Titel: | Ueber die Lenkung der Aerostaten. Von David Meltzl in Wien. |
Autor: | David Meltzl |
Fundstelle: | Band 14, Jahrgang 1824, Nr. XXI., S. 63 |
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XXI.
Ueber die Lenkung der Aerostaten. Von David Meltzl in WienDer Hr. Verfasser, ein Schuͤler des k. k. polytechnischen Instituts in
Wien, hat seinen Gegenstand wissenschaftlich durchdacht, und in dieser
Abhandlung gute und eigenthuͤmliche Ansichten aufgestellt, welche
fuͤr Physiker und Freunde der Aerostatik von Interesse sind. D..
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Meltzl über die Lenkung der Aerostaten.
Es ist eine bekannte Erfahrung der Luftschiffer, daß in
verschiedenen Hoͤhen uͤber der Erd-Oberflaͤche,
verschiedene in ihren Richtungen sich kreuzende Luftstroͤmungen Statt haben.
Auch ist der Vorschlag nicht neu, die in den verschiedenen Regionen der
Atmosphaͤre veraͤnderliche Richtung der Winde zur Lenkung der
Aerostaten zu benuzen.
Man erfand ein einfaches aber gefaͤhrliches Mittel (Ausdehnung des
Wasserstoffgases durch Erwaͤrmung) die Steigkraft des Aerostaten in der Luft
zu reguliren, und hielt es nun fuͤr leicht, in irgend einer Hoͤhe der
Atmosphaͤre, die der vorgenommenen Fahrt guͤnstigsten Winde
aufzufinden.
Nachdem aber der Versuch dieser Lenkungs-Methode zwei kuͤhnen
Maͤnnern verderblich wurde: konnten bei den spaͤteren Aeronauten weder
die Roziersche Gluthpfanne, noch die Zambaccarische Weingeistlampe ferneren Eingang
finden.
Mit großer Standhaftigkeit verfolgte der ungluͤkliche Zambaccari seine
Theorie. Er scheint der festen Ueberzeugung gewesen zu seyn, das wahre und einzig
moͤgliche Mittel zur Lenkung des Luftballes gefunden zu haben.
Man wird heutzutage diese Ueberzeugung in so ferne mit ihm theilen: Die eigenthuͤmlichen Bewegungen der Atmosphaͤre,
sind die einzige Gewalt, welcher der Luftball in seiner fortschreitenden
Bewegung je gehorchen wird. Da die Richtung dieser bewegenden Kraft in den
verschiedenen Hoͤhen der Atmosphaͤre verschieden ist, so kann sie
zur Lenkung
des Luftballes, vielleicht benuzt, aber nicht bekaͤmpft
werden. Wenig vermag selbst der Seemann mit seinen Rudern gegen Wind und
Welle, seine activen Bewegungen sind schwach und langsam, er vertraut sich der
Gewalt der Elemente. Zwei Kraͤfte fuͤhren ihn, der Stoß des Windes und
der Widerstand des Wassers; die Diagonale beider Kraͤfte ist seine Bahn.
Mit zwei componirenden Kraͤften (deren Einwirkung auf sein Fahrzeug er durch
Steuer und Segel zwekmaͤßig zu leiten weiß) muß also der Seemann fuͤr
die meisten seiner Bewegungen ausreichen. Der Luftfahrer haͤtte vielleicht
unter unzaͤhligen bewegenden Kraͤften freie Wahl, wenn er zwei in
verschiedenen Hoͤhen herrschende Winde, gleichzeitig zu benuzen wuͤßte, so wie der Seefahrer, die genannten
zwei componirenden Kraͤfte, auf sein Fahrzeug gleichzeitig einwirken
laͤßt.
Zwar moͤgen die in den verschiedensten Richtungen uͤbereinander
hinstroͤmenden Luftschichten, durch keine so scharfe Graͤnzen
abgesondert seyn, wie etwa die Meeresoberflaͤche, und die daruͤber
ruhende Atmosphaͤre; es waͤre mißlich, uͤber dem Luftballe
einen 1/4 Meile hohen Mast zu errichten, um daran ein Segel befestigen zu
koͤnnen, welches in einer andern Hoͤhe, einen anderen Winde ausgesezt
waͤre. Leichter jedoch koͤnnte man umgekehrt bauen, ein Luftschiff mit
herabhaͤngendem Maste und Segel. Ein leichtes, am Aequator des Balles
befestigtes seidenes Seil, von einigen hundert Klaftern, vertraͤte hier die
Stelle des schweren Mastes. Am unteren Ende dieses, wenn gleich geschmeidigen, doch
hinreichend starken Mastes, waͤre das Segel befestiget, welchem das Gewicht
des Luftfahrers und des daran Hangenden Mastkorbes (seines Standortes) die
noͤthige Spannung ertheilte.
Wollte man ein Segel unmittelbar uͤber oder unter dem Luftballe anbringen,
(wie bereits der Vorschlag gemacht wurde) so wuͤrde der in der Hoͤhe
des Balles herrschende Wind, das ganze Fahrzeug sammt Segel und Steuer so lange
beschleunigen, bis der Hochfahrer mit der ihn tragenden Luftmasse dieselbe Richtung
und Geschwindigkeit erlangt haͤtte. Umsonst wuͤrde er nun seine Segel
ausspannen, denn fuͤr ihn herrscht jezt eine vollkommene Windstille.
Fruchtlos wuͤrde er sein Steuer drehen und wenden, weil lezteres den
noͤthigen Widerstand, um auf die Stellung des Fahrzeuges ruͤkwirken zu
koͤnnen, da nirgends antraͤfe, wo sich Alles in relativer Ruhe
befindet.
