Titel: | Ueber die Bereitung des Parmesan-(Parmigian)-Käses. Beobachtungen, gesammelt während eines längeren Aufenthaltes in der Gegend von Pavia und Lodi, wo diese Käse-Gattung bereitet wird. (Nicht um Parma, wie unrichtig geglaubt wird.) Von Dr. Gierl in Augsburg. |
Autor: | Dr. Gierl |
Fundstelle: | Band 5, Jahrgang 1821, Nr. LXXI., S. 440 |
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LXXI.
Ueber die Bereitung des Parmesan-(Parmigian)-Käses. Beobachtungen, gesammelt während eines längeren Aufenthaltes in der Gegend von Pavia und Lodi, wo diese Käse-Gattung
bereitet wird. (Nicht um Parma, wie unrichtig geglaubt wird.) Von Dr. Gierl in Augsburg.
Gierl über Bereitung des Parmesan-Käses.
Haͤtten wir nur – wird mancher deutsche Oekonom
hiebei sagen – Italiens warmen Himmel und seine aromatischen Blumen und
Graͤser; haͤtten wir die Bewaͤsserung eines Ticino, einer Adda
u.s.w., koͤnnten wir die fetten Marcite (geduͤngte Wiesen) der
fruchtbaren Lombardie 4 bis 5 und 6 mal abmaͤhen, so wuͤrden wir eben
so gute, schmakhafte und haltbare Kaͤse zu bereiten im Stande seyn, wie uns
die Lombardie an dem Parmesan- und Stracchin-Kaͤse liefert.
Diese Behauptung ist nicht ungegruͤndet. Es muͤssen nothwendig die
verschiedenen Futtersorten, womit die Rinder genaͤhrt werden, verschiedene
Qualitaͤten der Milch, und ein Quantitativ verschiedenes Verhaͤltniß
der in ihr enthaltenen Stoffe geben, so wie uͤberhaupt die
eigenthuͤmliche Beschaffenheit mancher Landesprodukte vornehmlich in Klima
und Boden ihren Grund hat. So wenig jedoch die Naturerzeugnisse der Huͤlfe
der Kunst entbehren koͤnnen, wenn sie in gefaͤlligern und
brauchbareren Formen erscheinen sollen, eben so wenig ist die Kunst
vermoͤgend, aus ganz schlechten Naturprodukten etwas Gutes und Dauerndes zu
machen; und wo Natur uns Kunst vereint wirken, wird das Vollkommene erzielt. Die Aufgabe der
Agrikultur im weitern Sinne, die in den noͤrdlichen Provinzen Deutschlands
nicht ohne Gewerbfleiß mit Vortheil bestehen kann, ist die, daß der Erde,
unbeschadet ihrer Kraͤfte immer mehr und mehr Produkte abgewonnen, und die
Bewohner mit den natuͤrlichen oder kuͤnstlichen Erzeugnissen reichlich
versehen werden sollen. Soll aber diese Aufgabe gluͤklich geloͤst
werden, so darf es nicht an Belehrung durch Beyspiele fehlen, wie von dem
eingestellten Vieh der vielseitigste Vortheil zu ziehen, und aus den
natuͤrlichen Produkten ein zehnfacher Gewinn durch kuͤnstliche
Behandlung derselben zu erlangen sey. Erst wenn die große Menge der Bauern sich mit
ihren Augen von diesen Vortheilen uͤberzeugt hat, greift sie nach den
Mitteln, die ihr dieselben gewaͤhren koͤnnen; fruͤher sucht man
sie umsonst hiezu zu uͤberreden oder wohl gar zu zwingen. Sonderbar genug
scheint es uns daher, daß in mehreren Schriften uͤber oͤkonomische
Gegenstaͤnde Krieg gefuͤhrt wird gegen alte Gebraͤuche, die so
lange, und zum Gluͤk bestehen werden, als den Buͤrgern und Landleuten
kein groͤßerer Nuzen von anderer Handlungsweise einleuchtet.
Wozu soll es, z.B. dem baierischen Landmanne, und vielleicht auch andern Landbauern
im suͤdlichen und noͤrdlichen Deutschland dienen, keinen Aker in der
Brache liegen zu lassen, die Wiesen zu duͤngen, eine kostspielige
Wasserleitung zur Bewaͤsserung der Wiesen anzulegen, oder große Moore
auszutroknen, wenn ihre Felder bereits mehr Getreide hervorbringen, als sie absezen
koͤnnen, und wenn ihre Wiesen mehr Gras liefern, als ihre Rinder, deren Zahl
hinreichend ist, sie mit Ueberfluß an Milch, Butter und Schmalz zu versehen,
beduͤrfen. Oder glauben vielleicht die beruͤhmten Cultivirer dem Lande
durch Vertheilung der Weidgruͤnde, wovon sonst die Staͤdte
verhaͤltnißmaͤssig den groͤßte Theil besessen hatten, einen
wichtigen Vortheil verschaft zu haben, indem sie den gewerbsthaͤtigen Buͤrger auf diese
Art zum schaufel- und pflugbuͤrtigen Bauern stempelten, und ihn so um
eine Stufe tiefer herabzogen. Mit dem Flekchen Land, das dem Gewerbsmann zufiel,
konnte diesem nicht gedient seyn; um berechenbar ist aber der Schaden, welchen die
Gewerbe dadurch erleiden, daß der arbeitsame Buͤrger auf seinem
Moosgruͤnde, den er mit ungewohnten Werkzeugen bearbeitet und wie ein blinder
Maulwurf umwuͤhlt, viele Zeit verliert.
Es gehoͤrt jezt nicht zu unserm Zweke, eine Abhandlung gegen die zur
Vervollkommnung des Akerbaues gemachten Schritte zu schreiben; aber wir
koͤnnen nicht unsere Meynung zuruͤkhalten, daß man zu jenem Ziele
einen andern Weg hatte einschlagen sollen, naͤmlich den, zuerst die lokenden
Vortheile vor Augen zu stellen, und dann die Mittel dazu bekannt zu machen, anstatt
in umgekehrter Ordnung zu verfahren. Freilich braucht die gute Sache Weile; mit der
schlechten hat es keine Eile.
Ein Beweis wie wenig die meisten Landleute, selbst die groͤßern und reichern
Oekonomen, die Vortheile einer gehoͤrig gefuͤhrten Landwirthschaft
kennen, mag die Anwendung der Milch seyn. Diese wird in dem groͤßten Theil
von Schwaben, Baiern, Franken, Oesterreich etc. nur zur Gewinnung der Butter benuzt,
die Kaͤsetheile hingegen (Topfen, Toͤkel, Zieger), und die Schotten
werden entweder den Kuͤhen und Schweinen vorgeworfen, oder zu den sogenannten
Toppenkaͤsen, die nur frisch genießbar sind, verwendet. Hieher
gehoͤren auch die schlechten Sorten unserer fetten und magern Kaͤse,
die aus den Haͤnden schlecht belehrter Schweizer oder Hollaͤnder Bauern-Knechte hervorgehen, welche demungeachtet
sich oft so theuer bezahlen lassen, daß kaum die Haͤlfte des angelegten
Kapitals wieder zuruͤkkommt.
Auch haͤngen viele selbst fuͤr gut unterrichtet geltende, Oekonomen
noch immer an eingewurzelten Vorurtheilen in Ansehung der Bereitung des Kaͤses,
wozu die Kenntniß sehr vieler kleiner Umstaͤnde erfordert wird, die nicht
sowohl durch Belehrung als vielmehr durch lange Uebung zu erwerben ist.
