Titel: | Ueber die Ursachen der Verschiedenheit der Seife hinsichtlich auf Härte, Weiche und Geruch, und über eine neue Gruppe organischer Säuren . Von Hrn. Chevreul. |
Fundstelle: | Band 11, Jahrgang 1823, Nr. LXX., S. 423 |
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LXX.
Ueber die Ursachen der Verschiedenheit der Seife
hinsichtlich auf Härte, Weiche und Geruch, und über eine neue Gruppe organischer Säuren
Diese Abhandlung ist nicht nur in Bezug auf Seife, sondern auch fuͤr die
Tuͤrkischroth-Faͤrbereien von der hoͤchsten
Wichtigkeit. D.. Von Hrn. Chevreul.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. Mai 1823. S.
16.
Chevreul's Untersuchung der Seifen.
Im Begriffe ein eigenes Werk uͤber die fetten Koͤrper
thierischen Ursprunges (sur les
corps gras d'origine
animale) herauszugeben, unterwerfe ich der Beurtheilung
der Akademie die Vollendung der Untersuchungen, welche den Gegenstand von neun
Abhandlungen bildeten, die ich derselben nach und nach uͤberreichte. Ich
werde hier bei demjenigen, was wir noch zu sagen uͤbrig ist, und
vorzuͤglich bei mehreren interessanten Anwendungen verweilen, welche hieraus
fuͤr die Kunst des Seifensieders hervorgehen, und zeigen, daß diese
Anwendungen, die sich nicht aus einzelnen Versuchen ableiten lassen, das Resultat
des Inbegriffes aller jener zahlreichen Untersuchungen sind, welche mich eilf Jahre
lang beschaͤftigten.
Nachdem ich die Saure des fetten Bestandtheiles der Seife entdekt hatte, sah ich bald
ein, daß die Kunst der Seifebereitung dadurch eine Bestimmtheit erhalten mußte, die
sie vorher nicht erlangen konnte. Sobald man die Seifen einmal unter die Salze
stellen konnte, mußten sie als Mischungen von bestimmtem Verhaͤltnisse
erscheinen, und man konnte erwarten, daß, wo man die Bereitung derselben unter
diesem Zwischenpuncte mit der Fakel der Wissenschaft beleuchtet, man die
Seifensiederei endlich auf dieselbe Stufe wird erheben koͤnnen, auf welcher
sich die Alaunsiederei, die Eisenvitriolsiederei etc. bereits befindet. Um aber
dahin zu gelangen, mußte man die Eigenschaften der fetten Koͤrper von der
Seifenbildung, das Verhaͤltniß der Producte dieser Operation, und alle
wesentlichen Umstaͤnde mit Genauigkeit bestimmen, und nachdem diese
Untersuchungen an einer Art fetter Koͤrper angestellt wurden, mußten sie an
anderen Koͤrpern derselben Reihe wiederholt werden. Dieß ist der Gang, den
ich befolgte, und nun will ich die verschiedenen Eigenschaften erklaͤren, die
man an den Seifen bemerkt.
Die Hauptunterschiede, die man an den verschiedenen Seifen wahrnehmen kann, sind
diejenigen, welche sich so zu sagen von selbst dem Beobachter darbiethen; bei der
oberflaͤchlichsten Beobachtung der Seife wird man naͤmlich finden, daß
sie sich 1tens durch den verschiedenen Grad der Haͤrte
und Weichheit, 2tens durch den Geruch unterscheidet.
I. Ueber Seifen in Hinsicht auf Haͤrte und
Weiche.
Harte Seifen nennt man diejenigen, in welchen
Baͤumoͤl oder thierisches Fett mit Soda zur Seife verbunden ist, und weiche Seifen diejenigen, welche aus Kern- oder
Mandeloͤl oder aus thierischen Oelen und Pottasche bereitet werden.
Wenn man untersucht, worin diese Eigenschaft der Seife, bald weich und bald hart zu seyn, besteht, so findet
man, daß sie auf der Weise beruht, nach welcher sie auf das Wasser wirkt. Die harten Seifen verlieren, wenn sie der Luft ausgesezt
werden, den groͤßten Theil ihres Bildungs-Wassers, und, nachdem sie dasselbe verloren haben,
loͤsen sie sich nur langsam in kaltem Wasser auf, und ohne daß sie in diesem
sich vorher zertheilten; die weichen Seifen aber werden
an der Luft nie troken, und behalten mehr oder weniger Wasser, wodurch sie weich und
gallertartig werden, und wenn man sie mittelst Beihuͤlfe der Waͤrme
getroknet hat, und dann in kaltes Wasser bringt, so loͤsen sie sich in
demselben auf, und zertheilen sich mehr oder minder leicht.