Ganz anders verhaͤlt sich die Sache, wenn Segel und Luftball in verschiedenen
Hoͤhen zwei verschiedenen Luftstroͤmen ausgesezt sind. Hier kann diese
relative Ruhe nie eintreten. Ein frischer Wind muͤßte fortan das Segel
schwellen, und nach der verschiedenen Stellung desselben dem Fahrzeuge eine andere
Richtung ertheilen.
Wir wollen nun insbesondere sehen, welche Vortheile man dadurch erreichen
koͤnnte, wenn ein gewoͤhnlicher kugelrunder Ball, auf obige Art mit
Mast und Segel ausgestattet wuͤrde.
Es sey
ab, Fig. 15, die Richtung und
Geschwindigkeit des oberen Windes (in der Hoͤhe des Luftballes),
ac die Richtung und Geschwindigkeit des unteren
Windes (in der Hoͤhe des Segels),
so wird die Richtung und Geschwindigkeit des Luftfahrers ferner abhaͤngen:
Von dem Verhaͤltnisse der Segelflaͤche zur Oberflaͤche des
Luftballes.
Von der Stellung des Segels gegen die Richtung des Windes.
1) Ist die Ebene des Segels senkrecht gegen die Richtung des Windes gekehrt: so muß
die Richtung der Bewegung nothwendig zwischen ab
und ac fallen. Der Luftfahrer kann sich jedoch
beiden dieser Richtungen nach Belieben naͤhern, je nachdem er die
Stoßflaͤche seines Segels vergroͤßert oder verkleinert. Er kann der
Richtung ab allein folgen, wenn er sein Segel ganz
einzieht; er kann der Richtung ac sehr nahe
kommen, wenn er sein Segel ganz entfaltet, um so naͤher, je groͤßer
die Flaͤche des Segels ist, im Verhaͤltniß zur Oberflaͤche des
Luftballes, denn Lezterer erleidet schon wegen seiner Kugelgestalt einen kleineren
Stoß.
2) Ist aber das Segel gegen die Richtung des Windes schief gestellt: so kann die
Richtung der Bewegung auch außerhalb des Winkels cab liegen. Und zwar: a bilden die Richtungen
der zwei Winde ab und ac einen spizigen, doch nicht allzukleinen, Winkel: so kann sich der
Luftfahrer von der Richtung des unteren Windes beiderseits ziemlich nahe um 90 Grade
entfernen.
Um dieß zu zeigen, sey der Winkel bac
Fig. 16.
kleiner als 90° und cd die Projektion der
Segelflaͤche auf den Horizont.
Dieß vorausgesezt, erleidet das Segel von dem unteren Winde einen Stoß in der
Richtung ad senkrecht auf dc. Die componirenden Bewegungen, zwischen welche
die Richtung des Luftfahrers fallen muß, sind daher ab und ad. Wenn der Luftfahrer sein
Segel ganz entfaltet, so kann er der Richtung ad
sehr nahe kommen, weil die Kraft ad zunimmt, so
wie sich die Flaͤche des Segels vergroͤßert. Es ist aber der Winkel
dac nahe gleich 90°, wenn der Winkel
dca nur klein ist; folglich wird auch der Weg
des Luftfahrers, welcher von ad nur wenig
abweicht, die Richtung des Windes ac unter einem
Winkel schneiden, der nicht viel kleiner ist, als 90° B. (Fig.
17) sey der Winkel bac groͤßer
als 90°. Die horizontale Projection der Segelflaͤche cd sey senkrecht auf die verlaͤngerte
Richtung des oberen Windes ad. Die
Segelflaͤche erleidet hier einen schiefen Stoß in der Richtung ad (normal auf cd) welche entgegengesezt ist der Richtung des
oberen Windes ab. Ist also die Segelflaͤche
groß genug: so wird sich der Luftfahrer von a nach d gegen die Richtung des oberen Windes bewegen. Er kann
sogar die Richtung af erlangen, also dem unteren
Winde entgegenfahren, wenn er der Segelflaͤche gegen den Wind eine noch
schiefere Stellung gc gibt, so daß die Diagonale
der nunmehr thaͤtigen Seitenkraͤfte ag (senkrecht auf gc) und ab nach af
hinfaͤllt. Da nun der Luftfahrer im Stande ist jedem der zwei Winde entgegen
zu fahren: so wird es ihm in den vorausgesezten guͤnstigen Umstaͤnden
um so leichter seyn, jede andere Richtung anzunehmen.
Zwei in ihren Richtungen ganz entgegengesezte Winde, werden der vollkommenen Lenkung
nach allen Richtungen (einem Luftmaneuvre) am guͤnstigsten seyn.
Aber auch Winde, die in ihrer Richtung gar nicht von einander abweichen, sondern nur
in ihrer Geschwindigkeit verschieden sind, kann der Luftfahrer zur Lenkung seines
Fahrzeuges benuzen. Er kann sich ihrer mit Vortheil bedienen, wenn die Differenz der zwei
Geschwindigkeiten sehr groß, oder wenn die eine gleich Null ist.
Die Vermehrung oder Verminderung der Segelflaͤche duͤrfte einem
unerfahrenen Steuermanne die Lenkung des Luftschiffes in vielen Faͤllen
erleichtern. Wie man jedoch leicht einsehen wird, ist es nicht unumgaͤnglich
nothwendig, das Segel zum Einziehen einzurichten; weil man mit einer passenden
Stellung des Segels in allen bisher beruͤhrten Faͤllen ausreichen
wuͤrde.
