Titel: | Ueber neue Apparate, die Ausdünstungen der Küchen, Abtritte, Opernhäuser und Schwefelungs-Kammern der Gesundheit weniger gefährlich zu machen. Von Herrn d'Arcet, General-Inspector der Münz-Wardein. |
Fundstelle: | Band 10, Jahrgang 1823, Nr. XXXI., S. 185 |
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XXXI.
Ueber neue Apparate, die Ausdünstungen der Küchen, Abtritte, Opernhäuser und Schwefelungs-Kammern der Gesundheit weniger gefährlich
zu machen. Von Herrn d'Arcet, General-Inspector der Münz-Wardein.
Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement pour l'Industrie nationale. N. CCXVIII. August 1822. S. 254.
d'Arcet über Apparate, die Ausdünstungen der Küchen etc. weniger gefährlich zu machen.
Herr d'Arcet, der so viele
rechtliche Anspruͤche auf oͤffentliche Dankbarkeit fuͤr die
Bemuͤhungen sich erworben hat, mit welchen er die Gesundheit derjenigen
rettete, die immerdar den verderblichen Einfloͤßen schaͤdlicher
Ausduͤnstungen, welche sie einzuathmen in Gefahr sind, bloß gestellt sind,
hat der Société d'Encouragement einen
Bericht des Gesundheits-Ausschusses der Stadt Paris uͤber
zweckmaͤßigeren Bau der Abtritte zugesandtDieser Bericht, so wie die uͤbrigen Weisungen des
Gesundheits-Ausschusses uͤber die Apparate des Hrn. d'Arcet findet man bei Bachelier, libraire, quai des Augustins N. 55.. Da es unmoͤglich ist, diesen Aufsaz in Extenso mitzutheilen, so
muͤßen wir uns begnuͤgen, einen Auszug hievon zu geben, in welchem wir
zugleich die uͤbrigen aͤhnlichen Vorrichtungen des Hrn. d'Arcet an Kuͤchen, Opernhaͤusern und
Schwefelungs-Kammern mit auffuͤhren wollen. Den sinnreichen Apparat desselben
zum Schuze der Vergolder gegen Queksilberdaͤmpfe haben wir bereits in unserem
Bulletin Nr. 180 S. 194 beschrieben.
1. Gesunde und oͤkonomische Kuͤchen. Die
Kuͤchen werden aus einem doppelten Grunde ungesund: erstens, weil man die
Oefen in denselben nicht gehoͤrig unter dem Mantel des Schornsteines
anbringt, und den Kohlendampf sich frei in der Kuͤche verbreiten
laͤßt; zweitens, weil die Schornsteine der Kuͤche so oft zu schwach
ziehen, theils wegen des Mißverhaͤltnisses zwischen den Oeffnungen des
Mantels der Schornsteine und der Weite der Roͤhren derselben, theils weil entweder wegen des
staͤrkeren Zuges eines benachbarten Schornsteines, oder wegen des Aufsteigens
einer erwaͤrmten Luftschichte laͤngs einer gegen Mittag gekehrten
Mauer, welche Luftschichte dann waͤhrend des Aufsteigens und
Voruͤberziehens vor den Fenstern in der Kuͤche ein Vacuum erzeugt, ein
Druk nach Abwaͤrts durch den Schornstein entsteht.
Um diesen Maͤngeln abzuhelfen baut Hr. d'Arcet die
Oefen unter den Mantel des Schornsteines hin, und stellt fuͤr alle
Faͤlle einen schiklichen Zug her, dessen Schnelligkeit sich nach Bedarf
beschleunigen laͤßt, und zwar entweder mittelst einer gehoͤrig
geleiteten Schleusse oder mittelst eines Vorhanges, der auf Querstangen
laͤuft, und der nach Belieben, die Oeffnung zwischen dem Mantel des
Schornsteines und dem oberen Theile des Ofens der Kuͤche entweder ganz oder
zum Theile schließt. Je wehr man diese Vorhaͤnge schließt, desto
staͤrker wird der Zug der aufsteigenden Luft nach der Roͤhre des
Schornsteines, und desto weniger koͤnnen die unangenehmen Geruͤche
sich in der Kuͤche verbreiten. Ersparung an Brennholz ergibt sich entweder
durch gaͤnzliche Beseitigung des Herdes, wie er gewoͤhnlich ist, oder
durch Anwendung einzelner Spar-Apparate, wie des Gemuͤse-Ofens (fourneau potayer), der Brat-Muschel (coquille à rôtir), der Kaffee-Maschine
(cafetiére-porte) der Koch-Oefen, in denen
man augenbliklich das Feuer kann ausgehen lassen (fourneaux
de cuisine servant è volonté d'étouffoir), der Oefen und Kessel, in welchen man Steinkohlen
brennen kann, und wo das Feuer auf einem geschlossenen Herde brennt.
