Titel: | Neue Versuche mit dem ballistischen Pendel, angestellt zu Woolwich. Mitgetheilt vom k. w. Artillerie Hauptmann von Kausler. |
Autor: | Hauptmann Franz Georg Friedrich Kausler [GND] |
Fundstelle: | Band 10, Jahrgang 1823, Nr. LII., S. 292 |
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LII.
Neue Versuche mit dem ballistischen Pendel, angestellt zu Woolwich. Mitgetheilt vom k. w. Artillerie Hauptmann von Kausler.
v. Kausler über den ballistischen Pendel.
Der englische Artillerie Obrist Muͤller hat einen neuen
Pendel verfertigen lassen, der groͤßer und vollkommener ist, als alle bisher
bei ballistischen Versuchen angewendeten Pendel. Der Bau desselben bot zahlreiche
Schwierigkeiten dar. Man mußte 1tens an dem Ende eines langen Hebelarmes eine Masse
von 3354 KilogrammenWir behalten franzoͤsisches Maß bei, da uͤberdieß in
Deutschland nicht ein und dasselbe Laͤngenmaß eingefuͤhrt
ist. aufhaͤngen; 2tens mußten die Bewegungen der Achse bis auf den Grad
erleichtert werden, daß die Schwingungen gleichsam gar keinen Widerstand erlitten;
3tens mußte dem ganzen System solche Festigkeit gegeben werden, daß diese Bewegungen
weder Stoͤße, noch Erschuͤtterungen, noch uͤberhaupt
Unregelmaͤßigkeiten irgend einer Art hervorbringen konnten.
Diese Schwierigkeiten waren bei den fruͤheren Versuchen des Doctors Hotton
nicht beseitigt worden; die von ihm angewendeten Pendel ruhten auf hoͤlzernen
Boͤken; ein so wenig festes System erlitt bei jedem neuen Eindringen der
Kugel in den Pendel aͤußerst heftige Erschuͤtterungen, wodurch die
Beobachtungen selbst immer mehr oder weniger unsicher wurden.
Auf dem zu den neuen Verfluchen ausgewaͤhlten Orte hat man zwei parallele
Mauern erbaut, die etwa 2,75 Metre von einander entfernt, 6 Metre hoch und 5 M. lang
sind. Der obere Theil dieser Mauern ist durch Zimmerwerke mit einander verbunden,
das von der Seite und von Unten durch starke Dachsaͤulen unterstuͤzt
ist. Dieses Rahmenwerk traͤgt zwei hoͤlzerne Querbohlen, an welchen
die eisernen Stuͤzen befindlich sind, auf denen die Achse des Pendels ruht.
Ein Dach dekt das Holzwerk, und zwei kleine, oben an jeder Mauer angebrachte,
Fenster dienen, 1tens, um Licht auf die Achse zu werfen; 2tens den Dampf hinaus zu
lassen, der sich im Augenblik des Abfeuerns der Prob-Kanonen im Dachstuhl
faͤngt. Die beiden Stuͤzen der Achse sind von gegoßenem Eisen; der
obere Theil einer jeden hat eine durch 2 Neigungsebenen gebildete Vertiefung, welche
gleich, jedoch in entgegengesezter Richtung, geneigt sind. Um jeder Abweichung der
Pendel-Schwingungen zu begegnen, endigt sich die Achse in zwei Messer, die jedoch
nicht sehr scharf sind, well sie sonst zu schnell abgestumpft werden; die aber nach
einer kreisfoͤrmigen Kruͤmmung von sehr kleinem Halbmesser abgerundet,
und von vollkommen gehaͤrtetem Stahl verfertigt sind.
Soll der Pendel sich schwingen, so gießt man etwas Oel auf die Neigungs-Ebenen der
Stuͤzen; dadurch wird die Reibung unmerklich gemacht, welche die Messer der
Achse auf diesen Stuͤzen etwa erleiden koͤnnten.