So wie das Wasserschiff, muͤßte auch das Luftschiff mit einem Steuer versehen
seyn. Bei lezterem aber haͤtte das Steuer eine andere Bestimmung. Nicht etwa
die, das kugelrunde Schiff, an dessen Stellung gar nichts gelegen ist,
herumzutummeln, sondern die, das Segel in der jedesmal erforderlichen Lage zu
befestigen.
Dieser seiner Bestimmung gemaͤß, wird man auch das Steuer nicht am
Hintertheile des Schiffes anbringen wollen, sondern an dem mit dem Segel fest
verbundenen Mastkorbe dem Standorte des Steuermannes.
Es sey der Punct a
Fig. 13 die
Projection der Drehungs-Achse des Steuer-Ruders und ab die Richtung und Geschwindigkeit des
Luftfahrers. Man stelle sich einstweilen vor, er bewege sich in ruhiger Luft, welche
seiner Bewegung ab in der ihr entgegengesezten
Richtung ad Widerstand leisten wird, eben so, wie
wenn der Luftfahrer gar nicht, die ihn umgebende Luft hingegen in der Richtung ad sich bewegen wuͤrde. Das Steuer wird in
diesem Falle auch die Richtung ad annehmen
muͤssen, um dem Widerstande der Luft auszuweichen.
Befindet sich der Luftfahrer in einer bewegten Luftschichte: ist ac die Richtung und Geschwindigkeit des Windes; so
empfindet der Luftfahrer in der Richtung af einen
Widerstand, naͤmlich in der Richtung, der aus ad und ac resultirenden Bewegung, eben
so, wie wenn ihm im Zustande der Ruhe ein Luftstrom in der Richtung af begegnete. Das Steuer wird hier ebenfalls das
Bestreben haben in der Lage af zu verharren, und
wenn es aus dieser Lage gewaltsam verruͤkt wird, so muß sich der Mastkorb und
das darin befestigte Segel so weit umdrehen, bis das Steuer in seine alte Lage wieder
zuruͤkkoͤmmt.
Diese Erklaͤrung sezt voraus: das Steuer sey so angebracht, daß die
verlaͤngerte Umdrehungsachse desselben, die Segelflaͤche in zwei
gleiche Haͤlften theile, so zwar, daß auch die statischen Momente des
Windstoßes, dießseits und jenseits jener Theilungslinie gleich groß seyen. Nur dann
ist die Annahme gegruͤndet, daß das Steuer immer diejenige Lage beibehalten
werde, in welcher es jedem Widerstande der Luft entgeht.
Bei dem bisher betrachteten kugelfoͤrmigen Luftschiffe, wird die Lenkung
dadurch um Vieles erschwert, und fuͤr gewiße Faͤlle unmoͤglich,
daß der Stoß des Windes gegen die Oberflaͤche des Balles, weder in seiner
Richtung noch Intensitaͤt auf irgend eine Weise modificirt werden
koͤnne.
Gaͤbe man aber dem Luftschiffe eine Gestalt, welche sich dem
laͤnglichen Baue des Wasserschiffes mehr naͤherte, etwa die eines
laͤnglichen stark excentrischen Ellipsoides: so wird die Richtung und
Groͤße des Stoßes, je nach der verschiedenen Lage der Achse dieses
Ellipsoides gegen die Richtung des Windes sehr verschieden seyn. Der Stoß in der
Richtung der Achse, waͤre fuͤr alle Faͤlle viel kleiner als
der, gegen ein kugelfoͤrmig gestaltetes Luftschiff.
Der erste einleuchtende Vortheil waͤre daher, daß der Luftfahrer keinen so
großen Widerstand zu uͤberwinden haͤtte, wenn er genoͤthiget
waͤre der Richtung des oberen Windes entgegenzusegeln.
Man hat nun ein vollendetes Luftschiff, aber dieses Luftschiff erforderte ein zweites
Steuer und einen zweiten Steuermann zu seiner Regierung, weil die Stellung dieses
ellipsoidischen Koͤrpers gegen die Richtung des Windes dem Luftfahrer nunmehr
nicht gleichguͤltig seyn koͤnnte.
Ein jedes Element der krummen Oberflaͤche des Luftschiffes erleidet von dem
Winde einen Stoß in der Richtung seiner Normale. Dieser Stoß kann in drei auf
einander senkrechte Seitenstoͤße zerlegt werden, von denen der eine mit der
Achse des Luftschiffes zusammen faͤllt. Die Summe aller dieser
Elementarstoͤße gaͤbe ein Kraͤftenparallelopiped, dessen
Diagonale den gesammten
Stoß, welchen die Oberflaͤche des Luftschiffes erleidet, seiner Richtung und
Groͤße nach vorstellen wuͤrde. Hat die Achse des Luftschiffes, wie es
die Natur der Sache erfordert, eine horizontale Lage, und wird noch eine der drei
Achsen, worauf man die Stoͤße gegen die einzelnen Flaͤchenelemente
zuruͤkfuͤhren will, horizontal angenommen; so muß der dritte verticale
Seitenstoß null werden. Es bleibt ein horizontales Kraͤftenparallellogram,
dessen Diagonale den Gesammtstoß des Windes gegen die Oberflaͤche des
Luftschiffes vorstellt.
ab, ac; Fig. 19 sey wie vorher
die Richtung und Geschwindigkeit des obern und unteren Windes
fb; die Projektion der Achse des Luftschiffes auf
den Horizont
fc; die Projektion der Seegelflaͤche.
gh; der Stoß in der des obern Windes gegen die
Oberflaͤche des Luftschiffes in der Richtung seiner Achse.
ag; der Stoß auf die Achse fb senkrechten Richtung, also
ah; der Gesammtstoß gegen die Oberflaͤche
des Luftschiffes.
ad; senkrecht auf fc, der Stoß des unteren Windes gegen die Seegelflaͤche.