Wenn man nun die Ursache untersucht, welche eine Seife mehr oder minder
aufloͤsbar im Wasser macht, so wird man finden, daß sie 1tens in der Natur
der alkalischen Basis besteht, 2tens in jener des Fettes, welches mit dieser
Basis verbunden ist. Was
1tens, die Einwirkung der alkalischen Basis betrifft, so
erhellt sie aus der Erfahrung, daß, wenn man denselben fetten Koͤrper mit
Pottasche oder mit Soda zur Seife macht, man immer finden wird, daß die mit Soda
bereitete Seife in kaltem Wasser weniger aufloͤsbar ist, als jene, welche mit
Pottasche bereitet wurde.
2tens, der Einfluß des Fettes, welches mit dem Alkali sich
verbindet, erhellt daraus, daß, wenn die alkalische Basis allein die Harte
oder Weichheit der Seife bewirkte, alle Koͤrper, die mit der Pottasche sich
zur Seife verbinden, weiche Seife, und wenn sie sich mit der Soda verbaͤnden,
harte Seife geben muͤßten, was aber nicht der Fall ist. Baumoͤl, und
vorzuͤglich thierisches Fett, welches nicht leicht schmelzbar ist, bildet mit
der Soda eine Seife, welche haͤrter ist als die aus Kernoͤl und
thierischem Oele (Thrane) gebildete Seife, und diese lezteren Arten von Fett bilden
mit der Pottasche viel weichere Seifen als die Seifen aus Oliven-Oel und den
weniger schmelzbaren thierischen Oelen mit Pottasche. Meine Untersuchungen erklaͤren
diese Erscheinungen vollkommen. Man darf sich nur auf die Einwirkung des kalten
Wassers auf die Seifen erinnern, oder vielmehr auf die Salze, welche die Stear Ich nenne Stear-Saͤure eine Saure, welche mit der
Margar-Saͤure die hoͤchste Aehnlichkeit hat, und sich
von derselben dadurch unterscheidet, daß sie nur bei 70 Grad schmilzt, und
weniger Sauerstoff enthaͤlt. A. d. O. -Oel- und Margar-Saͤure mit der Soda und mit der
Pottasche bilden.
Die stearsaure Soda kann als Urbild aller harten Seifen betrachtet werden; zehn
Theile kalten Wassers scheinen auf einen Theil dieser Saͤure, dem Gewichte
nach gerechnet, keine Wirkung zu aͤußeren. Stearsaure Pottasche bringt mit
eben dieser Menge kalten Wassers einen diken Schleim hervor.
Oelsaure Soda ist in zehn Theilen ihres Gewichtes kalten Wasser aufloͤsbar;
oelsaure Pottasche bildet mit zwei Theilen ihres Gewichtes Wasser eine Gallerte, und
mit vier Theilen ihres Gewichtes eine Aufloͤsung. Sie ist zerfließend genug,
um in 100 Theilen bei einer Temperatur von 12 Graden in einer mit Wasserdampfen
gesaͤttigten Luft 162 Theile dieser Fluͤssigkeit aufnehmen zu
koͤnnen.
Die Verbindungen der Margar-Saͤure mit der Soda und Pottasche
unterscheiden sich von jener dieser Alkalien mit der Stearsaͤure nur dadurch,
daß das Wasser etwas mehr Wirkung auf dieselben aͤußert.
Die Verbindungen der Stear-Margar- und Oel-Saͤure mit
derselben Basis lassen sich auch unter einander in allen Arten von
Verhaͤltnissen verbinden.
Hieraus erklaͤren sich die Unterschiede, welche die Seifen hinsichtlich ihrer
Haͤrte und Weiche darbiethen, und folgende Resultate meiner Analysen sehr
gut.
1. Seifen aus Menschenfett und Pflanzen-Oelen bestehen aus Oel und
margarsauren Basen, deren Verhaͤltnisse gegen einander sehr verschieden sind,
und man bemerkt noch uͤberdieß, daß die Seifen desto weicher sind, je mehr
sie oelsaure Basis, folglich Margarsaͤure, enthalten.