Aber welcher wahre Freund des Vaterlandes muß es nicht beklagen, daß seine
Mitbuͤrger hierin entweder von Andern so betrogen werden oder aus Mangel an
Einsicht und Erfahrung sich selbst betruͤgen. Ist denn die Verfertigung des
Kaͤses eine gar so unbedeutende Sache, daß man in Deutschland es noch nicht
der Muͤhe werth hielt, die Bereitungsart der verschiedenen Kaͤsesorten
naͤher zu untersuchen, und den Gruͤnden nachzuforschen, warum man so
und nicht anders verfahre, und warum man gerade diese und keine andere
Kaͤseart gewinne, es wuͤrde sich haͤufig genug das bloße
Herkommen und die Macht der Gewohnheit als Ursache, darstellen.
Selbst in der Schweiz, in Italien und Holland sind die guten Kaͤsemacher so
gesucht, wie bei uns die guten Braͤu-Knechte, und verlassen nur selten
ihre Heimath; geschieht aber auch dieß, so verstehen sie nicht, sich nach der
Beschaffenheit des fremden Landes zu richten, und liefern daher ein schlechtes
Fabrikat. So behaͤlt denn ihr Vaterland immerfort den Vorzug der Waare, zum
Nachtheil des Auslandes.
Da man in der neueren Zeit beim steigenden Beduͤrfnisse des Bieres, das
fruͤher auch nur handwerksmaͤßig gebraͤut wurde, die Bereitung
desselben auf ziemlich richtige chemische und physische Grundsaͤze gebaut
hat, so ist zu wuͤnschen, daß es bei uns auch mit der Benuͤzung der
Milch bald geschehen moͤge. In Holland, in Italien, in der Schweiz etc. hat
man bereits diese Bahn betreten. Nicht zu entschuldigen sind daher Laͤnder,
die eben so große und gute Triften als jene haben, wenn sie dieselben unbenuzt
lassen, oder in wesentlichen Theilen einer guten Viehzucht ganz unerfahren bleiben,
und es gereicht besonders vaterlaͤndischen, der Landeskultur gewidmeten Blaͤttern zum
Vorwurf, wenn sie von einem so wichtigen Gegenstande schweigen, wie die
Kaͤsebereitung ist.
In mancher Provinz Deutschlands moͤchte wohl die Gewinnung der Butter und des
Schmalzes das groͤßte Hinderniß der Einfuͤhrung der
Kaͤsefabrikation seyn. Soll diese statt finden, so muß man die Bereitung
eines magern oder halbmagern Kaͤses empfahlen, weil diese die Gewinnung von
Butter und Schmalz zulaͤßt, und ein solcher ist der Parmesankaͤse, der
mehr zu den magern als zu den fetten Kaͤsen gehoͤrt.
Es ist vielleicht manchem Landwirth nicht uninteressant, hier einige
vorlaͤufige Bemerkungen uͤber die Milch zu
lesen.
Die Milch ist eine Fluͤßigkeit, die gewissermaßen die Mitte haͤlt
zwischen den Thier- und Pflanzen-Stoffen. Wenige Stunden nach
erfolgtem Abfluße aus den sie absondernden thierischen Gefaͤßen geht sie
einen gewißen Grad von Zersezung ein, wobei sich der Rahm nach oben abscheidet;
bleibt sie noch laͤnger unverbraucht stehen, so geschehen noch mehrere
Zersezungen, wie wir an dem Stoͤkeln (der Ausscheidung der kaͤsigen
Theile), dem Sauerwerden der Milch etc. taͤglich beobachten.
Das spezifische Gewicht der Milch, der Antheil der Butter, Kaͤse, Zieger und
an Zukerstoffe ist verschieden nach den Klimaten, in denen die Thiere leben. (Siehe
die Bestimmung der Verhaͤltnisse der Rindmilch in Schweden, von Berzellius in der Abhandlung uͤber die thierischen
Fluͤßigkeiten, oder von Schuͤbler in Hofwyl
in der Schweiz in den landwirthschaftlichen Blaͤttern von Hofwyl V. Heft
1817). So auch gab nach Schuͤbler Luzernerklee ausgezeichnet viel Rahm 18 bis
20 p. C. und junger frischer Luzerner noch mehr; junges
Gras 10 bis 13 p. C., Wikenfutter weniger als Gras, nur
8 bis 9 p. C., gruͤne Erbsen dagegen erzeugten
bedeutend mehr. Die Morgenmilch giebt gewoͤhnlich mehr Rahm. Die Milch der frisch melkenden Kuͤhe (colostrum) ist eigenthuͤmlich gelb und sezt mehr Rahm ab, der beim
Buttern eine schoͤne dunkelgelbe, butteraͤhnliche Substanz
ausscheidet, welche sich kugelfoͤrmig ballt, die Farbe des Eigelb annimmt,
einen erdigen Geschmak und geringere Fettigkeit hat, auch beim Sieden in Wasser
einen dem Eigelb vollkommen aͤhnlichen Geruch von sich giebt. Das
Verhaͤltniß der Kaͤsetheile ist geringer. Diese Eigenheiten des
Colostrum kommen hoͤchst wahrscheinlich dem Parmesankaͤse sehr
vortheilhaft zu statten, der auch einige eigelbaͤhnliche Eigenschaften zeigt;
denn in den dortigen Gegenden ist es uͤblich, auf die frisch melkenden
Kuͤhe sehr zu achten, und ihre Milch mit der anderen zu mischen.
Die Milch ist ferner verschieden nach der Zeit des Melkens. Morgenmilch ist allemal
reichhaltiger und besser, als Abendmilch. Gewoͤhnlich soll die Milch
zwoͤlf Stunden in dem Euter verweilen, um gehoͤrig gekocht zu werden;
die Ruhe der Nacht und der Schlaf des Thieres tragen das Noͤthige zur
Vollendung dieses Prozesses bei.
Aus dieser Beobachtung, die der Kaͤsemacher nicht uͤbersehen darf,
ergeben sich fuͤr ihn wichtige Folgerungen fuͤr die Behandlung seiner
Heerden, die, wenn auch gut und fett genaͤhrt, darum noch nicht gute Milch
geben. Ich uͤbergehe den Einfluß der verschiedenen Pflanzen auf die Milch der
Kuͤhe, die nachher bald suͤßer, bald saurer, bald aromatischer, bald
waͤßeriger ist, wie jeder Landwirth weiß. Die schwerste Aufgabe aber bleibt
immer, alle zutraͤgliche Umstaͤnde bei einer Heerde zu vereinigen,
lauter Rinder von gleichem Alter und gleicher Staͤrke zu haben, und sie mit
einerlei guten Kraͤutern zu naͤhren. Indeß merke sich jedoch jeder
Landwirth, daß man die beste Milch von Kuͤhen erhaͤlt, die nicht zu
alt und nicht zu jung, und dabei nicht stierig sind, oder erst geworfen haben. In
lezterer Hinsicht beobachten die Schweizer die Regel, erst 3 Monate nach sein Kaͤlbern die
Milch auf Kaͤse zu benuzen; doch scheint nicht eine so lange Zeit
noͤthig, sondern die Haͤlfte derselben oder auch noch weniger Zeit
hinreichend zu seyn, gute Milch zu gewinnen.
Immer wird es gut seyn, die Milch der frischmelkenden Kuͤhe erst zum Gerinnen
zu bringen, um an dem Gerinfel Topfer zu sehen, ob sie noch klebriglymphatisch ist,
in welchem Falle sie nicht zum Kaͤsen taugt. (Die Abweichung der Lombarden
haben wir angefuͤhrt.)
Ehe wir auf die eigentlichen Kaͤsebereitungen kommen, wollen wir zuvor die
Bestandtheile der Milch angeben, die dabei vornaͤmlich beruͤksichtiget
werden muͤssen; es sind diese:
1) der Rahm, woraus die Butter gewonnen wird; 2) der Kaͤseantheil, der sich
aus der Milch durch einen Zusaz von 1/4 bis 1/5 p. C.
Laab, d.h. auf 400–500 Theile, Milch 1 Theil Laab, bei einem
Waͤrmegrad von 21–26–30 Grad Reaumur ausscheidet; 3) der Zieger
Nachkaͤse, der aus der Milch mit 6 bis 7 p. C.