Der Pendel ist aus Holzstuͤken gemacht, die an einander gelegt, und durch dike
cylinderfoͤrmige Zapfen mit einander verbunden sind. Diese von dem
Artillerie-General Berthom erfundene vortreffliche Verbindung, deren man sich auch bedient, um
die Holztheile eines Mastbaumes zusammen zu halten, erfuͤllt ihren Zwek
vollkommen. Denn, wenn eine Kugel auf die Mitte eines der Holzstuͤke des
Pendels trift, so ist dieses so fest und innig mit der anderen verbunden, daß sie
ungeachtet der Gewalt des Stoßes um nicht mehr als um einen oder 2 Millimeter gegen
dieselben rutscht.
Das Holzstuͤk, in welches die Kugel eindringen soll, befindet sich in der
Mitte des Peallelepipediums, das der Pendel bildet. Man kann eine gewiße Anzahl
Kugeln in dieses Holzstuͤk schießen, indem man bei'm jedesmaligen Eindringen
einer neuen Kugel sorgfaͤltig das Wachsen in dem Gewicht und in dem Moment
der Traͤgheit des Pendels beobachtet.
Die Holzstuͤke, welche den untern Theil des Pendels bilden, sind von rein
eisernen Zugbaͤndern eingefaßt, deren Enden durch starke Bolzen und Schrauben
zusammen gehalten werden. Die Aufhaͤngung des Pendels wird bewerkstelligt:
1tens durch zwei sehr breite eiserne Stangen, welche senkrecht von der Achse nach
der Mitte der Seite des Pendels herab laufen (wenn er naͤmlich in Ruhe ist);
2tens durch 4 runde eiserne Stangen, welche in der Diagonale von jedem obern Winkel
des Pendels nach dem entferntesten Ende der Achse des Pendels laufen. Dort sind
diese Stangen durch Schrauben und Bolzen befestigt. Dieses System gewaͤhrt
den Vortheil, jede Seiten-Schwingung zu hemmen, selbst dann, wenn eine Kugel etwas
rechts oder links von der Vertical-Ebene, die senkrecht auf der
Aufhaͤngungs-Achse des Pendels steht, und den Pendel in 2 gleiche symetrische
Theile theilt, treffen wuͤrde.
Nachdem der Pendel construirt und aufgehaͤngt war, handelt es sich darum, ein
Mittel zur Messung der Schwingungen ausfindig zu machen. Hiezu gelangte man auf zwei
verschiedene Weisen. Ueber die Achse wurde senkrecht ein metallener Zeiger von etwa
6 Decimetre Laͤnge befestigt, der auf einen Quadranten, welcher mit der
Pendel-Achse in einer senkrechten Ebene stund, die Bewegung des Pendels anzeigte.
Dieser Quadrant ist von Kupfer, und in Grade eingetheilt. Laͤngs der
Gradeintheilung laͤuft in kielfoͤrmigen Fugen ein Zeiger. Durch den
obern Theil der metallenen senkrechten Stangen geht eine Stellschraube, vermittelst welcher man den
Zeiger im Augenblik des Anfangs des Versuchs auf Null stellt, der Zeiger umgibt den
in Grade eingetheilten Quadranten gleichsam wie eine Scheide; eine kleine Feder,
welche denselben von dem Quadranten abwaͤrts druͤkt, verhindert
erstern, daß er wegen zufaͤlligen Ursachen nicht aus seiner Richtung
komme.