2. Geruchlose Abtritte. Man weiß, daß nur wenige
Haͤuser unangestekt von dem uͤblen Geruche bleiben, der aus den
Abtritten aufsteigt, und daß die verderblichen Gasarten, die sich hier entwikeln,
eine maͤchtige Quelle der Ungesundheit sind, die man sorgfaͤltig von
allen Wohnungen entfernen muß.
Um diesem wahrlich nicht unbedeutenden Uebel abzuhelfen, hat Hr. d'Arcet ein einfaches, sicheres, wenig kostspieliges, von
der Willkuͤr der Leute unabhaͤngiges, Mittel angewendet, dessen man
sich schon seit langer Zeit zur Reinigung der Luft in den Bergwerken bedient. Es
besteht in Anwendung erhizter Luft zur Bewirkung eines Luftzuges. Um jedoch die
erwuͤnschte Wirkung zu erreichen, muß man einen starken und anhaltenden
Luftzug hervorbringen, was bisher nicht geschehen ist.
Ein Zug- oder Lok-Schornstein aus Eisenblech (cheminèe
d'appel), an einem der Enden des Hauses angebracht, und zwei Métres
(ungefaͤhr 9 Fuß) uͤber das Dach emporragend, endet sich in die
Schwindgrube, und steht mit derselben in freier Verbindung. Wenn man diesen
Schornstein erhizt, entweder mittelst einer in demselben angebrachten Lampe, oder
mittelst eines Kohlenbekens, oder auch dadurch, daß man denselben hinter dem
Schornsteine der Hauptkuͤche des Hauses hinziehen laͤßt, so
verduͤnnt sich die in demselben enthaltene Luft, und bringt einen Zug nach
Aufwaͤrts hervor, welcher alle schaͤdlichen Miasmen mit sich
fortreißt. Die Luft, welche diesen Zug hervorbringen soll, tritt durch die Oeffnung
des Abtrittes oben am Size und durch jeden Schlauch in die Grube, durchlaͤuft
sie ihrer ganzen Laͤnge nach, und zieht durch den Zug-Schornstein hinauf, wo
sie sich in der Luft uͤber dem Dache verliert. Diese Luft muß mittelst eines
Schiebfensterchens, das in einen Hof, in eine Gasse oder in einen Garten so viel
moͤglich nordwaͤrts gekehrt ist, außer dem Gemache des Abtrittes
hereingelassen werden.
Man begreift, daß ein solcher Luftzug, wo er regelmaͤßig hergestellt ist, das
sicherste Mittel ist, die Abtritte, sowohl die Schlaͤuche als die
Gemaͤcher geruchlos und fuͤr die Gesundheit unschaͤdlich zu
machen. Es ist ferner offenbar, daß die Reinigung der Luft in diesen
Gemaͤchern desto vollkommner seyn muß, je mehr Luft in dieselben und aus
diesen in die Grube kommtEs ist aber auch offenbar, daß solche Abtritte der Gesundheit
schwaͤchlicher, zu Rheumatismen, zumal an den Huͤftgelenken
geneigten Personen, und dem ganzen weiblichen Geschlechte zu gewißen Zeiten
desto nachtheiliger seyn muͤßen, als die Zugluft in denselben stark
zieht. Die Klappe, von welcher unten die Rede ist, wird nicht immer ihren
Zwek erfuͤllen koͤnnen. A. d. Ueb.. Das Schiebfensterchen muß also immer offen bleiben, und der Dekel darf die
Oeffnung nie ganz schließen; der Dekel darf da, her nie eingezapft seyn, und muß
immer unten eine Oeffnung lassen, durch welche etwas Luft in den Schlauch zwischen
dem Dekel und dem Size eindringen kann.
