| Titel: | Allgemeine Fragen der Technik. | 
| Autor: | P. K. von Engelmeyer | 
| Fundstelle: | Band 311, Jahrgang 1899, S. 149 | 
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                        Allgemeine Fragen der Technik.
                        Von Ingenieur P. K. von
                                 									Engelmeyer, Moskau.
                        (Fortsetzung und Schluss von S. 133 d.
                           								Bd.)
                        Allgemeine Fragen der Technik.
                        
                     
                        
                           Die allgemeinen Fragen der Technik schweben in der Luft. Der denkende Techniker
                              									braucht darüber gar nichts gelesen zu haben, wie von selbst steigen sie in. ihm auf.
                              									Einen interessanten Beweis hierfür liefert die russisch verfasste Schrift von
                              									Ingenieur A. Pawlowski:
                              									„Die Fortschritte der Technik und deren Einwirkung auf die Zivilisation“
                              									(1896). Dem Verfasser entging offenbar die Gelegenheit, verwandte Schriften zu
                              									lesen. Ueberwältigt durch die Neuheit und die Weite des ihm erschlossenen
                              									Horizontes, weiss er noch nicht seinen Gegenstand einzurahmen und etwaige
                              									Schlussfolgerungen zu ziehen. Er begnügt sich damit, eine Reihe Studien
                              									niederzuschreiben, die um desto eigentümlicher sind, je selbständigeren Ursprungs
                              									sie sind. Er fängt an mit dem Hinweis auf die Verachtung, die im klassischen
                              									Altertum den „artes illiberales“ gegenüber den „artes liberales“
                              									gezollt wurde. Im Mittelalter war die europäische Welt wieder zu sehr mit den
                              									Glaubensfragen beschäftigt. Erst die Reformation schuf den Boden, auf dem der
                              									Industrialismus aufblühen konnte, und welchem im 16. Jahrhundert noch die
                              									Fortschritte der Naturlehre zugute kamen. Aber im 17. Jahrhundert beginnt erst der
                              									grossartige Fortschritt der Technik, zugleich entsteht auch der technische Stand.
                              									Die moderne Technik ist sozusagen nur die Verwirklichung des neuen
                              									wissenschaftlichen Erwerbes, des Energieprinzips. Eine wichtige Erscheinung unserer
                              									Technik bildet das moderne Kriegswesen. Auch die steigende Zentralisation in der
                              									Eisenbahnwirtschaft übt einen mächtigen Einfluss auf die Entwickelung der Technik.
                              									Indem der Verfasser die Berührung der Technik mit der Aesthetik, der Ethik und der
                              									Philosophie andeutet, formuliert er folgendermassen das Wesen des technischen
                              									Fortschritts: „Die allgemeinste Bedeutung der technischen Fortschritte für die
                                 										Kultur besteht darin, das die Technik mit Hilfe der Maschinen dem Menschen den
                                 										Besitz dessen erleichtert, was er bereits früher ausnutzte, und mehr Zeit und
                                 										Kraft übrig lässt, um neue Nützlichkeiten in den Besitz des Menschen zu
                                 										bringen.“
                           Es sei mir gestattet, auch auf den Inhalt meiner vorjährigen, ebenfalls in russischer
                              									Sprache verfassten Schrift „P. K. von Engelmeyer,
                                 										Die technische Bilanz des 19. Jahrhunderts“ (1898) hier einzugehen. Im 1.
                              									Kapitel ist „der Gegenstand“ in grossen Zügen umgrenzt: Der Wilde lebt in der
                              									freien Natur, der Kulturmensch dagegen in einer künstlichen. Die letztere, durch die
                              									Technik hergestellte, ist besser als die freie den Anforderungen des Menschen
                              									angepasst. Diese Thatsache wird an einer Anzahl von Beispielen erläutert. Im 2.