Trifft eine Kugel in den Pendel, so wird dieser dadurch bis auf einen gewißen Grad
aus der verticalen Lage gebracht; die metallene Stange, welche diese Bewegung
theilt, druͤkt den Zeiger vor sich her. Da, die Geschwindigkeit des Pendels
in dem Augenblik, in welchem er in dem hoͤchsten Punct ankoͤmmt, Null
wird, so wird in diesem Augenblik die durch die Stange dem Zeiger mitgetheilte
Geschwindigkeit gleichfalls Null. Die leichte Reibung, welche der Zeiger erleidet,
reicht hin, um den fruͤher mitgetheilten geringen Grad von Geschwindigkeit,
wieder aufzuheben. Der Zeiger, macht daher auf der Stelle Halt, wo der Pendel die
vielgaͤngige Bewegung beginnt. Hievon kann man sich leicht
uͤberzeugen, wenn man, beobachtet, wie bei, der zweiten Schwingung der Pendel
wieder so nahe an den Zeiger kommt, daß man kaum einigen Raum zwischen beiden
bemerkt. Indessen hat der Pendel von der zweiten Schwingung an, feine
Geschwindigkeit verloren, und erhebt sich weniger hoch. Allein diese Abnahme der
Geschwindigkeit geht sehr langsam. So hat z.B. der Pendel bei einer Schwingung,
deren Weite 5 Grade betraͤgt, nach 60 Gaͤngen hin und eben so viele
zuruͤk, waͤhrend eines Zeitraums von 115 Secunden, nur 40 Minuten in
der Weite seiner Schwingungen verloren; wenn daher die Abnahme zwischen diesen
beiden Grenzen gleichfoͤrmig waͤre, so kaͤmen 2/3 Minuten auf
jede Schwingung.
Der Grund einer so schwachen Abnahme ist leicht einzusehen, obgleich die Figur des
Pendels fuͤr die Dauer seiner Bewegung nicht sehr vortheilhaft ist. Der
Widerstand der Luft ist der Flaͤche des Meridian-Durchschnitts des von dem
Pendel durchlaufenen Raums proportionirt; waͤhrend die Groͤße der
Bewegung des Pendels (unter uͤbrigens gleichen Umstaͤnden) der Masse
proportionirt ist. Demnach wird bei der Bewegung zweier aͤhnlicher Pendel,
deren homologe Dimensionen a und A sind, das Verhaͤltniß des durch die Luft verursachten Widerstands
(in einem gegebenen
Augenblik) durch A²/a² ausgedruͤkt; das Verhaͤltniß der Groͤße der
Bewegung ist A³/a³; das Verhaͤltniß des Widerstandes der Luft zur Groͤße
der Bewegung wird daher durch A/a ausgedruͤkt; es wird um so mehr zunehmen, als A groͤßer und a
kleiner wird.
Außer dem Maße der Schwingungen, welches durch den Zeiger uͤber der Achse des
Pendels bewerkstelligt wird, ist eine zweite metallene Stange unterhalb des Pendels
befestigt, so daß, wenn das System sich in Ruhe befindet, diese Stange in der
Verticallinie ligt, die durch den Schwerpunct des Pendels und durch die Mitte der
Aufhaͤngungs-Achse geht. Ein Kreisbogen von maßivem Holz, ist unterhalb
ausgehoͤlt, mit Talg angefuͤllt, und an beiden Raͤnden in Grade
eingetheilt. Der Bogen liegt in der Ebene, in welcher sich die Stange bewegt. Bei
der Bewegung zieht diese Stange mitten in der kreisfoͤrmigen Talgmaße
zwischen den beiden Grad-Eintheilungen eine Furche. Da der Pendel nach seiner ersten
Schwingung keine mehr von derselben Groͤße macht, so laͤuft die Stange
immer innerhalb dieser Furche hin und her, und die ganze Weite dieser Furche wird
gleich der Weite der ersten Pendel-Schwingung seyn.
Ein Beobachter mißt diese Weite; ein zweiter mißt die auf dem kupfernen Kreis-Bogen
durch den obern Zeiger angegebene Weite; diese beiden Beobachtungen muͤßen
nothwendig uͤbereinstimmen. Die eine dient der andern zur Probe.
Um die aͤußersten Puncte der durch die untern Stange in dem Talg
hervorgebrachten Furche zu bestimmen, bedient man sich eines kleinen Winkelhakens,
der laͤngs dem einen der beiden in Grade eingetheilten maßiven Boͤgen
hinlaͤuft; die zweite Seite des Winkelmaßes muß auf beiden Raͤnden
dieselbe Anzahl Grade anzeigen, waͤhrend die Mitte dieser Seiten den
aͤußersten Punct des in den Talg gezogenen Bogens beruͤhrt.
