Titel: | Ueber Zubereitung der Stahlplatten zum Kupferstiche und über den Stich auf dieselben. Von den sel. Hrn. Warren, Esqu. |
Fundstelle: | Band 14, Jahrgang 1824, Nr. XLVI., S. 185 |
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XLVI.
Ueber Zubereitung der Stahlplatten zum
Kupferstiche und über den Stich auf dieselben. Von den sel. Hrn. Warren, Esqu.
Aus dem XLI. B. der Transactions of the Society for the
Encouragement of Arts, Manufactures and Agriculture in Gill's technical
Repository. Februar. 1824. S. 94. (Im Auszuge.)
Hr. Warren erhielt
fuͤr diese Mittheilung die große goldene Medaille.
Warren, über Zubereitung der Stahlplatten zum
Kupferstiche.
Hr. Warren starb, ehe er der
Gesellschaft die schriftliche Erlaͤuterung uͤber seine derselben
vorgelegte Arbeiten mittheilen konnte. Folgendes ist theils aus dem Berichte des
Ausschusses der Gesellschaft, theils aus den Mitteilungen, welche Hr. Warren seinen Freunden, vorzuͤglich seinem
Zoͤglinge, Hrn. Jos. Phelps, gemacht hat, zusammen
gestellt.
Albert Duͤrer war einer der ersten, der sogenannte
Kupferstiche in Stahl stach. Vier von diesem Kuͤnstler geaͤzte Tafeln
befinden sich, zur ewigen Schande seiner deutschen
Landsleute, im britischen Museum (British Museum): an einer derselben steht die Jahrzahl 1510. Seit dieser
Zeit hat man mehrere Versuche gemacht, Stahl, statt Kupfer, zu Kupferstichen zu
benuͤzen; allein, wie es scheint, mit wenigem Erfolge, weil das Materials zu
hart ist, und die Griffel zu leicht abnuͤzen.
Der Stahl kommt in zweierlei Zustaͤnden, elastisch und sproͤde, vor.
Ein Beispiel des ersteren sind unsere Saͤgeblaͤtter, und wirklich
waͤren es diese; auf welchen man beinahe alle Verssuche in neueren Zeiten
gemacht hat, um ein uraltes Verfahren wieder in den Gang zu bringen, das, wenn es
gelaͤnge, dem Kuͤnstler und dem Publicum gleich vorteilhaft werden wuͤrde. Hr. Raimbach hat vor einigen Jahren einen Kupferstich auf
einem Stahl-Bloke oder einer diken Stahl-Platte verfertigt: er fand
aber so viele Schwierigkeiten bei der Ausfuͤhrung, daß sein Versuch einzeln
stehen blieb, und keine bedeutende Wirkung auf die Kupferstecherkunst
hervorbrachte.
Hr. Warren (der beruͤhmte Warren!) wurde in seiner
Fugend von den Calico-Drukern und Buͤchsenmachern etwas stark
gebraucht, und die Erfahrungen, die er damahls machte, leiteten ihn auf den
Stahl-Stich, auf welchen Hr. Gill ihn, durch
Beruͤksichtigung der Arbeiten der Tobakdosen-Fabrikanten, und anderer
Gußstahl-Arbeiter zu Birmingham, aufmerksam machte, welche naͤmlich
den Stahl, nachdem er zu Blech gestrekt wurde, dem Entkohlungs-Processe
unterwerfen, und dadurch denselben zu reinem und weichen Eisen machen, so daß daraus
das erforderliche Instrument oder der verlangte Artikel verfertigt, und die
beliebige Verzierung auf die weiche Oberflaͤche gestochen oder gedrukt werden
kann, worauf dann wieder, durch gehoͤrige Caͤmentation, die weiche
Oberflaͤche in Stahl verwandelt und der hoͤchsten Politur
faͤhig gemacht werden kann.