                              									Kapitel wird „der technische Nachlass des 18. Jahrhunderts“ betrachtet: Die
                              									Geschichte der Technik bildet nur einen Strom in der Geschichte der Kultur. Die
                              									Technik erzeugt die sachliche Kultur, das Korrelat der geistigen. Im 15., 16. und
                              									auch im 18. Jahrhundert sehen wir den wissenschaftlichen Aufschwung durch den
                              									technischen begleitet und gefördert. Im letzteren entsteht auch das Bedürfnis, die
                              									gewonnenen Resultate zusammenzufassen, indem die Technologie und die Maschinenlehre
                              									entstehen, und die technische Schule gegründet wird. Das 3. Kapitel heisst:
                              										„Bewältigung der Naturkräfte“. Den Anfang derselben verwirklicht die
                              									Dampfmaschine, die auch dem 18. Jahrhundert angehört. Die weitere Durchführung des
                              									Prinzips aber kennzeichnet die Technik des 19. Jahrhunderts. Die hierzu
                              									erforderlichen Hilfsmittel sind: 1. die kraftfangenden, 2. die kraftsammelnden, 3.
                              									die kraftübertragenden und 4. die kraftausnützenden Vorrichtungen. Gemeinfassliche
                              									Erörterungen. Das 4. Kapitel bespricht „die anderen Hauptzweige der Technik des
                                 										19. Jahrhunderts“. Der Verkehr auf Land- und Wasserstrassen, der Buchdruck,
                              									der Telegraph und das Telephon, die Kriegstechnik und das Ausstellungswesen
                              									bewerkstelligen die Verbindungen zwischen Menschen, Völkern und Ländern. Ferner
                              									kommen zur Sprache: das Bergwesen, die Ausnutzung der Abfälle, der Maschinenbau, die
                              									Land- und Hauswirtschaft und das Stadtwesen. Das 5. Kapitel erläutert ethymologisch
                              									und sachlich „die technischen Grundbegriffe“: Maschine, Technik, Techniker
                              									und Ingenieur. Das folgende kurze 6. Kapitel begründet die Begriffe „Maschine und
                                 										Werkzeug“ von einem neuen Standpunkte aus, den ich in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1898 Bd.
                              									42 Heft 43, dargelegt habe. Das 7. Kapitel bespricht „die Ziele und Mittel der
                                 										Technik“. Die Mittel ordnen sich nach folgenden Prinzipien: 1. Aufnahme und
                              									Beseitigung, 2. Aufstapelung (Sammlung), 3. Ortsveränderung, 4. Umwandelung, 5.
                              									Auslösung (Relais), 6. Selbsttätigkeit (Automatismus), 7. Sicherung (Präzision), 8.
                              									Stetige Wirkung, 9. Vervielfältigung, 10. Spezialisation und Universalismus: alles
                              									an allgemein zugänglichen Beispielen erörtert. Das 8. Kapitel entwickelt „das
                                 										Verhältnis der Technik zur Oekonomik“, unter Anwendung des Prinzips „do
                                 										ut des“. Das 9. Kapitel bespricht das Verhältnis „der Technik und des
                                 										Rechts“, wobei die Grundlage des Erfinderrechts erläutert wird. Das 10.
                              									Kapitel heisst: „Technik, Wissenschaft und Kunst“. Betrachtet man als Ziel
                              									der Wissenschaft die Wahrheit, als Ziel der Kunst die Schönheit, so ist der Nutzen
                              									das Ziel der Technik. Das Schaffen des Technikers wird allgemein zugänglich gemacht.
                              									Im 11. Kapitel „Evolution der technischen Gebilde“ wird meine dreiaktige
                              									Theorie des menschlichen Schaffens entwickelt und die Analogie hervorgehoben, die
                              									zwischen der Evolution der technischen Neubildungen und der der lebenden Organismen
                              									besteht. Das letzte 12. Kapitel skizziert die zur Zeit sichtbaren Züge „der
                                 										Philosophie der Technik“, welche indes eine Wissenschaft der Zukunft ist. Zu
                              									dieser Disziplin führen uns unwiderstehlich die immer mehr ans Licht tretenden
                              									Wechselwirkungen zwischen der Technik und den anderen Faktoren des
                              									gesellschaftlichen Lebens der Menschheit.