Essig in der Siedhize abgeschieden wird; 4) die Molken, und 5) der
Milch-Zuͤker etc.
Um guten, haltbaren Kaͤse zu verfertigen, muß man sorgfaͤltig ihn vor
Ziegertheilen zu bewahren suchen, die bei der Siedhize auch ohne Zusaz von Essig aus
der Milch, besonders wenn sie saͤuerlich war, sich abscheiden mit dem
Kaͤse verbinden, und ihn schlecht machen, wie dieß bei uns fern
gewoͤhnlichen Kaͤsen der Fall ist.
Es wird zur Ueberzeugung, wie wesentlich verschieden beide Substanzen sind, nicht
uͤberfluͤßig seyn, diesen Unterschied in einem Auszuge aus Schuͤblers Abhandlung uͤber die Milch hier
genau anzugeben.
1) Der Kaͤs scheidet sich durch Zusaz von Laab aus der Milch bei 24 bis 90
Grd. R. aus. Waͤrme allein, selbst Siedhize bringt ihn nicht zum Gerinnen, der Zieger
dagegen gerinnt bei 60 Grad Siedhize auf den Zusaz einer Saͤure.
2) Der Kaͤs bildet eine undurchsichtige, nie klare Aufloͤsung, und gibt
der Milch die weiße Farbe; der Zieger hingegen stellt nach dem abgeschiedenen
Kaͤse eine klare, gruͤnliche, durchsichtige Aufloͤsung (syrte) dar, die in den Siedhize weiß undurchsichtig
wird, und auf den Zusaz von etwas Essig sich in kleinen Floken nach oben absezt. Der
Ruͤkstand sind die eigentlichen Molken, aus denen der Milchzuker durch
Abdampfen gewonnen wird.
3 Das spezifische Gewicht des frischen Kaͤses ist groͤßer als das des
Zieger 1,100 = 1,055, daher ersterer zu Boden faͤllt, lezterer aber oben
aufschwimmt. Im voͤllig trokenen Zustande erfolgt das Gegentheil der
Kaͤse = 1,259 zu dem Zieger = 1,355. In dem großen Antheil des Ziegers, den
unsere gewoͤhnlichen Kaͤse enthalten, die aus schon saͤuerlich
gewordener Milch bereitet werden bei zu erhoͤhter Temperatur, wo der Zieger
mit dem Kaͤse niederfaͤllt, liegt die Ursache, daß solche Kaͤse
nie austroknen und nie sich lange aufbewahren lassen. A. d. A.
4) Der frische Kaͤs ist elastisch, zieht sich in Faden und ballt sich leicht
in eine zusammenhangende Masse, die lange die Elasticitaͤt behaͤlt;
der Zieger thut dies nie, er bildet eine schneeweise, geléeartige, loker
zusammenhangende unelastische Substanz, die leicht von selbst wieder
zerfaͤllt.
5) Der bei einer Waͤrme von 30 Gr. R. langsam getroknete Kaͤs wird eine
sehr feste, hornartige Substanz, die beim Zerschlagen scharfkantige
Bruchstuͤke giebt, und oft mit Blasenraͤumen durchwebt ist, welche
sich erst beim Austroknen bilden. Der Zieger hat diese Blasen niemals, und zeigt nur
koͤrniges Gefuͤge. Der frische Kaͤs ist weiß und wird In wenig
Stunden an der Luft hellgelb mit Fettglanz. Der Zieger ist ebenfalls weiß, wird
aber hernach weißgrau, und getroknet schmuzig grau, ohne Glanz.
6) Halbgetrokneter Kaͤs besizt einen eigenthuͤmlichen Geschmak mit
einem unschlittaͤhnlichen Nebengeschmake; dem Zieger fehlt jener
eigenthuͤmliche Geschmak, dagegen ist der Nebengeschmak staͤrker, aber
sehr seifenartig.
7) Der Kaͤs ist nicht so leicht verdaulich, wie der Zieger, aber angenehmer
von Geschmak.
8) Der Kaͤs in weißer englischer Schwefelsaͤure von 1,803
aufgeloͤst giebt eine dunkelrothe Aufloͤsung, aus welcher sich der
Kaͤs durch Wasser wieder niederschlaͤgt; der Zieger bildet eine
dunkelbraune Aufloͤsung, die vom Wasser gleichfalls zersezt wird. Bei
laͤngerer Einwirkung der Schwefelsaͤure ist leztere Reduction nicht
mehr moͤglich.
9) Der Kaͤs gibt mit Salzsaͤure bei 12–15 Gr. R. nach mehreren
Tagen eine himmelblaue Aufloͤsung, die zulezt ins Violette uͤbergehet;
der Zieger erhaͤlt dadurch eine weniger rein blaue, sondern mehr violette
Farbe.
10) Der Kaͤs mit concentrirter Essigsaͤure gekocht, oder mit
kaustischem Ammonium behandelt, zeigt eine weiße truͤbe Aufloͤsung,
die auch der Zieger, aber nur langsamer, darstellt.
11) Kaͤs und Zieger verbrennen mit Horngeruch unter Aufblaͤhen; die
Kohle des Kaͤses ist schwarz, wenig metallisch glaͤnzend; der Zieger
blaͤht sich mehr auf, bildet eine lokere Kohle, die anfaͤnglich ganz
schwarz ist, aber in wenig Minuten metallischen Glanz annimmt.
Die von 8–11 genannten Eigenschaften sind alle mehr oder weniger die besondern
Eigenschaften des Eiweißstoffes, der in diesen Substanzen vorwaltet.
12) Die Asche des Kaͤses, von dem 5–6 p. C.
bleiben, besteht aus phosphorsaurem Kalke, phosphorsaurer Bittererde, und etwas
phosphorsaurem Eisen; die Asche des Ziegers, der eben so viel Procent uͤbrig laͤßt,
enthaͤlt etwas salzsaures Kali und mehr phosphorsaure Bittererde, und wenig
phosphorsaures Eisen.
Nach dieser Darstellung ist es wohl einleuchtend genug, daß jene beiden Bestandtheile
der Milch, wenn sie zusammen im Kaͤse vorkommen, nicht ein so gutes Produkt
geben koͤnnen, als wenn jeder fuͤr sich bestehet, was auch die
Erfahrung taͤglich bestaͤtiget. Die verschiedenen Kaͤsesorten,
deren wir hier noch, vor der Ausfuͤhrung unsers eigentlichen Zwekes gedenken
wollen, sind folgende:
1) Die ganz fetten Kaͤse, welche aus dem Rahme mit wenigen Milchtheilen
mittelst Laab zum Gerinnen gebracht werden. (Vacherin,
Stracchin.)
2) Die fetten, die aus unabgerahmter Milch gewonnen werden. (Limburger,
Emmerthaler.)
3) Die halbfetten, wozu halbabgeraumte, und halbunabgeraumte Milch genommen wird,
oder wo die Milch nur kurze Zeit zum Aufwerfen des Rahmes hingestellt bleibt.
4) Die magern, aus gut abgerahmter Milch bereiteten.
5) Die Kraͤuterkaͤse, Schabziegerkaͤse, wobei die
Kaͤs- und Ziegertheile durch Essig in der Siedhize ausgeschieden
werden, die dann einer Gaͤhrung unterliegen und mit dem Pulver von blauem
Steinklee vermischt werden.
Der Parmesan-Kaͤs gehoͤrt zu den halbfetten Kaͤsen, und
seine Bereitung eignet sich auf alle fetten Gegenden, in denen die Gewinnung des
Butlers und Schmalzes nicht unterlassen werden kann.
