Titel: | Beantwortung der Anfragen des Hr. Venables hinsichtlich der Bereitung des Ciders, von einem Chemico Medicus. |
Fundstelle: | Band 2, Jahrgang 1820, Nr. VII., S. 54 |
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VII.
Beantwortung der Anfragen des Hr. Venables hinsichtlich der Bereitung des Ciders,Thomsons Annals of
Philosophy. Januar 1820 p. 27. von einem Chemico Medicus.
Mit Anmerkungen von Dr. J. A. Buchner,Bolton row Piccadily Oct. 9 1819.
Beantwortung der Anfragen des Hrn. Venables über Ciderbereitung.
Die Aufmerksamkeit, welche ich der Bereitung des Ciders und
anderer weinartiger Getraͤnke gewidmet habe, giebt mir Muth, die Anfragen des
Hrn. Venables ruͤcksichtlich der Gaͤhrung
des Aepfel-Saftes zu beantworten.
Auf die erste Anfrage.
Ich kenne keine andere Methode die Aepfelsaͤure zu neutralisiren, ausser durch
ein Alkali, was aber in der Folge dem Cider nachtheilig waͤreKreide, oder uͤberhaupt kohlensaurer Kalk, waͤre noch das
unschuldigste Mittel, um die freie Saͤure des Apfelsaftes zu
neutralisiren, weil der kohlensaure Kalk unaufloͤslich ist im Wasser,
und der damit entstandene aͤpfelsaure Kalk, insoferne keine freie
Saͤure mehr vorhanden ist, gleichfalls nur in geringer Menge
aufgeloͤst wird. Da indessen ein gewisser Gehalt an freier
Aepfelsaͤure dem Cider einen eigenthuͤmlichen angenehmen
Geschmack giebt, so ist es wahrscheinlich besser anstatt die
Aepfelsaͤure abzustumpfen, den Zuckergehalt des Saftes
kuͤnstlich zu vermehren. Buchner.. Waͤren die Aepfel, welche den Saft geliefert, nicht reif, dann waͤre es
freilich raͤthlich vor der Gaͤhrung eine Quantitaͤt Zucker
hinzuzuthun, indem sonst die gegorne Fluͤßigkeit so schwach wird,
daß sie bald in die saure Gaͤhrung uͤbergehet. Wenn diese
Beimischung nicht gemacht wird, so koͤnnte eine Portion Alkohol, Brandwein,
Rum, oder Malzgeist, nach dem ersten Gaͤhrungs-Stadium
beigefuͤgt werden, um den Cider in einem weinartigen Zustande zu erhalten.
Von Brandwein haben nach meinem Wissen mehrere Cider-Fabrikanten bei Ledbury,
in Herefordschire Gebrauch gemacht, in der Absicht, um zu verhindern, daß er
den Wein-Zustand nicht uͤberschreite, oder wie sie sagen, um seine
eigentliche Fuͤlle zu erhalten; und diese Fabrikanten sind wegen der
Vortreflichkeit ihres Ciders beruͤhmt. Bringt man nach der ersten
Gaͤhrung einen Geist hinzu, so hat dieß meines Erachtens den
naͤmlichen Effekt, als wenn man vor der Gaͤhrung Zucker beimischt, da
der Vortheil des leztern von der Verwandlung desselben in Alkohol abhaͤngt,
welcher den Cider in einem weinartigen Zustande erhaͤltGanz gleichguͤltig kann es, nach meiner Einsicht, keineswegs seyn, ob
dem Aepfelsafte vor der Gaͤhrung Zucker, oder nach derselben
Weingeist zugesezt wird, weil einerseits der Zucker durch das
Zusammengaͤhren mit dem Aepfelsaft gleichsam homogenisirt wird, und
nachher dem Getraͤnke angenehme weinartige Eigenschaften ertheilt:
und weil anderseits jeder Brandwein, er mag Kornbrandwein,
Kartoffelbrandwein, Franzbrandwein oder gar Rum heißen, immer einen
eigenthuͤmlichen Geschmack besizt, der sich nur langsam verliert, und
dem Kenner immer merklich und unangenehm bleibt.Indessen verdient bei uns in Deutschland gegenwaͤrtig doch die
Veredlung des Ciders durch Brandwein vor der durch Zucker den
Vorzug, weil erster im Inlande erzeugt wird, und
verhaͤltnißmaͤßig weit wohlfeiler ist als der
Zucker.Buchner.