                           Gegen Anfang der achtziger Jahre beginnen die Anfänge der Elektrotechnik. Als deren
                              									erste Erscheinung darf man wohl die internationale Pariser Ausstellung 1878 nennen,
                              									wo die Jablotschkoff's-Kerze und die Gramm'sche Dynamo der ganzen Welt vorgeführt wurden.
                              									Mit dem Namen Elektrotechnik wurde der neue Zweig auf der ersten elektrischen (auch
                              									Pariser) Ausstellung 1881 getauft, und die Frankfurter elektrische Ausstellung 1891
                              									bezeichnet schon das Ende der Ausbildung dieses interessanten und wichtigen Zweiges. Die
                              									Elektrotechnik, mit ihren effektvollen und allgemein zugänglichen Erscheinungen, hat
                              									das allgemeine Interesse auch auf die gesamte Technik gerichtet. Zahllose populäre
                              									Schriften und Zeitungsartikel bemächtigten sich des Gegenstandes. Wir wollen hier
                              									nur einige wenige hervorheben.
                           Sanoy's Schrift „Die Bedeutung der Elektrotechnik für
                                 										das soziale Leben“ (1892) leidet allerdings an einer etwas verschwommenen
                              									Darlegung, verrät aber das löbliche Bestreben des Verfassers, die Technik in ihrer
                              									Allgemeinheit in Betracht zu ziehen. Uebrigens steht er auch auf dem begrenzten
                              									Standpunkt, die Beherrschung der Kraft für die Beherrschung der Natur zu halten. Die
                              									moderne Dampf Wirtschaft hängt ab von dem Vorrat an Heizmaterial, besonders an
                              									Kohle. In den sechziger Jahren wurde mit Aufregung darauf hingewiesen, dass dieser
                              									Vorrat ein begrenzter sei, und unserer Industrie eine Götterdämmerung prophezeit.
                              										Bromwell und andere ausgezeichnete Techniker
                              									bekräftigten diesen Pessimismus mit statistischen Daten. Die Lage schien höchst
                              									ernst auch in den siebziger Jahren. In den achtziger Jahren dagegen schwand die
                              									traurige Stimmung, angesichts der weiten Horizonte, welche die junge Elektrotechnik
                              									zu eröffnen begann. Diese Ansicht entwickelt Sanoy,
                              									indem er die Lauffen-Frankfurter Kraftübertragung bespricht.
                           Mehr dürfte P. Uppenborn's Schrift „Der gegenwärtige
                                 										Stand der Elektrotechnik und ihre Bedeutung für das Wirtschaftsleben“ (1892)
                              									unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Mit gründlicher Fachkenntnis wird zuerst
                              									ein Bild von dem Stand der Elektrotechnik entworfen. Ihre Einwirkung auf die anderen
                              									Industriezweige wird im einzelnen auseinandergesetzt: Verstärkung des Konsums an
                              									Kupfer, Blei und verschiedenen Eisensorten, Produktion von Dynamomaschinen, Lampen,
                              									Leitungen und Nebenapparaten, Anregungen für die chemischen Industrien.
