Titel: | Ueber das Bleichen vegetabilischer Stoffe mittelst der liquiden oxydirten Salzsäure (Chlorine) von W. H. v. Kurrer, nebst Beschreibung eines hiezu erforderlichen Apparats zur Entwickelung der Chlorine vom Herausgeber. |
Autor: | Dr. Wilhelm Heinrich Kurrer [GND] |
Fundstelle: | Band 3, Jahrgang 1820, Nr. LV., S. 395 |
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LV.
Ueber das Bleichen vegetabilischer Stoffe mittelst der liquiden oxydirten Salzsäure (Chlorine) von W. H. v. Kurrer, nebst Beschreibung eines hiezu erforderlichen Apparats zur Entwickelung der Chlorine vom Herausgeber.
Mit Abbildungen auf Tab. XVII.
v. Kurrer und Dingler über das Bleichen vegetabilischer Stoffe mittelst Chlorine.
Einleitung.
Unter Bleichen versteht man die Kunst, vegetabilische Gewebe und andere Stoffe,
welche aus dem Schoße der Erde kommen, zu entfaͤrben, und ihnen ihre
eigenthuͤmliche Farbe zu nehmen, so daß sie dem Auge voͤllig weiß
erscheinen, und das Licht der Sonne unentmischt (Farbenlos) reflektiren.
Die Bleichkunst, welche schon von den aͤltesten Nationen mit alkalischen
Salzen und Thonverbindungen; und durch Auslegen auf den Rasen betrieben wurde, blieb
bis zur Entdeckung und Anwendung der Chlorine ein empyrisch-mechanisches, und
fast ganz wissenschaftslosen Menschen uͤberlassenes Geschaͤft. Es ist
Berthollet' s folgenreiche Entdeckung, mit der
oxydirten Salzsaͤure vegetabilische Substanzen jeder Gattung schnell und
schoͤn weiß zu bleichen; wodurch jene Operation zu einem Zweige technischer
Wissenschaft emporgehoben wurde; indem sie scharfsinnige Chemiker und forschende
Kuͤnstler veranlaßte, sich mit rastlosem Eifer dem Bleichgeschaͤfte zu
unterziehen.
Bald verbreitete sich Berthollet's Entdeckung durch alle Theile von Europa, und es
entstanden nun, vorzuͤglich in Frankreich und Großbrittanien,
Bleichetablissements nach dieser neuen Methode, mit mehr oder weniger
gluͤcklichem Erfolg. Wo unterrichtete Maͤnner die Sache leiteten, da
ließen die Resultate nichts zu wuͤnschen uͤbrig. Auch in Deutschland
saͤumte man nicht das Berthollet'sche Verfahren sogleich nach desselben
Bekanntwerdung einzufuͤhren, und man suchte es moͤglichst zu
vervollkommnen.
Da man einmal mit der bleichenden Wirkung der liquiden Chlorine vertraut war, so war
auch die Bahn zu andern Versuchen gebrochen, und es gelang dem Bestreben
sachkundiger Maͤnner die Verbindungen der Chlorine mit andern Substraten als
brauchbar fuͤr jenes Geschaͤft zu substituiren. So entstand die Tennantsche Bleichmethode mittelst Chlorinkalk, und das
Verfahren der Bleicher zu Javelle durch Chlorinkali;
nicht zu gedenken der Verbindungen mit andern Erden und Kalien, welche allesammt
mehr oder weniger bleichende Kraft besizen. Von Born und
Westrumb
bewiesen die
Moͤglichkeit, mittelst der Chlorindaͤmpfe zu bleichen; es wird jedoch
dieses Verfahren seiner Unzulaͤnglichkeit und der Gefahr fuͤr die
Gesundheit wegen, wohl nie Aufnahme findenVor acht Jahren sahen wir in der Schweiz solche Dampffoͤrmige
Bleichvorrichtungen; ob aber das Bleichgeschaͤft auf diesem Wege mit
gluͤcklichem Erfolge betrieben wurde, koͤnnen wir nicht
behaupten. Eine zweckmaͤsigere Vorrichtung um mit gasfoͤrmiger
Chlorine, welche durch Wasserdaͤmpfe verbreitet wird, hat uns Hr.
