Titel: | Ueber das Bleichen der vegetabilischen und animalischen Substanzen. Von Wilhelm Heinrich von Kurrer. |
Autor: | Dr. Wilhelm Heinrich Kurrer [GND] |
Fundstelle: | Band 9, Jahrgang 1822, Nr. IX., S. 111 |
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IX.
Ueber das Bleichen der vegetabilischen und animalischen Substanzen. Von Wilhelm Heinrich von Kurrer.
(Fortsezung.)
v. Kurrer über das Bleichen der vegetabilischen und animalischen Substanzen.
Bleichen der Waͤsche.
Das Bleichen der weißen baumwollen- und leinenen
Waͤsche, wie es von unsern sorgsamen Hausfrauen, dem Herkommen gemaͤß,
betrieben wird, besteht darin: daß die Waͤsche nach dem Waschen mit Seife und
nach dem Auswaschen im Wasser einen oder auch mehrere Tage auf einen Grasboden
(Wiesen- oder Gartenplaz) ausgelegt, und taͤglich zu wiederholtenmalen
mit Hellem Wasser begoßen wird.
Gegen dieses uralte Verfahren, den gelben Schein aus den weißen
Kleidungsstuͤken und der Hauswaͤsche wegzuschaffen, laͤßt sich
aber nichts einwenden, da bis jezt der Erfolg dasselbe rechtfertigt; die bleichende
Wirkung hat ihren Grund in dem Einfluße der atmosphaͤrischen Luft, des
Lichts, und der theilweisen Zersezung des Wassers. Gewiß ist jedoch, daß sich solche
Gegenstaͤnde schneller und schoͤner bleichen lassen, wenn sie nach dem
Reinigen durch Waschen noch mit dem anhaͤngenden Seifenwasser auf den
Grasboden ausgelegt, und erst nach dem Aufnehmen von der Bleichwiese in reinem
Wasser ausgespuͤhlt werden. Die Waͤsche nimmt dadurch ein helleres und
glaͤnzenderes Weiß an, als bei dem altern Verfahren. Die Ursache, ist, daß
die von der Seifenaufloͤsung durchdrungene vegetabilische Faser in solchem
Zustande die Einwirkung (Absorbtion) des Sauerstoffs aus dem Dunstkreise, und die
Zersezung des Wassers so wie die des Lichts beim Bleichen mehr, als es bei der mit
Wasser benezten Waͤsche der Fall ist, beguͤnstiget, und auf diese
Weise die Unreinigkeiten durchaus zerstoͤrt werden.
Wie Waͤsche von Kranken und Lazarethwaͤsche ohne Gefahr der Gesundheit
wieder brauchbar zu machen sey, ist fruͤher gezeigt worden.
In gut eingerichteten Bleichen, wo man sich der Chlorine und ihrer Verbindungen zum
Bleichen der baumwollen und leinenen Stoffe bedient, und Waͤsche fuͤr
Lohn bleicht, kann man mit Vortheil, zur Herstellung einer glaͤnzenden Weiße, jene Agentien mit
vielem Wasser verschwaͤcht anwenden. Die Chlorine, das Chlorinkali,
Chlorinnatron und der Chlorinkalk zerstoͤren jede farbige Verunreinigung, in
so ferne diese nicht von Eisenoxid (Rostfiel) herruͤhren. Wenn man die weiße
Waͤsche nach dem Seifenbade von der Bleichwiese aufgehoben, oder auch nach
der Seifenwaͤsche gleich im Wasser ausgewaschen hat, bringe man sie eine
halbe Stunde lang in ein mit vielem Wasser verschwaͤchtes Chlorin oder
Chlorin-Verbindungsbad, wasche sie am Fluß gut aus, und lege sie auf eine
halbe Stunde in ein ganz schwaches schwefelsaures Bad ein, um den
anhaͤngenden Chloringeruch wegzuschaffen, und das Gelbwerden der
Waͤsche durch langes Liegen im Aufbewahrungs-Kasten zu verhindern.
Nach dem schwefelsauren Bade wird die Waare am Fluß, Bach oder Brunnen gut
gewaschen, ausgewunden, aufgehangen und getroknet. Sie erscheint in dem
hoͤchsten brillantfesten Weiß, das man ihr durch kein anderes Verfahren
leichter geben kann. Es versteht sich uͤbrigens von selbst, daß die
Waͤsche bei dieser Art der Bleiche, nicht metallische Draͤthe, Haften
oder Schlingen enthalten darf, weil sonst metallische Fleken entstehen
wuͤrden. Zum Blaͤuen der Waͤsche, die einen Schein in's Blaue
schillend erhalten soll, eignet sich kein Indigomittel beßer, als der mehrmals
angefuͤhrte Indigo-Praͤzipitat. Durch das oben beschriebene
Verfahren werden die Klagen gehoben, die man so oft, besonders in großen
Staͤdten, aber Mangel an geeignetem Wasser, und uͤber andere ein
reines Weiß der Waͤsche hindernde Umstaͤnde vernimmt. In Paris
gebraucht man zu diesem Zweke mit dem beßten Erfolge das sogenannte Eau de Javelle (Chlorinkali im Wasser gelbst), das von
den dortigen Waͤscherinnen im Handel bezogen wird. In Deutschland sind mir
einige Staͤdte bekannt, wo alle feine
Waͤsche ohne Ausnahme auswaͤrts auf dem Lande gewaschen und gebleicht
wird.