Bei dem Versuche, dieses Verfahren auf Platten fuͤr Kupferstecher anzuwenden,
zeigten sich jedoch zwei entgegengesezte Schwierigkeiten. Eine Stahlplatte von
derselben Dike, wie eine gewoͤhnliche Kupferplatte, wenn sie durch und durch
entkohlt, und so in den Zustand von weichem Eisen gebracht ist, gibt unter den
gewoͤhnlichen Kupferstecher-Werkzeugen leicht nach, und laͤßt
sich aufklopfen (Knocking
up), d.h. wenn ein Fehler geschehen ist, so laͤßt dieser sich auskrazen,
wenn man die untere Flaͤche mit einem Hammer klopft, um die durch das
Auskrazen entstandene Vertiefung der uͤbrigen Flaͤche gleich
emporzuheben, so daß keine Vertiefung mehr auf der gestochenen Flaͤche zum
Vorscheine kommt. Allein, Platten von so geringer Dike, als zu dieser Operation
noͤthig ist, und von der gewoͤhnlichen zu Kupferstichen
noͤthigen Groͤße werfen sich leicht bei dem nachmahligen Harten, und
liefern folglich nur sehr schlechte Abdruͤke. Wenn man daher, um diesen
Nachtheil zu vermeiden, Bloͤke oder Platten nimmt, die drei oder vier Mahl
diker, als die gewoͤhnlichen sind, so wird dieses Werfen allerdings
vermieden; allein das Aufklopfen wird dadurch unmoͤglich: der Fehler muß dadurch
ausgeschliffen, oder es muß, durch die untere Flaͤche durch, beinahe bis zur
oberen ein Loch gebohrt und eine Schraube in dasselbe eingetrieben werden, um den
aus, geschliffenen Theil an der oberen Oberflaͤche zu heben. Dieses leztere
Verfahren ist aber so beschwerlich und langweilig, daß es dem Gebrauche des Stahles
an der Stelle des Kupfers beinahe allen Vortheil nimmt.
Bei Dieser Lage der Sache mußte es interessant seyn zu versuchen, wie viele
Abdruͤke man von einer weichen oder entkohlten Stahlplatte nehmen konnte, und
es zeigte sich, daß, wenn die Platte nach Warren's
Methode zugerichtet wurde, mehrere tausend Abdruͤke abgezogen werden konnten,
ohne daß die Platte auf irgend eine merkliche Weise dabei gelitten hatte. Als Beweis
legte Hr. Warren dem Ausschusse der Gesellschaft zwei
Abdruͤke vor, die er von Platten aus entkohltem Stahle genommen hat, und
wovon der eine zu Mackenzie's Werken, welche Cadell
herausgibt, der andere zu einer Ausgabe von Beattie und
Collins, die Rivington besorgte, gehoͤrt.
Diese Platten gehoͤren, sowohl in Hinsicht auf Landschaft als auf Figuren,
unter die ausgearbeitetesten und zartesten Kunstwerke; von der einen wurden
fuͤnf tausend, von der anderen vier tausend Abdruͤke genommen, und
doch war es unmoͤglich, zwischen dem ersten und lezten Abdruke auch nur Pen
mindesten wahrnehmbaren Unterschied zu entdeken.
Haͤtte Hr. Warren seine Versuche allein
durchgefuͤhrt, und fuͤr sich allein so lang gearbeitet bis er seinen
Plan zur Vollendung gebracht haͤtte, so waͤre wahrscheinlich bei
seinem Tode die hohe Wichtigkeit dieser Entdekung nicht so deutlich erkannt worden,
als sie es gegenwaͤrtig ist. Das Resultat seiner Anstrengungen wuͤrde,
zum hohen Nachtheile der Kunst und zur Beeintraͤchtigung des Ruhmes dieses
ausgezeichneten Kuͤnstlers, vielleicht verloren gegangen seyn. Selbstsucht
und Geheimnißkraͤmerei in irgend einem Zweige, welcher zur Vervollkommnung
der Kunst beitragen konnte, war seinem Character fremd; alle seine Entdekungen,
sowohl diejenigen, welche auf Zubereitung der Platten, als auf das Stechen derselben
Bezug haben, hat er ohne Ruͤkhalt und frei Jedem mitgetheilt. Die Folge
dieser Liberalitaͤt war, daß, ausser den Platten, welche Warren
selbst stach, und dem
Ausschusse vorzeigte, auch noch Abdruͤke von Portraiten vorgezeigt wurden,
welche fuͤr das Evangelical Magazine auf
entkohlstofften Stahl gestochen wurden, und welche beweisen, daß, nachdem 25,000
Abdruͤke von denselben gemacht worden sind, die Platten noch immer in gutem
Stande sind, und keiner Nachverbesserung beduͤrfen. Hr. Mar erklaͤrte, daß, nachdem er einen Kupferstich auf einer Platte
von Hrn. Warren verfertigte, er fuͤr sich selbst
nicht fruͤher einen Abdruk genommen hat, als nachdem bereits 8000
Abzuͤge davon gemacht worden sind; und in einem anderen Falle, wo die Platte
ein Portraͤt gewesen ist, bezeugte der Kupferdruker, Hr. La Hie, daß der Kuͤnstler nicht ehe einen Abzug
fuͤr sich genommen hat, als nachdem bereits 20,000 Abdruͤke davon
gemacht worden sind.