2. Seifen aus Schaf-, Rinds- und Schweinfett und aus Butter bestehen, abgesehen von
den riechenden Salzen, die sie enthalten koͤnnen, nicht nur, wie die vorigen,
aus margar- und oelsauren Basen, sondern auch aus stearsauren, und man
bemerkt, daß ihre Haͤrte desto groͤßer ist, je groͤßer die
Menge der stearsauren Basis im Verhaͤltnisse zu der oͤlsauren ist.
Da ferner, zu Folge meiner Erfahrungen, vorzuͤglich die Stearine es ist,
welche die Stear- und Margar-Saͤure, und die Oleïne,
welche die Oelsaͤure liefert, so folgt 1tens, daß man nach dem
Verhaͤltnisse der Stearine zur Oleïne in den Fetten sowohl als in den
Oelen, welche zu Seifen taugen, den Grad der Harte oder Weiche der daraus
verfertigten Seifen voraussehen kann; dieses Verhaͤltniß laͤßt sich
aber durch den hoͤheren oder geringeren Grad der Schmelzbarkeit dieser
Substanzen leicht bestimmen; 2tens, daß es moͤglich ist, irgend eine gegebene Seife nach zu machen, wenn man Stearine und
Oleïne in einer solchen Menge nimmt, daß die Stear-, Margar-
und Oelsaͤure, welche sie durch Einwirkung der Alkalien zu liefern
vermoͤgen, unter sich in demselben Verhaͤltnisse stehen, in welchem
sie sich in der nach zumachenden Seife befinden. Wenn man also Oelen, die mit der
Soda nur welche Seifen geben wuͤrden, Koͤrper zusezt, welche viel
Stearine enthalten, wie z.B. das Wachs der Myrica Gale,
einer Substanz, die ein afrikanischer Baum in Menge erzeugt Myrica Gale ist keine Substanz, sondern ein
kleiner Baum, der nicht in Afrika, sondern im noͤrdlichen Europa und
America waͤchst, und dessen Fruͤchte eine gruͤne
wachsaͤhnliche Materie liefern. A. d. Ueb. , und die mir ein gelehrter englischer Reisender mittheilte, so kann man
Baumoͤl-Seife damit nachmachen, die von der
Kernoͤl-Seife nur dadurch verschieden ist, daß sie weniger
Oelsaͤure enthaͤlt.
ES ist offenbar, daß diese Grundbegriffe die Basis der gesammten Seifensiederkunst
bilden, und daß sie derselben einen Grad von Genauigkeit ertheilen, den sie nicht
ehe erhalten konnte, bis man den fetten Bestandtheil der Seife in drei
Saͤuren scheiden und einsehen lernte, warum die fetten Koͤrper, welche
eine Seife bilden, harte und weiche Seifen erzeugen.
II. Ueber Seifen in Hinsicht auf Geruch.
Die Seifen sind entweder geruchlos, wie jene aus
Menschen- und Schweinfett, oder sie riechen, wie
die Seifen aus Butter, aus Delphinen-Thran, aus Talg. Tiefer Geruch der
Seifen haͤngt von den durchaus verschiedenen Bestandtheilen der
Stear-, Margar- und Oelsaͤure ab; denn, wenn man diese im
Wasser aufgeloͤsten Seifen mit Weinstein-Saͤure zersezt, so
erhaͤlt man bei der Destillation der filtrirten waͤsserigen
Fluͤssigkeiten Producte, welche durchaus den Geruch der Seifen besizen, von
welchen man sie erhielt; und wenn man endlich die Stear-, Margar- und
Oelsaͤure hinlaͤnglich waͤscht, so bringt man diese
Saͤuren zu einem solchen Grade von Reinheit, daß, wenn man sie mit Pottasche
oder mit Soda verbindet, sie vollkommen geruchlose Seifen bilden.
Die Eigenschaften der Riechstoffe der Seifen sind wichtig genug, um die
vorzuͤglichsten derselben kennen zu lernen. Eine merkwuͤrdige
Thatsache ist diese, daß alle diese Riechstoffe sehr stark saͤuerlich sind,
und daß sie mit dieser Eigenschaft auch diejenigen verbinden, die man den
fluͤchtigen Oelen zugeschrieben hat, so zwar, daß diese Saͤuren eine
neue Reihe von Koͤrpern bilden, welche sich zu den fluͤchtigen Oelen
verhalten, wie die Stear-, Margar- und Oelsaͤure zu den fetten
Oelen.
