Titel: | Nachricht über die von Samuel Morey erfundene sich umwälzende Dampfmaschine (Revolving-Steam Engine). |
Fundstelle: | Band 2, Jahrgang 1820, Nr. XV., S. 129 |
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XV.
Nachricht über die von Samuel Morey erfundene sich umwälzende Dampfmaschine (Revolving-Steam Engine).
Von Herrn J. L. Sullivan.
Mit einer Abbildung.
Im Auszuge aus Sillimans American Journal of Science in dem Repertory of Arts; Manufactures et Agriculture, Second Series. N. CCXIV. Maͤrz 1820. S. 222.
Morey's umwälzende Dampfmaschine.
Wenn diejenigen, welche bisher nur mit den
atmosphaͤrischen Dampfmaschinen bekannt sind, hoͤren werden,
daß Morey's Cylinder sich umwaͤlzt, so
werden sie sich einbilden, daß eine so gewaltige Masse, als die ungeheuren
Cylinder, die sie bisher zu sehen gewohnt waren, sich beweget allein, dieß
ist nicht der Fall, die elastische Kraft des Dampfes erfordert nur eine Maschine aus
verhaͤltnißmaͤßig kleinen Theilen.
Die sich umwaͤlzende Maschine gewinnt durch Schnelligkeit, was andere
Maschinen nur durch ihre Groͤße zu leisten vermoͤgen.
Wir wollen hier nur die Maschine, die in unserer Nachbarschaft in der Glasfabrik in
Thaͤtigkeit ist, als Beispiel anfuͤhren, deren Cylinder einen
Fuß stark, neun Zoll im Durchmesser haͤlt, und die mit 50 Pfunden die
Kraft von wenigstens 10 Pferden aufwiegt, oder die jezt fuͤr das Hartforder
Both im Baue stehende Maschine, welche zwei Cylinder von 17 Zoll Durchmesser und 18 Zoll
Staͤrke erhalten wird: diese Cylinder werden sich 50 mal in einer Minute
umdrehen. Da die Flaͤche des Stempels in jeder 227 Zoll Dampf zu 50 Pf.
betraͤgt, so wird sie mit einer Kraft von 100 Pferden wirken. Dieses Both ist
77 Fuß lang, 21 Fuß weit, und haͤlt 136 Tonnen. Die Maschine
wird mit ihren Kesseln nur ungefaͤhr ein Achtel des ganzen Bothraumes
einnehmen, indem die Cylinder uͤber den Kesseln an der Zimmerung der Decke
aufgehangen werden. Dieses Both soll die Schiffe stromaufwaͤrts nach Hartford
ziehen.
Bei diesem Aufwaͤrts-Ziehen (towing)In unserer Donauschiffersprache: bei dem
Gegentriebe.Anm. d. Uebers. wird es unerlaͤßliches Beduͤrfniß, daß
die Maschine solang, bis ein gewisses Moment der Bewegung erreicht ist, jeden
geringeren Grad von Schnelligkeit oder Kraft hervorzubringen vermoͤge, was
eine gewoͤhnliche Dampfmaschine, die nur durch den Druck der
Atmosphaͤre wirkt, nie zu thun gestattet. Da ferner das Both selbst in dem
Augenblicke, in welchem der Gegentrieb beginnt, vielleicht nicht immer in einem
Steuerwege sich befinden mag, so wird dasselbe durch zwei platte Ruder, die hinter
dem Wasserrade au den Seiten angebracht sind, und eine Stroͤmung erzeugen, in
der gehoͤrigen Lage erhalten.
Morey's Maschine sollte vielmehr eine sich
umwaͤlzende (revolving) als eine sich umdrehende
(rotatory) Maschine genannt werden, indem sie von
derjenigen, welche Hr. Curtis erfand, und eine sich umdrehende Dampfmaschine (rotatory
Engine) nannte, wesentlich verschieden ist.
Taf. XII. Fig.
