Titel: | Zugabe zu den Draisinen. Von Ludw. Gomperz. |
Fundstelle: | Band 5, Jahrgang 1821, Nr. L., S. 289 |
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L.
Zugabe zu den Draisinen. Von Ludw. Gomperz.
Aus dem Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture. II. Series. N. CCXXIX. Junius 1821.
Mit einer Abbildung auf Tab. VIVII. und einem Zusaze des Uebersezers.
Gomperz über Draisinen.
Fig. 1. Tab. VIVII. stellt die sinnreiche und wohlbekannte Erfindung des Freyherrn von Drais (die man in England Velocipede nennt. Ueb.) mit meiner Zugabe dar, durch welche die
Geschwindigkeit derselben vermehrt und die Muͤhe des Reiters vermindert wird,
ohne daß etwas mehr als eine kleine Abaͤnderung an dieser Maschine,
ruͤksichtlich auf meine Verbesserung noͤthig waͤre, welche
vorzuͤglich darin besteht, die Arme des Reiters mehr in Thaͤtigkeit zu
sezen und den Fuͤßen zu helfen. In dieser Hinsicht habe ich eine Kurbel C angebracht, welche vor- und
ruͤkwaͤrts gezogen werden muß. An dieser Kurbel ist ein Viertel eines
Zahnrades DG angebracht, welches mit seinen
Zaͤhnen in einem Triebstoke E eingreift, der an
dem vorderen Rade der Draisine befestigt ist. Wird die Kurbel nun mit beiden
Haͤnden zuruͤkgezogen, so wird die Draisine dadurch vorwaͤrts
gestossen; stoͤßt man aber die Kurbel wieder vor sich hin, um sie
spaͤter zuruͤkzuziehen, so wird die Draisine dadurch nicht
zuruͤkgeschoben, weil das Viertel-Zahnrad in den Triebstok in dieser
Richtung nicht eingreift. H ist der Sattel. Die Lehne
B muß etwas anders als in der
urspruͤnglichen Draisine des Freiherrn gebaut seyn, wie die Figur zeigt;
naͤmlich so, daß die Brust des Reiters gegen das vordere Ende derselben
druͤkt, waͤhrend die Seiten der Lehne ihn zum Theile umfassen und in
einiger Entfernung unter seinen Armen hinlaufen. Diese Lehne ist weich
ausgepolstert, und mittelst derselben kann er die Maschine, ohne seine Arme im
mindesten dazu noͤthig zu haben, gehoͤrig im Gleichgewichte erhalten.
Er braucht hier seine Arme, zugleich mit seinen Fuͤßen, um die Draisine in
Bewegung zu sezen, und auch um dieselbe zu leiten; denn das Vorderrad wendet sich
hier so, wie in der urspruͤnglichen Draisine, und dieselbe Kurbel, die sie
vorwaͤrts schiebt, leitet sie auch. Der Reiter kann, wenn er will, seine Arme
und die Kurbel in Ruhe halten, ohne daß deßwegen die Maschine stehen bleiben
wuͤrde, er kann aber auch, wo der Weg gut ist, und er sich im Gleichgewichte
zu erhalten vermag, dieselbe durch seine Arme in Bewegung sezen, ohne die
Fuͤße dazu noͤthig zu haben.