Die zwei Seitenbewegungen, deren Diagonale die Bahn des Luftfahrers bestimmt, sind
also:
ah, ad;
Liegt der Scheitel f des Winkels
bfc, außerhalb der Schenkel ab, ac, ist naͤmlich bfc kleiner als bac: so kann sichtbarlich, die aus ah
und ad resultirende Bewegung nach af in die entgegengesezte Richtung von ak (der aus ab
und ac resultirenden Bewegung) hinfallen. Sie
muͤßte gegen af (irgendwo innerhalb des
Winkels hgppp.) hinfallen, wenn gh = o waͤre.
Sie kann aber auch gegen ak (irgendwo innerhalb
des Winkel h'qqq.) hinfallen, wenn gh sehr groß wird, wenn z.B. gh in gh'
uͤbergeht. In dem lezten Falle, waͤre es also dem Luftfahrer
unmoͤglich, die der Bewegung ak
entgegengesezte Richtung zu erlangen.
Dieser Mangel ruͤhrt nun der von dem schaͤdlichen Einfluͤsse der
Kraft gh, der auf keine Weise ganz beseitiget
werden kann. In der Negel
duͤrfte jedoch gh im Verhaͤltnisse
zu ah nur klein seyn, wenn die
Excentricitaͤt des ellipsoidischen Luftschiffes groß waͤre. Sie
koͤnnte unter dieser Voraussezung nur in dem Falle bedeutend werden, wenn der
Winkel bac nur klein, also bfc noch kleiner, und abf noch kleiner waͤren. Dem zu Folge sind zur vollkommenen Lenkung
eines Luftschiffes zwei Winde erforderlich, deren Richtungen bedeutend von einander
abweichen. Ist der Winkel unter welchem ihre Richtungen sich schneiden nur klein, so
koͤnnte der Luftfahrer die Richtung seiner Bewegung nur innerhalb einer
gewissen Anzahl von Graden veraͤndern.
Der Grad der Vollkommenheit eines Luftschiffes dieser Art, koͤnnte gemessen
werden, durch den kleinsten Winkel der Richtungen ab und ac, bei welchem man damit noch
jede beliebige Richtung erlangen koͤnnte.
Es ist nicht zu laͤugnen, daß durch die sphaͤroidische Gestalt des
Aerostaten, das Gewicht der Huͤlle um Vieles vergroͤßert
wuͤrde. Auch haͤtte die eingeschlossene brennbare Luft viel mehr
Gelegenheit, durch die Poren der im Verhaͤltnisse zum Cubik- Inhalte
sehr großen Huͤlle zu entweichen, um so mehr, da die geschmeidige
Seidenhuͤlle nicht anders zu einem vollkommenen sphaͤroidischen
Koͤrper umgestaltet werden koͤnnte, als daß der Aerostat nicht nur
ganz angefuͤllt, sondern die brennbare Luft darin noch etwas zusammen gepreßt
wuͤrde. Man muͤßte deßhalb wieder einen andern Vortheil fahren lassen,
den wie wir gleich sehen werden, ein nicht ganz gefuͤllter Luftball
gewaͤhrt.
Endlich wuͤrde der Wind gegen einen solches ellipsoidisches Luftschiff immer
einen excentrischen Stoß ausuͤben, so oft die Achse desselben, und die
Richtung des Windes unter einen spizigen oder stumpfen Winkel gegen einander geneigt
waͤren. Das Luftschiff haͤtte demnach die Neigung, sich so weit
umzudrehen, bis seine Achse auf die Richtung des Windes senkrecht waͤre. Es
beduͤrfte also, eines großen schweren Steuers, um das Luftschiff gegen dieses
sein Bestreben, in der jedesmal erforderlichen Lage zu erhalten.
Die Erfahrung muͤßte entscheiden, ob es nicht vortheilhafter waͤre, das
kugelfoͤrmige Luftschiff beizubehalten, dafuͤr aber, unmittelbar unter dem Balle, ein
zweites moͤglichst großes Segel anzubringen, wodurch man die beabsichtete
Veraͤnderung des Windstoßes in seiner Richtung und Groͤße ebenfalls
erreichen wuͤrde.
Damit der Luftfahrer die ihm einigermaßen guͤnstigen Winde aufsuchen
koͤnne, muß er die verticale Bewegung in seiner Gewalt haben. Ist sein Ball
nicht ganz gefuͤllt, so wird seine Steigkraft, in jeder Hoͤhe dieselbe
seyn, so lange die brennbare Luft, in der sie einschließende Huͤlle noch Raum
hat, sich ferner auszudehnen. Es sey:
d, d'; die Dichtigkeit der atmospherischen Luft in zwei
verschiedenen Hoͤhen,
δ, δ'; die Dichtigkeit der brennbaren Luft
in diesen Hoͤhen.
Q, Q; ihr Volum.