Hrn. Warren's urspruͤngliches Verfahren zur
Entkohlstoffung der Stahlplatten besteht darin, daß er dieselben in eine
Buͤchse, oder in ein Gehaͤuse thut, und den Boden davon mit einem
Gemenge von Eisen-Drehspanen und gestoßenen Auster-Schalen belegt,
eine Stahlplatte auf diese Unterlage bringt, eine zweite Schichte von diesem Gemenge
auf diese Stahlplatte legt, u.s.f., bis die Buͤchse voll ist: immer muß aber
auf der obersten Stahlplatte eine Lage von obigem Gemenge zu liegen kommen. Die auf
diese Weise gefuͤllte Buͤchse wird dann in einen Ofen gebracht, und in
demselben bei der groͤßten Hize, die sie ohne zu schmelzen, zu ertragen
vermag, gehalten. Hierauf laͤßt man sie allmaͤhlich erkalten, und die
Platten werden dann großen Theils in weichen, entkohlstofften, Stahl
uͤbergegangen seyn.
Hr. Hughes, Kupfertafel-Fabrikant, der von Hrn. Warren's Verfahren Kenntniß erhielt, und fand, daß der
Stahl nicht immer hinlaͤnglich und gleichfoͤrmig weich ausfiel
(vorzuͤglich fuͤr den Mezzo-tinto-Stich), glaubte diese
zufaͤlligen Maͤngel im Abgange des gehoͤrigen Grades von Hize
zu finden. Er wendete daher ein Gehaͤuse oder einen Ofen aus feuerfestem
Thone an, und erhielt, da er dadurch einen bedeutend hoͤheren Grad von Hize
anbringen konnte, als die Buͤchse aus Gußeisen ohne zu schmelzen nicht
ertragen haben wuͤrde, so welche Platten, daß man sie uͤber das Knie
biegen konnte. Jede Platte fordert zwei oder mehrere Caͤmentirungen, und da sich dieselben bei
der ersten immer mehr oder weniger werfen, so ließ Hr. Warren sie durch den Hammer zu Recht richten. Hr. Hugher findet aber, daß die Stellen, welche mit dem Hammer geklopft
wurden, sich durch Caͤmentirung weniger weich machen lassen, als die
uͤbrigen, und daß daher die aus diese Weise behandelten Platten
oͤfters schon ungleich in Hinsicht auf Harte ausfallen. Er bedient sich daher
bloß eines hoͤlzernen Hammers, und wendet denselben mit so wenig Kraft als
moͤglich an, um die Caͤmentirung von der Oberflaͤche
wegzubringen, und die Platte auszugleichen.
Die gereinigte und polirte (aber nicht zu hoch polirte) Platte ist nun fuͤr
den Kupferstecher fertig. Wenn sie in die Haͤnde des lezteren
uͤbergeben wird, so ist die erste Arbeit diese, daß er den Aezgrund auftragt;
und hierbei darf die Platte weniger erhizt werden, als wenn sie eine Kupferplatte
waͤre, denn sonst wuͤrde der Grund sich beim Erkalten zusammen ziehen,
eine wubenartige Oberflaͤche bilden, und einzelne Theile der Platte unbedekt
lassen. Derselbe Fehler kann auch leicht entstehen, wenn die Platte zu sehr polirt
ist. Der Grund darf ehe etwas diker aufgetragen werden, als auf eine
gewoͤhnliche Kupferplatte.
Hr. Warren hat mehrere Saͤuren als Aezmittel
versucht. Salpetersaͤure, bedeutend staͤrker verduͤnnt, als man
sie bei Kupfertafeln anwendet, hat er, im Ganzen, mit gutem Erfolge angewendet. Von
salpetersaurem Queksilber fand er, daß die Kanten der Linien abgestumpft oder
zugerundet werden. Essigs saͤure mit etwas salpetersaurem Kupfer brachte
dieselbe Wirkung hervor. Schwefelsaures Kupfer aͤzte lichte Tinten
wunderschoͤn, machte aber, wenn es laͤnger einwirkte, die Linien rauh.