Die Entfernung der Aufhaͤngungs-Achse vom Schwerpunct betraͤgt etwa 3
1/3 Metre; die Mitte der Schwingung ist etwa um 28 Centimetre minder von der Achse
entfernt. Zwischen diesen beiden Mitten bestimmt man den Punct, wohin die Mitte der
Probe-Kugeln treffen soll. Auf der vorderen Seite des Pendels zieht man zuerst in der Ebene,
die durch die Mitte der Achse geht, und die der Pendel in zwei gleiche Theile
theilt, eine senkrechte Linie: rechts und links von dieser senkrechten Linie an den
verticalen Raͤnden der vordern Seite befinden sich zwei verticale
Grad-Eintheilungen. Aus den respectiven Theilungs-Puncten zieht man
Horizontallinien. Hierauf nimmt man eine Platte von geplaͤttetem Blei, die
etwa 2 Millimetre dick ist, und drei Decimetre in's Gevierte betraͤgt. Zwei
gerade Linien, die mit der entgegengesezten Seite dieser Platte parallel laufen,
theilen dieselbe in vier gleiche, kleine Quadrate. Diese Platte wird dergestalt auf
die vordere Seite des Pendels festgenagelt, daß die beiden auf diese Art auf ihn
gezogenen Linien respective mit den bereits auf der vordern Seite des Pendels
gezogenen verticalen und horizontalen Linie zusammen fallen. Wenn diese
Vorbereitungen getroffen sind, so koͤnnen die Probe-Schuße ihren Anfang
nehmen.
Waͤre das Gewicht des Pendels bestaͤndig, so waͤre es
hinreichend, ein fuͤr allemal durch die Erfahrung die Lage seines
Schwerpunctes und seine Mitte der Schwingung bestimmt zu haben. Da aber das Holz die
Eigenschaft hat, einzugehen, und nach und nach viel Wasser zu verlieren, so muß man
sich, so oft Versuche vorgenommen werden, auf's Reue von der Lage der beiden obigen
Puncte uͤberzeugen; dieß geschieht, indem man den Pendel eine gewiße
hinreichende Anzahl Male hin und her bewegt, um daraus mit Genauigkeit die mittlere
Dauer der Schwingungen zu bestimmen, die in Betrachtung der kleinen Weite derselben,
als mit gleichfoͤrmiger Geschwindigkeit beschrieben, betrachtet werden
koͤnnen.
Ehe das Feuern seinen Anfang nimmt, bemerkt man, so wie auch in der Folge, bei'm
lezten Schuß, die Grade des Barometers und des Thermometers.
Die Barometer-Hoͤhe muß sorgfaͤltig gemessen werden, denn da die
Dichtigkeit großen Einfluß auf den Widerstand hat, den die Kugeln erleiden, sobald
sie die Seele des Rohrs verlassen, so wird die anfaͤngliche Geschwindigkeit
mehr oder minder betraͤchtlich seyn, je nachdem die Dichtigkeit der Luft
groͤßer oder kleiner ist. Das Steigen oder Fallen des Barometers kann den
Widerstand der Luft bis auf 1/10 vermindern, und selbst bei anscheinend heiterer und bestaͤndiger
Witterung kann diese Veraͤnderung nach den Versuchen des Gregory ein 1/50
betragen. Eben so wesentlich waͤre es, die hygeometrischen
Veraͤnderungen der Athmosphaͤre kennen zu lernen, denn nach
angestellten Beobachtungen wird durch diese das Gewicht der Holztheile aus denen der
Pendel besteht geaͤndert, was nothwendiger Weise Einfluß auf das
Verhaͤltniß der dem Pendel durch die in ihrer Anfangs-Geschwindigkeit
fliegende Kugel mitgetheilte Bewegung hat.