Ein anderer Umstand, der hiebei sehr kraͤftig wirkt, ist, wenn die
Aepfel-Koͤrner mit zerrieben werden, woher, wie ich glaube, nach
Erlaͤuterung des H. R. Paine Knight, die eigenthuͤmliche bittere Eigenschaft ruͤhrt, welche dem Cider
nicht nur einen feinen Wohlgeschmack schafft, sondern maͤchtig dahin wirkt,
ihn in einem weinartigen Zustande zu erhalten. Schon vor mehreren Monathen machte
ich Versuche mit zuckerhaltigen Wurzeln dieser Gegend, die ich mit den Aepfeln
zerquetschen ließ, weil ich in einem periodischen Werke: „die Gesundheits-Zeitung“ betitelt,
fand, daß die Runkelruͤben (beet-root) empfohlen wurden als Beimischung zu den Aepfeln, wann
diese zerrieben werden, um den Zuckerstoff zu vermehren. Der Cider war durch diese
Mischung sehr bereichert; allein ich fand mich hinsichtlich der Farbe, die ich
schoͤn roth erwartet hatte, nicht wenig getaͤuscht. Die Farbe, welche
der frischgepreßte Saft durch die Runkelruͤben erhalten hatte, gieng
durch den Gaͤhrungs-Prozeß gaͤnzlich verloren. Der Cider
bekam einen besondern erdigen Geschmack, woran die Cider-Trinker kein Behagen
haben. Gelbe Ruͤben und Pastinak bereichern den Aepfelsaft bedeutend, und
veraͤndern den Geschmack des Ciders nicht. Es ist bemerkenswerth, daß
die Landleute in Herefordshire und Devonshire beim Zerreiben der Aepfel eine
betraͤchtliche Menge Wasser zugießen. Die Quantitaͤt des
zugesezten Wassers betraͤgt gewoͤhnlich uͤber die
Haͤlfte des ausgepreßten Saftes. Dieser Cider wird in beiden
Grafschaften allgemein getrunken, und von den Landleuten fuͤr ihren Gebrauch
vorgezogen. Da ich von einem Landmanne, welcher jaͤhrlich gegen 800 Oxhofts
Cider machte, halsstaͤrrig behaupten hoͤrte, daß ein
Zuguß von Wasser
an die Aepfel beim Zerquetschen die Staͤrke des Ciders erhoͤhe, so
wurde ich dadurch veranlaßt den auf diese Weise erzeugten Cider, und jenen,
der nicht durch Wasser gestaͤrkt worden war, zu
untersuchen. Ich fand, daß ersterer nicht halb soviel Geist hatte als
lezterer. Dem Gaumen kam nach des Landmannes Behauptung Ersterer staͤrker und
schaͤrfer vor. Bei genauerer Pruͤfung entdeckte ich bald, daß
die so behauptete Staͤrke von der Gegenwart des Weinessigs kam! Es war
augenfaͤllig, daß der ausgepreßte so verduͤnnte Saft
schnell in saure Gaͤhrung gerathe, und daß man dann statt Cider nur
verduͤnnten Essig trinke, und diesem geben die Eingebornen den Vorzug.
Wirklich verwerfen sie Cider im eigenthuͤmlichen weinartigen Zustande, und
behaupten, daß derselbe suͤßlich sey und nach Medicin
schmecke.
Zweite Anfrage. Die Wirkung des Kochens der
Aepfelsaͤure, wie sie im Cider vorhanden ist, wird das Verfliegen des Geistes
zur Folge haben, und somit wird die Fluͤßigkeit bald zu Essig werden.