Sieber in Dinglers neuem Journal fuͤr Druck-
Faͤrbe- und Bleichkunst im 4 B. nebst den Abbildungen der
erforderlichen Apparate mitgetheilt..
Einige Jahre nach Berthollet's Entdeckung machte Chaptal eine andere, mit
verjaͤhrten Vorurtheilen streitende, naͤmlich die in verschlossenen
Raͤumen mit aͤzend-alkalischen
Wasserdaͤmpfen alle Pflanzenfasern mit erstaunender Schnelligkeit
und einem auffallend guten Erfolge zu bleichen.
Nicht lange darauf lehrte der Irlaͤnder Higgins die geschwefelte Kalkerde,
statt der Pottasche oder des Natrons, beim Bleichen vegetabilischer Gewebe
benuzen.
Diese schnell sich an einander reihenden Entdeckungen hatten die Folge, daß
Maͤnner von Talent sich mit der Vereinfachung der verschiedenen
Verfahrungsarten, so wie mit der Construktion der hiezu noͤthigen
zweckmaͤsigen Apparate beschaͤftigten. Pajor de Charmes, Fourcroy,
Decroizilles, Tennant, Tenner, Rupp, O'Neilly, v. Born, Westrumb,
Hermbstaͤdt, und in neuerer Zeit mehrere technische Chemiker, haben sich
ausgezeichnete Verdienste um die Bleichkunst erworben, und sie zu dem Grade der
Hoͤhe gebracht, auf welchem wir sie gegenwaͤrtig erblicken.
So viel auch gegen das Bleichen mittelst liquider Chlorine geschrieben und gesagt
worden ist, so haben doch zahlreiche Versuche im Großen bewiesen,
daß dieses Verfahren, verbunden mit gehoͤriger Kenntniß und streng
beobachteter Ordnung in Leitung desselben, immer einen großen Werth behaupte.
Wir wollen nun den geehrten Lesern dieses Journals die Bedingungen angeben, unter
welchen dieses Verfahren allemal von einem guͤnstigen Resultat begleitet
wird.
Um aber die Sache in ein Helles Licht zu sezen, ist es noͤthig den ganzen
Bleichprozeß von der ersten Operation bis zu der lezten in ihrer Stufenfolge zu
beschreiben.
A. Fermentations-Prozeß.
Wie bei allen Methoden zu bleichen, so ist auch bei dem Bleichen mittelst der
liquiden Chlorine die gehoͤrige Fermentation sehr wichtig fuͤr die
Foͤrderung des Bleichprozesses; wovon man den Grund im 3ten Bande dieses
Journals S. 203 etc. findet. Die mittelst Chlorine zu bleichende vegetabilische
Gespinnste oder Gewebe werden mit lauem Wasser eingesezt, und bleiben bei einer
angemessenen Temperatur so lange stehen, bis der Prozeß der sauren Gaͤhrung
eingetreten jst, welchen man durch Uebung leicht erkennt, oder auch durch
Lakmuspapier auf die Bildung freier Saͤure pruͤfen kann.
Ist diese Gaͤhrung regelmaͤsig erfolgt, so wird die Fluͤssigkeit
durch das an dem Einweichgefaͤße angebrachte Spundloch abgelassen, dieses
sodann wieder geschlossen, und nun das Gefaͤß mit frischen lauem Wasser
angefuͤllt, so daß die Fluͤssigkeit einige Zoll uͤber der Waare
steht. So vorgerichtet, laͤßt man das Ganze ruhig stehen, bis die zweite
Gaͤhrung den Grad der vorhergegangenen erreicht hat.
Jezt wird nach dem Ablassen der sauern Fluͤssigkeit die Waare herausgenommen,
am Fluße oder Bache gut ausgewaschen, zweimal gewalkt, noch einmal ausgewaschen, und
hierauf zur ersten alkalischen Lauge vorgerichtet.
In vielen Bleichanstalten herrscht immer noch der uͤble, auch von Westrumb in seiner neuesten Schrift nicht geruͤgte
Gebrauch, beim Einweichen der Waare alte, schon gebrauchte, kalische Lauge, statt
reinen Wassers, anzuwenden; ein hoͤchst zweckwidriges und schaͤdliches
Verfahren, welches nicht nur den Fermentationsprozeß verhindert, sondern auch die
darauf folgende Bleichgaͤnge erschwert, und das Bleichen in die Laͤnge
zieht. Der Zweck des Einweichens besteht in der Aufloͤsung des
vegetabilischen Gluten oder Eiweißstoffs, welcher anders nicht als durch essigartige
Saͤure bewirkt werden kann, dagegen kalische Salze gar keine
aufloͤsende Wirkung aͤußern. Bei dem Bleichen mit der oxydirten
Salzsaͤure koͤnnen wir diese Bedingung nicht genug empfehlen.