Nicht minder wesentlich ist es, die Grade des Thermometers zu messen. 1tens
beobachtet man den Waͤrme-Grad in der freien Luft in der Naͤhe des
Pendels, weil die Waͤrme großen Einfluß auf die Stangen hat, an welchen der
Pendel haͤngt, und weil es von Wichtigkeit ist, die Aenderungen der
Waͤrme, mit denen der Dauer der Pendel-Schwingungen zu vergleichen. 2tens
wird nach jedem Schuß das Thermometer bis an den Stoß der Seele gebracht, um zu
beobachten, um wie viele Grade sich die Temperatur durch das Feuern erhizt hat.
Da die Schwere, die Feuchtigkeit, die Waͤrme der Athmosphaͤre auf
merkliche Art, im Laufe eines Versuches, der oͤfters mehrere Stunden dauert,
sich aͤndern koͤnnen, so werden diese Beobachtungen oͤfters
wiederholt.
Wir gehen nunmehr zur Beschreibung der Maßregeln uͤber, welche man bei'm Laden
und Abfeuern der zu Versuchen bestimm ten Geschuͤze anwendet. Diese
Geschuͤze liegen auf Feld-Laffeten.
Folgende Puncte sind auf den Boden- und Kopffrießen durch Striche bezeichnet. 1tens
oberhalb in der Vertical-Ebene, die durch die Achse der Seele geht, 2tens rechts und
links in den durch die Achse der Seele gehenden parallel mit den Schildzapfen
laufenden Ebene. Dadurch erhaͤlt man drei Richtlinien, die in zwei auf
einander senkrechten Ebenen liegen.
Die Bettung, auf welcher die Laffete steht, befindet sich in einer mit der
Drehungsachse des Pendels parallelen Ebene. Sie ist auf die gewoͤhnliche
Weise erbaut.
Wenn das Geschuͤz geladen werden soll, so faͤngt man damit an, daß man
das Pulver probirt, dessen man sich bedienen will. Es werden sorgfaͤltig 57 Gramme davon
gewogen, und mit 57 Grammen eine kleine Prob-Kanone geladenUeber die Art des Pulverprobirens in England, werden wir eine besondere
Abhandlung in dieser Zeitschrift mittheilen..
Diese kleine Kanone haͤngt an zwei eisernen Stangen die an einer horizontalen
Achse nur mittelst zwei keiner Schildzapfen befestigt sind. Die Achse selber
laͤuft in einem metallenen Lager, das in ein Geruͤst von Zimmerwerk
eingeschnitten ist. Etwa in der Mitte der beiden eisernen Stangen ist ein in Grade
eingetheilter Quadrant angebracht, dessen Mitte auf die Achse der Schwingung der
Prob-Kanonen gerichtet ist. Der Zeiger, welcher laͤngs des Bozens hingleitet,
ist oben an der Achse befestigt, und bildet mit einer zweiten eisernen Stange einen
gelegenen Hebel.
Im Zustand der Ruhe der Prob-Kanonen ruͤkt man den beweglichen Zeiger, der
gleichsam der Halbmesser des eingetheilten Kreis-Bogens ist, so lange fort, bis er
auf Null steht. Eine kleine Schraube, welche durch das Ende des zweiten Hebelarms
geht, wird soweit fortgeschraubt, bis die Spize derselben eine kleine metallene
Platte an dem Rahmen des Zimmerwerks beruͤhrt, das dem ganzen System zur
Stuͤze dient.
Soll die Prob-Kanone geladen werden, so haͤlt sie ein Kanonier senkrecht und
fuͤhrt mit einer Ladschaufel das Pulver sorgfaͤltig bis auf den Boden;
hierauf druͤkt er mit dem Sezer die Ladung etwas an, und beugt die Kanone
langsam nieder in ihre vorige horizontale Lage. Jezt wird die Lage des Zeigers auf
dem eingetheilten Bogen mittelst der oben erklaͤrten Schraube festgestellt.