Ich nenne Delphin-Saͤure (acide phocénigue) den Riechstoff in den Seifen
aus Delphin-Thran; Hircin-Saͤure (acide
hircique) den Riechstoff der Seife aus Schoͤpsen-Talg und Butter-Saͤure (acide
butirique) den Riechstoff, welchem die aus Kuhmilch butterbereitete Seife
und die Butter selbst den ihr eigenen Geruch vorzuͤglich zu danken hat, ich
sage vorzuͤglich, weil diese Koͤrper noch uͤberdieß zwei andere
Saͤuren enthalten, welche ich die Boksaͤure (acide caprique) und die Ziegensaͤure (acide
caproïque) nenne. Ich werde hier nicht die Weise beschreiben, wie
ich diese drei Arten, von Saͤuren aus der Butter im reinem Zustande erhielt;
werde jedoch bemerken, daß die von mir befolgte Methode, die uͤberhaupt bei
der Analyse den Aufloͤsungs-Mitteln mehr Genauigkeit gewaͤhrt,
juͤngeren Chemikern, die sich mit Analyse organischer Koͤrper
beschaͤftigen, den Weg andeuten kann, den sie bei Untersuchung organischer
Koͤrper einzuschlagen haben, wo es sich darum handelt, zu bestimmen, ob ein organischer Stoff als
eine Art unmittelbaren Grundstoffes oder als Vereinigung mehrerer Arten zu
betrachten ist: auf jeden Fall werden sie einsehen, daß sie Versuche anstellen
muͤssen, die sie sonst vernachlaͤßige haben wuͤrden.
Vergleichende Untersuchung der
Butter-Delphin- und Hircin-Saͤure.
(Bok-Saͤure).
Im Zustande eines Hydrates faͤngt die Butter- und
Delphin-Saͤure an bei einer hoͤheren Temperatur, als der
Siede-Punct, zu sieden, und jede derselben kann unveraͤndert
destillirt werden. Bei 9° unter 0 ist die Butter-Delphin- und
Ziegensaͤure (acide caproïque)
fluͤssig, waͤhrend bei 15° uͤber 0 die Boksaͤure
(acide caprique) in Gestalt von kleinen Nadeln
vorkommt.
Alle diese Saͤuren sind farbenlos, und riechen mehr oder minder: die
Butter- und Delphin-Saure hat einen weit staͤrkeren
aromatischen Geruch als die Bok- und Ziegen-Saͤure. Der Geruch
der beiden ersteren hat zwar einige Aehnlichkeit; es ist aber unmoͤglich, die
eine mit der anderen zu verwechseln, wenn man sie einmal gerochen hat. Die
concentrirte Butter-Saͤure hat, im Geruche, einige Aehnlichkeit mit
ranziger Butter- und Essig-Saͤure; wenn aber die Dampfe dieser
Saͤure sehr verduͤnnt sind, so wirken sie auf die
Geruchs-Nerven beinahe wie die Butter. Der Geruch der Ziegen- und
Bok-Saͤure hat einige Aehnlichkeit mit dem Schweiße; die
Bok-Saͤure unterscheidet sich aber von der Ziegen-Saͤure
(acide caproïque) durch etwas, was dem
Boks-Geruche aͤhnlich ist.
Alle diese Saͤuren haben einen brennenden Geschmak und einen Nachgeschmak nach
Zuker, wie der Salpeter- und Hydrochlor-Aether.
Bei 25° ist die Dichtigkeit der Butter-Saͤure 0,9675 der
Delphin-Saure 0,932, der Ziegen-Saͤure 0,923, der
Bok-Saͤure 0,910 bei 18°.
In Hinsicht auf Aufloͤsbarkeit in Wasser sind sie gar sehr von einander
verschieden. Die Butter-Saͤure loͤst sich in allen
Verhaͤltnissen auf, und eine Verbindung von 2 Theilen Saͤure und 1
Theile Wasser ist viel dichter als diese Fluͤssigkeit. Die uͤbrigen
Saͤuren sind weit weniger aufloͤsbar.
100 Theile Wasser
loͤsen
5,50 Delphin-Saͤure,
1,50 Ziegen-Saͤure,
0,12 Bok-Saͤure auf.
Alkohol loͤst diese Saͤuren in allen Verhaͤltnissen auf, und die
Aufloͤsungen der Butter- und der Delphin-Saͤure haben
einen aͤtherischen Geruch nach Reinette-Aepfeln, selbst dann, wenn
keine bemerkbare Quantitaͤt von Aether in demselben zu finden ist.
Die Butter-Saͤure verbindet sich mit Schweinfett und ertheilt demselben
Geruch und Geschmak der Butter: allein dieses aromatisch gewordene Fett verliert
seinen Geruch sehr bald, wenn es der freien Luft ausgesezt wird.