B. Erste kalische Lauge.
Die erste kaustisch kalische Lauge fuͤr 300 Stuͤck sogenannter Callicos
5/4 Breite und 37 brabanter Ellen Laͤnge, muß von schwachem Kaligehalt seyn.
Man bereite sich demnach eine kaustische Lauge aus 25 Pfund guter Pottasche und 5
Pfund guten, frisch gebrannten Kalk, zapfe die klare Lauge ab, und fuͤlle die
Laugenstaͤnder wieder mit frischem Flußwasser an. Nachdem sich der Kalkbrei
gesezt hat, wird diese zweite Auslaugung zur ersteen abgelassen. Man schichtet nun
die vorgerichtete und aufgefachte Waare in den Laugenapparat, welcher S. 1 u. f. in
diesem Journale beschrieben, und auf Tab. XVII. abgebildet worden, bringt die Lauge
mit hinreichendem Wasser hinzu, schließt den Deckel, giebt Feuer unter den Kessel,
und laͤßt die Waare 12–14 Stunden hindurch kochen; worauf sie eben so
lange nach aufgehoͤrter Feuerung in der Kufe liegen bleibt, ehe die
Fluͤssigkeit abgelassen wird. In Ermangelung eines solchen Laugenapparats,
bedient man sich der gewoͤhnlichen Laugenkessel, nur daß in diesem Falle das
Kochen einige Stunden laͤnger fortgesezt werden muß. Uebrigens ist der Vorzug des
Laugenapparats von dem Gebrauche der Kessel, in Ansehung der Wirkung
entschieden.
Nach genauer Erfuͤllung aller dieser Bedingungen wird die Waare
herausgenommen, am Bach oder Fluß gewaschen, recht gut gewalkt, wieder gewaschen und
zur zweiten Lauge vorgerichtet.
C. Zweite kalische Lauge.
Diese Lauge von staͤrkerm kalischen Gehalt als die vorige, bereitet man zu der
angenommenen Stuͤckzahl folgendergestalt.
40 Pfund gute Pottasche werden mit 10 Pfund frischgebrannten Kalk und mit einer
verhaͤltnißmaͤsigen Menge Wasser zur kaustisch kalischen Lauge
gemacht; sodann wird die Waare in die Kufe eingesezt und 14 Stunden kochend darin
erhalten; im uͤbrigen verfaͤhrt man eben so, wie bei B gelehrt wurde. Nach diesem zweiten Kochen, Waschen und
Walken, ist die Waare fuͤr das nachfolgende Chlorin-Bad
disponibel.
D. Chlorin (oxydirte Salzsaͤure.)
Die Chlorine (oxydirte Salzsaͤure) zur Bleichfluͤssigkeit wird aus
Braunstein und Kochsalz durch Schwefelsaͤure entwikelt, da, wo die
Salzsaͤure als Nebenprodukt (wo man salzsaures Natron auf schwefelsaures
Natron bearbeitet) gewonnen wird, bedient man sich auch der Salzsaͤure und
des Braunsteins. Ueber die quantitative Zusammensezung dieser Substanzen sind die
Meinungen verschieden, und fast jede Bleichanstalt beobachtet ein anderes
Verhaͤltniß.
Berthollet nimmt
10
Theile
gepulverten Braunstein.
20
–
Schwefelsaͤure.
27
–
Kochsalz u. etwas Wasser.
Westrumb nimmt
2
Pfund
Braunstein.
3
–
Schwefelsaͤure.
4
–
Kochsalz.
6
–
Wasser.
Tenner
1
–
Braunstein.
2
–
Schwefelsaͤure.
2
–
22 Loth Kochsalz.
In den franzoͤsischen Bleichanstalten ist das Verhaͤltnis dieses:
30
Theile
Braunstein.
60
–
Schwefelsaͤure.
30
–
Kochsalz.