Die Prob-Kanone wird hierauf mit einem gewoͤhnlichen Lunten vermittelst einer
Stoppine abgefeuert. Vermoͤg des Ruͤkstoßes wird die Kanone
zuruͤkgeworfen, waͤhrend zu gleicher Zeit der Zeiger den
hoͤchsten Schwingungspunct derselben anzeigt. Da die Kanone bei der zweiten
Swingung diesen Punct nicht mehr erreicht, so wird der Zeiger durch nichts aus
seiner Lage gebracht.
Es ist klar, daß unter uͤbrigens gleichen Umstaͤnden die Anzahl der
beobachteten Grade, welche das Maß des ersten halben Schwingungsbogens angeben, die
Kraft des Pulvers, dessen man sich bedient, nach dem bekannten Saz anzeigt: daß
die von einem Pendel in einer sehr kleinen halben Schwingung durchlaufene Anzahl
von Graden dem Quadrant der anfaͤnglichen Kraft proportionirt ist, die
angewendet wurde, um diesen Bogen zu durchlaufen.
Diese Pulverprobe wir dreimal hinter einander wiederholt, waͤhrend deck die
bei jeder Probe sich ergebenden Resultate sorgfaͤltig in die zu den Versuchen
bestimmten Tabellen eingetragen werden.
Hierauf schreitet man zur Ladung der Kanone, mit welcher nach dem ballistischen
Pendel geschossen werden soll. Das genau gewogene Pulver, wird in eine Huͤlse
von sehr feinem Papier geschuͤttet, und mit einem Dekel von demselben Papier
geschlossen; dieses Papier wird gleichfalls gewogen. Hierauf wird diese Patrone in
die Seele eingefuͤhrt und mit einem leichten Druk des Sezers angesezt. Auf
die Patrone kommt die Kugel, die man mit gleicher Sorgfalt an die Patrone
andruͤkt, die Kugel ist mit einem Faden von 1/2 Linie im Durchmesser
uͤber's Kreuz uͤberzogen, so daß diese zwei groͤßten Kreise
unter einem rechten Winkel auf der Kugel bilden. Der Zwek dieses Fadens ist, den
Spielraum auszufuͤllen und dadurch die Drehung so wie auch die
Anschlaͤge der Kugel zu beseitigen; dadurch erhaͤlt das Feuer die
groͤßt moͤgliche Genauigkeit. Sollte die Kugel nicht genau
kugelfoͤrmig seyn, so wird sie vorher berichtigt und polirt. Nachdem die
Ladung aufgestoßen ist, wird ein Brandel eingesezt, und das Geschuͤz ist zum
Abfeurern fertig.
Das Geschuͤz wird dergestalt gerichtet, daß 1tens die obere Richtlinie durch
die Vertical-Ebene geht, welche die vordere Seite des Pendels in zwei
Haͤlften theilt; 2tens daß die beiden Seiten-Richtlinien durch die
Horizontal-Linie gehen, die durch die Mitte der Blei-Platten gezogen, und von einer
Seite des Pendels zur andern verlaͤngert ist. Dadurch ist die Richtung des
Geschuͤzes vollkommen genau genommen.
Wenn abgefeuert wird, so schlaͤgt die Kugel zuerst durch die Blei-Platte und
hierauf in das Holz der Mitte des Pendels. Das hiedurch in der Blei-Platte entstande
Loch ist vollkommen kreisfoͤrmig und scheint mit einem Bohrer gemacht zu seyn. Durch die genaue
Gestalt desselben ist es moͤglich, die Lage des Mittelpunctes der Oeffnung zu
bestimmen, und zwar wird diese Lage gefunden: 1tens aus der Groͤße, um welche
dieser Mittelpunct ober- oder unterhalb der auf der vordern Seite des Pendels
gezogenen Horizontal-Linie sich befindet; 2tens aus der Groͤße, um welche er
rechts oder links der auf der vordern Seite des Pendels gezogenen Vertical-Linie
sich befindet.
