Titel: | Beschreibung der Art, wie im östlichen Sibirien die Schmiede das Eisen und Erz zu schmelzen pflegen. Von Professor Petri in Erfurt. |
Autor: | Prof. Johann Christoph Petri [GND] |
Fundstelle: | Band 10, Jahrgang 1823, Nr. XXXV., S. 209 |
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XXXV.
Beschreibung der Art, wie im östlichen Sibirien die Schmiede das Eisen und Erz zu schmelzen pflegen. Von Professor Petri in Erfurt.
Petri über Schmelzung des Eisens und Erzes in Sibirien.
Man findet in den Reisebeschreibungen der St. Petersburgischen
Akademiker, z.B. Pallas, Guͤldenstaͤdt, Gmelin,
Georgi, Lepechie, Faͤblowsky u.a.m. hin und wieder die Art
erwaͤhnt, wie die Erz- und Eisenschmelzerei unter den noch halb rohen
Einwohnern des oͤstlichen Sibiriens, Danurien,
Uducsk und Akschinsk etc. betrieben wird. Weil
diese Schriften aber nicht in jedermanns Haͤnden sind, und mancher doch gern
die Behandlung der Metalle in dem eisen- und kupferreichen Sibirien wissen
moͤchte, wird es nicht zwekwidrig seyn, hier eine kurze Beschreibung nach
Anleitung jener beruͤhmten Reisenden davon mitzutheilen. Ich rede aber bloß
von dem Eisen- und Erzschmelzen der Privatschmiede, nicht aber davon, wie es in den
herrschaftlichen Eisen- und Kupferhuͤtten und Schmelzwerken betrieben
wird.
In ganz Sibirien gibt es eine sehr zahlreiche Menge groͤßerer und kleinerer
Bauernschmiede, welche jedoch meistens nur groͤbere Arbeit machen, und sich das Eisen dazu
auch groͤßtentheils selbst zubereiten. Die Schule der meisten Schmiede welche
man im oͤffentlichen Theile des ungeheuren Sibiriens antrifft, ist Jeniseisk, eine huͤbsche Stadt von beinahe 900
Haͤusern und etwa 10,000 Einwohnern, am Jenisec, im Gouvernement Tomsk, 700
Meilen von St. Petersburg. Hier wird schon seit laͤnger als 100 Jahren aus
einem schneeweißen, in Floͤzen brechenden Eisenstein viel Eisen von der
beßten Guͤte geschmolzen. Am Flusse Selenga und
dem Gebirge Kuitun hat man eine solche Menge Eisenerz
gefunden, und bricht dasselbe noch jezt unaufhoͤrlich, daß die dasigen
Schmiede mit dem Eisen und Stahl ihrer Handoͤfen das ganze Selenginskische
Gebiet und andere Streken versorgen. Der erste Schmied welcher in dieser weiten
Gegend Eisen zu schmelzen angefangen hat, ist ebenfalls ein Freigeborner von
Jeniseisk gewesen und seine Nachkommen sind noch jezt die vornehmsten
Huͤtteneigenthuͤmer im Fleken Kuitun, auch
so eisenreich, daß die Bauern des Tarbagantaiskischen Kreises den aͤltesten
Sohn der Ehre, ihr Vorsteher zu seyn, fuͤr wuͤrdig erkannt haben.
Das Erz wird im Herbste, wenn die Erde schon fest gefroren, aber noch kein Schnee
gefallen ist, von den Bauern zu Tage gefoͤrdert und nach Hause
gefuͤhrt. Ein Mann kann in einem Tage 50 Pud (à 40 Pfund) und bei
rechtem Fleiße wohl daruͤber gewinnen. Weil der Stein streng fluͤssig
ist, so wird er auf Haufen stark mit Feuer erhizt, oder gebrannt; er bleibt aber
gleichwohl noch immer so hart, daß er in Troͤgen auf einer Platte von
Gußeisen klein muß gehaͤmmert werden. Der Ofen besteht aus einem etwa 2
ArschinenDie Russische Arschine oder Elle ist 28 englische
Zoll lang, und noch etwas groͤßer als die Brabanter Elle: 80
Arschinen machen beinahe 100 Hamburger Ellen. Sie wird in 16 Werschok
getheilt. hohen und eben so diken, vierekigem Gemaͤuer, dessen cylindrische,
ungefaͤhr 1/2 Arschin weite Hoͤle sich unten im Neste (wie sie es
nennen) auf 3 Spannen erweitert, wo vorne eine eben so weite Oeffnung am Grunde
gelassen ist.