120
–
Wasser.
Die irlaͤndischen Bleichereien vermengen
60
Theile
Braunstein.
60
–
Kochsalz.
50
–
Schwefelsaͤure.
50
–
Wasser
Mehrere deutsche Bleichereien hingegen
20
Theile
Braunstein.
64
–
Kochsalz.
44
–
Schwefelsaͤure.
54
–
Wasser.
Es laͤßt sich indessen bei den verschiedenen Gattungen Braunstein nicht leicht
ein, fuͤr alle Bleichinhaber gut geeignetes, quantitatives
Entwikelungsverhaͤltniß angeben, indeß haben wir bei Anwendung eines guten
Braunstein nachstehendes Verhaͤltniß als das beste und die meiste Chlorine
hervorbringende gefunden:
21
Theile
Kochsalz.
9
–
Braunstein.
14
–
Schwefelsaͤure.
15
–
Wasser.
Bei dieser Mischung verfahre man auf folgende Weise.
Man menge das Kochsalz mit dem gestoßenen Brauns stein gut unter einander, und lasse
beides noch einmal stoßen, so daß es sich recht gut mit einander vermische. Nun
bringe man diese Zusammensezung in einen Kolben oder Glasballon, worin
gewoͤhnlich die franzoͤsische Schwefelsaͤure verhandelt wird,
und fuͤlle denselben mit dem angegebenen Quantum an. Hierauf sezt man den
Ballon in eine große Sandkapelle oder in einen eisernen Kessel, wie Tab. XVII. Fig. 1. zeigt,
welche wir nun beschreiben wollen.
a. Fig. 1. ist ein von
gebrannten Steinen verfertigter Ofen, in welchem ein eiserner Kessel d eingemauert sich befindet. b ist das Schuͤrloch und c das
Aschenloch. Die Feuerung hat einen Rost; die Feuerspielung wird durch die Zeichnung
deutlich angegeben. f stellt einen Glaskolben oder
Ballon vor, der mit trocknem Sand umschuͤttet ist. In der Mitte des Ballons
senkt sich eine Glasroͤhre gg bis auf den
Boden desselben. Mit dem Ballon verbindet die Glasroͤhre h die Mittelflasche in Fig. 2. Der kurze etwa 1
1/2 bis 2 Zoll lange Schenkel dieser Glasroͤhre wird in den Hals o des Ballons f gesteckt,
mit Kitt umlegt, und mit naßgemachter Blase umbunden, und so das Ganze luftdicht
verschlossen. Die mit dem Ballon verbundene Roͤhre h reicht beinahe bis auf den Boden der Mittelflasche Fig. 2. Diese Flasche
steht auf einem hoͤlzernen Teller, welcher mit seinem hoͤlzernen Fuße
auf einem hoͤlzernen Gestelle ruhet, und hoͤher oder niedriger
mittelst der Schraube p gestellt werden kann. Von dieser
Mittelflasche aus geht eine zweite doppelschenkliche Roͤhre k nach der Vorrichtung Fig. 3. Der kurze Theil
dieser Roͤhre steckt in dem Halse der Mittelflasche. Eine
perpendikulaͤr sich erhebende Glasroͤhre i
rgtragt mitten in der Mittelflasche hervor, und heißt „die
Sicherheitsroͤhre; weil sie vor Unfaͤllen sichert, wenn das Gas
in dem Ballon
oder die Masse selbst schnell aufsteigen sollte. Die Mittelflasche ist zur
Haͤlfte mit Wasser gefuͤllt.
Fig. 3. gibt
das Bild eines von Weistannenholz verfertigten Faßes, an dessen einer Seite eine
bleierne Roͤhre l befestigt ist, durch welche man
das Faß mit Wasser fuͤllte, und auch das Gas durchstroͤmen laßt. Die
Mitte des Faßes hat einen hoͤlzernen Quirl xx, welcher in Fig. 4. deutlich
gezeichnet zu sehen ist. Dieser Quirl wird oberhalb des Deckels mittelst der Kurbel
n in Bewegung gesezt. In der Mitte des Faßes m befinden sich noch zwei, vielfach
durchloͤcherte Boͤden. An diesem zerplazen die Gasblasen und treten
mit dem Wasser in Mischung, was durch das Umdrehen der Kurbel besonders
befoͤrdert wird. Hat man das Faß mit Wasser gefuͤllt, so wird die
zweite doppelschenkliche Roͤhre der Mittelflasche h mit der bleiernen Roͤhre bei l in
Verbindung gesezt und mit Kitt und Blasen luftdicht verschlossen. Hierauf
verduͤnne man die Schwefelsaͤure, deren man sich bedienen will, mit
Wasser, lasse sie erkalten, und gieße sie sodann auf 3 mal, in
sechsstuͤndigen Zwischenraͤumen, durch die Glasroͤhre g
Fig. 1.
