Titel: | Ueber ein Mikrometer aus Bergkristall. Von G. Dollond, F. R. S. |
Fundstelle: | Band 8, Jahrgang 1822, Nr. VIII., S. 39 |
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VIII.
Ueber ein Mikrometer aus Bergkristall. Von G. Dollond, F. R. S.
Aus den Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Im Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture. N. CCXL. Mai 1822. S. 343.
Mit Abbildungen auf Tab. II.
Dollond's Mikrometer aus Bergkristall.
Da Bergkristalle bereits auf verschiedene Weise an
Fernroͤhren zu mikrometrischen Messungen angebracht wurden,
vorzuͤglich von Hrn. Argo, so veranlaßte mich dieß
zu versuchen, ob es nicht moͤglich waͤre, eine noch einfachere Methode
zu finden, nach welcher der Bergkristall angewendet werden koͤnnte. Folgender
Aufsaz uͤber die Anbringung desselben an der Seheroͤhre eines
Teleskopes ist das Resultat dieses Versuches.
Die Verbesserung, die ich erfand, besteht darin, daß ich aus einem Stuͤke
Bergkristall eine Kugel oder eine Linse verfertige, und dieselbe an der Stelle des
gewoͤhnlichen Ocular-Glases im Teleskope einseze: die Eigenschaft
einer natuͤrlichen doppelten Brechung der Lichtstrahlen, welche der Kristall
besizt, laͤßt ihn zugleich als Mikrometer dienen.
Die Vortheile dieser Art von Anwendung des Bergkristalles sind: Erstens die große
Ersparung an Zeit, welche man sonst aufwenden mußte, um den gehoͤrigen Winkel
beim Durchschneiden des Kristalles zu finden, um die Prismen nach ihren
gehoͤrigen Winkeln zuzuschleifen, und ihre Flaͤchen selbst mit solcher
Genauigkeit zu bearbeiten, daß sie nach der von Hrn. Argo, Dr. Wollaston und anderen empfohlenen Methode
als Mikrometer gebraucht werden koͤnnen.
Nach meiner hier beschriebenen Methode ist es bloß noͤthig, ein vollkommen
reines Stuͤk Bergkristall auszulesen, und ohne alle Ruͤksicht auf den
Winkel, welcher die groͤßte doppelte Brechung der Lichtstrahlen
gewaͤhrt, eine Kugel aus demselben zu schleifen, deren Durchmesser die
gehoͤrige Brennweite gibt.
Der zweite Vortheil besteht darin, daß man dadurch in den Stand gesezt ist, den
Winkel auf jeder Seite am Nullpunkte zu nehmen, ohne daß man darob die
Seheroͤhre umkehren duͤrfte; ebenso auch jeden Winkel zwischen dem
Nullpunkte und der groͤßten Entfernung der Bilder, ohne deßwegen irgend einen
Theil der Seheroͤhre herausnehmen, und einen anderen dafuͤr einsezen
zu duͤrfen, indem man bloß die Achse, in welcher die Kugel sich befindet,
bewegen darf.
Drittens, besizt dieser Bergkristall zugleich auch die Eigenschaft einer
Seheroͤhre oder einer Linse, welche nicht zu mikrometrischen Messungen
bestimmt ist; denn, wenn die Achse des Kristalles parallel mit der Achse des
Objectivglases des Teleskopes ist, so wird nur ein Bild dargestellt, und dieß zwar
eben so gut durch die Kristall-Linse, als durch jede andere Linse, welche
keine doppelte Brechungskraft besizt.
Die Seheroͤhre ist so eingerichtet, daß die Flaͤche, durch welche die
beiden Bilder sich bewegen, parallel mit der Linie des Gegenstandes, welcher
gemessen werden soll, gestellt werden kann, und ist diese Bewegung mit einem
graduirten Kreise
versehen, so dient sie genau eben so gut, wie ein Stellungs-Mikrometer.
Der Werth der Grade findet sich aus dem bekannten Durchmesser irgend eines entfernten
Gegenstandes, und aͤndert sich im Verhaͤltnisse der
Vergroͤßerungs-Kraft des Seherohres; je groͤßer diese, desto
groͤßer auch jener.
Da diese vorausgeschikten Bemerkungen hinzureichen scheinen, um die Neuheit dieser
Art von Anwendung zu beleuchten, so will ich jezt versuchen, die Anwendung selbst
durch Erklaͤrung der beigefuͤgten Zeichnung noch deutlicher zu
machen.
Fig. 20. Tab.
II. ist ein Durchschnitt der Seheroͤhre, und Fig. 21. eine Ansicht
derselben uͤberhaupt; beide in natuͤrlicher Groͤße.
Die Kugel oder Linse a, Fig. 20., ist aus
Bergkristall geschliffen, und steht in Halbloͤchern, aus welchen die Achse
hh auslaͤuft, woran ein Zeiger
befestigt ist, welcher die Bewegung der Kugel anzeigt, deren Weite auf dem Gradbogen
c bestimmt wird. Die Kugel ist in ihren
Halbloͤchern so eingesetzt, daß, wenn ihre natuͤrliche Achse parallel
mit jener des Teleskopes ist, nur ein Bild des Gegenstandes sich zeigt. In der
anderen Richtung hingegen, d.h. in jener, welche senkrecht auf die Achse der
Bewegung ist, muß sie so gestellt werden, daß wenn sie so bewegt wird, die Trennung
der Bilder, naͤmlich des außerordentlichen Bildes und des
gewoͤhnlichen, mit jener Bewegung parallel steht. Man erhaͤlt diese
Stellung, wenn man die Kristall-Kugel in den Halbloͤchern parallel mit
ihrer eigenen Achse dreht.
Das Feld der Seheroͤhre wird vergroͤßert, und die
Vergroͤßerungskraft geaͤndert, wenn man zwischen die
Kristall-Kugel, und das erste Bild des Objektiv-Glases eine Linse d, Fig. 21.,
einfuͤhrt: die Entfernung der leztern von der Kugel steht im
Verhaͤltniße mit der verlangten Vergroͤßerungs-Kraft. Diese
leztere ist auf der Seheroͤhre bei e, Fig. 21, eingegraben, und
ist in dem Verhaͤltniße der verschiedenen Weite des Brennpunktes des
Objektiv-Glases, auf welches die Scheroͤhre angepaßt wird,
verschieden.
Die Vergroͤßerungs-Kraft in der Figur ist fuͤr ein
Objektiv-Glas von 44 Zoll Brennweite.
Als ich dieses Mikrometer einrichtete, hatte ich die Absicht, mittelst desselben die
Winkel des scheinbaren Durchmessers der Fixsterne zu messen, so wie sie in
achromatischen Teleskopen erscheinen, um darnach die relativen Groͤßen
derselben zu bestimmen; auch wollte ich damit die Entfernung jener Doppelsterne
messen, welche in dem Berichte des Mikrometers gelegen sind; allein da ich von
wichtigern Geschaͤften abberufen wurde, so kann ich diesen Aufsaz nicht mit
Resultaten von Messungen, die interessant genug waͤren, ausstatten, obschon
ich durch meine angestellten Versuche uͤberzeugt bin, daß dieses Mikrometer
dem damit beabsichtigten Zweke vollkommen entspricht.