Titel: | Ueber das Beschneiden und die Behandlung freistehender Bäume bei dem Versezen. Von Thom. Andr. Knight , Esqu. F. R. S. etc. |
Fundstelle: | Band 4, Jahrgang 1821, Nr. XLII., S. 308 |
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XLII.
Ueber das Beschneiden und die Behandlung freistehender Bäume bei dem Versezen. Von Thom. Andr. Knight Hr. Knight ist einer
der geistreichsten Dendrologen und Pomologen Englands: er ist Englands Diel., Esqu. F. R. S. etc.
Aus den Transactions of the London Horticultural Society im Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture. II Series. N. CCXXV. Februar 1821. S. 184.
Thom. Knight über das Beschneiden und die Behandlung der Bäume bei dem Versezen.
Wenn man einen Baum versezt, so muß er beinahe nothwendig
einen Theil seiner Wurzeln verlieren, und da diese an jedem gesunden Baume in
genauen Verhaͤltnisse mit der Anzahl der Zweige stehen, so sind die Vortheile
des Beschneidens der lezteren offenbar, und jedem Gaͤrtner ohnehin bekannt.
Indessen herrschen in Hinsicht der Art, wie die Zweige geschnitten werden sollen,
und wie viel man von denselben ohne Nachtheil abschneiden darf, sowohl in den
Ansichten der Gaͤrtner, als in ihrer Verfahrungsweise bei verschiedenen
Gaͤrtnern noch viele Widerspruͤche, und oft noch weit mehr zwischen
dem Gaͤrtner und zwischen dem Herren: dieser wuͤnscht die Trag
-Zweige zu erhalten, damit er so bald als moͤglich Fruͤchte
bekommen koͤnnte, der Gaͤrtner hingegen moͤchte dem Baume gern
seine ganze Krone abschneiden, damit er diesen desto sicherer und kraͤftiger
treiben saͤhe. Keine dieser beiden Verfahrungsweisen ist, wie ich glaube, in
den meisten Faͤllen in ihrer vollen Ausdehnung anwendbar: die eine ist zu
nachtheilig fuͤr den Wachsthum des Baumes, indem sie zu fruͤhzeitige
Entwicklung einer unnuͤzen Menge von Bluͤthen veranlaͤßt, die andere
ist, auch wo sie am vollkommensten gelingt, mit unnoͤthigem Zeitverluste
verbunden. Ich habe in einer sehr ausgebreiteten Erfahrung gefunden, daß versezte
Baͤume im Allgemeinen am sichersten und besten anschlagen, und als einzeln
stehende Baͤume die schoͤnsten Formen erhalten, wenn man ihre
Seitenzweige, statt daß man ihnen diese in ihrer ganzen Laͤnge laͤßt,
oder dicht am Stamme abschneidet, alle bis auf die Laͤnge einiger Zolle
einkuͤrzt, und den Gipfel des Baumes nur auf einen einzigen Jahrestrieb
zuruͤckschneidet. Unter diesen Umstaͤnden erscheinen die
Blaͤtter uͤber den ganzen Stamm zerstreut, gewaͤhren der Rinde
in ihren verschiedenen Theilen hinlaͤngliche Nahrung, und die Gewalt des
Windes vermag nur wenig den Baum in seiner Erhohlung zu hindern, wenn man die Lage
der Blaͤtter hier mit dem Umfange der vorigen vergleicht, die er dem Lichte
darbiethet. Die Baͤume tragen auch unter dieser Behandlung eben so schnell,
als bei jedem anderen Verfahren, das ich bisher gesehen oder versucht habe, so viele
Fruͤchte, als sie ernaͤhren koͤnnen, und in drei oder vier
Jahren sind ihre Zweige durchaus weiter ausgebreitet als an aͤhnlichen
Baͤumen, die ohne Beschneiden versezt wurden. Dieselbe Methode des
Beschneidens laͤßt sich bei Wald- wie bei Obstbaͤumen gleich
vortheilhaft anwenden. Eichen, die ich bei zehn bis zwoͤlf Fuß Hoͤhe
verpflanzte, fingen nicht bloß unmittelbar nach dem Versezen mit Ueppigkeit an zu
wachsen, sondern haben auch in sehr wenigen Jahren schon den Karakter versezter
Baͤume gaͤnzlich verlohren.
Der große Fehler der heutigen Verfahrungsweise ist der, daß, wenn man die Krone der
Baͤume nicht abwirft, man viele kleine Zweige stehen laͤßt, die den
Gipfel des versezten Baumes bilden sollen: diese Zweige verschwenden den Saft des
Baumes zur Erzeugung von Blaͤtterbuͤscheln, die, zu weit entfernt von
der Wurzel, ihr Geschaͤft nicht mit wahrem Vortheile verrichten koͤnnen, und sogar noch
dadurch schaden muͤssen, daß sie den Einwirkungen der Winde gar zu sehr bloß
gestellt sind.