vermittelst eines glaͤsernen Trichters ein. Es werden sich sogleich Gasblasen
entbinden, welche man in der Mittelflasche Fig. 2. aufsteigen sieht.
Sobald die Gasblasen in das Faß Fig. 3. stroͤmen,
muß man den Quirl mittelst der Kurbel umdrehen, was im Anfange um so
noͤthiger ist, weil sich die Chlorine (das oxydirt salzsaure Gas) nicht
sogleich gerne mit dem Wasser verbindet; ist hingegen das Wasser mit der Chlorine
etwas geschwaͤngert, so verbindet sich das Gas viel leichter damit, und dann
ist es genug, wenn man den Quirl alle viertel Stunden einige mal umdreht. Nach 18
Stunden, vom Eingießen des ersten Drittels der Schwefelsaͤure an gerechnet,
macht man unter den Kessel gelindes Kohlenfeuer, das man 24 bis 30 Stunden lang
unterhaͤlt, und zulezt so steigert, daß der Inhalt des Ballons nahe ans kochen kommt, worauf sich
dann der Gasentwikelungsprozeß seinem Ende naͤhert. Nun oͤffnet man
den Ballon, umbindet nach einigem Abkuͤhlen den Hals desselben mit einem
Stricke, und laͤßt den Ballon durch einen starken Arbeiter aus dem Kessel
nehmen und in einen mit Heu gefuͤllten
Schwefelsaͤureflaschen-Korb aus dem Arbeitsorte tragen und mit warmem
Wasser sogleich reinigen. Es ist am besten, wenn der Ofen und die Mittelflasche
unter einer gut ziehenden Kaminkutte zu stehen kommen; denn in diesem Falle hat man
wenig mit dem der Lunge hoͤchst nachtheiligen Chloringas zu
kaͤmpfen.
Zu 200 Stuͤck oben benannter Waare ist das lezt angegebene Verhaͤltniß
von Kochsalz, Braunstein, franz. Schwefelsaͤure, Wasser hinreichend, um die
noͤthige Menge Bleichfluͤssigkeit zu liefern. Die mit Wasser
verbundene Chlorine wird durch einen unten am Faße angebrachten hoͤlzernen
Hahnen abgelassen.
E. Bleichen der Waare in der Bleich-Fluͤssigkeit.
Das Bleichen wird in Wannen verrichtet, welche mit gut dazu passenden Deckeln
versehen sind. Es wird naͤmlich eine Schicht von trocken aufgefachter Waare
eingelegt, und so viel Bleichfluͤssigkeit zugegeben, daß leztere fast
uͤber der Waare steht; so macht man es denn mit einer zweiten Waare und
Bleichfluͤssigkeit, und sofort, bis das Gefaͤß etwas uͤber 3/4
angefuͤllt ist. Man gießt nun noch so viel Bleichfluͤssigkeit hinzu,
daß die Waare ziemlich locker in derselben liegt, und die Fluͤssigkeit einige
Zoll uͤber der Waare steht. Da aber die Bleichfluͤssigkeit, so wie sie
sich in der Tonne befindet, zu stark ist, so muß man sie vorhero mit der zweifachen
Quantitaͤt Wasser verduͤnnen. Ist dieses geschehen, so befestigt man
auf der Oberflaͤche den innwendig einpassenden durchloͤcherten Deckel;
und schließt zur Verhinderung der Entweichung von Chlorine den aͤußern gut
aufpassenden Deckel.