Man verfaͤhrt damit auf folgende Weise:
Die am Abend gemolkene gute Milch wird in einer eigens dazu gebauten,
gewoͤhnlich gegen Nordost gelegenen, Kaͤse- und
Milchhuͤtte in Gefaͤße ausgegossen, die sehr wenig Tiefe, aber desto
mehr Umfang haben. Gewoͤhnlich haͤlt der Durchmesser der Weite 2 1/2
Schuh und daruͤber, der Tiefe hingegen nur 4–5 Zoll. Diese Form der Gefaͤße ist
nothwendig, damit die Milch schnell erkalte, und den moͤglich groͤßten
Umfang erhalte, den Rahm in der kuͤrzesten Zeit aufwerfen zu koͤnnen
der dann mit breiten und flachen hoͤlzernen Schuͤsseln abgenommen
wird. Mit der Milch des folgenden Morgens wird auf die gewoͤhnliche Weise
verfahren, und die nach etlichen Stunden aufgeworfene Sahne ebenfalls weggenommen.
In mehrern Kaͤsehuͤtten ist es uͤblich, die frisch gemolkene
Morgenmilch zu der am Abend gemolkenen, die bereits den Rahm abgeschieden, aber noch
darauf stehen hat, langsam uͤber dem Rande hinzuzugießen, und beide
Milchsorten zusammen noch 2–3 Stunden stehen zu lassen. Die Kasarn
(Kaͤsemacher) behaupten, die frischgemolkene Milch erkalte auf diese Weise
schneller und sondere schneller den Buttertheil ab, weil sie verduͤnnt werde;
und diese Behauptung mag ihren Grund haben. Aus dem abgenommenen Rahm wird der
Butter verfertiget. Es ist nothwendig diesen Butterantheil hinwegzunehmen, denn die
Kaͤse wuͤrden sonst zu fett, und indem sie nie die gehoͤrige
Trokenheit und Festigkeit bekaͤmen, viel schneller und leichter in
Faͤulung uͤbergehen.
Ehe wir in dieser Beschreibung weiter gehen, muͤßen wir noch einige
wesentliche Bemerkungen uͤber die Milchhuͤtte, die
Milchgefaͤße, und die Erhaltung der Milch im frischen Zustande machen.
Eine gute lombardische Milchhuͤtte ligt, damit sie wo moͤglich frisch
bleibe, gegen Nordost; und wo es seyn kann, nicht weit von einem
Bewaͤsserungs-Kanal; jedoch an einer trokenen Stelle. Damit sie jedem
Winde zugaͤnglich, aber den Fliegen so wenig als moͤglich ausgesezt
sey, werden ihre Waͤnde nur aus Holzlatten gemachtSo frisch die Milch gehalten wird, so bleibt
ihr doch in den heißen Sommertagen oft kaum Zeit den Rahm abzuscheiden, ehe
sie sauer und zum Kaͤsen unbrauchbar wird..
Die Milchhuͤtte steht ferner sehr entfernt von der Stallung und den
Mistgruben, um die Fliegen und vorzuͤglich den Gestank abzuhalten, der sich
der Milch und dem Kaͤse mittheilen wuͤrde. Freilich beobachtet man
diese Reinlichkeitsregeln nur in den bessern Wirtschaften; nicht selten sieht man
die Schweinstaͤlle zu naͤchst an der Kaͤsehuͤtte, um die
Schweine zur Molken-Fuͤtterung gleich in der Naͤhe zu haben.
Solche Milchstellen werden dann aber auch von Millionen Fliegen besucht, die die
Arbeit sehr erschweren. Zum Lobe der sonst nicht sehr reinlichen Italiener sey es
hier gesagt, daß sie ihre Milch uͤberaus reinlich halten.
Die Milchgefaͤße sind gewoͤhnlich von Kupfer, um sie moͤglichst
frisch zu erhalten. Ihre innere Flaͤche ist nur aͤußerst selten
verzinnt. Dieß scheint vielleicht Manchem verwerflich, weil Kupfertheile
aufgeloͤst werden moͤchten, dieß ist aber gar nicht zu
befuͤrchten; denn die suͤße Milch ist nicht im Stande Kupfer
aufzuloͤsen, und die saͤuerliche eben so wenig, so lange sie noch zum
Kaͤsen tauglich ist. Dagegen gewaͤhren blanke Kupfergeschirre den
Vortheil, daß man jede von der Milch anhaͤngende Unreinigkeit leichter
bemerken kann, als an verzinnten, ein Umstand, welcher der Reinigung der Geschirre,
die nach jedesmaligem Gebrauche mit bloßem frischem Wasser, aber sorgfaͤltig
geschehen muß, sehr foͤrderlich ist.
Wir haben mehrmals guten Parmesankaͤs auf Kupfer untersucht, aber nie solches
darinn gefunden; ein einzigesmal glaubten wir eine Spur desselben in schlechtem
gruͤnlichem Kaͤs bemerkt zu haben.
Nie werden, wie man bei uns, und auch in der Schweiz an vielen Orten zu thun pflegt,
mehrere Milchgefaͤße unmittelbar auf einandergestellt, sondern nur zwei wo es
noͤthig ist, und in großen Zwischenraͤumen. Dieß scheint wesentlich zu
seyn, um die Milch in die gehoͤrige Beruͤhrung mit der
Athmosphaͤrischen Luft, die darauf ganz eigene Wirkungen, wahcheinlichwahrscheinlich die der Saͤuerung aͤußert, zu bringen, denn die besten
Kaͤse liefert die Milch, die lange der Luft ausgesezt bleiben konnte, daher
die Sommerkaͤse, die schnell bereitet werden muͤssen, als weniger
schmakhaft, nicht so gesucht sind, wie die im Fruͤhling und Herbste
verfertigten, waͤhrend naͤmlich die gruͤne Fuͤtterung
noch statt findet; es geht auch die Abscheidung des Rahmes, wenn die Hize sehr groß
ist, oder Gewitter am Himmel stehen, nicht schnell oder nur sparsam vor sich, und
die Milch versauert, ehe der Prozeß der Rahmbildung voruͤber ist.
Da nicht jeder Paͤchter in der Lombardie an jedem Morgen Milch genug zum
Kaͤsen gewinnen kann, so treiben mehrere derselben ihre Heerden zusammen, und
melken sie gemeinschaftlich; auch haben sie den Casaren und die zur
Kaͤsfabrikation erforderlichen Geraͤthe mit einander gemein; am
Schluße des Jahres theilen sie dann nach Verhaͤltniß ihres Milchbeitrages den
Kaͤsegewinn, so wie die Schweizer.
Die abgerahmte frische Milch – denn nur mit solcher wird
gekaͤset – wird langsam in große Zuber abgegossen, um sie von
den waͤhrend der Nacht etwa hineingefallenen Unreinigkeiten zu befreien;
hierauf kommt sie in den birnfoͤrmig geformten Waͤrmkessel (caldajo), der zur Erleichterung der Arbeit an einem
beweglichen Balken haͤngt, mittelst dessen er ohne Beschwerde von und zu dem
Feuer gebracht werden kann. Das Feuer befindet sich in einem Ofen, der den Kessel,
zumal an seinem obern Rande genau umschließt, an der Seite aber oberhalb des
Schuͤrloches einen Ausschnitt hat, durch den der Kessel aus und eingebracht
wird.
Der untere schmaͤlere Theil des birnfoͤrmigen Kessels kommt auf das
Feuer zu stehen, der obere breitere hingegen liegt in einem eisernen Reife, und
haͤngt mittelst eines eisernen Bogens an dem Balken. Die Form einer Birn, oder vielmehr
eines abgestuzten Kegels, dessen Basis nach oben und dessen Spize nach unten gekehrt
ist, ist zwar nicht nothwendig, aber besser als jede andere, theils wegen der
leichtern Heizung und Erwaͤrmung der Milch, theils zur Sammlung der
Kaͤsetheile, und leichtern Herausnahme des Kaͤselaibes. Die Spize
dieses Kegels ist gewoͤhnlich etwas laͤnger, als sie nach dem
Verhaͤltniß der Basis seyn duͤrfte. In Ansehung des Maaßes, das sie
halten, sind diese Kessel verschieden, aber groͤßer als zu 10 Brenten, und
kleiner als zu vier, findet man sie nicht.