Die Anfrage des Herrn Venables ist mir durchaus nicht klar, – ich glaube
naͤmlich, daß das Sieden des Ciders gemeint sey, und nicht der reinen (koncentrirten) Aepfel-Saͤure,
welche, wie er wissen mag, durch das Sieben keine Aenderung leiden kann.Es wundert mich sehr, daß der Hr. Chemico
Medicus die Frage nicht verstanden hat! Os ist naͤmlich
bekannt, daß die ausgepreßten Pftanzensaͤfte, wenn sie
truͤbe sind, durch das Kochen schnell geklaͤrt werden, und
zugleich eine wesentliche Veraͤnderung erleiden, indem der
vegetabilische Eiweißstoff in der Siedhize gerinnt, und noch andere
Stoffe aus der Fluͤßigkeit einhuͤllend als Schaum
erscheint. Wenn also Hr. Venables fraͤgt:
Welche Wirkung hat das Kochen auf die Aepfelsaͤure? So hat er
unstreitig den frisch gepreßten Aepfelsaft, und keineswegs den
gegohrnen Cider im Sinne gehabt, indem er wissen wollte, ob durch das Kochen
des Aepfelsaftes die darin vorhandene freie Saͤure modificirt oder
ausgeschieden werde? Es ist zwar nicht wahrscheinlich, daß sie
dadurch verringert werde, indessen waͤre es doch eines Versuches
werth, besonders um die markartige Substanz, welche gleichfalls nachtheilig
auf den Cider wirkt, zu coaguliren. Ein Zusaz von Kreide wuͤrde beim
Kochen auch die Aepfelsaͤure wegschaffen. Uebrigens waͤre ein
paarmaliges Aufkochen hinreichend fuͤr den Zweck.Buchner.
Dritte Anfrage. Ich kenne keine andere Methode die
Fluͤßigkeit vor der Gaͤhrung von Unreinigkeiten zu
klaͤren, als das Durchseihen. Waͤhrend der Gaͤhrung gehet
vieles durch das Spundloch ab, und vieles sezt sich. Bleibt der Cider nach der
Gaͤhrung truͤb, so kann er durch Fischleim geklaͤrt
werden.Praktische Chemiker wissen, daß, wenn man eine truͤbe
Fluͤßigkeit anhaltend schuͤttelt oder umruͤhrt,
der feine Niederschlag, der das Truͤbesein veranlaßt hat,
dadurch coagulirt, und zum Niedersinken geeignet wird. Das naͤmliche
bewirken auch die Bierbraͤuer durch das starke Umruͤhren der
Wuͤrze im Kuͤhlschiffe. Es sezt sich dadurch der fein
zertheilte Kleber im Kuͤhlschiffe ab, wodurch das sogenannte
Gelaͤger entsteht, und die Wuͤrze wird klar und gut zur
Gaͤhrung. Versaͤumt der Braͤuer dieses Ruͤhren
und Ausscheiden des Gelaͤgers, so bekoͤmmt er, wie die
Erfahrung gelehrt hat, ein staubiges Bier das bald sauer wird. Durch ein
aͤhnliches Behandeln wuͤrde man hoͤchst wahrscheinlich
auch den markartigen Stoff aus dem Apfelsafte groͤßtentheils
ausscheiden, und den Cider wesentlich verbessern koͤnnen. Buchner.
Vierte Anfrage. Ich kann nicht bestimmt uͤber geschlossene Gaͤhrung sprechen. H. R. Paine Knight
empfiehlt geschlossene Gaͤhrung, wodurch nach seiner Aeußerung der
Wohlgeschmack des Apfels erhalten wird. Ich habe sehr feinen Cider, der auf solche
Art gegohren hatte, gekostet, allein es war Brandwein zugesezt, um ihn im
weinartigen Zustande zu erhalten. Wird die Gaͤhrung in einem weiten gaͤnzlich offnen Gefaͤße geleitet, so
verfluͤchtiget sich der Alkohol, und die Fluͤßigkeit wird
aͤußerst schnell in saure Gaͤhrung gehen. Doch halte ich's
fuͤr gut das kohlensaure Gas weggehen zu lassen.
