Titel: | Ueber die Korngruben oder sogenannten Silos. |
Fundstelle: | Band 13, Jahrgang 1824, Nr. LIII., S. 255 |
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LIII.
Ueber die Korngruben oder sogenannten
Silos.
Ueber die Korngruben oder sogenannten Silos.
Wir haben in unserem polytechnischen JournalePolytechnisches Journal. Bd. 5. S.
347. Bd. 9. S. 329. Bd. 10. S. 123. schon mehrere Mahle uͤber diese Korngruben oder Silos gesprochen,
ohne daß unsere Stimme (vox clamantis in deserto!)
gehoͤrt worden zu seyn scheint. Wir leben aber auch in einem Lande, in
welchem gesegnete Erndten eine Strafe Gottes, Theuerung, der allgemeine Wunsch aller
Guͤterbesizer geworden ist. „Wenn der Kornwurm nur alles Getreide
auffraͤße auf den Kornboͤden,“ hoͤrten wir
neulich einen Pfarrer schwerer seufzen, als er selbst war. Wie soll man in einem
Lande, wo solche Wuͤnsche von Personen laut werden, auf eine Anstalt denken,
durch welche des Himmels schoͤnste Gabe, „taͤgliches
Brod,“ besser verwahrt werden koͤnnte, als auf
Kornboͤden, wo es den Verheerungen des Feuers, den Verwuͤstungen der
Insecten und den Prellereien der Verwalter und Baumeister ununterbrochen ausgesezt
ist. Daß Mißwachs und Theuerung einmahl wieder kehren kann, und daß dann Millionen
fuͤr dasjenige aus dem Lande gehen, was man zur wohlfeilen Zeit
gehoͤrig aufzuspeichern vergaß; daran scheint man schon aus diesem Grunde
allein nicht zu denken, weil man es wuͤnscht; denn alle Wuͤnsche sind, beim Lichte des
Verstandes betrachtet, anderes nichts, als Gedankenlosigkeiten. Es gibt Leute, die
nichts Neues gelernt, aber auch das Alte nicht vergessen haben; es gibt indessen
auch Leute, die das Alte vergessen, und nichts Neues gelernt haben, und die nichts
lernen wollen. Solchen Leuten laͤßt sich daß beruͤhmte Lehr-
und Lern-Instrument, genannt Nuͤrnberger-Trichter, nur am
Magen, nicht am Kopfe, appliciren.
Wir hoͤrten die Korngruben als eine Neuerung verschreien; diese Schreier
scheinen nicht zu wissen, daß diese Art das Getreide aufzubewahren die
aͤlteste, bei Griechen, Roͤmern und Arabern gewoͤhnliche, und
noch heute zu Tage in dem groͤßten Theile Europens (Ungarn, Sicilien,
Spanien, Tuͤrkei) beinahe die einzige und allgemein angewendete ist. Allein,
wie gesagt, es gibt Leute, die nicht nur nichts lernen wollen, sondern alles, was
sie lernten, vergassen.
Bei dieser, in unserem Lande allgemeinen Apathie oder vielmehr Antipathie gegen
Korngruben koͤnnen wir uns damit troͤsten, daß einer der ersten und
geistreichsten Landwirthe Frankreichs, Graf de Lasteyrie,
in seinem, im Namen einer Special-Commission im
Bulletin de la Société d'Encouragement pour
l'industrie nationale, N. 281. S. 241. erstatteten
Berichte uͤber die Korngruben oder sogenannten Silos durchaus
gleiche Ansichten und Erfahrungen mit uns theilt, und diese Aufspeicherungsart des
Getreides fuͤr die natuͤrlichste, wohlfeilste und sicherste
erklaͤrt. Wir koͤnnen unseren Lesern keine interessantere
Lectuͤre uͤber diesen Gegenstand empfehlen, als diesen Aufsaz des
edlen de Lasteyrie, und wollen, mit Umgehung seiner
Darstellung der so oft verkannten Notwendigkeit: „in wohlfeilen Zeiten zu
sparen, damit man in theuren nicht verarmt,“ nur die Thatsachen aus
seinem Berichte hier mit aller jener Treue anfuͤhren, die sie so sehr
verdienen.
Hr. de Lasteyrie beseitigt zuerst, nachdem er aus der
Geschichte und Laͤnder- und Voͤlkerkunde das Alterthum und die
Verbreitung dieser Art von Kornspeichern erwiesen hat, die Einwuͤrfe gegen
die Korngruben.
Man sagt: „unser Klima, unser Boden sey zu feucht“ Man vergißt aber hier, daß die Feuchtigkeit der Luft auf das Korn in den
Korngruben keinen Einfluß haben kann, indem der Luft aller Zutritt in diese Gruben
verwehrt ist, und verwehrt seyn muß, in Afrika wie in Europa; daß die Erde in allen
Klimaten des Erdballes in jener Tiefe, in welcher die Korngruben angelegt werden
muͤssen, gleich troken ist. Man vergißt endlich, daß man gerade in den
heissen Klimaten, wo diese Korngruben allgemein sind, weit mehr mit Naͤsse zu
kaͤmpfen hat, als in Europa: denn dort regnet es durch 3–4 Monate
ununterbrochen, als ob der Himmel ein Meer waͤre.
Man sagt: „der Kern des Getreides der warmen
Laͤnder ist mehr troken, mehr hornartig, zieht weniger Feuchtigkeit
an, und laͤßt sich folglich besser auf diese Weise in Korngruben
aufbewahren, als unser weicher Kern. Man hat aber in Ungarn, in
Italien, in SicilienSicilen, in Spanien eben so weiches Korn, als das unsere, und bewahrt es doch
unter der Erde mit Vortheil auf.
