| Titel: | Rechts-Schau. | 
| Autor: | Eckstein | 
| Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 437 | 
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                        Rechts-Schau.
                        Rechts-Schau.
                        
                     
                        
                           Die staatliche Zwanglizenz im öffentlichen Interesse.
                              									Durch den Krieg ist eine Bestimmung des Patentrechtes in den Vordergrund des
                              									Interesses gerückt und wird es auch nach dem Kriege bleiben, die bisher fast nur für
                              									die Theorie von Bedeutung war, nämlich die Zwanglizenz im öffentlichen Interesse
                              									nach § 5 Abs. 2 Patentgesetz:
                           
                              „Die Wirkung des Patentes tritt ferner insoweit nicht ein, als die Erfindung nach
                                 										Bestimmung des Reichskanzlers für das Heer oder für die Flotte oder sonst im
                                 										Interesse der öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden soll. Doch hat der
                                 										Patentinhaber in diesem Falle gegenüber dem Reiche oder Staate, welcher in
                                 										seinem besonderen Interesse die Beschränkung des Patents beantragt hat, Anspruch
                                 										auf angemessene Vergütung, welche in Ermangelung einer Verständigung im
                                 										Rechtswege festgesetzt wird.“
                              
                           Diese Bestimmung unterscheidet sich sehr wesentlich von der einfachen Zwanglizenz
                              									nach § 11 Patentgesetz, durch die die Verwertung einer Erfindung gegen den Willen
                              									des Urhebers erzwungen werden kann, wenn es im öffentlichen Interesse geboten ist.
                              									In dieser Befugnis des Staates liegt nur die Macht, die Industrie gegen die
                              									Unterlassung möglicher Förderung zu schützen, die staatliche Gewalt schiebt sich nur
                              									zwischen die Interessen von Privatpersonen und schafft Privatrechtsverhältnisse
                              									unter Anwendung von Zwang. Im § 5 dagegen ist der Staat nicht die vermittelnde,
                              									sondern die treibende Kraft,die ihre Funktionen erfüllt, den Staat als solchen
                              									hinsichtlich der Stärkung seiner Wehrkraft oder indirekt durch Schutz der
                              									öffentlichen Wohlfahrt zu fördern.
                           Die Voraussetzungen sind daher hier ganz anders als dort: Wirtschaftliche,
                              									industrielle, gewerbliche Interessen usw. rechtfertigen nicht einen Eingriff des
                              									Reichs oder Staates nach § 5, sondern immer nur nach § 11, es muß vielmehr ein
                              									staatliches Interesse vorliegen.
                           Am nächsten liegt das Interesse des Staates an seiner Wehrmacht, aber mit Recht hebt
                              									das Gesetz diese Fälle nur als die wichtigsten hervor, ohne das Eingriffsrecht
                              									hierauf zu beschränken. Es kommt also auch die Volksernährung (Herstellung von
                              									künstlichem Eiweiß!) die Bekämpfung der Seuchengefahr, Krüppelfürsorge, die
                              									Verkehrstechnik usw. usw. hier im weitesten Umfange in Frage.
                           Nicht dagegen ist jedes Interesse des Staates ein staatliches Interesse. Der Staat
                              									als Gewerbetreibender steht jedem Privatmanne gleich und kann keine Zwanglizenzen
                              									nach § 5 beanspruchen, wenn es sich nicht um Förderung der öffentlichen Wohlfahrt
                              									handelt.
                           Wenn auch das Einschreiten nach § 5 nur im staatlichen Interesse erfolgen darf, so
                              									ist nicht gesagt, daß es nur für den Staat zulässig ist; das Reich oder der Staat
                              									kann vielmehr die Rechte, die er nach § 5 gewaltsam für sich aneignet, auf
                              									Privatpersonen, auf Gemeinden, Behörden usw. übertragen, nur muß sich die