Wenn man diese Saͤuren mit Massicot verbindet, so entwikelt sich eine Menge
geruchloses Wasser, dessen Sauerstoff gleich ist derjenigen Menge, welche die
Saͤuren in den Basen saͤttigen, die sie neutralisiren; und diese Menge
ist gleich dem Drittel des in der Butter-Delphin- und
Ziegen-Saͤure enthaltenen Sauer-Stoffes.
Diese drei Sauren bestehen, dem Umfange nach,
als Buttersaͤure,
Delphinsaͤure,
Ziegensaͤure,
aus Sauerstoff
3
3
3
aus Kohlenstoff
8
10
12
aus Wasserstoff
11
14
19
Ich kann nicht umhin zu bemerken, daß, wenn statt der Verhaͤltnisse von 8
Kohlenstoff zu 11 Wasserstoff und von 12 Kohlenstoff zu 19 Wasserstoff, welche die
Versuche bei der Butter- und Ziegen-Saͤure bestimmten, man in
ersterer 8 Kohlenstoff und 12 Wasserstoff, in lezterer 12 Kohlenstoff und 18
Wasserstoff annehmen wuͤrde, das Verhaͤltniß dieser brennbaren
Koͤrper genau dasselbe seyn wuͤrde, in welchem sie sich in der
Essigsaͤure befinden. Da der Sauerstoff bei dieser nun 3 ist, so waͤre
er bei der Buttersaͤure 2. und 1 bei der Ziegensaͤure.
Die von der Butter- und Delphin-Saͤure gebildeten Salze
verbreiten im feuchten Zustande den ihrer Saͤure eigenen Geruch, besonders,
wenn man sie etwas erwaͤrmt, oder mit der Kohlensaͤure in
Beruͤhrung bringt. Der Geruch der buttersauren Salze ist durchaus dem Geruche
der frischen Butter aͤhnlich. Eben diese Salze sind aber im trokenen
Zustande, selbst bei einer Waͤrme von 100 Graden, vollkommen geruchlos.
Das Verhaͤltniß der Bestandtheile dieser Salze laͤßt sich sehr leicht
aus jenem der Bestandtheile der Saͤuren, welche sie bilden, ableiten: um
indessen die wichtigen Unterschiede zwischen den
Saͤttigungs-Capacitaͤten dieser Saͤuren beurtheilen zu
koͤnnen, will ich die Verhaͤltnisse derselben in den
Baryt-Verbindungen angeben:
100 Theile Buttersaͤure
neutralisiren
97,58 Baryt.
100 Theile Delphinsaͤure
neutralisiren
82,77 Baryt.
100 Theile Ziegensaͤure
neutralisiren
72,41 Baryt.
100 Theile Boksaͤure
neutralisiren
56,45 Baryt.
100 Theile Wasser zu 20 Grad
loͤsen auf 100
Theile delphinsauren Baryt.
100 Theile Wasser zu 20 Grad
loͤsen auf 36
Theile buttersauren Baryt.
100 Theile Wasser zu 20 Grad
loͤsen auf 8
Theile ziegensauren Baryt.
100 Theile Wasser zu 20 Grad
loͤsen auf 0,5
Theile boksauren Baryt.
Die delphinsaure Schwererde kristallisirt in großen Polyedern, welche Oktaeder zu
seyn scheinen; die buttersaure in langen Prismen; die boksaure in kleinen kugeligen
Kristallen. Obschon ich in diesem Auszuge nicht die Absicht haben kann, einzelne
Thatsachen aufzustellen, will ich doch folgender hier erwaͤhnen: 1tens, wenn
man mit buttersaurem Kalke gesaͤttigtes Wasser von 15° nimmt, welches
17 Theile Salz in 100 Theilen Wasser aufgeloͤst, enthaͤlt und dasselbe
einer Temperatur aussezt, die noch nicht zum Sieden hinreicht, so stokt sie zu einer
kristallinischen Masse. Der buttersaure Kalk ist also, wie seine Basis, im warmen
Wasser weniger aufloͤsbar als im kalten; er besizt aber diese Eigenschaft in
einem so ausgezeichneten Grade, daß ich die Akademie um Erlaubniß bitten muß,
dieselbe vor ihr in einem Versuche darzustellen; 2tens, die Aufloͤsung der
ziegensauren Schwererde kristallisirt, nachdem sie bei 30°
verduͤnstete, in Nadeln; in einer Luft von 18° aber verduͤnstet
kristallisirt sie in sechsseitigen Tafeln.