In solchem Zustande bleibt die Waare 20–22 Stunden ruhig liegen. Nach Verlauf
dieser Zeit wird sie herausgenommen, recht gut gewaschen, gewalkt, und in einer ganz
schwachen kalischen Lauge (1 Loth Pottasche auf 1 Stuͤck Waare) 3/4 Stunden
hindurch gekocht, um den Chloringeruch wegzuschaffen, und um zu hindern, daß die
Waare auf dem Lager nicht gelblich anfalle. Die lezte Operation mit derselben
besteht in dem Durchnehmen durch ein gewoͤhnliches schwefelsaures Bad, (aus
100 Theilen Wasser und anderthalb Theilen konzentrirter Schwefelsaͤure
(Vitrioloͤl)) wobei nach bekannter Weise verfahren wird.
Sollte ein einmaliges Durchnehmen in der Bleichfluͤssigkeit nicht zureichen,
so bringt man die Waare zwei- auch dreimal hinein, je nachdem sie
schwaͤcher oder groͤber von Gespinnste ist, wie dieses besonders von
leinenen Geweben gilt. Unter solchen Umständen kann die schon einmal gebrauchte
Bleichfluͤssigkeit aufs neue verwendet werden, wenn man den an Chlorine
verlorenen Theil der Staͤrke durch frische nicht mit Wasser verduͤnnte
Bleichfluͤssigkeit ersezt.
Sehr zutraͤglich ist es fuͤr die Bleichwaare jeder Gattung, welche
mittelst Chlorine gebleicht werden soll, wenn man sie nach der schwachen Laugung
einige Tage auf den Bleichplan ausbreitet, und nun erst durch ein schwefelsaures Bad
nimmt, welches bei Waare, die fuͤr den Druck bestimmt, besonders gute Wirkung
hervorbringt.
Besondere Bemerkungen.
a) Die Bleichwerkstaͤtte, wo mittelst der
liquiden Chlorine gebleicht wird, darf nur moͤglichst wenig Licht haben, auch
von der Sonne nicht beschienen werden, weil durch das Licht die Chlorine zersezt und mit der
Zeit in gewoͤhnliche Salzsaͤure umgeaͤndert wuͤrde.
b) Bevor die Waare in die Bleichfluͤssigkeit kommt, muß man sie erst
abtrocknen, weil die bleichende Wirkung sich dann auffallend besser, als bei naß
eingebrachter Waare zeigt.
c) Die mit der Chlorine gebleichte Waare verliert bei
zweckmaͤsigem und kenntnißvollem Verfahren, nicht nur nichts an ihrer
Dauerhaftigkeit, sondern sie scheint im Gegentheil weniger, als durch die
gewoͤhnliche aͤltere Bleichmethode zu verlieren. Die Ursache liegt
darinn, daß man die Waare schneller aus den Haͤnden bringt, und daß sie den
Einfluͤssen der Witterung auf der Bleiche weniger ausgesezt ist.
d) Die Bleichfluͤssigkeit dient auch dazu,
gedruckte aus der Mode gekommene oder fleckig gewordene baumwollen und leinene
Gewebe wieder schnell weiß zu bleichen. Man verfahre hiebei folgendermaßen.
Die gedruckte oder gefaͤrbte Waare koche man 3 Stunden hindurch in einer
kaustisch kalischen Lauge; fuͤr jedes Stuͤck Callico von oben
angegebener Laͤnge und Breite wird die kalische Fluͤssigkeit aus 5
Loth Pottasche und 2 Loth Kalk bereitet, und die abgeklaͤrte kaustisch
kalische Lauge verwendet. Nach dem Auskochen wascht und walkt man die Waare, und
bringt sie in solchem Zustande in eine verschwaͤchte
Bleichfluͤssigkeit, in der sie mit einem Haspel so lange hin und her gedreht
wird, bis die Farbe verschwunden ist. War der Grund zur Farbe eine, Eisenbasis, so
werden die gefaͤrbte Stellen eisengelb erscheinen, welche leztere durch das
schwefelsaure Bad hinweggenommen werden.