Es wird jezt ein schwaches und sachte loderndes Feuer angeschuͤrt und die
Milch langsam zur Gerinnung erwaͤrmt. Damit dieß aber gleichmaͤßig
geschehe, ruͤhrt der Casar die Milch unausgesezt vom Boden auf, und bedient
sich dazu eines kleinen hoͤlzernen, flachen und runden Bretchens an einer
duͤnnen Stange, womit er bestaͤndig die unterste Milch herauf hebt. Je
waͤrmer beim Kaͤsemachen die Jahreszeit, und je warmer also die Milch
an sich schon ist, desto weniger Holz hat man dazu noͤthig, und bei großer
Hize unterbleibt oft jene vorangehende Erwaͤrmung gaͤnzlich, was
jedoch nach der Meinung der Casaren ein schlechtes Vorzeichen ist.
Gewoͤhnlich reicht auf einen mittleren Kessel 1 oder 1 1/2 Bund Reisig zu.
Die Milch erlangt hiebei einen Waͤrmegrad von 15–21 Grad. Darunter und
daruͤber fanden wer ihn bei unsern thermometrischen Messungen nicht. Die
Casaren, welche solche Messungen nicht kennen, verlassen sich auf das geuͤbte
Gefuͤhl ihrer Hand, so wie unsere Baͤker bei der Bestimmung der
Ofenhize; sie tauchen daher die Hand oͤfters tief in die Milch, und meßen so
bedaͤchtlich den Waͤrmegrad. Mehrere Casaren zeigten eine große
Verwunderung, wie man mit dem Glasstaͤbchen so etwas bestimmen
koͤnnte. Ist die ganze Milchmasse gleichmaͤßig erwaͤrmt, eine
unerlaͤßliche Bedingung, die aber bei der angegebenen Form des Kessels am
leichtesten und bequemsten erfuͤllt werden kann – so wird der Kessel
mittelst des beweglichen Balkens vom Feuer weggehoben und ins Kuͤhle zur
Seite gebracht. Den Ausschnitt am Ofen durch den der Kessel auf das Feuer gesezt,
auch das Feuer angeschuͤrt wird, verstellt ein großes Brett, wodurch zugleich
alle seitwaͤrts aus dem Ofen kommende Hize vom Milchkessel abgehalten wird.
– Nun geschieht die Beimischung des Laabs, oft noch uͤber dem Feuer,
oft wenn der Kessel schon vom Feuer weggesezt ist; in jedem Falle wird der Kessel
jezt sogleich vom Feur entfernt.
Die Bereitung es Laabs sowohl, als die Bestimmung des quantitativen
Verhaͤltnisses desselben zur Milch, erfordert viele Umsicht. Der Laab wird
aus dem vierten Magen eines 2 bis 3 Wochen alten Kalbes bereitet. Nachdem ein
solcher Magen seines Inhaltes entleert und unausgewaschen getroknet worden, wird er
von den Lombarden gepuͤlvert und zu 2/3 Theilen dieses Pulvers, 1/3 Theil vom
feinsten frischgemahlenen Pfefferpulver und etwas weniges Kochsalz genommen, und
dann die Masse mit etwas Molken zu einem mehr troknen als naßen Teig geformt.
Mehrere Casaren nannten noch andere Zuthaten, als die gepuͤlverten
Bluͤthen des Carduus benedictus, des Gallium luteum, des Caryophyllum; allen aber war Pfeffer und Salz das Wesentliche dabei.
Von diesem Laab bedarf es nur einer geringen Quantitaͤt, um einen großen
Kessel voll Milch zum Gerinnen zu bringen, und je mehr die Milch selbst Neigung zur
Saͤure hat, desto weniger Laab-Presane ist noͤthig. Bei ganz
frischer Milch rechnet man ungefaͤhr 3 Unzen Laab, auf 7 Brenten Milch. Es
kommt dabei auch auf die Temperatur der Athmosphaͤre, und auf die
laͤngere oder kuͤrzere Zeit, welche zwischen dem Melken und der
Kaͤsebereitung verfließt, am meisten aber auf die Menge des kaͤsigen
Bestandtheiles der Milch an, die im Sommer groͤßer als im Winter ist. In der
kalten Jahreszeit gehen daher die Casaren in der Portion des Laabs immer weiter
herab, wenn sie dagegen in der warmen immer hoͤher damit steigen, so daß sie
im Winter kaum eine Unze, im Sommer aber 4–5 Unzen nehmen.
Diese Abaͤnderungen erscheinen auf den ersten Anblik sehr sonderbar; sie haben
aber bei naͤherer Betrachtung ihren natuͤrlichen Grund. Das Laab
besizt, wie jedes andere chemische Reagens; die Kraft, die in dem Serum der Milch
aufgeloͤsten Kaͤsetheile auszuscheiden, kann aber auch im Ueberschuße
angewendet, nur so viel Kaͤs ausscheiden, als in der Milch vorhanden ist. Der
Ueberschuß bleibt im Serum aufgeloͤst, und nur eine sehr geringe
Quantitaͤt Laabsaͤure haͤngt sich dem Kaͤse an. Im
Verhaͤltniß der Zunahme oder Abnahme der kaͤsigen Bestandtheile der
Milch muß auch das ausscheidende Reagens vermehrt werden.
Sollte es wirklich im Uebermaße zugesezt werden, so wirkt dies nicht eben
schaͤdlich auf die Milch und den Kaͤs; nur wird dieser von dem
beigemischten Pfeffer etwas schaͤrfer. Viele Casaren haben die Gewohnheit, zu
jeder Zeit eine gleiche Quantitaͤt Laab beizumischen. Daß aber im Sommer eine
groͤßere Quantitaͤt desselben nothwendig ist, als in den kalten
Monaten, hat folgende Ursachen: die Milch enthaͤlt im Sommer zu viele
kaͤsige Theile, als daß dieselben durch die gleiche Quantitaͤt Laab
sollten ausgeschieden werden. Hiezu kommt, daß sie durch die Waͤrme schnell
ihrer eigenen Zersezung unterworfen wird, und man sie nicht schnell genug zum
Gerinnen bringen kann, was natuͤrlich eine uͤberschuͤßige
Quantitaͤt Laab leichter bewirkt, als eine eben hinreichende. Wo in solchen
Faͤllen die Saͤuerung, Zersezung der Milch, schon ziemlich weit vorgeschritten ist,
scheidet zwar auch das Laab die Kaͤsetheile aus; aber sie vereinigen sich
nicht zu einer festen Masse, bilden nur Floken, die auch zusammengeballt, leicht
wieder auseinander fallen, und nicht einen suͤßen, sondern einen
saͤuerlichen, ekelhaften Kaͤs geben. Diese Kaͤsart chemisch
naͤher zu untersuchen waͤre eine fuͤr die Kaͤsebereitung
aͤußerst wichtige und gewiß reichlich lohnende Arbeit; der ich mich aber
damals nicht unterziehen konnte.
Die lombardischen Casaren richten sich in ihrem Verfahren nach der Weide der Rinder,
die sie taͤglich besehen, nach dem Geschmake der Milch, und nach den
Waͤrmegraden der Atmosphaͤre, und bestimmen so die Quantitaͤt
des Laabes, ohne ein Geheimniß aus ihrer Kunst zu machen, in der sie jedoch ihren
eigenen Werth suchen.
Die bestimmte Quantitaͤt Laab bindet der Casar in einen leinenen Flek, aus dem
er denselben in der Milch sorgfaͤltig auswaͤscht, bis alle seinem
Theile herausgespuͤhlt sind, und nur die etwa im Laab enthaltenen
Unreinigkeiten zuruͤkbleiben. Waͤhrend dieses Auswaschens des Laabes,
das langsam geschieht, ist ein Gehuͤlfe ohne Unterlaß beschaͤftigt,
die ganze Milchmasse in Bewegung zu erhalten, und somit in die moͤglichst
beste Beruͤhrung mit dem Laab zu bringen. Darauf bleibt die Milch so lange in
Ruhe, bis sie allmaͤhlig erkaltet und ganz gerinnt. Dieß waͤhrt oft 1
1/2 bis 2 Stunden. Die Milch bildet dann sichtbar, indem sich auf ihrer
Oberflaͤche mehrere zitternde, immer groͤßer werdende, und in einander
laufende Punkte darstellen, einem zitternden Stok
aͤhnlich der Gelatine. Unterdessen pruͤft der Casar
oͤfters die Milch, ob sie noch immer suͤß und angenehm sey.