Fuͤnfte Anfrage. Der Saz des Ciders ist nur der
hefige Theil aus der Fluͤßigkeit. Ich glaube nicht, daß Jemand
darin so viel Geist suchen moͤchte als im klaren Cider.
Sechste Anfrage. Daß der Cider durch das Abziehen
schwaͤcher wird, ist offenbar, weil sich der Geist verfluͤchtiget.
Dieses Verfahren ist oft nothwendig fuͤr den ruhigen Cider um
Kohlensaͤure frei zu machen. Nachdem nun das Gas mit einem Theil des Alkohols
hinweg ist, so sezt sich die vertheilte heftige Materie gewoͤhnlich zu
Boden.Durch das wiederholte Abziehen wird gewoͤhnlich aufs Neue eine
schwache Gaͤhrung angeregt, wodurch die Ausscheidung der noch in der
Fluͤßigkeit schwebenden Hefe befoͤrdert wird.
Vielleicht wirkt auch der Umstand mit, wovon in der vorhergehenden Anmerkung
die Rede war. Buchner.
Ich sehe keinen Grund, warum man in dieser Gegend nicht Cider bereiten
koͤnnte, der im Stande waͤre mit manchem Rheinweine zu wetteifern. Der
Aepfel Saft enthaͤlt genugsam Saͤure, und die Aepfelsaͤure ist
so angenehm als die einer Traube. Der ausgepreßte Saft hat zwar weniger
Zuckerstoff, allein, dieser Mangel kann durch andere Vegetabilien ersezt werden. Zu
diesem Behufe ziehe ich gekeimten Weizen vor. Zerreibt man diesen mit den Aepfeln,
so gewinnt der Saft betraͤchtlich, und, wenn die eigentliche Gaͤhrung
drei Tage durch mit etwas Hefe (etwa eine halbe Pinte auf 120 Maaß,)
angedauert hat, so ist der Cider wie der gewoͤhnliche deutsche Wein. In
vielen Gegenden von Herefordshire und Worcestershire findet sich der Holzapfel
haͤufig. Diese Frucht wird vom Landmann selten gesammelt, und wenn dieß geschieht, so wird
dieselbe zu Holzaͤpfelessig zerquetscht, den man manchmal statt Weinessig
braucht, in der Regel aber fuͤr Wunden oder Verrenkungen aufbehalten wird.
Diese Saͤure ist von der aus guten Aepfeln bereiteten nur an Staͤrke
verschieden. Wuͤrde daher der Saft mit Wasser verduͤnnt, und mit etwas
Zucker versezt (etwa eine Unze auf eine Pinte) so wuͤrde die vergorne
Fluͤßigkeit dem besten Cider gleich seyn. Ich weiß, daß
solcher Cider von tuͤchtigen Sachkennern vortreflich genannt wurde. In den Cider Gegenden bestehet ein wunderliches
Vorurtheil gegen die Anwendung des Zuckers bei der Cider Bereitung. Der gemeine Mann
haͤlt dafuͤr, daß der Cider dadurch geschwaͤcht
wuͤrde, und daß derselbe dadurch nur dem Gaumen gefaͤlliger
werden koͤnne. Solcher Cider, heißt es, taugt nur fuͤr
Frauen.
Nachschrift. Bei nochmaliger Durchgehung dieses Aufsazes
finde ich, daß ich eine Bemerkung hinweggelassen habe, welche Hr. Venables
hinsichtlich des Aussezens des Aepfelmarkes an die Luft gemacht hat. Dieses
empfiehlt vorzuͤglich H. R. P. Knight, welcher versichert, daß dadurch
der Saft einen Zuwachs von Zuckerstoff erhaͤlt. Die von mir gemachten
Versuche bestaͤttigen diese Behauptung, allein ich dachte, daß ein auf
diese Art bereiteter Cider schneller in saure Gaͤhrung uͤbergehe, in
Folge der Anziehung des Sauerstoffes.