Der Viertelkreis muß groß genug seyn, um den Armen des Reiters volle Zusammenziehung
zu gestatten, und beinahe auch volle Ausstrekung derselben: jedoch brauchen die Arme
nicht ganz ausgestrekt zu werden: denn, wenn die Draisine ruͤkwaͤrts
geht, muß das Viertelrad außer dem Triebstoke gehalten werden, und in diesem Falle
sind die Arme etwas mehr ausgestrekt, als wenn sie in Bewegung sind; gaͤbe
man hierauf nicht acht, so wuͤrde die Kurbel soweit vorgezogen, daß der
Reiter sie nicht mehr erreichen koͤnnte. Die Raͤder sind an der in der
Zeichnung dargestellten Draisine etwas groͤßer als gewoͤhnlich: wollte
man sie kleiner haben, so muͤßte auch der Triebstok
verhaͤltnißmaͤßig kleiner, oder das Viertelzahnrad muͤßte
groͤßer seyn, so daß ein Stoß an der Kurbel die Maschine ebensoweit treiben
koͤnnte, wie die hier gezeichnete, deren Groͤßenverhaͤltnisse die
Erfahrung mich als die vorteilhaftesten kennen lehrte. Dieser Punkt ist zu wichtig,
als daß man denselben nicht genau beachten sollte: denn wenn die Bewegungen der
Kurbel zu schnell auf einander folgen, so gewaͤhren sie wenig Vortheil. Der
Ruͤken oder die sogenannte Langwied der Draisine ist aus Buchenholz und unten
noch mit Eisen beschlagen; die Theile, in welchen die Raͤder laufen, sind von
Eisen, und die aufrecht stehenden Theile der Kurbel, obschon von Stahl, doch beinahe
noch etwas zu leicht: denn diese verbesserten Draisinen muͤssen ehe etwas
staͤrker und schwerer seyn als diejenigen, welche nicht durch die Hand bewegt
werden. Ich habe gefunden, daß die Geschwindigkeit der Draisine durch meine
Vorrichtung um vieles vergroͤßert wird, und obschon hier die Arme durch das
Arbeiten an der Kurbel mehr angestrengt werden, als wenn sie, wie in der alten
Draisine, ruhig in der Lehne liegen bleiben, so ist doch diese Anstrengung nicht
anhaltend; die Arme sind hier ungefaͤhr so, wie bei dem Rudern,
beschaͤftigt, nur daß die Haͤnde hier nicht so leicht ermuͤden,
weil sie bloß der Kraft der Arme zu widerstehen haben, waͤhrend bei dem
Rudern sie selbst den Muskeln, welche an dem Schenkel-Knochen den
Ruͤken ruͤkwaͤrts ziehen, und der ganzen Schwere des
Koͤrpers, und noch uͤberdieß der Kraft der Arme Widerstand leisten
muͤssen.
Es verdient wahrlich bemerkt zu werden, wie sehr das Publicum bei der ersten
Erscheinung der Draisinen sich derselben freute, und wie schnell es dieselben wieder
als unnuͤzes Kinderspiel wegwarf. Der Fehler scheint mir indessen nicht
sowohl in der Erfindung selbst, als vielmehr in der Art zu liegen, mit welcher sie
von denjenigen aufgenommen wurde, deren Schuz sie in Anspruch nahm, und wohl auch
von denjenigen, deren unuͤberlegten Tadel sie eben nicht noͤthig
hatte; vorzuͤglich aber liegt die Ursache des Verfalles der Draisinen in dem
Verbothe, dieselben auf Fußwegen zu gebrauchen; ein Verboth, welches, wenn es hier
und da nothwendig war, zugleich mit dem Befehle hatte verbunden werden
muͤssen, daß sie drei oder vier Fuß von dem Fahrwege zu ihrem
ausschließlichem Gebrauche angewiesen, und diese fuͤr sie stets in gutem
Zustande erhalten, bekommen sollen. Sie verdienen dieß; und diejenigen, die sich
derselben bedienen wollen, sollten nicht der Gefahr der Verlezung von Kutschen und
Pferden ausgesezt oder verdammt seyn, bis an die Kniee in Koth zu waten. Nur durch
Einfuͤhrung und Vervollkommnung dieser Maschinen kann der Mensch von einem
der langsamsten Thiere in der Schoͤpfung durch wohlthaͤtige
Ausuͤbung eigener Kraft zu einem der schnellsten erhoben werden. Das
laͤcherliche Licht, das einige Muͤssiggaͤnger und
Caricaturen-Kraͤmer auf sie geworfen haben, wird vor den Strahlender
Vortheile verschwinden, die die Draisinen der Welt noch einst gewaͤhren
werden.
Zusaz des Uebersezers.
