| Titel: | Die Anlaßgeräte des Kurzschlußmotors und ihre Anwendung. | 
| Autor: | F. Foerster | 
| Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 170 | 
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                        Die Anlaßgeräte des Kurzschlußmotors und ihre
                           								Anwendung.
                        Von Oberingenieur F. Foerster,
                           									Berlin.
                        FOERSTER, Die Anlaßgeräte des Kurzschlußmotors und ihre
                           								Anwendung.
                        
                     
                        
                           Der Drehstrommotor mit Kurzschlußanker, einfacher Kurzschlußmotor genannt, gilt
                              									gemeinhin als der idealste Motor, weil er von keinem anderen Motor an Einfachheit
                              									und Betriebssicherheit erreicht oder übertroffen wird. Er hat vor dem Drehstrommotor
                              									mit Schleifringanker noch den Vorteil, daß er in den kleineren Einheiten bis zu etwa
                              									10 PS einen besseren Leistungsfaktor (cos ϕ) hat.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 169
                              Abb. 1.
                              
                           Indessen besitzt er auch ein paar Eigenschaften, die ihn nicht
                              									für alle Betriebszwecke empfehlen. Da ist einerseits der hohe Anlaufstrom, den er
                              									beim Einschalten aufnimmt, der einen Anlauf mit Vollast unter Verwendung der bisher
                              									üblichen Anlaßeinrichtungen geradezu unmöglich macht. Diese wenig erfreuliche
                              									Eigenschaft hat viele öffentliche Elektrizitätswerke veranlaßt, sich gegen größere
                              									Kurzschlußmotoren ablehnend zu verhalten und nur kleinere Motoren, etwa bis zu 3 PS,
                              									im Höchstfalle bis zu 4 kW (entsprechend etwa 5 PS) zuzulassen, wenn eine Störung
                              									des ordnungsmäßigen Betriebes der benachbarten Anschlußanlagen, insbesondere
                              									der Beleuchtung durch dieselben infolge des hohen Anlaufstromes nicht zu befürchten
                              									ist. Zweitens ist die Verwendung des Kurzschlußmotors überall da ausgeschlossen, wo
                              									regelbare Motoren verlangt werden. In allen denjenigen Betrieben aber, wo diese
                              									Nachteile des Kurzschlußmotors nicht von Belang sind, z.B. wo der Motor unbelastet
                              									oder mit nur geringer Last anlaufen und mit seiner normalen, von der Frequenz des
                              									Drehstroms und der Polzahl des Motors bestimmten Umlaufzahl Verwendung finden kann,
                              									da ist der Kurzschlußmotor in der Tat hinsichtlich seiner Einfachheit und
                              									Betriebssicherheit der idealste Motor.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 169
                              Abb. 2.
                              
                           Wenn man den Kurzschlußmotor durch einfachen Schalter an die normale Netzspannung
                              									legt, was nach den Anschlußbedingungen des V. D. E. 
                              									nur bei kleinen Motoren bis 1,1 kW statthaft ist, so wirkt der Kurzschlußanker
                              									im Motor genau wie eine kurzgeschlossene Sekundärwicklung im Transformator. Der
                              									Motor nimmt beim Anlauf einen sehr hohen Strom auf, der das fünf- bis achtfache des
                              									Normalstromes beträgt. Das Drehmoment oder Anzugsmoment (Zugkraft × Hebelarm am
                              									Riemen-scheiben-Umfang) beträgt dabei aber nur ein Drittel des normalen Drehmoments
                              									des Motors, was für die zulässige Höhe seiner Anlaufbelastung bestimmend ist. Der
                              									Kurzschlußmotor kann daher nur mit sehr geringer Last anlaufen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 170
                              Abb. 3.
                              
