Titel: | Literatur. |
Autor: | J. F. C. Wuttig |
Fundstelle: | Band 4, Jahrgang 1821, Nr. LXVI., S. 495 |
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LXVI.
Literatur.
[Literatur.]
Uebersicht der Systeme der Hylognosie und der chemischen Fabrikenkunde. Von Dr. J. F. C. Wuttig, koͤnigl. preuß. Fabriken-Kommissionsrath etc. Berlin, 1821. In der Maurerschen Buchhandlung. (8. XII. u. 74 S.)
Zwei neue Systeme, – oder vielmehr die Entwuͤrfe
dazu – eins fuͤr die Chemie, und das andere fuͤr den chemischen
Theil der Technologie, und zwar von einem Gelehrten, der schon lange als
scharfsinniger Forscher und gruͤndlicher Denker bekannt ist.
Daß es mit der Chemie nicht so bleiben koͤnne, wie die Sachen
gegenwaͤrtig stehen, daß unsere unzerlegten Stoffe noch nicht die wahren
Elemente seyen, daß namentlich in den Metallen sich etwas finden muͤße, was
ihnen den gemeinschaftlichen Karakter aufdruͤkt, – daruͤber
sind wohl die meisten Chemiker einig. Auch damit werden sie einverstanden seyn. Daß
unsere chemische Kunstsprache vielfach verunstaltet, und mancher Verbesserung
faͤhig ist.
Ob es aber nicht zu voreilig sey, jezt schon eine durchgreifende Reform des
chemischen Lehrgebaͤudes und der chemischen Sprache vorzunehmen, und ob es
nicht besser waͤre, sich vor der Hand mit fleißigem Sammeln neuer Thatsachen
und Materialen zu einem kuͤnftigen Systeme zu begnuͤgen – ob
eben jezt ein Versuch – unser chemisches System umzustuͤrzen, und uns
dafuͤr ein neues, und eine neue Sprache zu geben – gelingen werde?
– Dieß sind andere Fragen, die wir nicht durchaus mit Ja beantworten koͤnnen. Wir loben es allerdings – und die
bessern Chemiker werden uns hierin beistimmen – daß ein scharfsinniger
Forscher, wie der Herr Verfasser, seine Ideen und Entwuͤrfe
oͤffentlich mittheilt, denn sie sind immer neue Haltpunkte, woran man in der
Folge wird anbinden koͤnnen, immer wichtige Momente fuͤr die
kuͤnftige Geschichte der Chemie, – allein wir haben Ursache zu
glauben, daß die beabsichtigte Reform so bald noch nicht gelingen wird. Die Chemiker
werden die Schrift lesen, daruͤber sprechen und schreiben, nebenbei aber beim Alten bleiben. Der Hr. Verfasser hat die
vorliegenden Entwuͤrfe seiner neuen Systeme bei der Universitaͤt in
Berlin vorgelesen, und wird im naͤchsten Semester daruͤber
ausfuͤhrlich lesen, er wird sich Schuͤler bilden, daran ist nicht zu
zweifeln; aber auch aus diesem Wege wird die Reformation sobald nicht gelingen, es
werden Jahre verfließen, bis seine Apostel in alle Welt gehen werden, um das neue
chemische Evangelium zu predigen.
Sollen wir's wuͤnschen, daß das Unternehmen gelinge? – Wir sagen ja, denn es waͤre ein Schritt vorwaͤrts.
Der Hr. Verfasser hat ein paar Thatsachen angedeutet, welche – wenn sie sich
bestaͤtigen – das Gelingen erleichtern koͤnnten. Um unserseits
dazu beizutragen, wollen wir unsern Lesern das neue System vorlaͤufig ein
wenig kennen lernen.
»Hylognosie« nennt der Hr. Verfasser
sein neues Lehrgebaͤude. Koͤrperstoffkunde
koͤnnte man das aus dem Griechischen Yλῃ (materia) gebildete Wort im Teutschen allenfalls
geben.
»Hylen« sind naͤmlich die
materiellen (waͤgbaren), im starren Zustande darstellbaren, einfachem und
zusammengeseztern Stoffe; »Hylognosie« ist also die Kenntniß
von den Eigenschaften und Darstellungsarten der Hylen. –
Waͤrme- Licht- Elektrizitaͤts-Stoffe u.s.w. sind
ausgeschlossen von der Hylognosie. Unter »System der
Hylognosie« begreift der Hr. Verfasser sowohl die Theorie
von der Wechselwirkung der Hylen, als auch die Klassifikation der den Gegenstand der
Wissenschaft ausmachenden Begriff, verbunden mit der zur Bezeichnung der leztern
gehoͤrenden Nomenklatur. Das System der Hylognosie ist also von einem chemischen Systeme wenig verschieden. Unsere
gegenwaͤrtige Theorie der Chemie, welche die Metalle und Ametalle als
einfache Stoffe ansieht, nennt der Hr. Verfasser die franzoͤsische Theorie, im Gegensaze zu der Seinigen, welche alle
Metalle, Metalloide und Ametalle als zusammengesezt ansieht aus eigenen noch nicht
fuͤr sich dargestellten Materien und Wasserstoff. Da der Wasserstoff schon fruͤher von
mehrern teutschen Chemikern in den Metallen vermuthet worden ist, so nennt der Herr
Verfasser seine Theorie die teutsche. Wir muͤssen
die Bemerkung beifuͤgen, daß sich die teutsche Theorie schon von Georg Ernst Stahl – geboren zu Ansbach i. J. 1660
– herschreibt, denn sein Phlogiston ist fast uͤberall analog mit
unserm Wasserstoffe.
