Titel: | Ueber die Anwendung der durch Verdichtung erhaltenen Flüßigkeiten als mechanische Kräfte. Von Sir Humphry Davy, Baronet Praes. R. S. |
Fundstelle: | Band 14, Jahrgang 1824, Nr. LXVIII., S. 273 |
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LXVIII.
Ueber die Anwendung der durch Verdichtung
erhaltenen Flüßigkeiten als mechanische KräfteVergl. d. J. S. 192.D.. Von Sir Humphry
Davy, Baronet Praes. R. S.
Aus den Philosophical Transactions of the Royal-Society
of London. Im Repertory of Arts, Manufactures and
Agriculture. Mai 1824. S. 15.
Davy's Anwendung der durch Verdichtung erhaltenen Flüßigkeiten als
mechanische Kräfte.
Ein Hauptzwek, den ich bei den Versuchen im Auge hatte, welche
ich uͤber die Verdichtung verschiedener Gasarten, wenn diese unter Druk
erzeugt werden, anstellen ließ, war die Erwartung Daͤmpfe zu erhalten, welche
durch die Leichtigkeit, womit ihre elastische Kraft durch geringe Zu- oder
Abnahme der Temperatur vermehrt oder vermindert werden kann, sich eben so leicht,
wie der Dampf, als mechanische Kraͤfte aus wenden ließen.
Sobald ich Kochsalzsaͤure im fluͤßigen Zustande erhalten hatte, einen
Koͤrper, von welchem Berthollet annahm, daß seine
Kraft sich von Basen durch andere Saͤuren scheiden zu lassen einzig und
allein der Leichtigkeit zuzuschreiben ist, mit welcher er in Gasform
uͤbergeht, zweifelte ich (wie ich in Mitnet lezten Mittheilung (Repertory 44. B. S. 336.) aͤußerte) nicht mehr,
daß alle andere Gasarten, welche eine schwaͤchere Verwandtschaft oder
groͤßere Dichtigkeit besizen, und die in irgend einem Maße sich von dem
Wasser verschlingen lassen, auf aͤhnliche Weise fluͤßig gemacht werden
koͤnnen. Daß diese Vermuthung gegruͤndet war, wurde durch die Versuche
bestaͤtigt, welche Hr. Faraday auf eine so
sinnreiche Weist und mit so vielem Fleiße angestellt hat, und die ich der
Gesellschaft vorzulegen das Vergnuͤgen hatte (a. a. O. S. 353.)
Es ist bekannt, daß die Elasticitaͤt der Daͤmpfe in Beruͤhrung
mit den Fluͤßigkeiten, aus welchen sie unter hohem Druke und bei hoher
Temperatur erzeugt werden, wie z.B. die Alkohol- und
Wasser-Daͤmpfe, in einem weit hoͤheren Grade, als das
arithmetische Verhaͤltniß der Temperatur zunimmt: das Gesez dieser Zunahme
ist jedoch noch nicht genau bekannt, und das Resultat ist zu verwikelt, und
haͤngt von den Umstaͤnden ab, welche erst durch Versuche bestimmt
werden muͤssen. So muß das Verhaͤltniß der elastischen Kraft, in
sofern sie vom Druke abhaͤngt, mit jenem der Expansiv-Kraft verbunden
werden, die von der Temperatur abhaͤngig ist; und der groͤßere Verlust
an strahlender Hize bei hoͤherer Temperatur und die Entwikelung gebundener
Waͤrme bei dem Druke zugleich mit der Nochwendigkeit ihrer Wiedereinsaugung
bei der Expansion muß (in so weit man naͤmlich gegenwaͤrtig das
Rational-Verhaͤltniß kennt) einige Zweifel uͤber die
oͤkonomischen Resultate bei Anwendung der Wasserdaͤmpfe unter sehr
hohem Druke und bei sehr hoher Temperatur erregen.
Diese Zweifel koͤnnen indessen nie bei Anwendung solcher Fluͤßigkeiten
entstehen, die schon zu ihrer Existenz selbst einen Druk von 30 bis 40
Atmosphaͤren noͤthig haben, und die selbst bei der
gewoͤhnlichen Temperatur, oder bei einer geringen Erhoͤhung derselben
hinreichend sind, eine ungeheuere elastische Kraft hervorzubringen. Hier ist die
Hauptfrage, um die es sich handelt, diese: ob die mechanische Bewegung, als Wirkung,
leichter durch kuͤnstliche Vermehrung oder Verminderung der Temperatur
erzeugt wird?