Die Holzfasern sind zum Theil durch die Kugel zuruͤk gepreßt. Die angrenzenden
Fasern dringen vermoͤg der Elasticitaͤt des Holzes nach dem Durchgang
des Projectivs groͤßtentheils wieder in ihre vorige Lage zuruͤk, so
daß das Loch oft wieder zu faͤllt, und oft nur noch eine
unregelmaͤßige Vertiefung bildet.
Die Mittel, wie man die Pendelschwingungen, welche der Rost der Kugel veranlaßt,
mißt, sind bereits angegeben worden.
Soll ein zweiter Schuß gethan werden, so wird die durchloͤcherte Bleiplatte
weggenommen; das von der Kugel in den Pendel gemachte Loch wird mit einem Zapfen,
der stark eingetrieben wird, zugemacht, und das auf der andern Seite des Pendels
vorstehende Ende desselben abgesaͤgt. Hierauf wird auf dieselbe Art, wie oben
beschrieben wurde, eine neue Bleiplatte an der vordern Seite des Pendels
befestigt.
Vorher wird der hoͤlzerne Zapfen, ehe er eingetrieben wurde, und das durch die
Saͤge hinweg genommene Ende desselben gewogen. Der Unterschied dieser beiden
Gewichte plus dem Gewicht der Kugel, die sich von
ersterm Schuß her im Pendel befindet, muß bei'm zweiten Schuß, als Vermehrung der
Schwere des Pendels in Rechnung gebracht werden.
Hat man auf diese Art 5 bis 6 Kugeln in den Pendel abgeschossen, so wird der Druk der
Holz-Faßern sehr groß und man wuͤrde bei Fortsezung des Feuerns Gefahr
laufen, das ganze System zu zerschmettern. Man nimmt daher nach dieser Anzahl
Schuͤsse, den ganzen Pendel herab, schraubt das eiserne Beschlaͤg ab,
legt die Holzstuͤke die den Blok des Pendels, bilden, auseinander, und sezt
fuͤr das mittlere Stuͤk, das alle Kugeln aufgefangen hat, ein neues
ein. Hierauf schraubt man das Beschlaͤg des Pendels wieder an, und sucht
auf's Neue das Gewicht, den Schwerpunct etc.
Bei den Versuchen, welche angestellt wurden, um die gewoͤhnlichen langen Kanonen, mit den kurzen
des General der Blomelfild und Congrève zu vergleichen, hat man zulezt 24
pfuͤndige Kugeln in den Pendel geschossen. Allein diese konnten der
Erschuͤtterung nicht hinreichenden Widerstand leisten. Schon mit der zweiten
Kugel von diesem Kaliber ist das eiserne Beschlag zersprungen, und der Blok der
Holzstuͤke wurde zerschmettert.
Bei eben diesen Versuchen hatte man nach und nach 157 1/2 Kilogramm Eisen in den
Pendel geschossen; als man die Holzstuͤke auseinander nahm, fand man im
Innern des Holzes daß die Kugeln durch den gegenseitigen Stoß einander zerschmettert
hatten. Sie waren in eine unzaͤhlige Menge Stuͤke von jeder
Groͤße, von dem Gewicht zu 2 bis 3 Kilogramme bis zum Staub herab
zersprungen.
Obgleich das Gesammt-Gewicht der Kugeln, wie oben gesagt, 157 1/2 Kilogramm betrug,
so konnte man doch, nach dem man alle einzelne Stuͤke sorgfaͤltig
gesammelt hatte, nur eine Masse von 150 Kilogramms zusammen bringen.
Folgende Tabelle der im Jahr 1815 angestellten Versuche mag diese Abhandlung
uͤber den ballistischen Pendel beschließen.
Mittags.
BarometerThermometer
29,93 ZollMan hat die englischen Maße in dieser Tabelle beibehalten. 78° Fahrenheit
Anfang der Versuche an diesem Tag.