                           Angesichts des möglichen Verbrauches des Kohlenvorrats der Erde, sieht Uppenborn in der Elektrotechnik die Möglichkeit,
                              									anderwertige Kraftquellen auszunutzen, vor allem die Wasserläufe, ferner die
                              									Luftströme und endlich auch den Sonnenschein. „Es steht daher unwiderleglich
                                 										fest, dass unsere gegenwärtige Energiewirtschaft nur ein Provisorium sein kann
                                 										und dass wir trachten müssen, zu einem rationellen Definitorium zu kommen,
                                 										welches, wie dargelegt, in einer Ausnutzung der Sonnenenergie bestehen kann“
                              									(S. 24). In der elektrischen Energiewirtschaft hebt der Verfasser noch einen Vorteil
                              									hervor: Bekanntlich setzen die Dampfmaschinen nur 10 bis 15 % des Energiegehalts des
                              									Brennstoffes in Arbeit um; ausserdem kostet die Pferdekraftstunde bei einem Motor
                              									von 1000  5,8 Pf., bei 100  8,4 Pf. und bei 2,5  32,5 Pf. Da
                              									aber „der Wirkungsgrad der Elektromotoren sehr hoch ist, so ist auch der
                                 										Unterschied im relativen Stromkonsum zwischen grossen und kleinen Elektromotoren
                                 										höchstens 5 bis 10 %. Wenn wir also im stände sind, durch grosse
                                 										Elektrizitätswerke sehr billigen Strom zu erzeugen und zu verteilen, so wird der
                                 										Unterschied der Kraftkosten sehr zu Gunsten des Kleingewerbetreibenden
                                 										verschoben werden“ (S. 26).
                           Die Baukunst ist gleichfalls ein Zweig der Technik, der das allgemeine Interesse auf
                              									sich lenkt, einmal weil er unseren alltäglichen Mikrokosmos herstellt, dann wieder,
                              									weil die Kulturforscher und Historiker dem baulichen Nachlass verschwundener Völker
                              									von jeher die grösste Aufmerksamkeit schenkten. Es ist übrigens noch ein Grund
                              									vorhanden, warum auch Philosophen und Aesthetiker der Architektur vor allen anderen
                              									Zweigen der Technik ihre Gunst zuwenden: sie ist ebensoviel Technik, als sie
                              									bildende Kunst ist. Und in der That muss der Architekt in jeder seiner Leistungen,
                              									gross oder klein, das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden wissen. Dass jedoch
                              									neben dem allgemeinen Ansehen, welches der Baukunst zu teil wird, das richtige
                              									Verständnis für dieselbe doch nur in geringem Masse verbreitet ist, bedarf kaum der
                              									Betonung. Auch hier macht sich das Bedürfnis fühlbar, dem grossen Publikum die Augen
                              									sachgemäss zu öffnen. In dieser Hinsicht erscheint uns das Buch von H. Schliepmann
                              									„Betrachtungen über Baukunst“ (1891) sehr willkommen. Der Verfasser
                              									entwickelt fast ausschliesslich die ästhetische Seite der Architektur; wir dürfen
                              									darum an seinem Werk nicht lange verweilen, denn die Beziehung der Technik zur
                              									Kunst soll uns erst später beschäftigen. Was er jedoch von dem Schaffen des
                              									Architekten sagt, bezieht sich auf jeden Künstler und Techniker zugleich: „Indem
                                 										so der Architekt die seine Phantasie ursprünglich beschränkende Bedingung des
                                 										Zweckes in den Inhalt seiner Idee hineinzieht, indem er aus ihr das Motiv seiner
                                 										Gestaltungen entnimmt, erreicht er den Eindruck, dass das ihn Beherrschende das
                                 										von ihm frei Gewollte ist“ (S. 22). Diese Sachlage kennzeichnet wirklich den
                              									Gipfel der Beherrschung seines Fachs in jeder schaffenden menschlichen Thätigkeit.
                              									Einen eigentümlichen Gedanken über den Stil finden wir bei Schliepmann: er verlegt das grösste Gewicht in die Eigenschaften der
                              									Baustoffe. „Und dieser Materialstil ist der einzige, welcher bindend sein
                                 										kann“ (S. 25). Diese Idee muss beim Architekten aber auch die Führung
                              									übernehmen: „Die Sprache seiner Formen soll eben eine Sprache sein, d.h. Gedanken
                                 										ausdrücken“ (S. 26). Und gerade hierin ist der Architekt ganz besonders
                              									gebunden: „Wer verbietet dem Musiker ein paar Takte mehr zum Aussprechen seines
                                 										Gedankens? Welche geringen Opfer haben Maler und Bildhauer zu bringen, um aus
                                 										einer schlichten die reichste Durcharbeitung zu erreichen? Aber in der Baukunst
                                 										kostet jeder Gedanke, der nicht lediglich auf dem Papier bleiben soll, Geld; ja
                                 										meistens in demselben Verhältnis mehr Geld, als er genialer ausgeführt
                                 										erscheint“ (S. 37).
