Titel: | Bericht des Hrn. Francoeur, im Namen des Ausschusses der mechanischen Künste, über das Musik-Pult der HHrn. Puyroche und Wagner (Neffe.) |
Fundstelle: | Band 16, Jahrgang 1825, Nr. XI., S. 34 |
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XI.
Bericht des Hrn. Francoeur, im Namen des Ausschusses der
mechanischen Künste, über das Musik-Pult der HHrn. Puyroche und Wagner (Neffe.)
Aus dem Bulletin de la Société d' Encouragement
pour l'Industrie nationale. N. 241.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Francoeur's Bericht, über das Musik-Pult der HHrn. Puyroche und
Wagner.
Wenn ein Notenblatt nicht groß genug ist, um ein Stuͤk
aus einer Seite ganz aufnehmen zu koͤnnen, was haͤufig der Fall ist,
muß man umblaͤttern; und da haͤufig beide Haͤnde des Musikers
mit dem Instrumente beschaͤftigt sind, welches er spielt, so muß er das
Stuͤk unterbrechen, wenn anders der Notenstecher nicht dafuͤr gesorgt
hat, daß dann, wann das Blatt umgewendet werden soll, eine Pause zu stehen kommt.
Allein diese Pause ist oft bei schnell hin rauschender Musik zu kurz, oder das
Notenblatt zu weich, oder es laͤßt sich nicht leicht umschlagen, legt sich
nicht gehoͤrig, bleibt nicht liegen etc.
Diese Unbequemlichkeiten sind dem Kuͤnstler von Profession eben so gut
bekannt, als dem Dilettanten; vorzuͤglich bei dem Harfen- und Clavierspiele,
wo die Noten viel Raum auf dem Papiere einnehmen, und jeden Augenblik
umgeblaͤttert werden muß. Man hat im Jahre 1820 in England ein Musik-Pult
erfunden, welches die Blaͤtter nach Belieben umlegt, und fuͤnf
verschiedene Bewegungen gibt; das Blatt umlegt, bei einem Da
Capo wieder zuruͤklegt, das zweite Blatt haͤlt, wenn das
erste umgeschlagen wird, den zweiten Hebel an die Stelle des ersten bringt, und
endlich den Hebel zuruͤkgehen laͤßt, um das zweite Blatt
umzuschlagen.
Die beiden hier vorgelegten Pulte leisten dasselbe mittelst eines Pedales, welches
eine Schnur zieht, die den Mechanismus in Thaͤtigkeit sezt. Dieser
Mechanismus besteht aus einem Stabe oder Hebel, der vorher unter das Blatt gelegt wird,
und dann bei seiner Umdrehung dasselbe von der Rechten zur Linken bringt. Der Pult
hat, in der Mitte seiner Breite, eine Umdrehungs-Achse, in welcher sich die Basen
aller dieser Hebel vereinigen, und diese Achse befindet sich am Ruͤken des
Heftes unter dem Buge, welchen die Blaͤtter bei ihrer Vereinigung bilden.
Jeder Hebel komme vorher unter das Blatt, welches er seiner Zeit
umzublaͤttern hat, und das Pedal sezt jeden derselben nach und nach in Zeit
gemaͤße Thaͤtigkeit.
Bis hierher sind beide Pulte einander aͤhnlich; allein sie sind in der
Ausfuͤhrung des Mechanismus, welcher die Hebel in Taͤtigkeit sezt, und
welcher eigentlich der schwierigste Theil ist, sehr von einander verschieden. Da
jeder Zug am Pedale nur Einen Hebel in Thaͤtigkeit sezen darf, so mußte es
schwierig gewesen seyn, dieß auf eine einfache und wohlfeile Weise zu
bewerkstelligen.
Hr. Puyroche bringt auf seiner Umdrehungs-Achse ein
Faͤßchen an, welches eine starke Feder enthaͤlt, die durch das Pedal
gespannt wird, und das Faͤßchen in seine urspruͤngliche Lage
zuruͤkfuͤhrt, wenn jenes zu wirken aufhoͤrt. Dieses Faßchen ist
an seiner Basis mit einem Wirbel versehen, welcher einen an der Basis des Hebels
angebrachten Absaz ergreift, so daß, wenn das Faͤßchen sich dreht, auch der
Hebel sich dreht, und dadurch das auf ihm befindliche Blatt umlegt. Da dieser Wirbel
selbst parallel mit der Achse sich bewegt, so darf er nur denjenigen Hebel
ergreifen, der gegenwaͤrtig uͤber den anderen liegt.