P, P; die Steigkraft des Balles. Da das Gewicht mehrerer
Koͤrper von gleichem Volum proportional ist ihrer Dichtigkeit: so kann das
absolute Gewicht der kubischen Einheit eines jeden Koͤrpers,
ausgedruͤkt werden, durch seine Dichtigkeit multiplicirt in einen Constanten
Factor H. Es ist dem zu Folge
P = AQ (d – δ)
P' = AQ' (d' – δ')
Da aber
Q' = Q d/d' = Q
δ/δ';
so ist:
P' = AQ δ/δ' (d' – δ')
Da ferner
d : d' = δ : δ';
d : d – δ = δ' : d' = δ';
d' – δ' = d'/d (d –
δ') = δ'/δ (d – δ)
so ist auch
P' = AQ (d – δ)
naͤmlich:
P' = P;
Die lezte Gleichung druͤkt das eben aufgestellte, von Zambaccari entdekte,
Gesez aus; daß ein nicht ganz gefuͤllter Ball, an jedem Orte der
Atmosphaͤre, dieselbe Steigkraft besize. Waͤre es demnach dem
Luftfahrer moͤglich sich in der Luft ein Ueber- oder Untergewicht von
einigen Pfunden zu verschaffen: so haͤtte er seine verticale Bewegung
innerhalb einer gewissen Hoͤhe vollkommen in seiner Gewalt.
Ein Ueber- oder Untergewicht von einigen Pfunden, (und wehr bedarf es nicht)
kann man leicht erhalten, wenn man eine hohle Metallkugel von vier bis fuͤnf
Fuß im Durchmesser, und eine Luftpumpe mitgenommen hat. Wird diese hohle Metallkugel
mit einer Portion verdichteter atmosphaͤrischer Luft angefuͤllt, so
erhaͤlt man ein Uebergewicht. Wird die zusammengepreßte Luft durch Oeffnung
eines Hahnes wieder freigelassen, so erhaͤlt man noch viel leichter
Untergewicht.
Eine solche Kugel duͤrfte von dem feinsten Kupferbleche verfertiget seyn, und
koͤnnte noch immer den Druk einer maͤßig verdichteten Luft ertragen.
Ihr Gewicht waͤre unbedeutend, im Verhaͤltniß zu ihrer Festigkeit
gewiß kleiner, als das Gewicht eines gleich großen, von dichtem Seidenzeuge
verfertigten mit vielem Firnisse getraͤnkten Balles. fuͤrchtete man
das schwere Metall, so koͤnnte auch lezterer gebraucht werden.
Durch dieses einfache Mittel waͤre der Luftfahrer der Nothwendigkeit
uͤberhoben, sein Luftschiff mit Ballast zu uͤberladen, um sich
noͤthigen Falls wieder erleichtern zu koͤnnen. Er duͤrfte sein
muͤhsam bereitetes und kostbares Gas nicht verschwenden, wenn ihm die Luft
ankaͤme sich wieder zur Erde herabzulassen.
Wenn man bei einer laͤngern Fahrt, wechselweise seine Sandsaͤke und
seinen Gasball luͤften muͤßte, so wuͤrde man endlich mit seinem
Ballast und Gasvorrathe doch fertig werden. Unser Luftfahrer koͤnnte hingegen
das Fuͤllen und Ausleeren seiner MetallkugelMatallkugel ohne den geringsten Verlust so oft er wollte wiederholen.
Soll es einmahl mit der Luftschiffahrt Ernst werden, so muß man darauf bedacht seyn,
das Gas so lange als moͤglich zusammenzuhalten. Die Luftreisen blieben noch
immer die kostspieligsten Reisen, so lange der erschoͤpfte Ball auf jeder
Station sein Futter forderte, das gewohnte kostbare HydrogenfutterDas nun bei dem wohlfeilen Preis der Schwefelsaͤure neben
zwekmaͤßiger Benuͤzung der bei der Gasentbindung zu
gewinnenden Nebenproducte, oder bei Anwendung des aus Vegetabilien
gewommenen Hydrogengas, sehr wohlfeil darzustellen ist. D..
Es bleiben nun noch die Fragen zu beantworten.
Woraus wird der Luftfahrer die Richtung und Geschwindigkeit seiner Bewegung erkennen,
um darnach jederzeit seinen momentanen Standpunkt bestimmen, und uͤber den
bereits zuruͤkgelegten Weg sich genaue Rechenschaft geben zu
koͤnnen?
Wie will er die Richtung der Winde beurtheilen, denen er sich anvertrauen soll, wie
ihre Geschwindigkeit messen?
Die Richtung seiner Bewegung kann er mit Huͤlfe eines hiezu besonders
eingerichteten Fernrohrs bestimmen, wenn er die Achse desselben, nach mehreren ihm
sichtbaren terrestrischen Gegenstaͤnden hinrichtet, bis er auf einen fixen
Punct trifft, welcher seinen Ort auf dem Gesichtsfelde des Fernrohres nicht
veraͤndert. Findet er einen solchen fixen Punct, so ist die Achse des
Fernrohres, oder vielmehr ihre Projection auf den Horizont die Richtung seiner
fortschreitenden Bewegung.
Genaue Resultate koͤnnte man aus diesen Beobachtungen schon deßhalb nicht
erhalten, weil die Richtung der Bewegung da sie von anderen sehr
veraͤnderlichen Bewegungen abhaͤngt, allzuveraͤnderlich
waͤre. Eigentlich koͤnnte es dem Luftfahrer nur darum zu thun seyn,
seine mittlere Richtung und Geschwindigkeit fuͤr eine gewisse Zeit zu
bestimmen.
Hiezu wird sich ein Fernrohr eignen, dessen Achse mit der Richtung der Schwere
zusammenfaͤllt. Der ruhige vertikale Stand dieses Fernrohres, muͤßte
gegen das Schaukeln des Fahrzeuges auf eine aͤhnliche Art gesichert werden,
wie der Seefahrer die Fortpflanzung der schwankenden Bewegung des Schiffes aus
seinem Compaß verhuͤtet. Es wuͤrde naͤmlich auf die bekannte
Weise so eingerichtet, daß es um zwei auf einander senkrechtesekrechte, uͤber seinem Schwerpuncte befindliche Drehungsachsen beweglich
waͤre.
