Titel: | Ruthven's excentrisches Rad. |
Fundstelle: | Band 16, Jahrgang 1825, Nr. XLI., S. 198 |
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XLI.
Ruthven's excentrisches Rad.
Aus dem Mechanic's Magazine. N. 63. S. 99.
Ruthven's excentrisches Rad.
Hr. Ruthven zu Edinburgh, hat eine
neue Anwendung der Kraft der schiefen Flaͤche erfundenDagegen bemerkt Hr. Shenston zu Winchester in eben
diesem Magazine, N. 66, S. 157, daß er schon
seit 2 Jahren sich solcher excentrischer Raͤder in seiner Fabrik
bedient. A. d. Ueb., welche, bei dem ersten Anblike, von großem Nuzen in der Mechanik zu seyn
scheint.
Man denke sich einen eisernen Triebstok, der von einer Kurbel getrieben wird, und
sich vertical dreht; dann ein Rad aus demselben Metalle in derselben Lage, dessen
Rand auf dem Triebstoke ruht, und sich durch Beruͤhrung oder Reibung der
Oberflaͤchen dreht. In dieser Lage gleichen sie vollkommen dem Rade und dem
Triebstoke eines gewoͤhnlichen Krahnes, nur daß hier die Zaͤhne
fehlen. Man seze ferner, die Achse dieses Rades staͤnde nicht in dem wahren
Mittelpunkte desselben, sondern etwas seitwaͤrts davon entfernt, so daß die
Halbmesser oder die Speichen der einen Seite um Ein Zoll kuͤrzer sind, als an
der anderen; so wird es offenbar, daß, wenn wir dort anfangen, wo die
kuͤrzesten Speichen mit dem Triebstoke in Beruͤhrung sind, und das Rad
eine halbe Umdrehung machen lassen, die laͤngeren Speichen an die Stelle der
kuͤrzeren getreten seyn werden, und die Achse des Rades um Ein Zoll weiter
von der Achse des Triebstokes getrieben worden seyn wird, als es vorher war. Dieses
Vorschieben durch die Bewegung eines excentrischen Rades ist nun dasjenige, was Hr.
Ruthven als Kraft bei seiner Maschine benuͤzt.
Die Achse des Triebstokes dreht sich in einer befestigten Buͤchse oder in
einem Lager, waͤhrend die Achse des Rades in einer laͤnglichen
Buͤchse auf- und niedersteigen kann: mittelst eiserner Stangen oder Pfeiler,
welche auf lezterer Achse ruhen, wird der Druk einer Buͤhne in dem oberen Theile des Gestelles
mitgetheilt, und kann dort zu irgend einem Zweke verwendet werden.
Hr. Ruthven aͤndert die Form des Rades nach dem
Zweke ab, zu welchem er dasselbe bestimmt. Bald ist es elliptisch, bald spiral-,
bald herzfoͤrmig; zuweilen braucht er, statt eines ganzen Rades, nur einen
Sector von 50 bis 60 Graden, und obschon die Bewegung des Triebstokes dem Rade
lediglich durch die wechselseitige Beruͤhrung ihrer Oberflaͤchen
mitgetheilt wird, so bedient er sich doch auch, wo die Excentricitaͤt groß
ist, zur groͤßeren Sicherheit der Zaͤhne.
Ein Mechaniker wird alsogleich bemerken, daß die Kraft an dieser Maschine eigentlich
nur eine schiefe Flache ist. Wenn wir von der Achse des excentrischen Rades aus
einen Kreis beschreiben, der den Umkreis an seiner inneren Seite bei dem
kuͤrzesten Halbmesser beruͤhrt, so ist es offenbar, daß man den
Halbmond zwischen diesem Kreise und dem aͤußeren Umkreise als einen Keil
betrachten kann, welcher, im Verlaufe seiner Umdrehung, zwischen die beiden
bewegenden Koͤrper eingeschoben wird, und dieselben zwingt, aus einander zu
weichen. Der Vorzug, den diese Art von schiefer Flaͤche vor der jezt
gebraͤulichen besizt, scheint vorzuͤglich darin zu bestehen, daß
1tens, der Haupttheil der Reibung hier ein Waͤlzen
ist, welches, im Falle, daß Metall sich auf Metall waͤlzt, wahrscheinlich
nicht der zwanzigste Theil der Reibung ist, welche durch Schieben entsteht. Der Theil der Reibung, welcher durch Schieben entsteht, ist hier derjenige einer Achse
innerhalb ihres Lagers, der unter allen Arten der Reibung durch Schieben der
mindeste ist.