Die Hircinsaͤure (l'acide hircique) ist in der
Talgseife nur in einer so geringen Menge vorhanden, daß ich dieselbe bisher nicht
einer so großen Anzahl von Versuchen unterziehen konnte, wie die uͤbrigen.
Indessen habe ich doch so viel herausgebracht, daß sie ein im Wasser wenig
aufloͤsbares Hydrat bildet, welches bei 0° nicht erstarrt, daß sie
nach Bok riecht, daß sie ein mit der Schwererde nur wenig aufloͤsbares Salz
bildet, mit der Pottasche hingegen ein Salz, welches an der Luft zerstießt. Diese
Saͤure ist es,
welche der Schoͤpsensuppe jenen Geruch ertheilt, der sie von der Rindsuppe so
sehr unterscheidet.
Man wuͤrde nur eine sehr unvollkommene Idee von der Wichtigkeit der so eben
beschriebenen Sauren haben, wenn man sich darauf beschrankte, sie fuͤr sich
allein zu betrachten, und ohne alle Ruͤksicht auf den
Verbindungs-Zustand, in welchem sich ihre Elemente in dem Butterstoffe (butirine), Delphinstoffe (phocénine) und in der Hircine befinden, und auf die Eigenschaften,
die sie der Butter, den Oelen, und den Seifen ertheilen, die sie enthalten.
Der Butter- und Delphin-Stoff und die Hircine haben, ihren
Bestandtheilen nach, die groͤßte Analogie mit dem Aether, der aus einer
Saͤure und aus Alkohol gebildet wird. An diesen beiden Klassen von
Koͤrpern gibt es keine freie Saͤure; sobald aber das Gleichgewicht,
entweder durch die Kraft des Alkali, oder durch die Einwirkung der Luft und der Hize
gestoͤrt wird, zeigt sich die Saͤure. So erhaͤlt der
Butter- und der Delphinstoff, der, im Zustande der Reinheit, geruchlos ist,
wenn er der warmen Luft ausgesezt wird, den starken, seiner Saͤure eigenen
Geruch. Er roͤchet in diesem Zustande die Lakmus-Tinctur, und, wenn
man ihn mit Bittererde behandelt, erhaͤlt man butter- und delphinsaure
Bittererde. Da der Butterstoff und Delphinstoff nicht fluͤchtig sind, und
einen geringen Antheil von Riechstoff besizen, welcher, sobald man ihn der Luft
aussezt, frei wird, so werden diese Stoffe dadurch faͤhig, lange Zeit
uͤber zu riechen; denn, wenn der Riechstoff sich nicht in dem Maße
entwikelte, als er verduͤnstet, so muͤßten Butter und
Delphin-Thran bald aufhoͤren zu riechen, wenn man sie der Luft
aussezt, wie dieß an jener Art von kuͤnstlicher
Butter wirklich geschieht, die man durch Schwaͤngerung des Schmalzes
(axonge) mit Buttersaure erhaͤlt.
Es ist nicht uͤberfluͤssig, hier zu bemerken, daß man vor meinen
Untersuchungen uͤber die Butter und den Delphinthran keine deutlichen Ideen
uͤber die Natur des Riechstoffes dieser Substanzen hatte, und daß, wenn man
sie empirisch in einer damit geschwaͤngerten Atmosphaͤre erkennen
wollte, man wegen der Duͤnne dieser Dampfe nie zum Ziele gekommen seyn
wuͤrde. Wenn man nun die Ausduͤnstungen organischer Stoffe, die sich
unter so vielen
Umstaͤnden erzeugen, und die Luft fuͤr die thierische Oekonomie so
hoͤchst verderblich machen, ohne daß man sie bisher wegen der geringen Menge,
in welcher sie sich derselben beigemengt finden, untersuchen konnte, genauer
betrachtet, so laͤßt sich erwarten, daß man einst den Stoff dieser
Ausduͤnstungen in jenen Koͤrpern selbst finden wird, aus welchen sie
aufsteigen, so wie man den Riechstoff der Butter und des Delphin-Thranes in
diesen Substanzen selbst in hinlaͤnglicher Menge gefunden hat, um ihre Natur
erweisen zu koͤnnen.
Die chemische Analyse gibt gegenwaͤrtig die Ursache des Unterschiedes der
Butter der Kuhmilch hinsichtlich des Grades der Schmelzbarkeit und des Geruches an.