1 stellt die Einrichtung einer doppelten Dampfmaschine fuͤr ein
Both mit ihren Cylindern in verschiedener Stellung dar. aaa die Kessel; bb die
Theergefaͤße; c die Klappenbuͤchse;
dd die Cylinder in ihrer verschiedenen
Stellung; e die Staͤmpelstange; f der Weiser (pitman); h das Mittelstuͤck; ii der Schaft; k die Klappe; ll Dampf-Roͤhren; mm Sicherheitsroͤhren (escape-pipes); n
CondensatorenDie Erklaͤrung der Buchstaben o. r. s.u. fehlt im Original.Dingler.; t das Wasserrad; v
die Vorderseite der Klappen; x das Theerfeuer. Das
Gestelle, welches die Cylinder dd haͤlt,
ist an seinen beiden gegenuͤber stehenden Seiten so aufgehangen, daß
es sich umwaͤlzen kann. An dem Ende der Achse der einen Seite, welches
uͤber den Cylinder hinauslaͤuft, ist das Mittelstuͤck h befestigt, welches einem Kniee (crank) gleicht, von welchem aus die Stange oder der Weiser f mit dem Queerstuͤcke der Staͤmpelstange
in Verbindung steht. An derselben Achse aber ausserhalb dem Gestelle, befinden sich
zwei kreisfoͤrmige Stuͤcke, das eine von Messing, das andere von Eisen
k, welche wir Klappen nennen wollen. Eines derselben
ist an der Achse befestigt, das andere dreht sich aber und begleitet das Gestelle
und den Cylinder bei seiner Umwaͤlzung; von diesem aus leiten an
entgegengesezten Seiten, Roͤhren den Dampf nach den beiden Enden des
Cylinders. Seine Vorderflaͤche ist glatt, legt sich auf jene seines
Gegenstuͤckes, welches an der Achse befestigt ist, und wird durch Federn
dicht an dasselbe angedruͤckt erhalten. Dampfroͤhren leiten den Dampf
aus den Kesseln durch das Gegenstuͤck in die bewegliche Klappe. Auf der
entgegengesezten Seite des befestigten Gegenstuͤckes leitet die
Ausfuͤhrroͤhre oo zu den
Condensatoren.
Die Condensatoren p, sind aufrecht stehende
Gefaͤße, zwei fuͤr jeden Cylinder, welche oben durch eine
gleitende Klappenbuͤchse verbunden sind, so daß der Dampf abwechselnd
in dieselben eintritt. Am Boden befinden sich zwei Klappen, welche durch Gewichte
geschlossen gehalten werden.
Der Wasserstrahl, welcher in die Condensatoren gefuͤhrt wird, findet seinen
Ausweg durch die Klappen am Boden qq, durch welche
auch bei jedem Stoße die Luft ausgeblasen wird. Auf dieselbe Weise wird die
Maschine auch im Anfange von aller Luft gereinigt.
Ferner befinden sich noch zwei Haͤhne und Queerroͤhren hier, um den
Dampf von einer Seite der Klappe zur anderen wechseln zu lassen und dadurch der
Maschine eine entgegengesezte Bewegung zu ertheilen.
Die Kraft wirkt auf die Last von der entgegengesezten Seite des Gestelles aus
mittelst der dort angebrachten und durch Traͤger gestuͤzten Achse.
Diese Achse kann von beliebiger Laͤnge feyn, sich in ein Knie, oder in ein
Zahnrad (cogwheel) enden, oder es kann auch ein anderer
Cylinder unter einem rechten Winkel mit ersterem verbunden werden, so daß
beide zusammenwirken, und jeden Augenblick gleiche Kraft erzeugen.