Haͤtte er das rechte Maas des Laabes, um die Milch zum Gerinnen zu bringen,
nicht getroffen, oder wuͤrde die Milch vermoͤge ihrer Neigung zur
Zersezung saͤuerlich werden, ehe ihre kaͤsigen Bestandtheile sich abscheiden, so
muͤßte er ohne Verzug noch Laab hinzugeben. Ein zu großer Zusaz von Laab, am
Anfange genommen, wuͤrde freilich dieser Sorge und Muͤhe
uͤberheben, aber der Kaͤs weniger schmakhaft werden. Ein Casar
versicherte uns, er verstehe das Geheimniß, die Milch vor dem Sauerwerden zu
bewahren und selbst solche die bereits anfange sauer zu werden, wieder suͤß
zu machen. Wir riethen auf Pottasche, wodurch er diese Wunder bewirkte, und sein
Laͤcheln schien es zu bejahen.
Das sicherste Kennzeichen der vollendeten Gerinnung ist, wenn die Milch ganz ruhig
wird. Alsdann nimmt der Casar eine kleine hoͤlzerne, flache Schuͤßel,
und schlaͤgt, so viel er mit derselben erreichen kann, das ganze Coagulum
langsam um, bringt darauf den Kessel wieder auf den Feuerherd, wo von neuem und zwar
schnell Feuer gemacht wird, und ein zweiter Gehuͤlfe zerschlaͤgt mit
einem Stachelstab die Kaͤsmasse (coagulum) durch
schnelles und lange fortgeseztes Auf- und Niederstoßen in die kleinsten
Stuͤke, so daß man gar kein galertiges Gerinsel mehr bemerken kann, und die
Milch das Aussehen bekommt, als waͤre ein groͤbliches weißes Pulver
mit Wasser zusammengeruͤhrt worden.
Der Stachelstab der hiezu gebraucht wird, hat die groͤßte Aehnlichkeit, mit
einer Streitkeule der alten Deutschen, nur daß an jenen die Stacheln viel
laͤnger, unter einem geraden Winkel abstehend, und schwaͤcher sind,
und daß das ganze Werkzeug viel leichter ist, auch keine kolbenartige Verdikung an
dem Stachelende hat.
Waͤhrend der Operation mit dem Stachelstabe wird der Kessel durch etwas
lebhafteres Feuer bis zu 46 Grd. Reaum. erhizt. Das Zerschlagen und
Aufruͤhren der bereits geformten Kaͤsemaße muß aber fortdauern; denn
sonst wuͤrde sich die Masse zu Boden sezen und anbrennen. Der Casar
befuͤhlt mit der Hand (seinem Thermometer) von Zeit zu Zeit den Kessel, ob dieser die
gehoͤrige Hize erreicht habe oder nicht. Sobald er nun findet, daß sich die
Temperatur dem Punkte naͤhere, wo das Milch-Coagulum die besondern
Eigenschaften des Kaͤses annimmt, macht er den Beisaz des Saffrans. Um aber
jene Eigenschaften zu bemerken, nimmt er oft etwas von dem fein zerschlagenen
Milch-Coagulum zwischen die Finger, und druͤkt es nach allen Seiten
zusammen. Aeussert sich dabei noch einige Elastizitaͤt, die dem Topfer eigen
ist, so wird mit gleichmaͤßiger Waͤrme so lange fortgefahren, bis
diese Milchgerinsel ohne merkliche Spur von Elasticitaͤt jede beliebige Form
annehmen. Sobald dieß leztere der Fall ist, schuͤttet der Caͤsar in
die noch immer mit der Stachelstange umgeruͤhrte und jezt so klein als
moͤglich zerschlagene Milch ein sehr seines Pulver des besten Saffrans. Bei
dieser Beimischung regiert die Willkuͤhr und das Augenmaß des Casarn; daher
die Kaͤse so ungleich gelb gefaͤrbt sind. Das gewoͤhnliche
Verhaͤltniß ist der 4te Theil einer Unze und daruͤber auf 7 Brenten
Milch, welche zur bessern Vertheilung dieses Faͤrbemittels wohl untereinander
geschlagen werden.
Hat der Kaͤs die gehoͤrigen oben bezeichneten Eigenschaften erlangt, so
faͤngt das abgeschiedene Serum an, unter der Stachelstange Schaum zu
schlagen; jezt ist es Zeit, den Kessel vom Feuer zu nehmen, und ihn gegen die
seitwaͤrts andringende Hize mittelst eines Brettes zu verwahren, wie vorher
schon gesagt wurde.
Die entstandenen und klein zerschlagenen Kaͤsgrumen sezen in der Ruhe sich
sogleich zu Boden, und bilden eine zusammenhaͤngende Masse, uͤber der
das gelbliche Serum hell und klar erscheint. Wenn der Hizegrad, der hier durch
schnell loderndes Feuer erzeugt werden muß, nicht uͤber 40 G. R. gestiegen
ist, so vereiniget sich der Kaͤs gleichsam nach einem schnell und leicht; ist
hingegen jener Grad uͤberschritten, so geschieht die Vereinigung nur langsam. Ein Kaͤs
der zweiten Art ist in jeder Hinsicht schlechter, und nach Versicherung der Casaren
hat er große Zwischenraͤume in seiner Masse, und wird schnell schimmlicht und
faul. Unterlaͤßt man es, den Kessel vor dem Seitenfeuer zu bewahren, so ist
die Hize ungleich, der am Boden liegende Kaͤs wird von jener Seite durch die
groͤßere Hize wieder in die Hoͤhe getrieben, und bekoͤmmt
Blasen, die sich mit Serum fuͤllen, das nie wieder ganz herausgepreßt werden
kann, und die nachherige schnelle Verderbniß veranlaßt.
Ist die Ofenhize gehoͤrig verwahrt, und der Niederschlag (der Kaͤs)
gebildet, wozu 1/2 bis 3/4 Stunden erforderlich sind, so gießt man 3/4 Theile des
Serum ab, und uͤbergießt den ruͤkstaͤndigen Theil mit dem
kalten Plegma von der Butterbereitung. Plegma nennen die Casaren die Buttermilch,
die freilich nicht so dik wie bei uns sondern sehr waͤsserig ist, von dem
beim Buttern gebrauchten Eise. Dieser Zusaz hat keinen andern Zwek, als das noch
uͤber dem Kaͤse stehende Serum abzukuͤhlen, und die Erhebung
des Kaͤselaibes zu befoͤrdern, der sich in einem Fluidum leichter
heben laͤßt, und nicht so schwer niedersinkt, da ihm sein spezifisches
Gewicht nachhilft.