                           Zu den modernen Aufgaben der Baukunst schreitend, sieht der Verfasser solche in dem
                              									Volkstheater, im Geschäftshaus, in den „Tempeln des Verkehrs und des
                                 										Vergnügens“. Aber auch in der privaten Wohnung weiss er praktische Winke zu
                              									geben, nicht nur dem Erbauer, sondern auch dem Bewohner, indem er überall das
                              									Rationelle, das Behagliche und das Schöne zum Prinzip erhebt und den Leser gegen die
                              									Ausschweifungen der Mode aufrüstet.
                           Obwohl Schliepmann's Buch dem Techniker vielleicht nur
                              									wenig Neues bringt, so muss doch gesagt werden, dass gerade in dieser Art
                              									geschrieben werden soll, um dem grossen Publikum die Augen zu öffnen und bei
                              									demselben das Gefühl für einzelne Leitmotive der Technik zu erwecken.
                           Als mustergültiges Seitenstück zu der eben besprochenen Schrift darf mit vollem Recht
                              									der kurze und doch gehaltreiche Vortrag von G. Rohn
                              									über „Die Bedeutung der Textilindustrie für die allgemeine Technik“ (Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1898 Nr.
                              									31) gelten. „Durch die Erfindung der Steinaxt wird der Anfang der Kultur und auch
                                 										der Technik bezeichnet. Die Axt zeigt sich als das erste Werkzeug, dem indes nur
                                 										die Kraft zur Wirkung verhilft. In der Kulturentwickelung bedeutsamer ist die
                                 										Erfindung der Spindel zum Spinnen, als eines Werkzeuges, welches seine Wirkung
                                 										der geschickten Handhabung, also der Geschicklichkeit verdankt.“
                              									„Die Textiltechnik, welche alle Arbeiten und Fertigkeiten zur Gewinnung und
                                 										Umwandlung der rohen Faserstoffe zu Bekleidungs- und Schmuckstoffen in sich
                                 										fasst, weist in ihren Anfängen neben der Geschicklichkeit noch ein zweites
                                 										besonderes Merkmal der Kulturentwickelung auf, nämlich die Sesshaftigkeit. Nur
                                 										bei sesshaften Völkern ist die Ausübung der Textiltechnik zu finden, was wieder
                                 										in dem Erfordernis der Handfertigkeit seine Begründung findet, und für die
                                 										Notwendigkeit dieser Geschicklichkeit ist kennzeichnend, dass die Ausübung der
                                 										Textiltechnik anfangs der kraftloseren, aber feiner fühlenden Frauenhand
                                 										überlassen war.