Wenn der Schmied einen Ofen anlassen will, so beschuͤttet er das Nest mit
Kohlenstaub, unter welchen vornehin etwas Feuer gelegt und mit Erde gedaͤmpft
wird. Auf diese Grundlage von Erde legt man eine irdene Roͤhre, 1 1/2 Werschok weit, welche bis in
die Mitte des Nestes reichen muß, und zu mehreren, Schuze vor der Glut mit der
Haͤlfte von einer alten Roͤhre bedekt wird. Darauf wird etwas Glut von
der Esse in den Ofen geschuͤtet die Oeffnung mit harten Steinen zugesezt, mir
lehmartiger etwas angefeuchteter Erde zwischen und uͤber den Steinen
verschmiert, und endlich der Ofen mit ungefaͤhr 3 Koͤrben voll Kohlen
angefuͤllt. Jezt werden die Baͤlge, welche der Schmied hier selbst
verfertiget, an die Roͤhre gebracht, und in Bewegung gesezt, und sobald das
Feuer durchgegriffen hat, eine Mulde voll gepochtes Erz, etwa 10 Pfund schwer,
aufgetragen. Sobald sich die Kohlen, welche erst uͤber der Oeffnung des Ofens
aufgehaͤuft liegen, in den Cylinder desselben einsenken, wird ein frischer
Korb Kohlen, und darauf wieder eine Mulde voll Erz aufgetragen, und auf diese Weise
so lange fortgefahren, bis 8 Koͤrbe voll Kohlen uͤber die 3 ersten
hineingegangen sind. Bei dem zweiten und dritten Korbe wird jedesmal eine Mulde
voll, beim vierten und fuͤnften etwas mehr, beim sechsten und siebenten zu 2
Mulden, und beim achten wieder nur eine Mulde voll aufgeschuͤttet, und der
Ofen damit angeblasen.
Waͤhrend des Schmelzens sind die Baͤlge in bestaͤndiger
Bewegung, wozu ein besonderer Arbeiter angestellt wird, der auch die Roͤhre
von den sich vorn ansezenden Schlaken mit einem Stecher oft reiniget, und da, wo
sich das Feuer durchfrißt, den Herd wieder mit Erde verstopft. Wenn die Kohlen
niedergebrannt sind, werden die Steine vor dem Herde weggenommen, die
uͤbrigen Braͤnde weggeraͤumt, die Schlaken abgelassen, und die
Grize, welche von 2 1/2 Pud (100 Pfund) Erz ungefaͤhr zu einem Pud (40 Pfund)
mehr oder weniger ausfaͤllt, mit der Zange ganz gluͤhend
herausgezogen, und sogleich auf der Erde mit einem hoͤlzernen
Schlaͤgel tuͤchtig geklopft, da denn eine Art von Roheisen losgeht,
und die in der Grize noch verhaltenen Schlaken tropfenweise ausschwizen. Darauf wird
die noch roth gluͤhende Grize auf dem Ambose mit Beilen mitten von einander
gehauen, und ist nunmehr zum Verarbeiten in der Schmiedeesse fertig. Die oberste
Lage ist stahlhart, aber bei dieser Art von Schmelzen von nicht sonderlicher
Guͤte; das Eisen hingegen ist weich und von guter Art.
Bei dem hier gedachten Verfahren, das Erz zu schmelzen gebt freilich immer ein Theil
des Eisens verloren, und das Erz wuͤrde im Großen weit mehr Ausbeute geben;
allein bei dem Ueberschuß an Eisen in Sibirien nehmen es die hiesigen
Huͤttenleute nicht so genau, und die Arbeit im Großen anzufangen,
waͤre bei so kleinen Vorraͤthen von sichtbarem Erz weder rathsam noch
nach der dortigen Einrichtung thunlich. Anders ist es auf Kron- oder reicher
Privatherren Huͤtten, wo Alles ganz anders, im Großen und methodisch
betrieben wird.