Wir kennen in Deutschland, Wien vielleicht ausgenommen, wo man mehrere herrliche
Ballets mit Draisinen tanzte, und zeigte, welcher Sicherheit und Leichtigkeit der
Bewegung diese Maschine unter einem geuͤbten Reiter faͤhig ist, die
Vortheile dieser Erfindung viel zu wenig: indessen scheinen aber auch ihre Freunde
die Nachtheile derselben viel zu wenig zu kennen; denn alles, was Hr. Gomperz in dem Nachsaze gegen das nothwendige Verboth
derselben auf den Trotoirs und die Muͤhseligkeiten auf dem Fahrwege sagt,
wird auf unserer besten Welt sich schwerlich jemals ausgleichen lassen, und ist im
Grunde, unbedeutend. Die ernsteren Nachtheile der Maschine sind
vorzuͤglich:
1. die Gefahr des Umschlages, die, wie Uebersezer nur aus dem Kreise seiner Erfahrung
weiß, manchen Arm, manches Bein, manche Rippe, und in Folge dieser Verlezungen auch
ein paar Leben kosteten. Diesem Nachtheile koͤnnte zum Theile dadurch
abgeholfen werden, daß man die beiden Raͤder nicht unmittelbar hinter
einander, wie die Kutschenmacher zu sagen pflegen, auf Einem
Faden, sondern in zwei Geleisen so laufen ließe, daß das vordere Rad z.B.
acht bis zehn Zoll links, das hindere eben so viel rechts von der Langwied entfernt
liefe. Hierdurch wuͤrde die Gefahr des Umschlagens so wie die
Muͤheseligkeit des Balancirens mit dem Koͤrper bedeutend vermindert
werden. Allerdings wuͤrde die Behendigkeit der Bewegung dadurch leiden:
allein, diese ließe sich dadurch wieder zum Theile ersezen, wenn man an dem Hinteren
Rade zwei Hebel anbraͤchte, auf deren einem Ende der Fuß des Reitenden, wie
in einem Steigbuͤgel ruht, und dessen anderes Ende entweder durch ein
Viertel-Zahnrad, wie Hr. Gomperz hier an dem
Vorderrade anbrachte, oder durch eine andere bequeme Vorrichtung das Rad nach
vorwaͤrts treibt.
Wenn Hr. Gomperz bei seiner Vorrichtung den Fuͤßen
durch die Haͤnde hilft, so finden wir es pflichtmaͤßig fuͤr die
Fuͤße, daß auch sie gegen die Haͤnde das Reciprocum beobachten, umso
mehr, als sie bei dieser Vorrichtung sich durchaus so sehr werden anstrengen
duͤrfen, als bei der gewoͤhnlichen Draisine. Es ist um so mehr
noͤthig, bei der Draisine Brust und Arme zu schonen, als der 2te Nachtheil
dieser Art von Fahrzeuge vorzuͤglich darin besteht, daß die Brust, oder
eigentlich das, was in der Brust ist, die Lungen gar sehr in Gefahr sind, bei
anhaltendem oder angestrengten Gebrauche derselben angegriffen zu werden, und zu
leiden. Mehrere Bekannte des Uebersezers mußten daher, auf Geheiß ihres Arztes, den Gebrauch der
Draisine aufgeben, der, so lang man mit der Brust sich in derselben anstemmen muß,
und nicht die Fuͤße als die vorzuͤglichsten Treibwerke brauchen kann,
jungen noch im Wachsen begriffenen Leuten so wie allen Erwachsenen und auf der Brust
schwaͤchlichen, unbedingt zu untersagen ist.
Erklaͤrung der zweite Figur.
LL Langwied mit dem Sattel S.
RR Raͤder.
HH Hebel, welche den Triebstok T in Bewegung sezen, der in die Raͤder R eingreift, und die Bewegung derselben hervorbringt,
indem man sie an dem oberen Ende mit der Hand faßt.
Die Achse muß an den Spizen gestaͤhlt und in einer Vertiefung des Rades
laufen, nicht dasselbe durchbohren, um so wenig als moͤglich Reibung zu
erzeugen. Bei L und R sind
Reibnaͤgel, die den halben Achsen LR jede
halbkreisfoͤrmige Bewegung gegen und von L
gestatten, also die Lenkung.