                           Um den hohen Anlaufstrom in mäßigen Grenzen zu halten, verwendet man bei kleineren
                              									Kurzschlußmotoren einen Statoranlasser, durch welchen beim Einschalten Widerstände
                              									vor die Statorwicklung des Motors gebracht werden. Man wird für Kurzschlußmotoren in
                              									offener Sternschaltung zweckmäßig den Anlasser (Abb.
                                 										1) wählen, weil er einfacher und billiger ist, als der Anlasser (Abb. 2). Indessen ist auch dieser für Sternschaltung
                              									verwendbar, wenn man die drei Klemmen z, x, y am Motor durch eine metallische
                              									Brückenverbindung zum Nullpunkt der Sternschaltung zusammenschließt (Abb. 1 und 2).
                           Der Zweck der Statoranlasser ist der, durch Vorschalten von Widerstand die
                              									Betriebsspannung für den Motor zu reduzieren, wodurch der Anlaufstrom gemildert
                              									wird. Selbstverständlich wird durch die Reduzierung der Betriebsspannung auch die
                              									Stärke des Drehfeldes, die immer proportional der Betriebsspannung ist, weiter
                              									herabgesetzt und damit auch das Anzugsmoment des Motors.
                           Bei größeren Kurzschlußmotoren verwendet man an Stelle des Statoranlassers besser
                              									einen regulierbaren Anlaß-Transformator. Dieser Anlaß-Transformator ist ein
                              									sogenannter Auto-Transformator, also mit Sparschaltung, dessen
                              									Uebersetzungs-Verhältnis meist 2:1 gewählt wird. Er gestattet, dem Motor einen
                              									wesentlich höheren Strom zuzuführen, als dem Leitungsnetz entnommen wird und somit
                              									Kurzschlußmotoren mit höherem Drehmoment anzulassen. (Abb.
                                 										3.) Dem Motor wird dabei die halbe Netzspannung, aber der doppelte
                              									Strom zugeführt. Ein Kurzschlußmotor, der direkt an das Netz gelegt, vielleicht den
                              									sechsfachen Strom aufnehmen würde, erhält über den Anlaß-Transformator bei halber
                              									Spannung nur den dreifachen Strom, der aber in den meisten Fällen genügt, dem Motor
                              									das erforderliche Drehmoment zu geben. Das Leitungsnetz wird dabei nur mit dem
                              									1,5fachen Strom beansprucht, so daß die Stromentnahme durch den Anlaß-Transformator
                              									im Verhältnis von 4 : 1 herabgesetzt wird.
                           Eine weitere, und zwar die bei weitem gebräuchlichste Anlaßmethode für den
                              									Kurzschlußmotor ist die mittels Sterndreieckschalter. Bei Verwendung eines
                              									Sterndreieckschalters muß der Motor so eingerichtet sein, daß er bei der
                              									Betriebsspannung in Dreieckschaltung läuft. Man kann also nicht jeden beliebigen
                              									Kurzschlußmotor mittels Sterndreieckschalters einschalten. Ist der Motor nicht für
                              									die Betriebsspannung in Dreieckschaltung gewickelt bzw. eingerichtet, so kann er nur
                              									durch Statoranlasser oder Anlaß-Transformator in Betrieb gesetzt werden, nicht aber
                              									mittels Sterndreieckschalters. Unter Verwendung eines Sterndreieckschalters werden
                              									die drei Drehstrom-Phasenwicklungen des Stators nicht innerhalb des Motors
                              									verkettet, sondern die Verkettung der drei zeitlich um 120° gegeneinander vernetzten
                              									Einphasenwicklungen erfolgt durch den Sterndreieckschalter, so zwar, daß die drei
                              									Phasenwicklungen des Motors in der Anlaufstellung des Schalters im Stern und in der
                              									Betriebsstellung des Schalters im Dreieck geschaltet sind. Hierfür müssen die sechs
                              									Enden der drei Phasenwicklungen des Motors zu sechs Klemmen geführt werden (Abb. 4).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 170
                              Abb. 4.
                              
