Titel: | Untersuchungen über die Salpeter-Bildung. Vorgelesen bei der Akademie roy. des Sciences de l'institut, den 29. November 1823, von Hrn. Julia Fontenelle, Professor der medicinischen Chemie. |
Fundstelle: | Band 13, Jahrgang 1824, Nr. LXXIII., S. 345 |
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LXXIII.
Untersuchungen über die Salpeter-Bildung.
Vorgelesen bei der Akademie roy. des Sciences de l'institut, den 29.
November 1823, von Hrn. Julia
Fontenelle, Professor der medicinischen Chemie.
Aus dem Journal de Pharmacie. Jaͤner 1824. S.
14.
Untersuchungen über die Salpeter-Bildung.
Unter allen im mittaͤgigen Frankreich betriebenen
chemischen Kuͤnsten ist jene des Salpeter-Sieders am meisten die Bente
des blinden Herkommens. Vergebens wird man sich bemuͤhen, die meisten dieser
Fabrikanten aufklaͤren zu wollen: sie legen die fuͤr sie bestimmte und
oͤffentlich bekannt gemachte Instruction bei Seite, und glauben non plus ultra ihrer Kunst zu seyn, wenn sie die von
ihren Vorgaͤngern ihnen uͤberlieferte Methode puͤnctlich
befolgenC'est tout comme chez nous. A. d. Ueb.. Daher findet auch die Administration des Pulvers und Salpeters so ungeheuere Verschiedenheiten
in den Produkten derselben. Wenn diese Salpetersieder ihre Werkstaͤtten
verkaufen, so verkaufen sie auch mit denselben ihren Schlendrian, den sie ihr
Geheimniß zu nennen belieben, und schleppen sich so am Seile der Unwissenheit von
einer Generation zur anderen fort. Dieß waren die Gruͤnde, welche mich im
Jahre 1817 bestimmten Mehrere Versuche anzustellen, um durch Studium der
salpeterartigen Erden und der zur Salpeter-Bildung unentbehrlichen Substanzen
die Salpeter-Erzeugung zu verbessern. Ich nahm in dieser Hinsicht am 5. April
1817 siebzehn hoͤlzerne Kuͤbel, jeden von 10 Zoll Tiefe, und stellte
dieselben in einen weiten geraͤumigen Schoppen. Ich gab in den
Kuͤbel
N. 1.
20
Kilogramme
ungewaschenen Kalksand.
N. 2.
–
–
–
– gepuͤlverten Granit
von den Ost-Pyrenaͤen.
N. 3.
–
–
gewaschenen Kaltsand.
N. 4.
–
–
ebendenselben.
N. 5.
–
–
gewaschenen gepuͤlverten Granit.
N. 6.
–
–
ebendenselben.
N. 7.
–
–
thonartige Erde.
N. 8.
–
–
Erde, wie sie auf ein Kornfeld taugt.
N. 9.
–
–
dieselbe, mit 1/3 guten gepuͤlverten
Gipsschutt.
N. 10.
–
–
dieselbe, mit 1/10 Schafmist.
N. 11.
–
–
dieselbe, mit 1/10 Roßmist.
N. 12.
–
–
dieselbe, mit 1/10 Kuhmist.
N. 13.
–
–
dieselbe, mit 1/10 thierischer
Duͤngererde.
N. 14.
–
–
dieselbe, mit 1/10 vegetabilischer
Duͤngererde.
N. 15.
–
–
dieselbe, mit 1/10 WeidenerdeWeidenerde nennt man jene
vegetabilisch-thierische Duͤngererde, die man in dem
Stamme alter Weiden findet. Sie zeichnet sich durch ihre
Schwaͤrze, Leichtigkeit, und zuweilen durch einen gewissen
Glanz aus. Sie ist mit dem Safte und mit den Gerippen der Insecten
gemengt, die sich in diese Staͤmme fluͤchten, und
darin sterben. A. d. O.
N. 16.
–
–
dieselbe, mit 1/10 vegetabilisch-thierischer
Duͤnger Erde mit 1/8 (sic!) guten
Gipsschutt.
N. 17.
–
–
dieselbe, mit 1/10 Ochsenblut, welches mit zwei Theilen
Wasser verduͤnnt war.
Diese Erden blieben in diesen Kuͤbeln drei Jahre lang, und wurden
waͤhrend dieser Zeit alle 3 Monate umgeruͤhrt, und mit 1/15 destillirtem Wasser
begossen, mit Ausnahme von N. 4 und 5, welche mit
gemeinem Wasser begossen wurden. Nach drei Jahren wurden diese Erden
sorgfaͤltig ausgelaugt, und die Producte einer chemischen Analyse
unterworfen. Das Resultat dieser Arbeit war:
1tens, daß der gewaschene, und mit destillirtem Wasser begossene Sand und Granit
keine Spur von salpetersauren Verbindungen zeigte.