Nach dem Herausnehmen aus der Bleichfluͤssigkeit wird die Waare
sorgfaͤltig gewaschen, gewalkt, und 24 Stunden lang in ein schwefelsaures Bad
so locker wie moͤglich eingelegt, sodann herausgenommen, gut gewaschen,
gewalkt, einige Tage auf die Bleiche ausgebreitet, wieder durch ein schwefelsaures Bad genommen.,
gut gereinigt und getrocknet, worauf sie vollkommen weiß erscheinen, und wieder zum
drucken oder faͤrben tauglich sind.
e) Auch in den Papierfabricken kann man sich dieser
Bleichfluͤssigkeit zum Weißbleichen vegetabilischer Hadern mit großem
Vortheil bedienen.
f) Die Wirkung der Bleichfluͤssigkeit auf
thierische Stoffe, als Wolle, Seide, Haare, Federn, u.dgl. ist der vorigen
entgegengesezt; sie nehmen dadurch saͤmmtlich mehr oder weniger eine gelbe
Farbe an.
Literatur uͤber das Bleichen mit der oxydirten Salzsaͤure.
Kleine physikalisch-chemische Abhandlungen von Joh. Friedr. Westrumb. 6 B.
1tes Heft. Hanover bei den Gebruͤdern Hahn 1800. – Ueber das Bleichen
mit Saͤuren nach franzoͤsisch und englischen Vorschriften, nebst
Beschreibung des besten Bleichverfahrens etc. von Joh. Fried. Westrumb. Berlin und
Stettin in der Nicolaischen Buchhandlung 1819. – Vollstaͤndige
Bleichkunst; nebst des Buͤrger Chaptal Beschreibung einer neuen Methode durch
Daͤmpfe zu bleichen etc. von R. O'Reilly, aus dem franz. uͤbersezt von
Dr. Christian Gotthold
Eschenbach. Leipzig bei J. C. Hinrichs 1802, – Anleitung
vermittelst der dephogistirirten Salzsaͤure zu jeder Jahreszeit vollkommen
weiß, geschwind, sicher und wohlfeil zu bleichen etc. von Dr. Joh. Gottlob Tenner.
Leipzig bei Voß und Leo 1793. – Allgemeine Grundsaͤze der Bleichkunst;
oder theoretische und praktische Anleitung zum Bleichen des Flachses, der Baumwolle,
Wolle und Seide etc. nach den neuesten Erfahrungen der Physik, Chemie und
Technologie von Dr. Sigismund Friedrich Hermbstaͤdt. Berlin in der
Realschulbuchhandlung 1804. – Die Bleichkunst, oder Unterricht zur leichten
und allgemeinen Anwendung der oxydirten Salzsaͤure beim bleichen vegetabilischer Stoffe von
Pajot des Charmes. Aus dem franz. uͤbersezt.
Herausgegeben von Alex. Nic. Scherer, Breslau, Hirschberg und Lissa 1800. –
Bemerkungen und Vorschlaͤge fuͤr Bleicher von Joh. Fried. Westrumb.
Hanover bei Gebruͤder Hahn 1800. – Die Kunst baumwollene Gewebe mit
aͤchten und unaͤchten Farben zu drucken etc. Aus dem franz. mit
Anmerkungen und Zusaͤzen. Leipzig im Joachimschen literarischen Magazin 1802.
– Eléments de l'art de la teinture, avec un
description du blanchiment par l'acide muriatique oxygené. Second
Edition, revue corrigée, avec deux planches; par C. L., et A. B.
Berthollet. Tome I et II. 8. Paris chez Fermin Didot 1804. – Eléments de l'art de la teinture; par M. Berthollet,
Docteur en Medecin. Tom. I et II. Paris 1791. Ins deutsche uͤbersezt von I. F. A.
Goͤttling. Jena bei Mauke 1792. – Anfangsgruͤnde der
Faͤrbekunst; nebst einer Beschreibung deß Bleichens mit oxydirter
Salzsaͤure. Zweite durchgesehene verbesserte Auflage; von C. L. und A. B.
Berthollet. Aus dem franzoͤsischen uͤbersezt, von Adolph Ferdinand Gehlen,
und mit Anmerkungen versehen von S. F. Hermbstaͤdt. Berlin, im
Verlage der Froͤlichschen Buchhandlung. 2 Baͤnde. 1806. –
Verbessertes Verfahren des Bleichens durch dampffoͤrmige, vollkommene
Salzsaͤure, und durch dampffoͤrmige schweflichte Saͤure von
Jak. Sieber in Dinglers neuem Journal der Faͤrbekunst. 4ter Band. –
Die boͤhmische Leinwandbleiche etc. von Christ. Polykarp Fried. Erxleben.
Wien 1812. Bei Christian Kaulfuß und Karl Armbrester.