Wo immer die Wurzeln an versezten Baͤumen sehr beschaͤdigt wurden, oder
sehr lang ausser dem Grunde waren, muͤssen die Seitenaͤste sowohl der
Zahl als der Laͤnge nach eingezogen, und nur wenige Zolle des leitenden
Jahrestriebes duͤrfen uͤbrig gelassen werden. In jedem Falle sollte
man Baͤume, die weit versandt werden muͤssen, schon in der
Pflanzschule, aus welcher sie verschikt werden, an ihren Zweigen gehoͤrig
einkuͤrzen: wenn dieß gehoͤrig geschieht, so koͤnnen
Baͤume auch unter viel unguͤnstigeren Umstaͤnden, als
gewoͤhnlich statt haben, ohne alle Gefahr fuͤr ihr Leben sehr weit
verschikt werden, wenn man sie anders in der Folge noch gehoͤrig zu behandeln
versteht.
Ich erhielt im vorigen Fruͤhjahre einige Apfelbaͤume aus Amerika, die
man mir von London aus auf einem Wagen zuschikte, der einen weiten Umweg nahm, so
daß ich sie erst beilaͤufig in der Mitte Aprils erhielt, und viele Wochen
spaͤter, als sie haͤtten anlangen sollen. Einer derselben schien
vollkommen todt und duͤrre, und besser im Ofen als im Garten zu gebrauchen,
und ich konnte mich kaum mit der leisesten Hoffnung troͤsten, auch nur einen
einzigen Baum von dieser Sendung davon zu bringen. Ich entschloß mich jedoch keine
Muͤhe zu sparen, und den Versuch der Rettung mit denselben anzustellen.
Der amerikanische Gaͤrtner hatte die Baͤume beinahe auf dieselbe Weise
beschnitten, wie ich es wuͤnschte, jedoch auf eine sehr rohe und sorglose
Art, und, wie es scheint ohne alle andere Absicht, als um sie bequemer packen zu
koͤnnen. Es blieb mir also bei dem ferneren Beschneiden wenig mehr zu thun
uͤbrig, als die gebrochenen und tobten Aeste wegzupuzen. Die Baͤume,
welche ungefaͤhr vier Fuß hoch waren, wurden dann an eine Stelle hingepflanzt, wo sie von der
Morgen-Sonne hinlaͤnglich geschuͤzt waren, und nur soviel
begossen, als noͤthig war um die Erde an die Wurzeln anzulegen. Ihre
Staͤmme wurden mittelst einer Maschine so mit Wasser besprizt, daß die Rinde
hinlaͤnglich benezt wurde. Dieß geschah taͤglich morgens um sechs Uhr
in den drei Monathen Mai, Junius und Julius: den Wurzeln wurde aber kein Wasser
unmittelbar zugegossen, indem fruͤhere Erfahrungen mich glauben ließen, daß
zu viele Feuchtigkeit in diesen Fallen fast allgemein schaͤdlich, und sehr
oft toͤdtlich wird.
Ungefaͤhr in der Mitte des Sommers fingen einige wenige unter diesen
Baͤumen an, eine und das andere schwache Lebenszeichen zu geben, und
spaͤter trieben mehrere derselben sehr kraͤftig, einige bis zur
Laͤnge von achtzehn Zollen: von vier und sechzig solchen Baͤumen habe
ich nur drei verlohren. Sie gediehen, im Ganzen genommen, in der Folge besser als
andere Baͤume von beinahe gleichem Alter, die ich aus einer nahe gelegenen
Baumschule kommen ließ, die aber nicht mit Wasser besprizt wurden, da die Witterung
waͤhrend des Sommers kalt und trocken, und folglich versezten Baͤumen
unguͤnstig war.
Ich hatte schon vorher oͤfters bei anderen Gelegenheiten, nie aber in einem
scheinbar so verzweifelten Falle, die gute Wirkung des Besprengens der
Staͤmme und Zweige der versezten Baͤume mit Wasser, ehe die
Morgen-Sonne dieselben bescheint, sowohl im Treibhause, als in freier Luft
gesehen. Im Treibhause fand ich, daß das Wasser mit demselben Vortheile am Abende
sowohl als am Morgen angewendet werden kann: in freier Luft hingegen habe ich Grund
zu vermuthen, daß das Besprengen des Abends nachtheilig werden kann, wenn die darauf
folgende Nacht kalt wird.