Vor dem Objectiv-Glase dieses Fernrohres ist noch ein zweites, platt
geschliffenes Glas in einem solchen Abstande angebracht, daß zwischen beiden eine
seine Magnetnadel frei spielen kann.
Auf dem aͤußeren, platt geschliffenen Glase ist ein in Grade getheilter Kreis
eingeaͤzt.
Er ist concentrisch mit dem Gesichtskreise des Fernrohres, aber etwas kleiner als
dieser, damit der Beobachter die in das Gesichtsfeld des Fernrohrs tretenden Objekte
fruͤher wahrnehmen koͤnne, bevor sie noch in der Peripherie des im
Grade getheilten Kreises erscheinen.
Um Uebereinstimmung in seine Beobachtungen zu bringen, wird der Luftfahrer alle seine
Bewegungen, auf eine angenommene Richtungslinie ab
(Fig.
20.) beziehen, welche entweder mit dem magnetischen Meridiane cd zusammenfaͤllt, oder gegen denselben
eine konstante Neigung hat.
Tritt nun irgend ein Object in das Gesichtsfeld seines Fernrohres so bemerke er:
1) Die Lage der Peripheriepuncte f und g unter welchen das Object durchgeht in Beziehung auf
die Magnetnadel, naͤmlich die Winkel foc
und goc; woraus sich durch Addition oder
Subtraction des Constanten-Winkels coa die
Winkel foa = ς
und goa = ψ
leicht bestimmen lassen.
Aus dieser Beobachtung erkennt der Luftfahrer seine Abweichung
fh = sin ς
– sin ψ
von der angenommenen Richtungslinie ab, fuͤr eine Streke
gh = Cos ς
– Cos ψ = Cos
ς + Cos (180 – ψ)
Bemerkt er ferner:
2) Die Zeit t, innerhalb welcher das Object von dem
Peripheriepuncte g bis f
vorruͤkte, und ist ihm hiezu der Durchmesser A
des Gesichtskreises fuͤr eine Hoͤhe = 1, und seine wahre Hoͤhe
H uͤber dem beobachteten Objecte gegeben: so
findet er hieraus seine Geschwindigkeit c;
naͤmlich:
Textabbildung Bd. 14, S. 74
Wenn die Unebenheiten des Bodens gegen die Hoͤhe des Luftfahrers nicht groß
sind: so kann er die Groͤße H nach dem
Barometerstande beilaͤufig abschaͤzen.
Wenn der Luftfahrer waͤhrend seiner ganzen Fahrt die Richtung und
Geschwindigkeit seiner Bewegung auf obige Art ohne Unterlaß beobachtet, so ist er im
Stande nach diesen seinen Beobachtungen eine Karte zu verfertigen, in welcher sein
jedesmahliger Standpunkt durch eine Abszisse und Ordinate seine ganze Reise durch
die Endpunkte einer Reihe uͤber der angenommenen Richtungslinie errichteter
Ordinaten angegeben ist.
Eine schoͤne Eigenschaft, des eben beschriebenen Instrumentes ist, daß es dem
Luftfahrer die Richtung mit demselben Grade von Genauigkeit angibt, obschon das
beobachtete Object nahe am Mittelpunkte, oder nahe an der Peripherie des
Gesichtskreises voruͤbergeht.
Man sezte den Fall, der Luftfahrer konnte den Ein- oder Austritt des Objektes
nicht genau beobachten (vielleicht weil sich die Richtung seiner Bewegung zu schnell
aͤnderte), er sey z.B. ungewiß, ob es durch f
oder f′ gegangen sey. Der groͤßte
moͤgliche Fehler ist hier f′ f″
(f′ f″ normal auf fg). Die angenommene praͤsumtive Richtung
f′ g kann naͤmlich von der wahren
Richtung fg auf eine Streke f″ g um die Groͤße f′ f″ abweichen. Der Grad der Genauigkeit kann also
ausgedruͤkt werden, durch den Quotienten
f′f''/f''g
Ist der Beobachtungsfehler nicht allzugrob, so ist sehr nahe,
Textabbildung Bd. 14, S. 75
Es waͤre nicht zu besagen, daß grobe Schwankungen des Fernrohres die
Beobachtungen unsicher machten.
Wenn der Aufhaͤngepunct eines Pendels sich gleichfoͤrmig bewegte der,
so kann das Pendel, unerachtet dieser Bewegung, ruhig in der Richtung der Schwere
verharren. Die Schwankungen des Fernrohres, als Pendel betrachtet, koͤnnen
also nur von der Ungleichfoͤrmigkeit der Bewegung herroͤhren.
Man kann nun keinesweges voraussezen, das die Bewegung des Luftfahrers immer
gleichfoͤrmig seyn werde: allein es ist in der Atmosphaͤre auch kein
Hinderniß vorhanden, welches seine Bewegung ploͤzlich hemmen koͤnnte,
sie wird sich nur allmaͤhlig veraͤndern, und eine Bewegung die sich
nur allmaͤhlig aͤndert, kann fuͤr eine kuͤrzere Zeit als
gleichfoͤrmig (wie kleine Bogen einer Curve als geradlinigt) angesehen
werden.