Farbig-gedrukte oder mit gefaͤrbtem Garne eingewirkte Waͤsche
kann nicht mit Chlorine gebleicht werden; man muß sie auf die Bleichwiese auslegen,
in Wasser wohl auswaschen, und abtroknen lassen.
Gedrukte baumwollene und leinenene Stoffe sollten in der Regel nie mit Seife
gewaschen werden, weil leztere oͤfters zerlegt, und das alkalische Salz der
Seife die Farben theils zersezt, theils in ihrem Farbenton modificirt. Ein
maͤßig heißes Kleienwasser qualificirt sich fuͤr das Waschen solcher
Gegenstaͤnde unter allen Verhaͤltnissen am beßten.
Eisen- und Tintenfleken lassen sich aus weißer Waͤsche am schnellsten
durch Kleesaͤure, Kleesalz, Weinsteinsaͤure oder mit einer durch Wasser sehr
verduͤnten Schwefelsaure hinwegschaffen, Obst- und Grasfleke aber
durch liquide schwefellichte Saͤure. Nachdem die bestellen Stellen durch jene
Mittel ganz gereiniget worden, muß man das Zeug sorgfaͤltig in Wasser
waschen, damit nicht die Saͤure nach Verduͤnstung des Wassers in
verdichtetem Zustande die Pflanzenfaser angreifen kann. Harzfleke werden durch
Terpentin-Oel aufgeloͤst; fest sich eingesezte Schmuzfleke hat man auf
beiden Seiten mit Seife einzureiben und einige Tage unter oͤfterem Begießen
mit Wasser auf die Bleichwiese auszulegen. Fett od. Oelfleke verschwinden, wenn sie
mit weißer zu Teig gemachter Thonerde (Pfeiffenthon) eingerieben, wieder
abgetroknet, und hernach ausgewaschen werden; doch muß man diese Operation einige
Male wiederholen.
Bleichen alter oder beschmuzter Buͤcher, Kupferstiche, Land- und Situations-Karten.
In diesem Theile der Bleichkunst erwarb sich Chaptal das
Verdienst, die beschaͤdigten Gegenstaͤnde durch Chlorine wieder
vollkommen herzustellen. Seine Vorschrift befolgte zuerst Vialard und Heudier mit einiger
Abaͤnderung im Verfahren, sie erhielten interessante Resultate, die sie in
einer wissenschaftlichen Abhandlung zur Publicitaͤt brachten. O'Reilly und Pajot des Charmes
haben sich in ihren Werken uͤber die Bleichkunst ebenfalls den Dank ihrer
Zeitgenossen in Ansehung dieses Gegenstandes erworben. Fabroni, Oberintendant des großherzoglichen Kabinets in Toskana, theilte
Hr. Dunker dem juͤnger ein scharfsinniges und sehr einfaches Verfahren mit,
alte Drukschriften zu bleichen; man findet es in Nichelsons Journal B. II. S. 265.
beschrieben.
Diese Vorschriften, alte gelb und stetig gewordene Buͤcher,
beraͤucherte Kupferstiche, Landkarten u. vgl. wieder aufzufrischen und sie
gleichsam neu zu schaffen, vereinigen sich alle dahin, die Farbe und Schmuztheile
durch Einwirkung der Chlorine zu zerstoͤren.
Chaptal's Methode, mit der liquiden Chlorine
verunreinigte Drukschriften zu bleichen, besteht darin: die Buͤcher werden in
einzelne Blaͤtter zerlegt, und in sehr kleinen Schichten in eilten Kasten
gebracht, so daß die Blaͤtter glatt liegen, und nur durch kaum merkliche
Zwischenraͤume von einander getrennt sind. Man sezt und diesen Bleichkasten
in einen bleiernen Zuber, und gießt die Chlorine an den Waͤnden desselben,
damit die Blaͤtter nicht in Unordnung gerathen hinzu. Nach Beendigung der
Bleichoperation zieht man die Saͤure durch einen am Boden angebrachten Hahn
ab, gibt dafuͤr
frisches Wasser um das Papier abzuwaschen, und demselben den Chloringeruch zu
nehmen, laͤßt es hernach troknen und wieder zusammen heften.