Es ist bekannt, daß, wenn man Metalle durch mit Wasser verduͤnnte Sauren
behandelt, die auf die erstern einwirken, ohne selbst zerlegt zu werden, daß sich
hierbei Wasserstoffgas entwikelt, und daß die franzoͤsische Theorie dieß
einer Wasserzerlegung zuschreibt; unser Herr Verfasser nimmt dagegen an, daß hierbei
das Wasser unzerlegt bleibe, und der Wasserstoff aus den Metallen komme, deren Metallstoff nun
mit Wasser in Verbindung tritt. Dieses sucht der Hr. Verfasser zu beweisen durch
Thatsachen, wobei die Quantitaͤt des abgeschiedenen Wasserstoffes nicht
entspricht der Gewichtszunahme der Metalle, welche die franzoͤsische Theorie
dem Sauerstoffe des zerlegten Wassers zuschreibt. Dieser Gegenstand ist wichtig, und
verdient eine genaue Pruͤfung, denn er macht eine Hauptstuͤze der
teutschen Theorie aus. Bei der Verbrennung der Metalle in Sauerstoffgas nimmt der
Herr Verfasser an, daß der Wasserstoff der Metalle mit in Verbindung bleibe. Auf
diese Weise sind unsere Metalloxyde »Hydate« (Hydrate) mit oder
ohne Ueberschuß an Sauerstoff; so erklaͤrt sich denn auch leicht, was z.B.
bei der Reduktion der Metalloxyde auf troknem Wege vorgeht, der Sauerstoff geht
naͤmlich fluͤchtig, und der Wasserstoff bleibt an die Grundlage des
Metalls gebunden zuruͤk. Wir koͤnnen hier nur Andeutungen geben von
dem, wie der Herr Verfasser durch seine Theorie alle chemischen Erscheinungen mehr
oder weniger ungezwungen erklaͤrt, ohne gegen die bisher bekannten Thatsachen
einen Verstoß zu begehen.
Mit der veraͤnderten Ansicht ist auch eine neue Nomenklatur verbunden, welche
aber gluͤklicher Weise das Wortgedaͤchtniß nicht sehr in Anspruch
nimmt, und deßhalb leichter Eingang finden duͤrfte, als fruͤhere
Vorschlaͤge der Art; waͤren wir nur nicht schon zu sehr an die
bisherige Nomenklatur gewoͤhnt. Das Material des Systems seiner Hylognosie
theilt der Hr. Verfasser nach den Verbindungsstuffen in mehrere Klassen und
Ordnungen. Die einfachen Elemente heißen Protohylen, unsere jezigen unzerlegten
Stoffe – Sauerstoff und Wasserstoff ausgenommen – sind Deuterohylen,
unsere Metalloxyde
etc. sind Tritohylen, dann kommen Tetartohylen. Die Urwesen werden mit der Endsylbe
»an« bezeichnet, so heißen
also die Grundstoffe des Silbers, Bleys, Zinns, Schwefels, Phosphors
»Argentan«, »Plumban«,
»Stannan«, »Sulfuran«,
»Phosphoran« etc. etc. Der Sauerstoff heißt »Flegan«, von dem griechischen
Φλεγω (ich brenne); und der Wasserstoff
»Flegoman«
Φλεγομαι (ich werde
verbrennt). Die Metalle sind also Flegomanometallane, z.B. Flegomanoauran (Gold)
Flegomanoantiman (Spießglanz) Flegomanoferran (Eisen) u.s.w. Die Erden und Alkalien
sind Flegomanometalloidane, z.B. Flegomanosilian (Kieselerde) Flegomanocalcian
(Kalk) Flegomanopotassan (Kali) etc. Die Ametalle sind Flegomanonmetallane, z.B.
Flegomanojodan (Jodin). Die Oxyde ohne Ueberschuß an Flegan – noch des Hrn.
Verfassers Theorie – sind Hydatometallane, Hydatometalloidane,
Hydatoametallane; mit Ueberschuß an Flegan sind sie Fleganometallane etc. Das
gebundene Wasser heißt Pagetane von
Παγετός Eis; die primane
Dichtigkeit des Wassers heißt also Pagetandichtigkeit u.s.w.
