dieselbe vollkommen gyps- oder vielmehr
                              schwefelsäurefrei zu machen, wenn man noch in folgender Weise verfährt: Man
                              ermittelt ein für allemal den Gypsgehalt einer nach obiger Vorschrift dargestellten
                              Phosphorsäure für eine bestimmte Concentration und behandelt dieselbe mit der
                              erforderlichen meist kleinen Quantität eines für diesen Zweck besonders
                              dargestellten dreibasischen Baryumphosphates. Das letztere stellt man sich dar,
                              indem man ein bestimmtes Volum der rohen Phosphorsäure mit einer dem
                              Phosphorsäuregehalte entsprechenden Quantität von in Wasser gelöstem Chlorbaryum versetzt, die
                              Mischung mit Soda, Aetznatron oder Ammoniak neutralisirt und den entstehenden
                              Niederschlag, welcher dreibasischer phosphorsaurer Baryt ist, auswäscht. Trägt man
                              diesen Niederschlag noch feucht in die zu reinigende Phosphorsäure ein, so vereinigt
                              sich die Schwefelsäure des Gypses mit dem Baryt dieses zugefügten Niederschlages zu
                              unlöslichem schwefelsaurem Baryt, der sich zu Boden setzt, während die Phosphorsäure
                              des Barytpräparates, sowie der Kalk des Gypses in Lösung bleiben. Die so behandelte
                              Phosphorsäure ist, worauf es ankommt, frei von Schwefelsäure und enthält nur eine
                              geringe, der ursprünglichen Gypsmenge äquivalente Quantität Kalk.
                           Die Einübung eines gewöhnlichen Arbeiters auf diese Darstellungs- und
                              Reinigungsoperationen gelingt unter erster Anleitung eines Chemikers ohne Zweifel in
                              kürzester Zeit; in Zuckerfabriken also, in welcher besondere Chemiker angestellt
                              sind, hat die Selbstbereitung einer Phosphorsäure von hoher Stärke und großer
                              Reinheit nicht die geringsten Schwierigkeiten oder Bedenken.
                           Schließlich sey bemerkt, daß man zur Darstellung der Phosphorsäure natürlich auch den
                              bei der Kohlewiederbelebung abgehenden Knochenkohlenstaub, den man vorher glüht und
                              mit Schwefelsäure aufschließt, statt der käuflichen Superphosphate verwenden
                              kann.