                           „Kennzeichnend für das älteste Werkzeug der Textiltechnik, die Spindel, wie für
                                 										die Technik überhaupt ist die dabei benutzte Drehbewegung zur Hervorbringung der
                                 										beabsichtigten Wirkung. Die Spindel unterscheidet sich damit ganz wesentlich von
                                 										den übrigen ältesten Werkzeugen, der Axt, dem Hammer und dem Meissel, bei denen
                                 										nur die Hieb- und Schlagwirkung ausgenutzt wird. Mit der Drehbewegung, die ja
                                 										die Technik heute beherrscht, hat diese eigentlich erst angefangen; ist es doch
                                 										die Aufgabe der Technik, die vorhandenen und geschaffenen Kraftwirkungen fast
                                 										ausschliesslich in der Drehbewegung auszunutzen.“ Jedoch brachte es die
                              									nachfolgende Entwickelung mit sich, „dass, veranlasst durch den grösseren Bedarf
                                 										an Kleidungsstoffen, zunächst die männliche Thätigkeit auch beim Spinnen
                                 										herangezogen wurde. Der Wert der textilen Thätigkeit musste damit erst erhöht
                                 										werden, ehe der
                                 										denkende männliche Geist auch hier zu Verbesserungen angespornt wurde. In diesem
                                 										Bestreben wurde zuerst die für das Drehen der Spindel erforderliche
                                 										Geschicklichkeit überflüssig gemacht und es entstand das einfache
                                 										Handspinnrad.“
                           Als in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Wasserkraft schon im allgemeinen Gebrauch
                              									stand, wobei wieder die Textiltechnik die erste Fabrik schuf, und als bald nachher
                              									die Dampfmaschine entstand, war es wieder die Textilindustrie, Welche „zuerst das
                                 										Bedürfnis nach der Teilbarkeit der Betriebskraft erweckte“. „Es muss
                                 										weiter darauf verwiesen Werden, dass die neuen Watt'schen Dampfmaschinen zunächst als Betriebsmaschinen von Spinnereien
                                 										Anwendung fanden. So hat die auf einmal ausserordentlich aufblühende
                                 										Textiltechnik anregend und fördernd auf die Entwickelung der Motorentechnik
                                 										eingewirkt und darf mit Recht als die Mutter des Maschinenbaues bezeichnet
                                 										werden.“
                           Die Forderungen, welche die moderne Textiltechnik an. die allgemeine Technik stellt,
                              									sind folgende: „1. Zwecklässige Fabrikgebäude und Anlagen, die in Bezug auf
                                 										Feuersicherheit, gute Beleuchtung und Lüftung das Vollkommenste bieten. 2. Gute
                                 										Motoren mit hohem Nutzeffekt und grösstem Gleichförmigkeitsgrade. 3. Gute
                                 										Arbeitsmaschinen, d.h. solche von vorzüglicher Konstruktion und genauester
                                 										Ausführung. 4. Gute künstliche Beleuchtung, die dem natürlichen Lichte möglichst
                                 										nahe kommt. 5. Gleichmässige Durchfeuchtung der Luft und gleichmässige
                                 										Temperatur in den Fabrikräumen.“ Auch die Einwirkung auf die chemische
                              									Industrie darf nicht vergessen werden.
                           Zuletzt lesen wir: „Steht die Technik der Textilindustrie, als auf mehr
                                 										empirischer Entwickelung begründet, auch heute noch etwas abseits von den
                                 										theoretisch gewürdigten anderen Gebieten der Technik, so zeigt doch die
                                 										Förderung, welche die Regierungen der Ausbildung der Textiltechnik durch die
                                 										Errichtung zahlreicher Textilfachschulen angedeihen lassen, dass die Wichtigkeit
                                 										der Textilindustrie für den Gesamtwohlstand gewürdigt und anerkannt
                                 									wird.“
                           Mit dieser interessanten Arbeit machen wir vorläufig Halt! An einer langen Reihe von
                              									Arbeiten haben wir uns überzeugen können, wie sich allmählich und doch unaufhaltsam
                              									die allgemeinen Fragen der Technik Bahn brechen. Das Verdienst, mit der Lösung
                              									derselben vor fast einem Menschenalter begonnen zu haben, gehört indes nicht den
                              									Technikern. Erst nach Verlauf von 20 Jahren gelangen auch sie an die Reihe. Erst
                              									seit dieser Zeit aber fasst die neue Denkrichtung festen Fuss, denn die
                              									Abstraktionen werden aus dem einzig massgebenden, fachmännischen Thatbestand
                              									gezogen. Angesichts der Förderung, welche seitens der Redaktion dieser Zeitschrift
                              									der neuen Denkrichtung zu teil wird, mögen die Techniker diese Gelegenheit nicht
                              									fahren lassen!