Es ist hier der Ort nicht, um noch weiter in die Entwuͤrfe des Hrn. Verfassers
einzugehen, die Leser, welche daran Interesse nehmen, moͤgen das
Buͤchelchen selbst zur Hand nehmen. Die zweite Abtheilung enthaͤlt
– von S. 46–64 ein »System der chemischen
Fabrikenkunde«, oder vielmehr den Entwurf dazu. Den Technologen ist
der Herr Verfasser bereits durch seine »Tabellarische Uebersicht des
Systems der Fabrikenkunde« in Hermbstaͤdt's Buͤlletin des Neuesten etc. seit 1814 als
technologischer Systematiker vortheilhaft bekannt. Die Fabrikation-Zweige,
welche auf chemischen Prinzipien beruhen, sind von ihm in sechs Klassen
gebracht.
Von S. 65–74 findet sich ein Anhang, enthaltend ein
Verzeichniß der fruͤhern oͤffentlich erschienenen Abhandlungen des
Herrn Verfassers, wahrscheinlich um seinen Versuchen als Reformator der Chemie und
Technologie aufzutreten, mehr Autoritaͤt zu geben. B.
––––––––––
Ein anderer wissenschaftlicher Chemiker schrieb uns uͤber Hr. Wuttigs System
der Hylognosie folgendes:
»Die Versuche des Hrn. Dr. Wuttig, aus Kupfer und Salzsaͤure
Wasserstoffgas zu entwikeln, wurden im chemischen Laboratorio der
koͤnigl. Akademie der Wissenschaften zu Muͤnchen, ohne
gluͤklichen Erfolg wiederholt. Es scheint daher, daß die uralte, schon oft
aufgestellte und immer wieder verlassene Idee, in den
Metallen-Wasserstoff (das Stahlsche Phlogiston) anzunehmen, nur als eine sehr schwache Hypothese
angesehen werden darf. Wenn Herr Professor Wuttig uͤber dies morsche
Lehrgebaͤude auf der, fuͤr die wissenschaftliche Chemie noch immer
verweysten Universitaͤt, Vorlesungen halten will, so duͤrfte die
Jugend dadurch unstreitig in Verwirrung gerathen, und des unsterblichen
Klaproths Manen wuͤrden hieruͤber mit Recht wehklagen.“
Gruͤndliche Anleitung die rohe Holzsaͤure zur Bereitung des reinen Eßigs, Bleiweißes, Gruͤnspans, Bleizukers und anderer eßigsaurer
Praͤparate auf das vortheilhafteste zu benuzen, nebst einer genauen Betrachtung der uͤbrigen bei der trokenen Destillation
des Holzes sich bildenden Produkte, von G. H. Stoltze, Vorsteher der Apotheke und Medicamenten-Expedition etc. etc. zu Halle.
Eine weitere Ausfuͤhrung seiner von der koͤnigl. Sozietaͤt der Wissenschaften zu Gottingen gekroͤnten Preisschrift. gr. 8.
VIII. 171. S. und einer Tabelle. Halle und Berlin, in der Buchhandlung des Hallischen Waisenhauses. 1820. (16 Grosch.)
Das vorstehende Werk enthaͤlt die neue Methode des Verfassers aus der
Holzsaͤure sowohl reinen Eßig zu bereiten, als auch sie zur Verfertigung
aller Praͤparate anzuwenden, wozu man bisher den durch Gaͤhrung
gebildeten Eßig benuzte. In lezterer Hinsicht hat der Herr Verfasser seinen
Gegenstand gut gefaßt, und sehr vollstaͤndig ausgefuͤhrt, weßhalb wir
diese sehr nuͤzliche Schrift Kattundrukereien, Faͤrbereien und
chemischen Fabriken, welche sich mit der Darstellung solcher Erzeugniße besaßen mit
Recht empfehlen koͤnnen. Die angehaͤngte Tabelle liefert eine
Uebersicht der Produkte, welche 24 verschiedene Holzarten bei der Verkohlung
liefern, so wie die Angabe des bedeutenden Quantum Holzeßig, welches man bei der
Verkohlung des Holzes in Oefen gewinnt. Da sich der einfach destillirte Holzeßig als
ein vortreffliches Mittel animalische Koͤrper aufzubewahren, immer mehr und
mehr bewaͤhrt, so verdient das S. 37. angegebene Verfahren des Herrn
Verfassers den rohen Holzeßig zu destilliren vorzuͤgliche Beachtung.
––––––––––
Unter den neuern englischen Werken technischen Inhaltes zeichnet sich ein Treatise on the art of Weaving, illustrated with
plates by John Murray, (Abhandlung uͤber die Kunst des Webers,
mit Abbildungen von Joh. Murray) ausTilloch's Philosoph. Magaz. N. CCXXVII.
Maͤrz 1821. S. 221.. Es erscheint Heftweise in 8., und
wird 12–13 Hefte geben. Wir beeilen uns unsere Fabrikanten hierauf
aufmerksam zu machen.