Diese Erhebung eines Kaͤselaibes von 50–80 Pfunden an Gewicht erfordert
bei der ganzen Arbeit die groͤßte Kraftanstrengung, die sich aber die
bequemen Italiener geschikt zu erleichtern wissen; sie drehen naͤmlich den
Kesselrandschief, und ein Arbeiter beugt sich mit seinem ganzen Oberleibe
uͤber denselben, und fuͤhrt ein starkes, rein gewaschenes Stuͤk
Leinwand unter dem Kaͤslaib, der in der abgerundeten Tiefe des Kessels liegt,
hindurch, und auf der andern Seite herauf, so daß darin der Kaͤs, wie ein
Stein in der Schleuder, liegt. Nun wird zur Erleichterung des Herausnehmens so viel
von dem fruͤher abgegossenen Serum wieder hinzugeschuͤttet, als
noͤthig ist, um den Kaͤse gleichsam schwimmend durch zwei Mann herauszuheben. Den
herausgehobenen Kaͤs legt man sodann sammt der Leinwand in eine runde
Holzform, Fassera genannt, und stellt diese auf eine schief stehende Bank, da mit
das Serum ablaufen koͤnne. Diese Holzform besteht in einem ohngefaͤhr
einen Schuh breiten und einen Zoll diken Brette von Weidenholz, welches, wie das
Holz zu Sieben oder Schachteln, scheibenfoͤrmig gebogen, aber nicht wie diese
zusammen gebunden ist, sondern bloß durch einen um dasselbe laufenden Strik
zusammengehalten wird, der mittelst eines gabelfoͤrmigen eisernen Stiftes,
aͤhnlich dem beim Ballen-Paken, nach Belieben fester kann angezogen
werden, wodurch sich die Ausdehnung des Kaͤses in die Breite vermindern
laͤßt. Wenn nach etlichen Minuten der groͤßte Theil des Serum
abgelaufen ist, zieht man die Leinwand heraus, und man kann zu diesem Behufe auch
den Strik wieder nachlassen; sodann veraͤndert man die Lage des
Kaͤses, so daß der zuvor obere Weil desselben jezt untenhin kommt, und zieht
hierauf die Holzform so enge zusammen, als die beliebte Breite des Kaͤses
verlangt. Beim Umwenden legt man dem Kaͤse ein Stuͤk Gewebe vom
diksten Bindfaden unter, dekt ihn mit einem gleichen Stuͤk zu, bringt ein
Brett darauf und beschwert ihn mit einem starken Gewichte. Jenes dikfaͤdige
Gewebe ist sehr wesentlich dabei. Es druͤkt naͤmlich, die ganze obere
und untere Kaͤsoberflaͤche viele hundert kleine Vertiefungen, in denen
das Salz bei der Saͤuerung gut versizen kann, wie nachher gezeigt wird. So
bleibt der Kaͤs ohngefaͤhr 24 Stunden auf der schiefen Flaͤche
zum Abfluße des Serum liegen, und sinkt dabei unter dem Gewichte, das jedoch nicht
zu groß seyn darf, um etliche Zoll zusammen. Ein solcher Kaͤslaib von 50 bis
80 Pfund, wird jezt erst in einem eigens dazu bestimmten Magazin sorgfaͤltig
gesaͤuert. Ohne die Zugabe von Salz waͤre derselbe eine unschmakhafte,
fade, und schnell verderbende Masse. Diese Saͤuerung beginnt aber nicht
fruͤher, als nach
6 bis 7 Tagen, nur im Sommer geschieht sie wohl schon am 2ten 3ten oder 4ten Tage,
bis wohin der Kaͤs beschwert bleiben, und die dikfaͤdigen Gewebe
taͤglich frisch eingelegt werden muͤssen, damit sie von dem
langsamabsikernden Serum nicht sauer werden. Ist das Serum ganz abgelaufen und der
Kaͤs etwas fester geworden, so laͤßt man das dekende Fadengewebe weg,
und bringt zwischen die Holzform und den Umkreis des Kaͤses ohngefaͤhr
10 Unzen Salz, und bestreut die ober und untere Seite mit ohngefaͤhr 2 bis 3
Unzen Salz. Die so gesaͤuerten Kaͤse werden nun zwei und zwei
aufeinander gestellt; auch wird die Stelle, auf die sie gesezt werden, vorher stark
mit Salze bestreut. Die Feuchtigkeit des Kaͤses macht, daß das Salz
zerfließt, und die kleinen, erwaͤhnten Eindruͤke befoͤrdern die
Aufloͤsung desselbenDieses schnelle
Ablaufen des Serum ist nur moͤglich, wenn sich die kleingeschlagenen
Kaͤsgrumen zu einem Koͤrper vereinigen und wenigen
Zwischenraum fuͤr das Serum lassen. Wo eine solche innige Vereinigung
nicht geschieht, und Serum dazwischen bleibt, wird der Kaͤs immer
schlecht und zur Faͤulniß geneigt seyn.. Da diese
seitwaͤrts fehlen, so unterlassen manche Casaren die Salzung der Seiten, und
begnuͤgen sich bloß die Ober- und Unterflaͤche, aber starker zu
salzen, wo die uͤber die Seiten abfliesende Salzaufloͤsung dann auch
aufgesogen wird. Es wird sodann alle zwei, spaͤter hin alle drei Tage von
neuem Salz gegeben und dabei die Lage der Laibe veraͤndert, so daß der unten
gelegene, jezt oben auf kommt, auch die Flaͤche des Kaͤses, die vorher
unten war, jezt oben ist. Dieses immer wiederholte Wenden hat nicht bloß den Nuzen,
daß die gehoͤrige Salzung bewirkt, und eine gleiche Kruste gebildet wird,
sondern es werden dadurch auch die im Kaͤse noch vorhandenen Buttertheile,
die, so lange der Kaͤs weich ist, immer nach oben zu kommen trachten, in der
Mitte zu bleiben
genoͤthiget, und es wird so das Hartwerden der Rinde befoͤrdert. Die
Salzung ist gewoͤhnlich in 40 bis 45 Tagen vollendet. Nimmt der Laib kein
Salz mehr auf, so erkennt man daraus, daß er gehoͤrig durchsalzen seye. Zum
Salzen gebraucht man meistens das Steinsalz von Hall in Tyrol; an manchen Orten wird
aber auch mit Seesalz gesaͤuert. Ersteres ziehen die Casaren vor, weil es
angenehmer und schmakhafter salze, als jedes andere. Die nicht eingesogene, sondern
ablaufende Salzaufloͤsung sammelt sich in einem eigenen Behaͤlter, aus
dem es zu neuem Gebrauche herausgenommen wird.
Der Ordnung im Salzen wegen werden die Kaͤselaibe nach dem Alter in Reihen
gestellt, so daß man durch das bloße Zahlen der Stuͤke auch ihr Alter
bestimmen kann.
Die Kruste des ganz durchsaͤuerten Kaͤses, die schon ziemlich hart
geworden ist, wird nun von Zeit zu Zeit durchgehends mit Lein- oder
Baum-Oel uͤberstrichen, das langsam mit der Kruste sich verbindet.
Dieses Ueberstreichen mit Oel wird so oft wiederholt, bis die Kruste ganz hart sich
zeigt; hierauf feilt man sie ganz sein ab, uͤberstreicht sie noch einmal mit
Oel, faͤrbt sie endlich an den Seiten mit einer aus englisch Roth und
Baumoͤl gemischten Farbe, bewahrt sie denn auf zum Verkauf im Troknen, wo sie
noch immer haͤrter und gelber werden. Ein besonderes Abtroknen und
Doͤrren dieses Kaͤses, findet nicht statt wie man gewoͤhnlich
glaubt.
Nicht allemal gelingt die Saͤuerung des frischen Kaͤses so gut; er
steht auch oft auf, bekommt Risse, oder faͤllt ganz aus einander. Ausser den
schon angegebenen Ursachen dieser Erscheinung kommt noch besonders die
Beschaffenheit des Kaͤsemagazins in Betracht. Dieses Magazin soll frisch,
aber nicht feucht, und den Sonnenstrahlen und Winden nicht zugaͤnglich seyn.
Es ist jedoch unmoͤglich, dasselbe stets in ganz troknem Zustande zu erhalten; denn nach
kurzer Zeit wird es durch die bestaͤndige Salzaufloͤsung feucht
werden.