Nachmittags um 3 Uhr.
BarometerThermometer
29,9 Zoll73° Fahrenheit
Ende der Versuche an diesem Tag.
Zeitraum zwischen 60 Pendelschwingungen = 115 Secunden.
Schwingungs-Bogen am Anfang, beobachtet von Dr. Gregory
5° oben
– – – – – – v. Obrist Griffiths
5° unten
Lezter Schwingungs-Bogen, beobachtet von Dr. Gregory
4° 20' oben
– – – – – – v. Obrist Griffiths
4° 20' unten
–––––––––––
Gewicht des Pendels zu Anfang des Versuchs
7441,1235 Pf.
Textabbildung Bd. 10, S. 302
Abstand der Aufhaͤngungs-Achse bis zur Mitte; der Schwingung; des Schwerpuncts; den Versuchen; des Tages
Textabbildung Bd. 10, S. 303
Staͤrke des Pulvers; 2 Unzen Pulver mit den kleinen Prob-Kanonen bewirkten 20 kleine Schwingungen in 26. Sec. auf 175 Fuß;
3 Schuß; Sehnen; Sin. vers.; Bogen; Fuß
Maße eines langen 6 Pfuͤnders, mit dem die Versuche
gemacht wurde.
Textabbildung Bd. 10, S. 303
Gewicht; Laͤnge der Kanonen; Laͤnge der Seele; Abstand d. Schildzapfen v. Bodenstk.; Kaliber; Mittelzahl des Ruͤklaufs; Gewicht
der Laffete der Kanonen
Ferner Angaben.
Liv. onz. dr.
Gewicht der Kugel
6 1 12
Durchmesser der Kugel
3,55 Zoll
Spielraum der Kugel
0,118 –
Ladung
2 Pfund
Gewicht der Patrone ohne Pulver
4 1/2 drag.
Abstand des Pendels bis zurMuͤndung der Kanone
30 Fuß
Abstand der Achse von der Mitte des durchdie Kugel eingeschlagenen Loches
139,884 Zoll
Abstand rechts und links von dieser Mitte
„ „
Gewicht des Pendels und der Kugel
7478,9 Pfund
Schwingungs-Boden
4° 33'
Geschwindigkeit der Kugel
1784,8 Fuß
Ruͤklauf
6,10 Fuß
Hang der Bettung
1/12
Formel, welche bei den Berechnungen gebraucht wurde.
Textabbildung Bd. 10, S. 303
Elemente dieser Formel.
p
=
Gewicht des Pendels
b
=
Gewicht der Kugel
c
=
Sehne des durch den Pendet mit dem Halbmesser i beschriebenen Bogens.
g
=
Entfernung der Aufhaͤngungsachse vom Schwerpunct.
o
– – – – – – von der Mitte der Schwingung wobei b im Fuß ausgedruͤkt ist.
i
– – – – – – vom Point d'Impact Unter Point d'Impact versteht der
Dr. Gregory den mathematischen
Punct, in welchem die ganze Kraft des Projektivs auf dem Koͤrper des Pendels wirken wuͤrde, wenn sie
concentrirt waͤre, um die naͤmliche Schwingung der
Aufhaͤngungs-Achse hervorzubringen, um die, welche dem Stoßen
der Kugel auf die Mitte des Pendels bewirkt; wir haben diesen
Kunstausdruk vergeblich zu uͤbersezen gesucht..
v
=
Anfangs Geschwindigkeit des Pendels im Point d'Impact.
Zeit, welche zu 30 Schwingungen nach angestellten Versuchen noͤthig ist
56 2/10 Secunden.
Erster Schwingungs-Bogen, beobachtet vom Obrist Griffiths
= 6 /8°
– – – – – vom Dr. Gregorg
= 6 1/8''
Lezter Schwingungs-Bogen vom Obrist Griffiths
= 5 5/8°
– – – – – vom Dr. Gregorg
= 5 5/8''