Die Kessel erhalten ihr Wasser entweder durch eine gewoͤhnliche Pumpe, oder
durch die von mir erfundene Nachfuͤllungs-Kammer (Supply-Chamber), welche lediglich aus einer Roͤhre mit zwei
Schließhaͤhnen besteht: das eine Ende dieser Roͤhre steht in
einem Wasserbehaͤlter, das andere entleert sich oben, nachdem es sich einen
oder zwei Fuß tief herabgeneigt hat, in den Siedekessel. Die Haͤhne
befinden sich an dem oberen herabgeneigten Ende. Die Operation beginnt damit,
daß man den Hahn, welcher dem Siedekessel zunaͤchst steht,
oͤffnet; der Dampf treibt die Luft aus der Roͤhre durch das in dem
Wasserbehaͤlter befindliche Wasser; wenn man nun den Hahn schließt, so
muß das Wasser aus dem Wasserbehaͤlter heraufsteigen, und die
Roͤhre fuͤllen, schließt man jezt auch noch den zweiten Hahn,
und oͤffnet den ersten, so entleert sich das Wasser aus der
Nachfuͤllungskammer in den Kessel: dieß wird nun durch eine Bewegung
der Maschine, wenn
sie in Thaͤtigkeit ist, immer wiederholt, und das Nachfuͤllen
geschieht auf diese Weise mit weit mehr Sicherheit, als durch eine Pumpe, weil das
Pumpen des heißen Wassers seine Schwierigkeiten hat, indem die
Elastizitaͤt der aufsteigenden Daͤmpfe das freie Spiel der Klappen
erschwert und oͤfters hemmt. Es ist ein wichtiger Umstand, wenn man nicht
gegen den Druck eines starken Dampfes zu kaͤmpfen hat. Man hat gefunden,
daß, wenn der Dampf sehr stark geht, die Quelle der
Nachfuͤllungskammer uͤber derselben gelegen seyn muß, oder
daß man etwas kaltes Wasser in dieselbe bringen muß, um die in ihr
erhaltenen Daͤmpfe zu verdichten.
Bei dieser Maschine laͤsst sich die Gasfeuerung auf folgende Weise
fuͤglich anwenden.
Da die Kessel cylindrisch sind, und einen inwendigen Feuerzug (inside flue) besizen, so werden zwei oder drei derselben auf folgende
Weise nahe an einander gestellt. Zuerst kommen Eisenstangen queer auf die Zimmerung
zu liegen; eine Platte von Eisenblech wird auf diese Stangen gelegt, und mit
Thonmoͤrtel oder Kitt belegt, um die Luft davon abzuhalten. Auf die Platte
von Eisenblech und uͤber die Stangen unter derselben kommen
Gußeisenbloͤcke zu liegen, die so gestaltet sind, daß sie in
die krumme Linie der Kessel passen, und dieselben 3–4 Zoll uͤber die
Platte erheben. Diese sezt sich uͤber die Außenseite der
aͤußeren Kessel so fort, daß sie dieselben einschließt,
und an dem einen Ende zwischen den Kesseln sind kleine Roͤste fuͤr
Kohlen oder anderes Feuermateriale.
Das Theergefaͤß, einzeln oder zu mehreren, je nachdem es noͤthig
ist, befindet sich in dem Raume oben zwischen den Kesseln, und es kann,
noͤthigen Falles, ein kleines Feuer unter demselben angeschuͤret
werden. Eine Roͤhre leitet an einem Ende Dampf zu, und zwei Roͤhren
fuͤhren an dem andern Ende, die eine oben, die andere nahe am Grunde, Theer und Dampf ab. Diese
Roͤhren vereinigen sich unten; Daͤmpfe und Theer, auf diese Weise in
gehoͤrigem Verhaͤltnisse gemengt, fließen in den großen
Feuerheerd oder in den Zug der Kessel, und auch in das unter demselben angebrachte
Kohlenfeuer, wo sowohl das Gas als der Theer entzuͤndet werden. Der Heizer
beurtheilt das gehoͤrige Verhaͤltniß von beiden aus der
Wirkung, naͤmlich einer beinahe weißen Flamme ohne alles Erscheinen
von Theer, welche hier nothwendig hervorgebracht werden muß. Auf diese Weise
wirkt die Flamme auf die moͤglich groͤßte Oberflaͤche,
und die Kosten der Maschine werden hierdurch nur um eine Kleinigkeit
vergroͤßert.