Diese Erfindung ist sehr sinnreich, und Hrn. Puyroche's
Pult ist ein eben so elegantes, als bequemes Meubel. Indessen muß der Erfindet
desselben den Mechanismus doch noch etwas durchsehen, um der Wirkung mehr Sicherheit
zu verschaffen; denn es hat sich bei der Probe gezeigt, daß er nicht ganz
Genuͤge leistet; es wird naͤmlich zuweilen ein Blatt nicht umgelegt,
oder es kommen zwei Blaͤtter statt eines. Diese Fehler lassen sich leicht
beseitigen, und benehmen der Erfindung ihren Werth nicht.
Hrn. Wagner's (dessen Neffen) Apparat scheint uns
einfacher und sicherer. Die Hebel bewegen sich frei um ihre Achse: eine Klaue, die
durch ein Pedal in Thaͤtigkeit gesezt wird, ergreift sie nach und nach, und eine Spiral-Feder
fuͤhrt sie jedes Mahl wieder an ihre Stelle zuruͤk. Die Klaue hat zwei
Finger, welche den Hebel ergreifen, um denselben von der Rechten zur Linken zu
fuͤhren; diese Finger sind beweglich, und ziehen sich entweder zuruͤk,
oder schieben sich vor, je nachdem die Klaue steht, so daß sie immer nur den oberen
Hebel fassen, ohne zu den uͤbrigen gelangen zu koͤnnen.
Es scheint uns, daß der Mechanismus des Hrn. Wagner
bequemer, als jener des Hrn. Puyroche ist, welcher auch
theurer zu stehen kommt. Es waͤre gut an beiden Mechanismen eine
Veraͤnderung anzubringen, durch welche es, wie an dem englischen Pulte,
noͤthigen Falles moͤglich waͤre, das Blatt auch in
entgegengesezter Richtung zuruͤkzufuͤhren. Uebrigens ist die Société mit diesen beiden Erfindungen
zufriedenHr. Puyroche wohnt bei Hrn. Séllique
rue des Vieux Augustins, N. 8; Hr. Wagner
rue du Cadran N. 39..
Beschreibung des mechanischen Pultes des Hrn. Puyroche.
Der mechanische Pult des Hrn. Puyroche dargestellt auf
Tab. II. Fig.
4, 5, 6,
besteht aus einem Gehaͤuse, AA welches dem
Pulte als Unterlage dient, und durch welches eine Achse, B, laͤuft, um die der Mechanismus sich dreht. Die Achse
laͤuft durch ein Faͤßchen, C, welches eine
Feder enthaͤlt, die das excentrische Stuͤk, E, in seine urspruͤngliche Lage zuruͤkfuͤhrt, sobald
das Faͤßchen aufhoͤrt zu wirken. Das excentrische Stuͤk
haͤlt an seiner Basis den Wirbel, b, welcher den
Absaz, c, Fig. 5, an den Armen, F, ergreift, und sie nach und nach von der Linken zur
Rechten fuͤhrt, um die Blaͤtter umzuwenden, welche vorlaͤufig
von den Zangen, ff, ergriffen wurden. Um das
Faͤßchen, C, laͤuft die Schnur, a, und geht uͤber die Rolle, d, um sich mit dem unter dem Pulte befindlichen Pedale
zu verbinden, welches mit dem Fuße getreten wird, sobald man ein Blatt umdrehen
will. Das excentrische Stuͤk, welches vertical und parallel mit der Achse,
B, beweglich ist, wird von einer Feder, I, gedruͤkt. Daher ergreift der Wirbel, b, jedes Mahl nur jenen Arm, der unmittelbar unter ihm
liegt. Diese Bewegung wird durch ein halbkreisfoͤrmiges Stuͤk, G, bewirkt, welches mittelst drei Ohren auf den Falzen, HH, fest gehalten wird, und sich nur
regelmaͤßig auf und nieder bewegt. In dieser Richtung folgt es dem
excentrischen Stuͤke, E, bis herab, und richtet
sich in seiner Bewegung so, daß es nur einen Arm nach dem anderen ergreift, und das
excentrische Stuͤk wieder hinauffuͤhrt, wenn man die Arme von der
Linken zur Rechten ganz oder theilweise zuruͤkfuͤhrt.
Beschreibung des Musik-Pultes des Hrn. Joh. Wagner, des Neffen.