2tens, im Vergleiche mit der Schraube (und wir koͤnnen sagen, selbst mit der
hydraulischen Presse) hat sie den großen Vortheil, daß die Kraft jede Art von
gradweiser Vermehrung oder Verminderung gestattet, waͤhrend sie bei jener
gleichfoͤrmig ist. Wenn man z.B. Baumwollenwaaren mittelst einer Schraube in
kleine feste Paͤke zur Ausfuhr preßt, so muß man, weil der Widerstand in
einem sehr stark zunehmenden Verhaͤltnisse in dem Maße waͤchst, als
der Druk fortschreitet, wenn man mit Einem Manne an der Schraube anfaͤngt, am
Ende mit zehn aufhoͤren, indem die Kraft der Schraube am Ende nicht
groͤßer ist, als sie im Anfange war. Wenn man hingegen mit Ruthven's Maschine arbeitet,
vollendet man die Sache dadurch leicht, daß man die Kraft derselben immer zunehmen
laͤßt, was, in dem vorigen Falle, nur durch Vermehrung der Menschenkraft
geschehen kann. Indem man die Kruͤmmung des Rades abaͤndert, kann man
die Kraft so vervielfaͤltigen, daß derselbe Mann, der anfangs eine Kraft von
2 Tonnen erzeugt, am Ende eine Kraft von 100 Tonnen hervorbringt. 3tens, diese
Vermehrung von Kraft, welche in mehreren Faͤllen von unschaͤzbarer
Wichtigkeit ist, wird zuweilen durch eine Verbindung von Hebeln hervorgebracht. Vor
diesen Verbindungen hat aber Hrn. Ruthven's excentrisches Rad den Vortheil, daß
1tens, der dabei angewendete Mechanismus entschieden einfacher, und die Reibung ohne
allen Zweifel geringer ist; 2tens, die Elasticitaͤt, welche oͤfters
die Wirksamkeit einer Hebel-Verbindung sehr schwaͤcht, gaͤnzlich
umgangen wird; 3tens, daß man den Grad und das Maß der Verstaͤrkung und
Verminderung der Kraft mit weit groͤßerer Leichtigkeit bestimmen kann; 4tens,
die Maschine so vorgerichtet werden kann, daß ihre Bewegung staͤtig und
fortschreitend, ohne Aufhalt oder Ruͤkwaͤrtsschreiten, wie bei den
Hebeln so oft der Fall ist, fortgeht. Der Erfinder meint wirklich, mit seiner
Maschine jede Aufgabe loͤsen zu koͤnnen. Er richtet jezt eine Maschine
vor, mit welcher er, durch bloßen Druk, Loͤcher von der Groͤße eines
□ Zolles durch kalte Eisenstangen von 5/8 Zoll Dike mit einem einzelnen
Arbeiter schlaͤgt.
Er berechnet die Kraft auf folgende Weise: Man seze: ein Mann wendet eine Kraft von
30 Pfund an, um eine Kurbel zu drehen, deren Halbmesser 15 Zoll betraͤgt, und
an deren Achse ein Triebstok von 2 Zoll im Durchmesser sich befindet, der auf ein
Spiral-Rad von 6 Fuß im Umfange und einen halben Zoll Excentricitaͤt (wodurch
ein Zoll Vorschub entsteht) einwirkt; so ist die Wirkung = 30 × 15 ×
72 = 32,400: d.h., die Excentricitaͤt vollkommen gleichfoͤrmig gesezt,
entsteht ein Druk von 15 Tonnen, oder, ein Koͤrper von 15 Tonnen Gewicht wird
um Ein Zoll gehoben. Wenn aber die Excentricitaͤt an verschiedenen Theilen
des Umfanges verschieden ist, kann der Druk auch um 10 Mahl groͤßer werden,
als er hier fuͤr diesen besonderen Fall angenommen wurde. Es ist kaum noͤthig zu bemerken,
daß in diesem Falle nur durch ein Zehntel des Raumes gewirkt wird.