Das beste Aezmittel ist, nach seiner Erfahrung, ein Loch krystallisirtes
salpetersaures Kupfer in anderhalb PintenEine Pinte ist 0,3341 Wiener Maß, wenn es eine Wein-Pinte, und 0,4,
wenn es Bier-Maß ist. A. d. Ueb. destillirtem Wasser aufgeloͤst, wenn man dieser Aufloͤsung
einige Tropfen Salpetersaͤure zusezt. Diese Aufloͤsung aͤzt
tiefer und reiner, als bloße verduͤnnte Salpetersaͤure.
Es ist dem Kuͤnstler sehr zu empfehlen, daß er, wenn er das erste Mahl auf
Stahl aͤzt, genau die Zeit bemerkt, die er noͤthig fand, wenn das
Aezmittel so wirken soll, daß alle Theile die gehoͤrige Staͤrke
erlangen: dieß mag ihm dann als leiter bei den spaͤteren Arbeiten dienen. Hr.
Warren fand, daß, im Allgemeinen, 2 Minuten zu einem
Umrisse ungefaͤhr hinreichen, wenn derselbe nicht sehr stark seyn soll. Der
Mittel-Ton wird in ungefaͤhr 10 Minuten fertig, und der
staͤrkste Schatten in 40 Minuten. Das Aezmittel darf nicht tiefer als ein
sechstel Zoll auf der Platte stehen; denn sonst haͤlt es zu schwer, die
Arbeit genau zu sehen; es erschoͤpft sich in 10 Minuten, und muß dann mit
neuem ersezt werden. Waͤhrend das Aezmittel wirkt, muß die Platte mit einem
Pinsel aus Kamehl-Haar immerdar sanft uͤberfahren werden, damit alles
niedergeschlagene Kupfer beseitigt wird, welches, wenn man ei in den Linien
laͤßt, die Kanten derselben sehr uneben macht, und ihre Schoͤnheit
verdirbt: vorzuͤglich muͤssen die Enden der Linien sehr rein gehalten
werden, indem diese am meisten in Gefahr sind schlecht geaͤzt zu werden. Bei
dem Ausfuͤllen (stopping out) muß der Grund
(Braunschweiger-Schwarz) sehr duͤnn und eben angelegt werden, und
statt daß man denselben ploͤzlich abbrechen laͤßt, muß er nur sehr
unmerklich ausgeglichen werden. Der kleinste Ruͤken, die mindeste
Hervorragung wuͤrde das Kupfer zuruͤkhalten, und der Grund
wuͤrde unvermeidlich durchdrungen und die Aezung schlecht werden. Wenn man
diese Weisungen gehoͤrig beachtet, wird man auf entkohlstofftem Stahle so
tief und eben so scharf aͤzen koͤnnen, wie auf Kupfer.
Daß bei allen Kupferstichen, von welchen eine große Menge von Abdruͤken
gemacht werden muß, Stahlplatten einen großen Vorzug vor Kupferplatten besizen,
unterliegt keinem Zweifel. Denn, obschon der Griffel und die uͤbrigen
Werkzeuge auf Stahl weit mehr Zeit fordern, und das Ueberaͤzen bei den
Stahlplatten noch nicht jenen Grad von Vollkommenheit erreicht hat, wie bei den
Kupferplatten, so erlaubt doch der stahl weit feinere Arbeit als das Kupfer, und
gerade die feinste und zarteste Arbeit, die auf Kupferplatten bald verdorben wird,
und nichts wie Schmuz auf den spaͤteren Abdruͤken erzeugt, scheint auf
Stahlplatten durchaus nicht zu leiden. Selbst die Spuren des Polir-Eisens
sind nach mehreren tausend Abdruͤken noch bemerkbar.
Das Publicum gewinnt durch diese Entdekung eben so sehr als der Kuͤnstler:
ersteres dadurch, daß es eine zahllose Menge von Abdruͤken erhaͤlt,
die so gut sind, wie die ersten Abdruͤke von Kupferplatten; lezterer dadurch,
daß er seinen Ruhm um so mehr erhoͤhen und verbreiten kann, je mehr Dauer er
den feinsten und zartesten Arbeiten seiner Hand zu verschaffen vermag.