Ich habe mit Beihuͤlfe des Hrn. Faraday einige
Versuche uͤber diesen Gegenstand angestellt, und der Erfolg hat selbst meinen
sanguinischsten Erwartungen entsprochen. Geschwefeltes Wasserstoffgas, welches sich
leicht, schon bei 3° Fahrenh., unter einem Druke, welcher mit der elastischen
Kraft einer auf 1/14 zusammengedruͤkten Atmosphaͤre in Gleichgewicht
sieht, verdichtet, erhielt eine solche Zunahme an seiner elastischen Kraft, daß
diese, bei einer Vermehrung der Temperatur um 47° Fahrh., der elastischen
Kraft einer Atmosphaͤre, die auf 1/17 zusammen gedruͤkt ist, gleich
kam. Fluͤßige Kochsalzsaͤure aͤußerte bei 3° eine
elastische Kraft, die jener einer auf 1/20 zusammen gedruͤkten Atmosphaͤre gleich
war. Durch Erhoͤhung der Temperatur auf 22° nahm die elastische Kraft
so sehr zu, daß sie jener einer auf zusammen gedruͤkten Atmosphaͤre
gleich stand; und durch eine weitere Erhoͤhung der Temperatur um 26°
stieg diese Kraft bis zu einer Hoͤhe, die jener einer auf 1/40 ihres
urspruͤnglichen Volumens verdichteten Atmosphaͤre gleich war. Diese
Versuche wurden in diken hermetisch verschlossenen Glasroͤhren angestellte.
Der Grad des Drukes wurde durch Veraͤnderung des Volumens der mit Queksilber
in einem kleinen graduirten, und in einem der Atmosphaͤre ausgesehen Theile
der Roͤhre angebrachten, Maßgefaͤße eingeschlossenen Luft bestimmt;
die Temperatur wurde unter den Grad, bei welchem das Gefaͤß eingesezt wurde,
gebracht, d.h., die Temperatur der Atmosphaͤre wurde durch kuͤnstliche
Mischungen erniedrigt, so daß die Temperatur der Luft innerhalb des Gefaͤßes
nicht bedeutend veraͤndert werden konnte. Und da die elastische
Fluͤßigkeit, welche das Gefaͤß umgab, eine hoͤhere Temperatur,
als die verdichtete Fluͤßigkeit, gehabt haben mußte, so kann die Verminderung
der elastischen Kraft des Dampfes aus Fluͤßigkeiten nicht als zu hoch
berechnet angenommen werden.
Nach den ungeheueren Unterschieden zwischen der Vermehrung der elastischen Kraft in
Gasarten unter hohem und niedrigem Druke durch aͤhnliche Erhoͤhungen
der Temperatur kann kein Zweifel obwalten, daß, je dichter der Dampf oder je
schwieriger die Verdichtung des Gases, desto groͤßer die Kraft desselben, als
mechanische Kraft, bei Wechsel der Temperatur seyn muͤsse. Auf diese Weise
wird Kohlensaͤure weit staͤrker wirken, als Kochsalzsaͤure. Bei
dem einzelnen mit ersterer vorgenommenen Versuche fand man die Kraft derselben
beinahe der Luft gleich, wenn diese unter 12° Fahrh., auf 1/20
zusammengedrukt ist, und bei 32° einer auf zusammengedruͤkten Luft:
dieß gibt demnach bei einer Erhoͤhung der Temperatur um 20° eine
Zunahme an Kraft, die dem Gewichte von 13 Atmosphaͤren gleich ist. Bei dem
Frierpuncte des Wassers steigt diese Kraft bis zur ungeheueren Hoͤhe von 36
AtmosphaͤrenSeit dieser Aufsaz geschrieben wurde, hat Hr. Faraday gefunden, daß Ammonium-Dampf bei 32° eine
elastische Kraft von der Staͤrke einer auf die
Haͤlste zusammengedruͤkten Atmosphaͤre besizt; bei
50° einer auf 10/65 zusammengedruͤkten Atmosphaͤre; daß
der Dampf des salpetrigen Oxides bei 32° eine elastische Kraft von
der Staͤrke einet auf 1/44, bei 45° einer auf 1,0/51,3
zusammengedruͤkten Atmosphaͤre besizt.A. d. O..