Am meisten schadet den Kaͤsen die Zugluft; indem sie davon aufspringen und
Risse bekommen, und nun durch und durch verderben, wenn nicht schleunig die Risse
vereiniget werden. Zu diesem Behufe bestreicht man die Raͤnder der Risse
wiederholt mit Butter, und bringt dann ein gluͤhendes Eisen sehr nahe an sie
hin, ohne sie jedoch zu beruͤhren. Durch die Hize werden sie weich, biegsam
und koͤnnen alsdann vereiniget werden. Damit aber die Vereinigung bleibe,
wird ein Brettchen mit aͤhnlichen Einschnitten, wie das Bindfadengewebe
hatte, fest darauf gepreßt, und mehrere Tage in dieser Lage gelassen.
Um so viel moͤglich den Schimmel von dem Kaͤse ab zuhalten, muß dieser
sorgfaͤltig davon gereiniget werden; bemerkt man an irgend einer Stelle, daß
er in die Rinde eindringe, so muß man ihn aufs genaueste herauswischen, und die
Vertiefungen so gut moͤglich zu ebnen suchen. Diese Reinigung wird durch den
rothen Anstrich erleichtert, der den Schimmel in die Augen fallen macht; auch
scheint derselbe sogar dem Entstehen des Schimmels laͤngere Zeit zu
wehren.
Doch aller dieser Vorsichten ungeachtet geschieht es nicht selten, daß dem besten
Casaren die Kaͤse eines ganzen Magazins umstehen, aufspringen, wurmig oder
faul werden, wovon aber diese Leute deren ganze Kunst auf bloße Erfahrung beruht,
keinen eigentlichen Grund anzugeben wissen, indem sie es allein der Heerde oder dem
Futter Schuld geben. Ohne den großen Einfluß dieser beiden Dinge laͤugnen zu
wollen, sind wir doch der Meinung, jenes ungluͤkliche Ereigniß komme weit
oͤfter auf Rechnung des Casaren, der aus Unwissenheit oder aus
Nachlaͤßigkeit fehlte.
Es ist hier vielleicht nicht am unrechten Orte, folgende Bemerkungen des Barelle, wie
Heerden und Futter um gute Milch zu geben beschaffen seyn muͤssen,
mitzutheilen:
1. Alle Kuͤhe sollten wo moͤglich nur von gleichen Alter und gleicher
Constitution seyn.
2. Alle sollten auf gleiche Weise genaͤhrt werden.
3. Der Uebergang vom troknen zum gruͤnen Futter geschehe allmaͤhlig, so
daß die Thiere vorerst gemischtes Futter bekommen.
4. Der Rinderhirt darf kein Stuͤk uͤbel behandeln, weil sonst nicht nur
dasselbe schlechter wird, sondern auch die Kuh willkuͤhrlich die
Qualitaͤt der Milch veraͤndern kann.
5. Die Fuͤtterung bestehe mehr aus Altheu, das auf Wiesen gewachsen ist, die
weder zu naß, noch zu schattig sind, noch auch vielen ungesunden und schlechten
Pflanzen Nahrung geben.
6. Das Vieh muß immer mit frischem und gesunden, nie mit abgestandenem fauligen
Wasser getraͤnkt werden.
7. Auf die Weide darf dasselbe nicht eher kommen, bis der Thau ganz aufgetroknet ist,
und
8. das Melken alle 12 Stunden einmal vorgenommen werden.
Die Milch ist entweder schon schlecht und zum Kaͤsen unbrauchbar, ehe sie von
der Kuh kommt; oder sie wird es erst nachher beim stehen; es sind daher folgende
Regeln nicht zu uͤbersehen:
1. Man verkaͤse niemals die Milch einer kranken oder stierigen Kuh, und eben
so wenig die Milch von einer solchen, welche nahe an dem Gebaͤren ist, oder
erst geboren hat.
2. Die Milch bewahre man an einem kuͤhlen, nicht uͤber 15 bis 16 Grade
warmen Orte, und in aͤußerst reinlichen, verzinnten oder hoͤlzernen
Geschirren auf, und lasse sie nicht laͤnger darin stehen, als zur Rahmabsonderung noͤthig
ist.
Nach dieser Abschweifung, die wir uns von der Beschreibung der Kaͤsebereitung
erlaubt haben, muͤssen wir noch einmal zu dieser zuruͤkkehren, um zu
sehen, wie die Italiener den Zieger gewinnen, und worauf sie die Molken
benuͤzen.
Von beidem machen sie wenig Gebrauch und mehr noch vom Zieger, als von den Schotten
zur Gewinnung des Milch-Zukers; aber auch jenes ist nicht uͤberall
bekannt, und einige Casaren wollten nicht einmal glauben, daß man durch einen Zusaz
von Essig noch mehr von ihrem sogenannten Nachkaͤse sich verschaffen
koͤnne. Ihr gewoͤhnliches Verfahren dabei ist dieses: Sie sezen die
Schotten, die jezt schon mit dem Plegma von der Butterbereitung (Buttermilch)
vermischt sind, wie wir oben sagten, wiederholt auf das Feuer, und bringen sie, ohne
sich viel mehr darum zu bekuͤmmern, zum Sieden, wobei sich auf der breiten
Oberflaͤche ein gelbes und flokiges, spaͤter aber dichter werdendes,
schmieriges weiches Ziegerhaͤutchen bildet, das aus noch nicht
hinlaͤnglich erforschten Ursachen bald mehr bald weniger ergiebig ist. Dieses
wird in eine vierekige Holzform abgeschoͤpft und dient zur taͤglichen
Nahrung fuͤr das Gesinde des Paͤchters, entweder ganz roh, und ohne
alle weitere Zubereitung oder mit Zusaz von Salz und anderm Gewuͤrze, oder
mit der bekannten Pollenta zusammengekocht, die dadurch sehr schmakhaft werden
soll.
Die Gewinnung des Zukers aus den Molken war allen Casaren bekannt, sie sagten aber,
daß dieselbe nicht mehr Mich sey, weil man den Zuker von den Gegenden, wohin sie
ihre Kaͤse theuer verkauften, wohlfeiler beziehen koͤnne. Es werden
mit den Schotten die Schweine gemaͤstet, die auf das mit einem Bokshorn
gegebene Zeichen von den entferntesten Triften herzulaufen, um ihr suͤßes
Fruͤhstuͤk zu verzehren, wovon ihnen auch fuͤr den Mittag und
Abend eine Portion aufgehoben wird. Manchmal, aber nicht immer, bekommen auch die
Kuͤhe ein solches Getraͤnke.
Welch ein Unterschied zwischen der bevoͤlkerten Lombardie, und dem
fruchtbaren, aber schwach bevoͤlkerten Baiern, und mancher noch
noͤrdlichem, fruchtbaren und triftenreichen Provinz, wo die Bauern kaum
wissen, daß es außer dem Buttertheil auch einen Kaͤseantheil der Milch gibt,
der aus dem Milchgerinsel (Topfer) das sie nur als Huͤhner- oder
Schweinfutter gebrauchen, gewonnen werden kann. Selbst die Anwendung des Topfers in
der Kuͤche ist mancher Baͤuerin ganz unbekannt, oder sie kann den
Topfer nicht beliebig bereiten, sondern muß warten, bis die Milch von selbst stokt,
wo sie dann durch kuͤnstliche Waͤrme nachhilft.
Wir sind uͤberzeugt, daß die lombardischen Wiesen eine viel bessere, fettere
und mehr aromatische Fuͤtterung liefern, als unsere Triften im
kaͤltern Klima, daß also auch alle Milchprodukte jenes Landes viel
schmakhafter werden muͤssen; und es konnte daher bei dieser Abhandlung unsere
Absicht nicht seyn, die Einfuͤhrung von Parmesan-Kaͤsereyen bei uns zu empfehlen; aber wir
wuͤnschten aufmerksamen Landwirthen Belehrungen und Winke zu geben, die sie
vielleicht in den Stand sezen koͤnnen, unseren unschmakhaften, stinkenden und
schnell faulenden Kaͤsen einen bessern Geschmak und mehr Haltbarkeit zu
ertheilen, und sie dadurch zu einem vorteilhaften Handelsartikel zu erheben.