Eine Klappe auf dem Zug-Schornsteine dient zur Regulirung der Maͤchtigkeit des
Zuges, damit man sich waͤhrend des Sizens auf dem Abtritte, nicht
erkuͤhlt, und nur so viel Zug uͤbrig bleibt, als noͤthig ist,
um allen uͤblen Geruch zu entfernenDiese Methode zur Reinigung der Luft in den Abtritten wurde mit vielem
Erfolge an den Abtritten des Spitales St. Louis, und an den
oͤffentlichen Abtritten rue des Filles St.
Thomas, vis-à-vis la rue des Colonnes, angewendet. A. d.
O..
3. Reinigung der Luft in Opernhaͤusern und
Saͤlen. Die Ventilation mittelst warmer Luft wurde mit dem beßten
Erfolge im Opernhause angewendet. Hr. d'Arcet ließ einen
großen Zug-Schornstein (cheminée d'appel) mitten
an dem oberen Theile des Sales uͤber dem Luster anbringen, und einen zweiten
Haupt-Schornstein an dem oberen Theile des Theaters, um mittelst des ersteren alle
Produkte der Ausathmung und der Ausduͤnstung der im Saale versammelten Menge
zu entfernen, indem durch 2,400 Roͤhren unter den Logen, welche im Winter aus
den Gaͤngen die durch einen im Keller geheizten Ofen erwaͤrmte, im
Sommer aber aus eben diesem Keller kuͤhle Luft zufuͤhren, die Luft
immerdar erneut wirdAuf diese Weise erhielt man in den hoͤchsten, wie in den niedrigsten
Stellen, des Sales eine, beilaͤufig auf einem Grade, gleiche
Temperatur. A. d. O.. Der zweite Schornstein reinigt die Luft der Buͤhne, und entfernt
allen Rauch von derselben. Durch eine sehr sinnreiche Einrichtung kann man
augenbliklich die Luft von dem Fußboden der Buͤhne unter die Zuschauer
bringen, von welchen sie in die Gaͤnge, und aus diesen in den Schornstein
uͤber dem Luster zieht, und das durch auch die schwaͤchste Stimme
eines Schauspielers deutlich vernehmbar macht. Alles dieß geschieht sehr einfach
mittelst Klappen.
4. Neue Schwefelungs-Kammern. Die gewoͤhnlichen
Schwefelungs-Kammern sind entweder bloße Zimmer, oder kleine Gemaͤcher oder
hoͤlzerne Kisten, die sehr genau schliessen, und in welchen man Wollen- oder
Seiden-Gewebe oder andere Stoffe, die man bleichen will, den Daͤmpfen des
brennenden Schwefels aussezt. Der Schwefel wird in einem Gefaͤße auf den Boden der
Schwefel-Kammer so gestellt, daß seine Flamme die zu bleichenden Stoffe nicht
angehen kann, und angezuͤndet; der Arbeiter zieht sich zuruͤk und
schließt die Thuͤre genau.
Der Schwefel brennt und verlischt bald; die entwikelte schwefelige Saͤure
verbreitet sich in den aufgehaͤngten Stoffen, und bringt an denselben die
verlangte Wirkung hervor; man laͤßt die Schwefel-Kammer die gehoͤrige
Zeit uͤber geschlossen, und oͤffnet dann Thuͤren und Fenster,
um die schwefelige Saͤure und die verderblichen Gasarten, mit welchen die
Schwefel-Kammer erfuͤllt ist, und die den Arbeiter scheintodt oder wirklich
todt machen koͤnnten, wenn er sich denselben unvorsichtig aussezte,
entweichen zu lassen.
Hr. d'Arcet schlaͤgt vor, die Schwefel-Kammern
dadurch unschaͤdlich fuͤr die Gesundheit zu machen, daß man die Luft
in denselben nach Belieben erneuert, und die verderblichen Gasarten, die sich darin
entwikelten, und die nicht athembar sind, weit uͤber das Hausdach hinaus
treibt.
Sein Apparat ist mit zwei Fenstern versehen, welche das Innere desselben erhellen,
und genau schließen. Die schwefelige Saͤure und die verderblichen Gasarten
entweichen bei einer Oeffnung, welche mittelst eines Schiebers, der von Außen
mittelst eines gefetteten Strikes, der uͤber Ruͤkrollen laͤuft,
besorgt wird, geschlossen werden kann, und ein großer Schornstein fuͤhrt sie
uͤber das Hausdach in die moͤglich hoͤchste Hoͤhe. Das
Aufsteigen dieser Gasarten durch diesen Schornstein wird mittelst eines zu
verschließenden Ofens erzielt, der entweder ein gewoͤhnliches Kohlbeken, oder
ein anderer an einem Kessel der Fabrik im Ganzen stehender Ofen seyn kann. Die
Roͤhre dieses Ofens muß mit einer Klappe versehen seyn, damit man sie
schließen kann, wo man derselben nicht bedarf. Der Schornstein darf weder mit den
Kohlenbeken noch mit den Schornsteinen der oberen Stokwerke in Verbindung stehen;
man laͤßt ihm seinen ganzen freien Zug nach Oben, und dekt ihn nur mit einem
Dache von Blech, um ihn gegen Regen zu schuͤzen.