                           Der Kurzschlußmotor, der mittels Sterndreieckschalter in Betrieb gesetzt werden soll,
                              									muß also, um beispielsweise in Dreieckschaltung für 380 Volt Betriebsspannung
                              									verwendet werden zu können, für 660/380 Volt gewickelt sein, bzw. bei 220 Volt
                              									Betriebsspannung für 380/220 Volt, was für die Beschaffung des richtigen Motors von
                              									größter Wichtigkeit ist.
                           Durch Einschaltung des Kurzschlußmotors mittels Sterndreieckschalters wird also bei
                              									380 Volt Betriebsspannung ein Motor von 660/380 Volt erforderlich sein, der für
                              									seine 660-Volt-Wicklung 
                              									in Sternschaltung bei 380 Volt-Betriebsspannung nur eine Spannung von
                              									\frac{E}{\sqrt{3}}=e in den einzelnen Phasen erhält, d. i. wenn wir unter E die
                              									Betriebsspannung von 380 Volt verstehen, eine Phasenspannung von e=\frac{380}{1,75}=220
                              									Volt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 171
                              Abb. 5.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 171
                              Abb. 6a. Drehstrommotor 5,5 kW (7,5 PS) mit mechan. Anlasser
                                 										(geöffnet).
                              
                           Durch diese Spannung von 220 Volt in den für 380 Volt bemessenen Phasenwicklungen
                              									wird infolge schwächerer Magnetisierung die Umlaufzahl vermindert und damit die
                              									Anlaufstromstärke des Motors auf den dritten Teil des normalen Anlaufstromes
                              									herabgesetzt. Ein Anlaufstrom in dieser Höhe, der nur etwa das 2,4fache des
                              									Normalstromes bei der Nennlast des Motors ist, wird aber von allen
                              									Elektrizitätswerken für Kurzschlußmotoren zugelassen. Allerdings steigt dieser
                              									Anlaufstrom bei Umschaltung des Motors von Stern- in Dreieckschaltung auf seine
                              									normale Betriebsspannung von 380 Volt, die nun in Dreieckschaltung auch
                              									Phasenspannung ist, noch einmal während des Bruchteils einer Sekunde fast bis zur
                              									vollen Höhe des normalen Anlaufstromes an. Dieser Stromstoß ist aber belanglos, weil
                              									er Störungen im Sinne der Verbandsvorschriften über die „Anlaßbedingungen
                                 										für Kurzschlußmotoren“ nicht hervorruft. Das Anlaufs-Drehmoment ist in der
                              									Sternschaltung des Motors auch nur mehr ein Drittel des normalen
                              									Anlaufs-Drehmomentes. Deshalb empfiehlt sich Leeranlauf des Kurzschlußmotors. Die
                              									Umschaltung von Stern auf Dreieck erfolgt, wenn die Umlaufzahl sich in der
                              									Sternschaltung nicht mehr verändert, also konstant bleibt. Bei Kurzschlußmotoren,
                              									die öfter ein- und ausgeschaltet werden, empfiehlt es sich, den Sterndreieckschalter
                              									in Walzenform (Abb. 5) zu verwenden.
                           Um nun aber Kurzschlußmotoren auch mit Vollast-Anlauf betreiben zu können, ohne daß
                              									dabei – den Bedingungen des V. D. E. entsprechend – während der Anlaufperiode höhere
                              									Spitzenströme als das 2,4fache des Normalstromes auftreten, hat man die an sich
                              									schon seit Jahrzehnten bekannten Fliehkraftkupplungen als Anlaßgeräte für
                              									Kurzschlußmotoren auf den Markt gebracht.
                           Diese Kupplungen sind fast durchweg als Riemenscheiben ausgebildet, d.h. man hat den
                              									durch die Fliehkraft in Wirksamkeit tretenden Friktions-Mechanismus in eine starke
                              									eiserne Buchse eingebaut, die zur Riemenscheibe ausgebildet worden ist (vergl. Abb.
                              									6a und b). Derartige Fliehkraftkupplungen sind in mehreren Konstruktionen bekannt
                              									geworden. Die bekanntesten unter ihnen sind die „Fliehkraftscheibe von
                                 										Fischer-Hinnen“ (Oerlikon) aus dem Jahre 1906, ferner die sogenannte
                              										„DEM-Kupplung“ mit Oelsieb, der bekannte „Mechanische Anlasser“
                              									und die „Albo-Kupplung.“ Die meisten dieser Fliehkraftscheiben entsprechen
                              									den Forderungen zur Lösung des Problems für den Kurzschlußmotor nur in mehr oder
                              									weniger beschränktem Maße, weil mit Ausnahme von der Albo-Kupplung von keiner ein
                              									völlig belastungsfreier Anlauf des Motors erreicht wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 171
                              Abb. 6b. Quer- und Längsschnitt des mechanischen Anlassers für
                                 										Drehstrom-Motoren.
                              