Die Bewegung des Seefahrers ist auch nicht gleichfoͤrmig; der Stoß einer
schweren unelastischen Fluͤssigkeit, kann uͤberdieß
Erschuͤtterungen verursachen, denen das Luftschiff nicht ausgesezt ist,
dennoch darf sein Compaß nicht schwanken.
Kleine Oscillationen des Fernrohres, von etwa 15 bis 30 Minuten, duͤrfte der
sonst erreichbaren Genauigkeit noch keinen Abbruch thun. Groͤbere
Schwankungen koͤnnten keine andere Ursachen, als vielleicht das unvorsichtige
Benehmen des Luftfahrers herbeifuͤhren.
Die Richtung des Steuers (oder eines empfindlichen Faͤhnchens) zeigt dem
Luftfahrer, wie schon bemerkt wurde, die Richtung einer aus der Bewegung der Luft,
und der Bewegung des Fahrzeuges, in entgegengesetzter Richtung genommen,
resultirenden Bewegung. An einem zuverlaͤßigen Anemometer wird er die
Groͤße dieser Bewegung abnehmen.
Er kennt nunmehr die aus zwei Seitenbewegungen resultirende Bewegung, und auch die
eine der zwei Seitenbewegungen (naͤmlich die der bekannten Bewegung seines
Fahrzeuges entgegengesezte). Hieraus ist es ihm leicht die zweite Seitenbewegung
(den Wind in seiner Hoͤhe) zu finden.
Die Richtung und Geschwindigkeit des oberen Windes wird sich auf dieselbe Art
bestimmen lassen, wenn das Luftschiff mit einem zweiten, unmittelbar unter dem Balle
angebrachten Segel versehen ist, welche Einrichtung ohnedieß voraussezt, daß sich
auch in dieser Hoͤhe Menschen befinden, die dem Seegel die jedesmal
erforderliche Stellung geben koͤnnen. Sie muͤßten sich mit ihren unteren
Reisegefaͤhrten, durch hoͤrbare oder sichtbare Signale
einzuverstaͤndigen wissen. Will der Luftfahrer dessen kugelfoͤrmiges
Fahrzeug nur ein unteres Segel traͤgt, der also in der Hoͤhe des
Balles keinen Gehuͤlfen hat, die Richtung und Geschwindigkeit des oberen
Windes kennen: so uͤberlaͤßt er sich eine kurze Zeit dem oberen Winde,
indem er sein Segel ganz einzieht. Er kann nun die Richtung und Geschwindigkeit
seiner Bewegung beobachten, und dieß ist in gegenwaͤrtigem Falle auch die
Richtung und GeschwindigkeitGeschindigkeit des oberen Windes.
In der oben aufgestelltenafgestellten Gleichung fuͤr die Geschwindigkeit, ist der Factor H nur beilaͤufig bekannt; denn um den
Hoͤhenunterschied zweier Orte nach dem Barometerstande mit einiger
Genauigkeit bestimmen zu koͤnnen, muß die gleichzeitige Barometerhoͤhe
der zwei Orte gegeben seyn.
Ueber gebirgigten Gegenden wuͤrden die Angaben des Barometers ganz
unzuverlaͤßig.
Dennoch bleibt die Bestimmung der Geschwindigkeit fuͤr den Luftfahrer ein
wichtiges Problem. Wenn er seine Geschwindigkeit nicht kennt, bleibt ihm auch die
Richtung und Groͤße der Kraͤfte unbekannt, welche sein Fahrzeug
regieren, und ohne leztere zu kennen wird er sein Segel nicht zu stellen wissen,
also auch sein Schiff nicht mit Sicherheit lenken koͤnnen.
Fuͤr den Luftfahrer, dessen Fahrzeug mit zwei Segeln versehen ist, der also
auch in der Hoͤhe des Balles seine Gehuͤlfen haben muß, gibt es nun
noch ein Mittel seine Geschwindigkeit, unabhaͤngig von den Factor H zu bestimmen.
Es werde das untere Segel eingezogen, also das Schiff dem oberen Winde
uͤberlassen. Ohne seine Hoͤhe uͤber irgend einen fixen Punct
der Oberflaͤche zu kennen, wird dem Luftfahrer die Beobachtung jenes Punctes
mittelst des oben beschriebenen Instrumentes noch dienen, die Richtung seiner
Bewegung zu bestimmen, welche in diesem Falle mit der Richtung des oberen Windes
zusammenfallt. Nachdem er die Richtung des oberen Windes beobachtet hat, werde das
untere Segel wieder gespannt. Die Richtung der Bewegung wird nun eine andere seyn.
Die Richtung des oberen Windes ist ihm jezt schon bekannt, die Richtung seiner
Bewegung kann er neuerdings beobachten, hiezu zeigt ihm sein Anemometer eine Geschwindigkeit,
welche zusammengesezt ist aus der Geschwindigkeit des oberen Windes (diese
Beobachtungen muͤßen in der Hoͤhe des Luftballes vor sich gehn) und
aus der Geschwindigkeit seiner Bewegung, leztere in entgegengesezter Richtung
genommen. Er kennt also die Richtung einer zusammengesezten Bewegung und die
Richtungen jeder der zwei Seitenbewegungen, woraus sich durch Schließung des
Kraͤftenparallellograms auch die Groͤßen der zwei Seitenbewegungen,
die Geschwindigkeit des Windes und seiner wahren Bewegung leicht bestimmen
laßen.
Die gefundene Geschwindigkeit der Bewegung, wird nun der Beobachter in der
Hoͤhe des Balles, seinem unteren Gefaͤhrten durch gewisse verabredete
Signale mittheilen, damit lezterer die Richtung und Geschwindigkeit des unteren
Windes beobachten koͤnne.