Je nachdem die Butter naͤmlich mehr oder weniger Stearine im
Verhaͤltnisse des Oelstoffes und des Butterstoffes enthaͤlt, ist sie
auch mehr oder weniger schmelzbar; und je nachdem sie mehr oder weniger Butterstoff
enthaͤlt, hat sie auch mehr oder weniger starken Geruch. Da endlich die
riechenden Sauren nicht immer in einem und demselben Verhaͤltnisse in
derselben vorkommen, so ist auch in derselben die Art des Geruches verschieden: jene
Butter, welche, in Hinsicht auf die Buttersaure, mehr Bok- und
Ziegen-Saͤure besizt, hat einen ganz anderen Geruch, als eine andere
Butter, bei welcher der entgegengesezte Fall eintritt.
Die Butter aus der Milch eines Weibes schien mir, nach einer oberflaͤchlichen
Untersuchung, die ich mit derselben anstellte, durchaus dieselben Grundbestandtheile
zu enthalten, die man in der Butter der Kuhmilch findet.
Die Butter aus Ziegen-Milch schien mir, außer obigen Bestandtheilen, auch
Hircinsaͤure zu enthalten. Es ist hoͤchst wahrscheinlich, daß der
Geruch, welcher die Ziegenmilch von der Kuhmilch unterscheidet, von derselben
Saͤure herruͤhrt.
Die Analyse der Butter, die ich gegeben habe Wir werden sie naͤchstens liefern. A. d. Ueb. , war noͤthig, um die unmittelbaren Bestandtheile der im Handel
vorkommende Kaͤse kennen zu lehren; denn die so mannigfaltigen
Geruͤche derselben sind vorzuͤglich der Entwikelung der Saͤure
und der Butter zuzuschreiben, und auch dem Umstande, daß die Gaͤhrung bis zur
Veraͤnderung der Boksaͤure fortgesezt wurde. Dieser lezten Ursache ist
der Geruch des Kaͤses von Roquefort zuzuschreiben, und als Beweis hievon
dient der Umstand, daß eine nasse boksaure Mischung, oder eine Aufloͤsung von
Boksaͤure, die man in einer Flasche, welche Luft enthaͤlt, sich selbst
uͤberlaßt, genau denselben Geruch gibt.
Ich will nicht behaupten, daß jeder Geruch der gegohrenen Kaͤse den in der
Butter enthaltenen Saͤuren zuzuschreiben sey, indem 1tens, bei der
Gaͤhrung stikstoffhaltiger organischer Koͤrper sich eine Saͤure
entwikelt, welche einen der Buttersaͤure aͤhnlichen Geruch gibt; und,
da die Kaͤse Kaͤsestoff (caséum)
enthalten, so hat man alle Ursache anzunehmen, daß diese Saͤure sich in den
gegohrenen Kaͤsen befindet; 2tens es sehr wahrscheinlich ist, daß die
Stearine und der Oelstoff ranzig werden, und so die Bildung jener zwei Producte
veranlassen koͤnnen, die ich in den ranzigen Fetten fand Der ranzige Geruch des Schweinfettes, welches der Beruͤhrung des
Sauerstoffes ausgesezt wird, ist wenigstens zwei Stoffen zuzuschreiben: 1.,
einer riechenden Substanz, die durchaus einem jener Produkte gleich ist,
welches die fetten Koͤrper geben, wenn man sie in Beruͤhrung
mit der Luft destillirt; 2. einer sauren Substanz, welche ich bei einem
ersten Versuche als ein im Wasser wenig aufloͤsliches Hydrat erhielt,
und das der Ziegensaͤure aͤhnlich war. Spaͤter glaubte
ich in dieser Substanz zwei verschiedene fluͤchtige Saͤuren
bemerkt zu haben. Ich werde in der Folge untersuchen, ob eine derselben
vorzuͤglich durch den Oelstoff erzeugt wird, und die andere durch
Stearine. A. d. O. .
Auch der unangenehme Geruch des mit Fischthran bereiteten Leders ist der in diesem
Fette enthaltenen Delphinsaͤure zuzuschreiben; denn das Wasser, welchem man
einige Tropfen von dieser Saͤure zusezte, nimmt nach und nach denselben
Geruch an.