                           Wenn man z.B. als Anlaufsvorrichtung für den Kurzschlußmotor eine gewöhnliche Voll-
                              									und Leerscheibe anwendet, so ist es erforderlich, beim Anlassen folgende Reihenfolge
                              									der Bedienung einzuhalten: Solange nach erfolgtem Einschalten die Statorwicklung des
                              									Kurzschlußmotors an der durch 
                              									Statoranlasser oder Sterndreieckschalter verminderten Spannung liegt und der
                              									Motor infolgedessen ein nennenswertes Drehmoment nicht zu entwickeln vermag, muß der
                              									Riemen ausgerückt auf der Leer- oder Losscheibe laufen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 172
                              Abb. 7a. AEG-Anlaßkupplung (Riemenscheibenbauart) mit abgezogener
                                 										Riemenscheibe.
                              
                           Der Motor wird dann trotz der verminderten Spannung und des
                              									sehr schwachen Drehmomentes seine normale Drehzahl erreichen. Es wäre nicht
                              									zweckmäßig, jetzt schon bei Erreichung der vollen Drehzahl den Motor durch
                              									Ueberleitung des Riemens von der Los- auf die Vollscheibe zu belasten, weil der
                              									Motor vorläufig doch noch immer an der verminderten Spannung liegt. Das durch die
                              									reduzierte Spannung herabgesetzte Drehmoment ist auch keineswegs durch das Erreichen
                              									der normalen Drehzahl besser geworden. Der Motor muß vielmehr vor dem Uebergang des
                              									Riemens von der Leer- auf die Vollscheibe an die volle Netzspannung gelegt werden.
                              									Erst dann dürfte die Belastung des Motors erfolgen, weil erst dann der Motor
                              									imstande ist, sein volles Drehmoment zu entwickeln. Diese Forderung erfüllt die
                              									Albo-Kupplung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 172
                              Abb. 7b. Quer- und Längsschnitt der AEG-Anlaßkupplung.
                              a = Nabe; b = Feder; c =
                                 										Bremsscheibe; d = Bremsbelag; e = kleines Fliehstück; f = Laufring; g = großes
                                 										Fliehstück; h = Riemenscheibe.
                              
                           Neuerdings hat die AEG eine neue Fliehkraftkupplung (Abb. 7a und b)
                              										herausgebracht,Vgl. H. Schulmann. AEG-Mitteilungen, Heft 5/1927. welche nach einem völlig neuen Prinzip, abweichend von dem der
                              									Albo-Kupplung, das Problem ebenfalls restlos löst. Die neue AEG-Kupplung hat dabei
                              									gegenüber der Albo-Kupplung noch den Vorzug, daß sie weniger kompliziert ist als
                              									diese, die aus einer wesentlich größeren Anzahl von Einzelteilen besteht. Während
                              									die Albo-Kupplung außerdem in ihrer Funktion auf die Verbindung mit
                              									Sterndreieckschalter angewiesen ist, ist die neue AEG-Kupplung in ihrer
                              									Wirkungsweise völlig unabhängig davon, ob das Anlassen des Motors mit oder ohne
                              									Zuhilfenahme des Sterndreieckschalters erfolgt.