2tens, daß der nicht gewaschene, und mit destillirtem Wasser begossene Sand und
Granit schwache Spuren von salpetersauren Verbindungen zeigte.
Der
mit gemeinem Wasser begossene Sand und Granit gab 2/500
salpetersaure Verbindungen.
Die
thonartige Erde mit destillirtem Wasser begossen gab
8/500 salpetersaure Verbindungen.
Die
Erde, wie sie fuͤr ein Kornfeld taugt, gab
15/500 salpetersaure Verbindungen.Vor dem Versuche hatte ich eine gleich große Menge dieser Erde
ausgelaugt: sie gab mir 13/500 salpetersaurer Verbindungen A. d.
O.
Die
Erde
mit
1/3
Gipsschutt
gab
19/500
salpetersaure
Verbindungen.
–
–
–
1/10
Schafmist
–
28/500
–
–
–
–
–
1/10
Roßmist
–
24/500
–
–
–
–
–
1/10
Kuhmist
–
22/500
–
–
–
–
–
1/10
thierischer Duͤngererde gab 30/500 salpetersaure
Verbindungen.
–
–
–
1/10
vegetabilischer Duͤngererde gab 20/500
salpetersaure Verbindungen.
–
–
–
1/10
Weidenerde gab 25/500 salpetersaure
Verbindungen.
–
–
–
1/10
vegetabilisch-thierischer Duͤngererde und
1/5 (sic!) guten Gipsschutt, gab 40/500
salpetersaure Verbindungen.
–
–
–
1/10
Blut gab 24/500 salpetersaure Verbindungen.
Aus diesen verschiedenen Versuchen, glaube ich schließen zu koͤnnen:
1.) Daß Luft und Wasser nur zur Salpeter-Bildung mit beitragen, und daß diese
beiden Substanzen vereint, ohne vegetabilische und thierische Stoffe im Zustande
ihrer Zersezung, nichts vermoͤgen: denn leztere bilden die
Haupt-Basis.
2.) Daß, wenn der mit Brunnenwasser begossen Kalksand und Granit einige Spuren von
salpetersauren Verbindungen zeigte, dieß von Salzen herruͤhrt, die sich immer
im Wasser, so wie in den thierischen und vegetabilischen Stoffen befinden, welche
dasselbe immer enthaͤlt, wie die Faͤulniß des Wassers in den Kufen
beweiset, worin es aufbewahrt wird.
3.) Daß die Kieselerde zur Salpeter Bildung nicht geeignet und die Kalkerde besser
ist als die thonartige Erde.
4.) Daß die Reste thierischer und vegetabilischer Koͤrper die
unerlaͤssigsten Bedingungen zur Salpeter-Bildung sind, und daß eine
Mischung aus Erde und zersezten Pflanzentheilen weniger liefert, als eine
aͤhnliche Mischung mit thierischen Resten.
5.) Daß Schafmist besser ist als Roßmist, und dieser besser als Kuhmist.
6.) Daß das beßte Mittel zur Beschleunigung der Salpeterbildung und zur Gewinnung der
groͤßten Menge Salpeters darin besteht daß man Erde aus Neubruͤchen
mit zersezten thierischen und vegetabilischen Substanzen und mit gutem
Gips-Schutte in Verhaͤltnissen mengt, welche eine Reihe von Versuchen
allein noch bestimmen kann. Es gibt eine Menge von Pflanzen-Stoffen, welche
die Salpeter-Bildung sehr beguͤnstigen: dahin gehoͤren die
Getreide-Arten. Im mittaͤgigen Frankreich bringen die
Kornhaͤndler ihr Getreide sehr oft in niedrige und feuchte Magazine. Nachdem
dasselbe 5 bis 6 Monate lang darin aufbewahrt ward, findet man ungefaͤhr 40
Tage nachher, nachdem man das Magazin ausgeleert hat, den ganzen Boden mit einer
weissen Auswitterung beschlagen, die 80 per Cent salpetersaure Verbindungen liefert,
wovon 12 per Cent salpetersaure Pottasche sind. Einen Monat spaͤter kommt
dieselbe Auswitterung wieder, und auch an den inneren Waͤnden des
Gemaͤuers. Dasselbe habe ich auch in Spanien in den Silos (Erdgruben)
bemerkt, in welchen man in einigen Gegen, den daselbst das Getreide aufbewahrtWenn das Getreide, vorzuͤglich wenn es in niedrigen und feuchten Orten
aufbewahrt wird, reichlich Salpeter-Bildung beguͤnstigt,
sollte dieß nicht davon herruͤhren, daß es in seinen Koͤrnern
vielen Stikstoff enthaͤlt, und daß diese anfangen eine Art von
Veraͤnderung zu erleiden, indem sie sich, in bedeutenden Massen
aufgehaͤuft, erhizen? Die Pflanzenstoffe
wuͤrden also nur, insofern sie Stikstoff enthalten, und
dadurch die thierischen Stoffe vertreten, zur Salpeter-Bildung
beitragen. Anm. d. Redact. des J. de Pharm..