Stikstoff, wenn man denselben fluͤßig erhalten koͤnnte, wuͤrde
ohne Zweifel noch weit kraͤftiger seyn, als Kohlensaͤure; und
Wasserstoff wuͤrde in diesem Zustande eine beinahe nicht zu berechnende Kraft
aͤußern, und durch die kleinsten Veraͤnderungen der Temperatur
ungeheuere Abaͤnderungen erleiden.
Um diese Idee zu erlaͤutern, will ich einen Versuch mit
Schwefel-Alkohol anfuͤhren.
Die Temperatur desselben ward auf 20° uͤber den Siede-Punct
erhoͤht, und die elastische Kraft desselben gepruͤft: man fand sie
gleich einer Kraft, die geringer ist als die einer, auf beinahe 3/4 zusammen
gedruͤkten, Luft. Er ward nun auf 320° unter einem Druke, der jenem
einer auf 10/77 zusammen gedruͤkten Luft gleich ist, erhizt, und noch um
20° mehr, und seine elastische Kraft ward gleich einer Kraft der
Atmosphaͤre, die auf 100/895 zusammen gedruͤkt ist.
Ich hoffe diese Versuche bald auf eine genauere, und noch mehr in das Einzelne
gehende, Weise wiederholen zu koͤnnen. Die allgemeinen Resultate scheinen
indessen so sehr der Aufmerksamkeit praktischer Mechaniker wuͤrdig, daß ich
es fuͤr meine Pflicht halte keine Zeit zu verlieren, und sie selbst in ihrem
gegenwaͤrtigen unvollkommenen Zustande, dem Publikum mitzutheilen.
Bei Anwendung der verdichteten Gasarten als mechanische Kraͤfte werden sich
einige Schwierigkeiten finden. Die Materialien zu den hierzu noͤthigen
Apparaten muͤssen wenigstens so stark seyn, und so vollkommen schließen, wie
jene an Hrn. Perkins's Dampf-Maschine mit hohem Druke; da aber nur sehr
kleine Unterschiede der Temperatur noͤthig sind, um eine elastische Kraft zu
erzeugen, die dem Druke vieler Atmosphaͤren gleich ist, so wird die Gefahr
der Explosion außerordentlich geringUns scheint sie groͤßer; indem gerade kleine Verschiedenheiten der
Temperatur praktisch schwerer genau zu erhalten und zu unterhalten sind. Gerade
deswegen, weil man bei gewissen an und fuͤr sich sehr guten
Heizungs-Apparaten weniger Holz braucht, als gewoͤhnlich, sind
diese Apparate bei der Roheit und Unwissenheit unserer gewoͤhnlichen
Heizer nicht bloß unbrauchbar, sondern sogar gefaͤhrlich
geworden.A. d. Ueb.; und wenn kuͤnftige Versuche die hier entwikelten Ansichten realisiren sollten,
wuͤrde der Unterschied zwischen Sonnenlicht und Schatten, Luft und Wasser,
oder die Wirkung der Ausduͤnstung einer nassen Oberflaͤche hinreichen,
um Resultate zu erzeugen, welche man bisher nur mit großem Aufwaͤnde von
Brennmaterial hervorzubringen im Stande war.
Ich will diese Mittheilung mit einigen allgemeinen Beobachtungen, die aus dieser
Untersuchung hervorgehen, schließen.
Es gibt eine einfache Methode die Gase in einen tropfbar fluͤßigen Zustand zu
bringen, die bei dem ersten Anblik paradox zu seyn scheint, naͤmlich: Anwendung der Waͤrme. Sie besteht darin, daß man
sie in einen Schenkel einer gekruͤmmten geschlossenen Roͤhre, mit
Queksilber abgesperrt, bringt, und den Aether, Alkohol oder das Wasser an dem
anderen Ende erhizt. Auf diese Weise habe ich durch den Druk der
Aether-Daͤmpfe blausaures Gas und schwefelig saures Gas (die einzigen
beiden Gasarten, mit welchen ich Versuche aus stellte) in tropfbare Gestalt
gebracht; und so wie diese Gase sich wieder herstellten, erzeugten sie
Kaͤlte.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese allgemeinen Thatsachen uͤber
Verdichtung der Gasarten manche praktische Anwendung erlauben werden. Sie biethen
eine leicht anwendbare Methode dar, Fluͤßigkeiten mit Kohlensaͤure und
anderen Gasarten zu saͤttigen, ohne daß man zu dem gewoͤhnlichen
mechanischen Druke seine Zuflucht nehmen muͤßte.