                              									Uebertragung in den Grenzen halten, die das Gesetz als Voraussetzung des § 5 geschaffen hat: Es
                              									muß stets bei der Uebertragung das öffentliche Wohl entscheidend sein, und der
                              									Dritte muß daher in irgend einer Weise wenigstens als Interessen Vertreter des
                              									Staates wirken. Das häufigste wird aber sein, daß der Staat entweder unmittelbar
                              									oder durch eine Behörde Verwertungsrecht und Verwertung stets zusammenhalten wird,
                              									wenn nicht etwa die Absicht des Staates dahin geht, die angeeigneten Ideen der
                              									Allgemeinheit preiszugeben.
                           Die Art der Verwertung ist unbeschränkt, sofern die Verwertung sich nur im Rahmen des
                              									öffentlichen Staatsinteresses hält. Nicht nur die Benutzung der Erfindung steht dem
                              									Staate zu, sondern auch das in Verkehrbringen der etwa hergestellten Gegenstände,
                              									wenn nur nicht ein gewerbliches Interesse des Staates dabei im Vordergrunde
                              									steht.
                           Ein besonderes Enteignungsverfahren sieht das Gesetz nicht vor, und das führt zu
                              									einer gewissen Rechtlosigkeit: Der Reichskanzler hat nach freiem Ermessen zu
                              									bestimmen, und gegen seine Bestimmung ist kein Beschwerderecht oder ein sonstiges
                              									Rechtsmittel gegeben. Damit sind aber nur die formellen Rechte in die Hand des
                              									Reichskanzlers gelegt, die Privatrechtstellung des Erfinders, der Schutz des
                              									geistigen Eigentums wird damit nicht berührt. Hält sich daher die Bestimmung des
                              									Reichskanzlers oder die Art der Verwertung der enteigneten Ideen (richtiger der
                              									angeeigneten Lizenz) nicht im Rahmen des öffentlichen staatlichen Interesses und
                              									wird auf diese Weise der Erfinder geschädigt, so liegt ein widerrechtlicher Eingriff
                              									in geschütztes Recht vor.
                           Solche Fälle können leicht vorkommen, z.B. wenn das Patent beschränkt wird, ohne
                              									daß ein staatliches Interesse vorliegt, oder wenn der Staat die Lizenz in
                              									gewerblicher Weise verwertet oder vielleicht in einer Weise weitergibt, durch die
                              									der Rahmen der Voraussetzungen des § 5 überschritten wird. Dann hat der
                              									Patentberechtigte dieselben Befugnisse wie im Falle der Patentverletzung. Es mag
                              									zweifelhaft sein, ob dann ein Anspruch auf Unterlassung gegeben ist, da der Staat in
                              									Ausübung seines Hoheitsrechtes gehandelt hat, zweifellos aber hat der Geschädigte
                              									vollen Anspruch auf Schadenersatz, unabhängig von seinem Ansprüche auf
                              									Vergütung.
                           Der § 5 des Patentgesetzes schafft Zwangsrecht; alle sonstigen privatrechtlichen
                              									Rechtsbeziehungen werden damit durchbrochen. Hat der Patentinhaber etwa nach anderer
                              									Seite sich vertragsmäßig Beschränkungen auferlegt (Verzicht auf Lizenzerteilung
                              									usw.), so liegt auf seiner Seite Unmöglichkeit der Leistung vor. Wohl aber kann er
                              									durch die Zwanglizenz Gewinne machen, durch die er Dritten gegenüber (z.B. dem
                              									ausschließlichen Lizenznehmer) ungerechtfertigt bereichert sein würde; diesen Gewinn
                              									muß er dann natürlich abführen.
                           Stets aber begründet die Zwanglizenz nach § 5 nur Rechtsbeziehungen zwischen dem
                              									Staate oder Reiche und dem Patentberechtigten. Die Lizenzberechtigten können daher
                              									ihre Interessen immer nur durch die Person ihres Rechtsurhebers geltend machen. Bei
                              									der Bemessung der Vergütung werden solche Umstände berücksichtigt werden müssen.
                           Dr. jur. Eckstein.