Um diesen Apparat gehoͤrig zu benuͤzen, muß man Folgendes
beobachten:
Zuerst muß man sehen, ob die Fenster gehoͤrig luftdicht verschlossen sind.
Hierauf haͤngt man die zu schwefelnden Stoffe entweder auf Stangen oder auf
Seile, und macht in dem Ofen etwas Feuer an. Nachdem dieses geschehen ist, bringt
man die noͤthige Menge Schwefels in die dazu bestimmten Gefaͤße, und
stellt sie an jenen Plaz, von welchem aus die schwefelige Saͤure sich am
leichtesten gleichfoͤrmig in die Stoffe verbreiten kann, ohne Gefahr
dieselben zu stark zu erhizen oder gar zu verbrennen. Nun zuͤndet man den
Schwefel an, schließt alsogleich die Thuͤre des Einganges sammt dem daran
befindlichen Schieber, und zieht die Thuͤre des Ausganges mittelst der daran
befindlichen Schnur in die Hoͤhe: die Schnur wird an einem Nagel befestigt,
und die Thuͤre dadurch offen gehalten.
Die Luft in der Schwefelungs-Kammer erhizt sich, dehnt sich aus, und diese
Vergroͤßerung ihres Volumens treibt einen Theil derselben durch die
Thuͤre in den Schornstein, wohin der durch den Schleussenofen veranlaßte Zug
nach Aufwaͤrts sie ohnehin zu steigen veranlaͤßt. Nach einigen
Minuten, nachdem aller Schwefel gehoͤrig brennt, und das Gleichgewicht
gehoͤrig hergestellt ist, schließt man die Ausgangs-Thuͤre beinahe
gaͤnzlich, und laͤßt den Apparat so lang in diesem Zustande, bis die
Schwefelung der darin aufgehaͤngten Stoffe gehoͤrig vollbracht ist.
Nachdem dieß geschehen ist, und man die Schwefelungs-Kammer nun wieder
oͤffnen will, hat man Folgendes zu beachten:
Ehe man die Eingangs-Thuͤre oͤffnet, zuͤndet man ein kleines
Feuer in dem Schleussenofen an, oͤffnet die Ausgangs-Thuͤre
gaͤnzlich, und hebt den Schieber der Eingangs-Thuͤre etwas in die
Hoͤhe. Lezteres geschieht von Viertelstunde zu Viertelstunde immer mehr und
mehr, und endlich laͤßt man ihn die ganze Zeit uͤber, die man der
Erfahrung nach nothwendig findet, offen.
Der Zug nach Aufwaͤrts, den der Schleussenofen durch den Schornstein
veranlaͤßt, noͤthigt die aͤußere atmosphaͤrische Luft in
die Schwefelungs-Kammer bei dem Schieber einzudringen. Diese Luft vermengt sich mit
den verderblichen Gasarten, und reißt sie mit sich durch die Ausgangs-Thuͤre
und den Schornstein weit uͤber alle Daͤcher in die Hoͤhe.
Dadurch wird die Luft der Schwefelungs-Kammer sehr bald athembar. Wenn man nun keine
Schwefelsaͤure mehr riecht, und man ohne Gefahr in die Schwefelungs-Kammer
hinein gehen kann, oͤffnet man die Eingangs-Thuͤre, und arbeitet in der
Schwefelungs-Kammer, wie in einer gewoͤhnlichen Werkstaͤtte. Man
laͤßt die Eingangs- und Ausgangs-Thuͤren offen, und den Schleussenofen
angezuͤndet, und unterhaͤlt den Luftzug und vermindert den Geruch, den
die geschwefelten Stoffe angenommen haben, welche man nun ohne allen Anstand und
ohne den mindesten Nachthell fuͤr die Nachbarschaft herausnehmen kann.