Sie biethen Mittel dar, große Verminderungen der Temperatur zu erzeugen, bloß durch
die Schnelligkeit, mit welcher große Mengen von Fluͤßigkeit in
luftfoͤrmigen Zustand gebracht werden koͤnnen; und, da
Zusammendruͤkung aͤhnliche Wirkung, wie Kaͤlte, hervorbringt,
wo elastische Koͤrper sich bilden sollen, so hat man starken Grund zu
vermuthen, daß man dieselbe mit Vortheil zur Erhaltung thierischer und
vegetabilischer Stoffe, als Nahrungsmittel, benuͤzen kann.
Anhang zu obigem Aufsaze. Ueber die
Veraͤnderungen des Volumens, welche an Gasarten in verschiedenen
Zustaͤnden von Dichtigkeit durch die Waͤrme Statt haben.
Einer der wichtigsten Umstaͤnde bei Untersuchung der Geseze der elastischen
Kraͤfte, welche Daͤmpfe oder Gasarten, die aus fluͤßigen
Koͤrpern aufsteigen, durch Vermehrung der Temperatur unter Druk
aͤußern, ist die Berechnung der Ausdehnung, oder, was eben so viel ist, der
elastischen Kraft der Atmosphaͤren in verschiedenen Zustaͤnden von
Dichtigkeit.
Die Versuche der HHrn. Dalton und Gay-Lussac haben erwiesen, daß elastische Fluͤßigkeiten von
sehr verschiedener spezifischer Schwere unter gleicher Zunahme der Temperatur
gleiche Ausdehnung erleiden, oder, um nach den Erlaͤuterungen der HHrn. Dulong und Petit richtiger zu
sprechen, daß Queksilber und Luft oder Gasarten in ihren Ausdehnungen Aequivalente
fuͤr jede Zahl von Graden am Thermometer zwischen dem Frier- und
Siedepunkte des Wassers sind. Die fruͤheren Untersuchungen des Hrn. Amonton schienen zu zeigen, daß die Zunahme der
Federkraft oder elastischen Kraft der Luft durch Vermehrung der Temperatur in
geradem Verhaͤltnisse mit der Dichtigkeit derselben ist. Es war mir indessen
kein einziger directer Versuch uͤber die Veraͤnderungen des Volumens
bekannt, welche in Gasarten unter sehr verschiedenen Zustaͤnden von
Dichtigkeit und Verduͤnnung durch Wechsel der Temperatur Statt haben. Die
Wichtigkeit dieser Untersuchung in Bezug auf obige Mittheilung veranlaßt mich
folgende Versuche anzustellen.
Trokene atmosphaͤrische Luft wurde mittelst Queksilbers in eine
Glasroͤhre gesperrt, die Temperatur derselben von 32° Fahrh., auf
212° erhoͤht, und die Ausdehnung derselben genau bemerkt. Dasselbe
Volumen von Luft, aber in doppelter und mehr als dreifacher Dichtigkeit unter einem
Druke von 30 bis 65 Zoll Queksilber, wurde auf dieselbe Weise und in derselben
Roͤhre behandelt, und, nach vorgenommenen nothwendigen Correctionen in Bezug
auf den Unterschied des Drukes der weggenommenen Queksilbersaͤule, zeigten
sich die Ausdehnungen als genau dieselben.
Man richtete einen Apparat vor, in welchem die Ausdehnungen verduͤnnter Luft,
welche durch Queksilber-Saͤulen abgesperrt war, untersucht, und mit
den Ausdehnungen gleicher Volumen Luft unter dem gewoͤhnlichen Druke
verglichen werden konnten, und es zeigte sich, daß bei gleicher Anzahl von Graden an
Fahrenheits Thermometer zwischen 32 und 212° sie vollkommen gleich
waͤren, die Luft mochte die Haͤlfte, ein Drittel oder ein Sechstel
ihrer natuͤrlichen Dichtigkeit besizen.
Aehnliche Versuche wurden mit einer sechsfach verdichteten und fuͤnfzehnfach
ausgedehnten Luft, jedoch nothwendig mit geringerer Praͤcision angestellt,
und gewaͤhrten aͤhnliche Resultate.