Auch an den Kesseln befinden sich zwei Verbesserungen, welche mir
erwaͤhnungswerth scheinen; die eine ist das Ausfuͤttern oder Decken
des Feuerzuges innenwendig mit Eisen- oder Kupferblech, das mit kleinen
Loͤchern durchbohrt ist, die an den Seiten bis beinahe auf den Grund
hinabreichen.
Hierdurch wird das Wasser genoͤthigt, schnell durch dieselben bis oben an den
Feuerzug hinauf zu laufen, und schuͤzt diesen vor dem Austrocknen und
Rothgluͤhen, wenn das Wasser vielleicht zufaͤllig zu niedrig
staͤnde. Durch diese Zirkulation des Wassers wird diese Fuͤtterung
zugleich auch die Daͤmpfe weit schneller bilden.
Die andere ist der innere Kessel: ein Gefaͤß, welches das Hintertheil
des Feuerzuges einnimmt, abwaͤrts mit dem Wasser und aufwaͤrts mit dem
Dampfe des Hauptkessels in Verbindung steht. Das Feuer, welches dasselbe von allen
Seiten umgibt, wirkt sehr kraͤftig darauf ein.
Ich sagte, daß in Morey's Maschine keine
Wechselwirkung ist. Wollte man dagegen einwenden, daß der Staͤmpel
sich in dem Cylinder wie gewoͤhnlich bewegt, so ist es offenbar, daß er sich
auch im Kreise bewegt: in der That ist es der Cylinder, der in Bewegung ist, der den
Staͤmpel mit sich zieht, durch welchen die Bewegung gegeben und unterbrochen
wird, indem er an dem Mittelstuͤcke zieht und druͤckt, und von diesem
aus den Widerstand den Fuͤhrern (Quides) des
Queerstuͤckes innenwendig im Gestelle mittheilt, welches auf diese Weise
seine Bewegung erhaͤlt.
So viel ist gewiß, daß diese Form der Dampfmaschine von allen
gewoͤhnlichen Abzuͤgen ihrer Kraft befreit scheint, und mit beliebiger
Schnelligkeit, je nachdem die Staͤrke des Dampfes in den Kesseln vermehrt
wird, frei wirken kann.
So erscheint sie wenigstens in der Theorie, und bisher auch in der Anwendung. Ich
habe dieselbe daher fuͤr den Zweck der Schifffahrt vorgezogen, und ein
Patentrecht darauf erhalten. Man kann sie als die unmittelbarste Anwendung der Kraft
betrachten, und als die vollkommenste Weise die Ausdehnungskraft starker
Daͤmpfe zu benuͤzen. Der Natur ihrer Bewegung nach ist sie zugleich
auch die anwendbarste auf Bothe und FahrzeugeDer Uebersezer zweifelt sehr, daß ein Kuͤnstler auf dem festen
Lande im Stande seyn wird, nach dieser viel zu rhapsodischen und hier und da
undeutlichen Beschreibung eine aͤhnliche Dampfmaschine, ein
aͤhnliches Dampfboth zu bauen. Er glaubt jedoch diese Gelegenheit
benuͤzen zu muͤssen, die Suͤddeutschen auf die
unendlichen Vortheile der Dampfbothe, nicht sowohl als Fahrzeuge, als
Schiffe, sondern als Treibmaschinen bei den Gegentrieben aufmerksam zu
machen. Es ist und bleibt doch eine Schande fuͤr uns, daß
waͤhrend nun schon alle Fluͤsse Nord-Amerika's von
Dampfboͤthen, wenn man so sagen darf, wimmeln, und waͤhrend
alle groͤßeren Lastschiffe dort durch Dampfbothe
stromaufwaͤrts gezogen werden, unsere obere Donau allein noch dieser
Wohlthat entbehren, und Vieh und Mensch sich an derselben halb zu Schanden
arbeiten muß, um unser Salz und unseren Unger-Wein
stromaufwaͤrts zu ziehen..