Ein anderes durch O'Reilly angegebenes Verfahren er fodert, daß man die
Blaͤtter senkrecht in den Zuber stelle. Diese Vorrichtung hat den Vortheil,
daß die Blaͤtter nicht so leicht zerreißen koͤnnen. Hiezu bediene man
sich eines hoͤlzernen Rahmen von der Hoͤhe der Blaͤtter, welche
durch duͤnne hoͤlzerne Scheiben zusammen gehalten wird, und einen
Zwischenraum von einer halben Linie zwischen sich laßen. In jeden Zwischenraum lege
man zwei Blaͤtter, und zwaͤnge sie mit zwei kleinen hoͤlzernen
Keilen, die zwischen die Scheiben einstossen und die Blaͤtter zwischen die
Scheibe preßen. Nach Beendigung der Bleiche werden die Rahmen mit de
Blaͤttern zugleich herausgenommen und in frisches Wasser getaucht, um die
anhaͤngende Chlorine und den Chloringeruch von dem Papier zu entfernen. Durch
dieses Verfahren werden nicht nur die Buͤcher wieder hergestellt, sondern das
Papier erhaͤlt noch einen Grad von Weiße, den es urspruͤnglich nicht
hatte.
Noch eine andere Vorschrift lehrt die Buͤcher zu bleichen, ohne die
Blaͤtter aus einander zu nehmen. Es wird naͤmlich zwischen jedes Blatt
ein etwas diker Bindfaden durchgezogen; die Faͤden werden insgesammt hinten
gegen den Ruͤken des Buchs zu, angelegt, und von Zeit zu Zeit in der
Chlorinfluͤßigkeit etwas weiter heraufgezogen, bis sie endlich ganz aus dem
Buche herauskommen. Noch besser ist es, wenn man die Faͤden zu beiden Seiten
des Buchs an einem Staͤbchen dicht an einander befestiget, und sie so an
demselben von Zeit zu Zeit etwas aufwaͤrts zieht. Bei diesen Vorrichtungen
wird jede Stelle des Papierblatts von der Saͤure beruͤhrt. Nach der
Chlorinpassage muß das gebleichte Papier durch Wasser gezogen werden, um die
Saͤure und den Chloringeruch davon zu entfernenDieses Verfahren hat mancherlei Schwierigkeiten: Die Blaͤtter fallen
nach dem Herausziehen der Faͤden zusammen, und baken beim
Herausnehmen aus der Chlorinfluͤssigkeit aufeinander, ein Umstand,
der bei dem Auswaschen in Wasser abermals eintritt, die Folge ist, daß die
Blaͤtter leicht zerreissen, auch im Wasser nicht genug von der
Chlorine gereinigt werden koͤnnen, und so einer fruͤhern
Zerstoͤrung des Papiers ausgesezt sind. A. d. B..
Das Bleichen der mit Oel- oder Firnißfarben bedrukten Papiere laͤßt
sich eintheilen a) in das Bleichen mit der liquiden
Chlorine (Chlorine an Wasser gebunden); b) in das
Bleichen mit dem Chlorinkali, Chlorinatron und Chlorinaufloͤsung; c) in das Bleichen vermittelst dunstfoͤrmiger
Chlorine.
Alle diese Mittel sind ihrer Wirkung nach gleich; sie zerstoͤren
saͤmmtlich nur den gelben Schimmer, so wie alle Farben und Schmuztheile, ohne
auf die Drukfarbe von oͤligfirnißartige Natur einzuwirken.
Gegen Tinten- und Eisenfleke zeigt die mit vielen Wasser verschmachte
Schwefelsaͤure eine gute Wirkung, weil das Eisenoxid darin aufgeloͤst
wird, weßwegen dann die flekigen Stellen verschwinden. Drukschriften koͤnnen,
nachdem sie vermittelst Chlorine gebleicht und in Wasser gereinigt worden, in ein
schwefelsaures Bad, wodurch sie auf ihrer Oberflaͤche so vollkommen weiß
werden, daß sie an Glanz und Weiße selbst die neuesten Drukschriften, (wenn die
Papier-Maße derselben nicht vorher mit Chlorine gebleicht wurde) weit
uͤbertreffen. Mit Saft- oder anderen Farben, colorirte Papiere, als
Landkarten etc. verlieren durch dieses Bleichen die Illumination, und erscheinen
wieder im schwarzen Druke.