Dieser Pulk unterscheidet sich von dem vorigen dadurch, daß die Hebel, welche jedes
Blatt umkehren, statt durch einen daruͤber angebrachten Mechanismus bewegt zu
werden, durch ein sehr sinnreiches, unten angebrachtes, Mittel nach und nach und
ohne Verwirrung gehoben werden.
Fig. 7 zeigt
diesen Pult von vorne. Fig. 8 den Mechanismus,
der die Hebel spielen laͤßt, im groͤßeren Maßstabe; Fig. 9 die Hebel
abgenommen und im Grundrisse; Fig. 10, Durchschnitt und
Grundriß der Klaue, die die Hebel spielen laͤßt; Fig. 11, den Knopf und
die Spiral-Feder; Fig. 12 den Durchschnitt und Grundriß der beiden Rollen, uͤber
welche die an dem Pedale befestigte Schnur laͤuft; Fig. 13 den Sperrhaken im
Grundrisse.
Nachdem die Musikalien auf das Pult, a, gelegt wurden,
legt man unter jedes Blatt die verticalen Staͤbchen, b, die bei c ein Gewinde haben. Diese
Staͤbchen befinden sich auf horizontalen Hebeln, d, welche auf einem gemeinschaftlichen Mittelpuncte der Bewegung
aufgezogen sind, naͤmlich auf einer Spindel, e,
die von Bruͤken, ff, gehalten wird. Jeder
Hebel dreht sich frei um diese Spindel mittelst eines Ringes, g, welcher auf dem gebogenen Theile, g',
aufgeloͤthet ist. Es muß also so viele Ringe, als Hebel geben.
Auf derselben Spindel als Mittelpuncte, und unmittelbar unter derselben, befindet
sich eine Klaue aus Kupfer, h, welche eine Spiralfeder,
l, immer auf die rechte Seite hinuͤber
druͤkt, und unter die Hebel, d, hinab. Diese
Klaue schließt zwei Hebel, ii, ein, die von
kleinen Federn, ss, niedergedruͤkt werden,
und auf einem Stifte sich bewegen, der durch dieselben laͤuft. Einer dieser Hebel, i, fuͤhrt einen Finger oder schief zulaufenden
Daumen, der in den kreisfoͤrmig ausgehoͤhlten Theil, k, des Hebels in dem Augenblike einfaͤllt, wo er
ihn ergreift, um ihn von der Rechten zur Linken zuruͤkzufuͤhren: der
andere Hebel, i, hat zwei Finger; der erste, 1, stellt
sich vor dem ausgehoͤhlten Theile, um den Hebel bis zu dem Augenblike
zuruͤkzuhalten, wo er ihn auslassen muß, d.h., nachdem er mehr als eine halbe
Wendung gemacht hat. Diese Bewegung geschieht auf folgende Weise. Auf der Achse der
Klaue, h, ist eine Rolle, n,
eingeschnitten, um welche man die Schnur, o, dreht, die
um eine zweite Rolle, p, laͤuft, und an dem am
Fuße des Pultes angebrachten Pedale sich endet. Wenn man an dieser Schnur durch den
Fußtritt zieht, so geht, da alle Hebel rechts liegen, der erste Hebel zwischen den
zwei Fingern, wie man in Fig. 9 sieht, auf die
linke Seite. Wenn er auf den Punct gekommen ist, der uͤber dem Mittelpuncte
der Spindel, e, liegt, wird der Hebel, i, gezwungen umzuschlagen, indem der schief zulaufende
Finger, 2, auf einer schiefen Flaͤche, m,
hinaufsteigt; dadurch muß der Finger, 1, herab, welcher dann den Hebel seinem
eigenen Gewichte uͤberlaͤßt, und denselben links auf das Blatt,
welches er traͤgt, fallen laͤßt; zu gleicher Zeit faͤllt aber
die Klaue, h, die durch die Schnekenfeder gespannt wird,
von sich selbst auf die rechte Seite und ergreift den zweiten Hebel, den sie auf
dieselbe Weise leitet. Um die Staͤbchen, b, unter
die Blaͤtter zu bringen, zieht man den Knopf, q,
welcher die Klaue, h, niedersteigen macht, deren
Bewegung man mittelst des Sperrhahnes, Fig. 13, stellt, welcher
in einen in der Achse des Knopfes angebrachten Einschnitt eingreift. Sobald die
Staͤbe zwischen die Blaͤtter gebracht sind, hebt man den Sperrhaken
aus, und die Klaue steigt hinauf und stellt sich von selbst unter die Hebel.