Das Endresultat meiner hier vorgetragenen und fruͤheren Untersuchungen
ist,
1tens, daß die Entdekung einer geringen Anzahl fetter Koͤrper, die sich in
unbestimmten Verhaͤltnissen unter einander verbinden koͤnnen, die
Verschiedenheiten der Schmelzbarkeit, des Geruches, des Geschmakes, welche jene
ungeheuere Menge von
Seifen, Fetten, Butter- und Oelarten darbiethen, die wir in organisirten
Koͤrpern finden, erklaͤrt, und eine ganze Classe von Stoffen auf die
Geseze bestimmter Verbindungen zuruͤkfuͤhrt, die sich denselben
entziehen zu wollen schien. Es ist offenbar, daß die Stearine, der Oelstoff, der
Butterstoff, der Delphinstoff, die Hircine, die Cetine, zur Seife, zu den Fetten und
Butter-Arten, zu den Oelen, welche sie bilden, sich verhalten, wie die
Metalle (die, wie das Zinn und das Blei, das Zinn und das Kupfer, sich in allen
moͤglichen Verhaͤltnissen verbinden lassen) zu ihren Legirungen.
2tens, daß die Arten fetter Koͤrper, welche ich aufgestellt habe, in der
organischen Chemie eine neue Classe von Substanzen bilden, welche ausgezeichnet
verschiedene Gruppen darstellen: so haben wir saure und nicht saure fette
Koͤrper. Unter den ersteren findet man 1tens, die Stear-
Margar- und Oel-Saͤure, welche, hinsichtlich ihres Verhaltens
im Feuer, mit der Benzoësaͤure correspondiren. 2tens, die
fluͤchtigen Saͤuren, von welchen ich in diesem Aufsaze sprach, und
welche mit der Essig-Saͤure correspondiren. Unter den fetten, nicht
sauren Koͤrpern sind einige, wie die Cholesterine, das Ethal, welche auch
durch die staͤrksten Alkalien keine Veraͤnderung erleiden,
waͤhrend die anderen Arten, wie die Stearine, der Oel- Butter-
und Delphinstoff und die Hircine durch den Einfluß eines Alkali alle, auf der einen
Seite in einen milden Stoff, auf der anderen Seite in fixe oder fluͤchtige
fette Saͤuren verwandelt werden: es ist uͤbrigens nicht
unmoͤglich, daß diese lezteren Arten unmittelbar aus denselben Saͤuren
und demselben milden Grund-Stoffe bestehen, der als Basis dient. Man kann
indessen nicht umhin, die Substanzen, welche durch Seifenbildung die riechenden
Saͤuren bilden, in eine Gruppe von Aethern zusammen zu stellen, die man als
Verbindungen von Saͤuren und Alkohol betrachtet. Es ist sehr wahrscheinlich,
daß der Butterstoff, so wie ich denselben bereitete, eine Verbindung mehrerer Arten
unmittelbarer Grundstoffe ist, deren jede durch die Eigenschaft ausgezeichnet wird,
sich mittelst des Einflusses eines Alkali in einen milden Grundstoff und in ein
saures fluͤchtiges Salz verwandeln zu lassen.
3tens, daß die Unterschiede der Seifen ruͤksichtlich ihrer Haͤrte und Weichheit, und
der Eigenschaft geruchlos zu seyn oder zu riechen, nun erklaͤrt sind. Indem
ich mehr Seifen analysirte, als man zum Bedarfe wirklich noͤthig hat, habe
ich sie auf eine kleine Anzahl von Salzen zuruͤkgefuͤhrt. Ich habe
gezeigt, daß das Vorbild einer harten Seife stearsaure Soda, und jenes einer weichen
oelsaure Pottasche ist; daß folglich eine Seife, deren Basis Soda ist, desto
haͤrter wird, je wehr sie Stearsaͤure im Verhaͤltnisse zur
Oelsaͤure enthaͤlt, waͤhrend eine Seife, deren Basis Pottasche
ist, desto weicher wird, je mehr sie im Verhaͤltnisse zur Stear- und
Margarsaͤure Oel-Saͤure in sich faßt. Die mannigfaltigen
Geruͤche mehrerer Arten von Seife ruͤhren von den durchaus
verschiedenen Grund-Bestandtheilen der Stear- Margar- und
Oelsaͤure her, indem diese von ersteren vollkommen abgeschieden werden
koͤnnen.
4tens, daß man nicht bloß haͤrtere und weichere Seifen, als jene, die im
Handel vorkommen, erzeugen kann, sondern daß man auch, indem man Mischungen von
Stearine und von Oelstoff, die von sehr verschiedenen fetten Koͤrpern
herkommen, zur Seife bildet, jede von irgend einem fetten Stoffe gebildete Seife
vollkommen nachmachen kann. Ich habe bereits allen Grund zu glauben, daß die
Industrie von diesen Entdekungen die gluͤklichsten Anwendungen machen
wird.