Man sagt: „Insecten und vorzuͤglich Kornwuͤrmer
vermehren sich in diesen Korngruben.“ Diese Behauptung ist
so sehr gegen alle Wahrheit, daß man sich dieser Korngruben in warmen
Laͤndern gerade deßwegen bedient, um das Getreide vor den Verheerungen der
Insecten zu verwahren, vor welchen man es auf andere Weise nimmermehr sichern
koͤnnte. Nie fand man in Italien, Sicilien, Spanien (und wir koͤnnen
hinzufuͤgen auch in Ungarn) Kornwuͤrmer in dem in den Silos
aufbewahrten Getreide. Man fand auch keine in den Korngruben, mit welchen man jezt
in Frankreich die ersten Versuche anstellte. Selbst diejenigen Kornwuͤrmer,
die man, zum Versuche, mit angestektem Korne in solche Gruben brachte, geriethen in
denselben, da es ihnen an aller Luft gebrach, die fuͤr Insecten so nothwendig
ist, als fuͤr Menschen, wenn sie lebend bleiben sollen, in einen
asphyktischen Zustand, und ihre weiteren Verheerungen hatten ein Ende. Einige
Halbgelehrte, die gewoͤhnlich alles verderben, was der gesunde
Menschenverstand des Ungelehrten gut macht, streuten Kalk in die Gruben, um die
Insecten dadurch zu vertilgen: allein, dieser Kalk mußte, insofern nicht aller
Sauerstoff, der noch in der Grube vorhandenen Luft in Kohlensaͤure verwandelt wurde, das
Athemholen der Insecten vielmehr beguͤnstigen, indem er, die
Kohlensaͤure einsaugend, das Verhaͤltniß des Sauerstoffes in dem noch
uͤbrigen Luftgemenge vermehrte. Wenn die Korngruben schlecht bereitet sind,
wenn in denselben, wie auf dem Kornboden, Luft zum Getreide gelangen kann; dann
koͤnnen allerdings Kornwuͤrmer in die Korngruben kommen: niemahls
aber, wenn alle Luft gehoͤrig abgesperrt ist.
Nach Widerlegung dieser Einwuͤrfe durch Thatsachen zeigt Hr. de Lasteyrie die Unbrauchbarkeit des Kasten- oder
Schachtel-Systemes der HHrn. Dartigues und Barbancois; die Unausfuͤhrbarkeit der an sich
guten Methode, das Getreide in bleiernen Buͤchsen mit luftdichten Dekeln
aufzubewahren, weil sie zu kostbar ist; und erklaͤrt sich hierauf unbedingt
fuͤr die Korngruben, und zwar fuͤr die einfachsten, in trokene Erde gegrabenen, und mit Stroh ausgelegten. Zu Ivry hat man solche Gruben in Fels gehauen, und die
Waͤnde mit einer Mischung von Oehl, Wachs und Bleiglaͤtte
uͤberzogen, um dieselben troken zu halten; allein, obschon das Getreide sich
gut in denselben hielt, ist dieses Verfahren nicht uͤberall anwendbar.
Die zu Paris an der Schlachtbank der Vorstadt Roule (Abbatoir
du Roule) angelegten, ausgemauerten, mit Blei an den Waͤnden
belegten und mit Stroh, Sand und Kalk zugedekten Gruben mißlangen alle, weil sie
Luft und Feuchtigkeit zuließen, und Insecten und Schimmel dadurch
beguͤnstigten. Aus diesen und aus mehreren anderen, mit in Flaschen
aufbewahrtem Getreide angestellten Versuchen erhellt, daß Absperrung aller Luft und
Feuchtigkeit die erste Bedingung zur guten Aufbewahrung des Getreides ist, weßwegen
Hr. de Lasteyrie auch dem aus Eichenholz aufgezimmerten
Magazine im Grenier d'Abondance keinen Beifall geben
kann.
Man mauerte zum Versuch zu Paris Gruben aus (fosses de
St. Louis), und suchte zu bestimmen, welches
Bau-Materiale hierzu am beßten taugte. Man waͤhlte abwechselnd
Ziegels-Steine, Bruchsteine, (moellon),
Muͤhlsteine, mageren und fetten Kalk, und Tuͤnche von Erdharz, von
Moͤrtel mit Bleiweiß und Oehl, und Anwurf von magerem Kalke und Sand. Nachdem
diese Gruben ein Jahr lang mit Getreide gefuͤllt waren, untersuchte man dasselbe, und fand
es uͤberall, wo es an dem Anwurfe von Moͤrtel aus magerem Kalke, oder
an den mit Erdharz oder Oehl und Bleiglaͤtte uͤbertuͤnchten
Waͤnden anlag, vollkommen gut erhalten, an den nakten Waͤnden aber auf
1–3 Zoll weit verschimmelt oder verfault. Hr. de
Lasteyrie empfiehlt daher, die Waͤnde mit Moͤrtel aus magerem
Kalke und Sande zu uͤberziehen, und glaubt, daß auch fetter Kalk eben so gut
dienen wuͤrde. Es scheint uns aber, daß die einfachen ungarischen Silos ohne allen Moͤrtel in trokener Erde weit besser sind.
Hr. de Lasteyrie raͤth dem Minister des Inneren im
Namen der Commission Aufmunterungs-Medaillen Denjenigen zu ertheilen, die
solche Silos anlegen, und in Paris selbst einen Muster-Silo bauen zu
lassen.