Da die Chlorine in diesem Zweige der Bleichkunst das Agens ausmacht, vermittelst
dessen alle farbige und schmuzige Verunreinigungen zerstoͤret werden, so
kommt es beim Bleichen von Drukschriften aller Art, vornaͤmlich auf eine
geeignete Konstruktion des hiebei anzuwendenden Bleichapparats an. Die
zwekmaͤßigste Vorrichtung ist daher die, bei welcher Papiere am
gleichfoͤrmigsten gebleicht, durch die Manipulation am wenigsten
beschaͤdigt, und zu gleicher Zeit die moͤglich groͤßte Masse
von Papierbogen gebleicht werden kann. Einzelne Blaͤtter, Kupferstiche und
Karten lassen sich ohne Schwierigkeit, selbst ohne große Vorrichtung leicht
bleichen; voluminoͤse und kostspielige Werke hingegen erfodern einen
zwekgemaͤßen Apparat.
Um solche ohne allen Schaden in der dunstfoͤrmigen Chlorine zu bleichen,
verfahre man also: »Einen hohen, laͤnglichen luftdichten Kasten von Tannenholz versehe man
inwendig, auf beiden Kopfseiten mit 1 1/2 Zoll weit hervorragenden Leisten, auf
welche Rahmen gelegt werden koͤnnen. Die Leisten muͤßen nach Oben
gehend, so weit von einander abstehen, daß die Papierbogen oder Blaͤtter,
einfach uͤber einander geschlagen, die 2te, 3te, 4te, u.s.w. Schichte des
Einsatzes nicht beruͤhren koͤnnen. An die auf die Leisten zu
sezenden Rahmen werden der Laͤnge nach laufend gebleichte
Bindfaͤden auf der einen Seite befestigt. Das andere Ende jedes Fadens
bekommt einen messingenen Stift. Diese Enden der Faden, woran die Stifte
befestigt sind, werben gleich einem Webeblatt auf eine zur Seite stehenden Tafel
sorgfaͤltig ausgelegt, damit sie sich nicht unter einander verwirren.
Nach solcher Vorrichtung ziehe man zur Beschikung dieses Apparats jedes einzelne
Papierblatt durch reines Waßer, schlage den ersten Faden, uͤber die Hand auf die entgegengesezteentgegensezte Seite des Rahmen, haͤnge das Blatt so aus, wie solches auf den
Trokenboͤden der Papiermuͤhlen zu geschehen pflegt, und garnire
den Faden seiner ganzen Laͤnge nach damit. Jezt wird der Faden straff
angezogen, und vermittelst des Stifts auf den Rahmen befestigt.
So verfahre man mit saͤmmtlichen Faden, bis alle Bogen bei einem Zwischenraume
von ein paar Linien eingehaͤngt sind. Das garnirte Rahmenblatt gleicht in
seiner Gestalt einem Webergeschirr. Nach der ersten Rahmen-Einschichtung
erfolgt die 2te, 3te u.s.w.
Ist der Kasten auf diese Art beschikt, so schließt man den Dekel vorsichtig, damit
das auf den Faͤden haͤngende naße Papier durch keine Bewegung
verruͤkt werden, oder sonst Schaden leiden kann.
Unplanirtes Drukpapier, welches durch Wasser gezogen leicht zerreißt, haͤngt
man troken in den Apparat ein.
Man schreitet nun zur Entwiklung der Chlorine, und leitet das Chloringas vermittelst
einer glaͤsernen oder bleiers neu Roͤhre durch den Boden des Kasten so
lange, bis die darin befindlichen Papierbogen vollkommen weiß erscheinen. Wenn der
Kasten gut geschlossen wird, daß nicht zu viel Gas entweichen kann, so bedarf man
nur sehr wenig Chlorine zum Bleichen.
Um das Einstroͤmen der Chlorine in den Bleichkasten, nachdem das Papier
vollkommen gebleicht ist, abzuwenden, und keinem Verlust an Chloringas ausgesezt zu
seyn, bringt man an dem Entwiklungs-Apparat eine Nebenroͤhre an
welche, gleich dem Woulfischen Apparat, das Gas in andere Gefaͤße leitet,
wenn die Roͤhre aus dem Kasten gezogen, und zugestopft wird. Auf dem Dekel
und der einen Seite des Bleichkastens muͤßen große eingekuͤttete
Fensters-Glaͤser angebracht seyn, um den Bleichgang beobachten, und
wahrnehmen zu koͤnnen, wenn das Papier im Kasten gebleicht erscheint.
Nach Oeffnung des Dekels, laͤßt man das Gas ganz ausstreichen, hebt, die
Rahmen der Reihe nach in die Hoͤhe, nimmt das Papier bogenweise ab, zieht es
durch Wasser, und haͤngt es zum abtroknen auf.
Die Fortsezung (Stroh- und Wachs-Bleiche)
folgt in einem der folgenden Hefte.