In der Abhandlung, welche Hr. Longchamps der k. Akademie
der Wissenschaften in ihrer lezten Sizung vorlegte, hat dieser Chemiker seine
Theorie uͤber Salpeter-Bildung auf eine Thatsache gegruͤndet,
die in derselben Sizung durch die Meinung des gelehrten Hrn. Vaquelin unterstuͤzt wurdeTraité de Chemie.. Wenn man aber diese Thatsache genau pruͤft, so beweiset sie gerade
fuͤr das Gegentheil. Es ist bekannt, daß der Eingang der Hoͤhlen
haͤufig von Herden, Hirten, Jaͤgern etc. besucht wird, welche alle,
vorzuͤglich die ersteren, daselbst thierische und vegetabilische Stoffe
zuruͤklassen. Daß dieß wirklich so ist, erhellt aus Folgendem. Ich habe im
Jahre 1820 eine Erde ausgelaugt, welche 100 Schritte weit von dem Eingange einer
Grotte in einem Kalkfelsen in der Nahe von Narbonne weggegraben wurde: der Boden
dieser Grotte war einen halben Fuß hoch mit dem Miste der Fledermaͤuse
bedekt, die das Gewoͤlbe derselben uͤberzogen. Diese Erde gab mir
37/500 salpetersaure Verbindungen, waͤhrend die Erde am Eingange der Grotte
nur 15/500 derselben enthielt.
Wenn die Theorie des Hrn. Longchamps richtig waͤre,
so muͤßten alle Erden, die aus denselben erdigen Bestandtheilen bestehen und
in gleicher Lage vorkommen, salpeterhaltig seyn: die Erfahrung hat indessen das
Gegentheil bewiesen.
Hr. Thenard hat in seinem vortrefflichen WerkeSoviel ich nach der Abhandlung des Hrn. Longchamps, die ich vorlesen hoͤrte, urtheilen kann,
waͤre die Luft allem dasjenige, was bei der Salpeter-Bildung
thaͤtig ist, und sie allein koͤnnte, ohne Das zwischenkunst
organischer Koͤrper, die sich zersezen, und unter anderen
Umstaͤnden nur eine Neben alle spielen wurden alles erzeugen. A. d.
O. eine Tatsache aufgestellt, die entscheidend zu seyn scheint, naͤmlich
diese, daß der Gipsschutt von den oberen Theilen der Gebaͤude nur Spuren von
Salpeter zeigt, waͤhrend jener von dem Erdgeschosse allein ausgelaugt werden;
kann, und oͤfters 5/10 salpetersaure Verbindungen gibt.
Man erkennt aus diesem Beispiele den wichtigen Einfluß der thierischen und
vegetabilischen Stoffe auf diese Operation der Natur. Waͤren diese Stoffe
nicht die unerlaͤßlichsten Bedingungen der Salpeter-Bildung, so
waͤre diese in den oberen Theilen der Gebaͤude eben so stark, wie in
den unteren.
Die Salpetersieder selbst verkennen diesen wichtigen Einfluß nicht. Wuͤrden
sie sich sonst die Muͤhe geben und den Aufwand machen, die Erde der
Stallungen, der Mistgruben etc. so weit her zu hohlen? Ich will nicht behaupten, daß
meine Erfahrungen entscheidend sind; wenn ich einigen Welch darauf lege, so
geschieht es deßwegen, weil sie mit der Ansicht eines franzoͤsischen
Chemikers uͤbereinstimmen, dessen Name so beruͤhmt ist, daß ich
denselben nicht anzufuͤhren brauche: ich meint Hrn. Gay-Lussac. Aus
den Reibungen entgegengesezten Meinungen entbindet sich der Funke der Wahrheit. Dieß
war auch der Grund, aus welchem ich das Resultat meiner Erfahrungen der k. Akademie
der Wissenschaften hier vorlegte.