Ueber dem Continente duͤrfte es dem Luftfahrer außer den angefuͤhrten
auch an andern Huͤlfsmitteln nicht fehlen sich zu orientiren. Wollte er sich
uͤber die offene See hinwagen, so koͤnnte er wohl von dem Seefahrer
die Mittel borgen, die Laͤnge und Breite seines Standpunktes zu bestimmen.
Allein die Richtung seiner Bewegung kann er nicht anders als aus der scheinbaren
Ortsveraͤnderung fixer terrestrischer Puncte erkennen. Der Seefahrer hat
seine Bahn in der getheilten Fluth vor Augen, aber das Luftschiff hinterlaͤßt
keine Spur seines Weges in dem feinen unsichtbaren Mittel seiner Bewegung.
Wie nun einmahl alles dort Oben umgekehrt sich zu verhalten scheint, so muͤßte
der Luftfahrer mit seinem umgekehrten Schiffe sich gerade daran halten, was der
Seefahrer vermeidet. Klippen, Sandbaͤnke (sie sind wenigstens in der
Naͤhe vieler Kuͤsten haͤufig genug anzutreffen) waͤren
seine Wegweiser. Auch die Kuͤsten wuͤrden nicht so schnell aus dem
Gesichtskreise des Luftfahrers verschwinden, der in seiner Hoͤhe einen
groͤßern Theil der Erdoberflaͤche uͤbersieht, als der Seefahrer
im Horizonte.
Waͤre an eine Luftreise uͤber das Weltmeer vor der Hand noch nicht zu
denken, so duͤrften Reisen uͤber dem Inselreichen
mittellaͤndischen Meere, wie sie einige Luftfahrer wider Willen unternahmen,
Reisen uͤber enge Paͤsse, wie sie Blanchard wagen durfte, mit keiner
groͤßeren Gefahr verbunden seyn, als eine gewoͤhnliche Reise zu
Wasser, unmittelbar uͤber dem treulosen Elemente, welches sich so oft gegen
den bangen Schiffer empoͤrt, weil es nicht fuͤr ihn geschaffen
ward.
Anhang. Die Luft bearbeitet die Segel des Wasserschiffes.
Eben so gut koͤnnten die Segel eines Luftschiffes durch das Wasser bearbeitet
werden. Erst nach dieser Anordnung eignete sich das Luftschiff zu Reisen
uͤber dem Meere. Der Luftfahrer waͤre nunmehr nicht in Verlegenheit,
wenn er die Richtung seiner Bewegung bestimmen sollte; denn der in die See
herabhaͤngende Mast furchet den Wasserspiegel, und zeichnet ihm eine
Richtungslinie, wie er sie durch keine Instrumente und keine Beobachtungen besser
bestimmen koͤnnte. Außerdem fallen hier viele andere Schwierigkeiten von
selbst hinweg, welche der Luftfahrer uͤber dem Continente mit einem auf die
fruͤher vorgeschlagene Weise construirten Luftschiffe zu uͤberwinden
hatte.
Die sphaͤroidische Gestalt des Luftschiffes duͤrfte hier ohne weiters
beibehalten werden; denn da der Luftfahrer vermoͤge dieser Einrichtung nahe
an die Meeresoberflaͤche gebunden ist, in welcher Hoͤhe die
Dichtigkeit der Atmospaͤre im Mittel dieselbe bleibt, so koͤnnte man
den Aerostaten ohne Bedenken ganz fuͤllen, und die brennbare Luft noch etwas
zusammenpressen, in so ferne dieß zur Bildung eines vollkommenen Sphaͤroides
aus einem geschmeidigen Stoffe erforderlich ist.
Der Luftfahrer haͤtte seinen Standpunkt im Aequator des Balles, eines
hinreichend großen und festen elliptischen Reifes. Im Mittelpunkte dieses Reifes
waͤre der Mast befestigt, kein Meilen langer, aber ein fester, steifer Mast.
Die Stellung des Segels koͤnnte durch Umdrehung des um seine Achse
beweglichen Mastes regulirt werden.
In der unmittelbaren Beruͤhrung mit der Meeresoberflaͤche, waͤre
es dem Luftfahrer leicht, das absolute Gewicht seines Fahrzeuges zu vermehren oder
zu vermindern, indem er eine gewisse Quantitaͤt Wasser aufnaͤhme oder
sich derselben entledigte.
Diese Veraͤnderung in dem absoluten Gewichte des Fahrzeuges muß nothwendig ein
maͤßiges Steigen oder Fallen nach sich ziehen. Vermoͤge des zum Theil
unter Wasser stehenden Mastes kann das ganze Fahrzeug mit einem Araͤometer verglichen werden. Wird
dasselbe mit einem gewißen Volum aufgenommenen Wassers beschwert, so muß es um so
viel sinken, bis der tiefer eintauchende Mast ein gleich großes Volum Wasser
verdrangt. Wenn hingegen das Fahrzeug um das Gewicht einer andern Portion Wassers
erleichtert wird, so muß diese Erleichterung den entgegengesezten Erfolg haben.
Anstatt das Segel zu spannen, darf der Luftfahrer sein Fahrzeug nur mehr belasten, um
sich der Meeresoberflaͤche zu naͤhern, so weit, bis ein
hinlaͤnglich großer Theil des Segels unter Wasser steht. Anstatt sein Segel
einzuziehen, wird er das Fahrzeug um etwas erleichtern. Und wenn die See sich
empoͤrt: so taucht er vollends empor aus den tobenden Wellen in den
befreundeten Aether und lacht ihrer Wuth.