Titel: | Der Bell-Rock Leuchtthurm. |
Fundstelle: | Band 16, Jahrgang 1825, Nr. LXXXVI., S. 422 |
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LXXXVI.
Der Bell-Rock Leuchtthurm.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII. (Fig.
34 und 35.)
Der Bell-Rock Leuchtthurm.
Der Bell-Rock Leuchtthurm ist, nach
dem einmuͤthigen Gestaͤndnisse der Kenner der Baukunst, die ihn sahen,
oder auch nur aus Stevenson's
Account of the Bell-Rock Lighthouse, including the details of
the erection and peculiar structure of that edifice (einem seltenen Werke
in 4to von 500 Seiten und mit 23 Kupfertafeln, wovon nur 240 Abdruͤke
fuͤr den Buchhandel gemacht wurden) kennen, eine der groͤßten
Unternehmungen der neueren Baukunst unseres Jahrhundertes, durch welche dasselbe zum Theile
fuͤr die elenden und geschmaklosen Erd- und Steinhaufen, die seine
sogenannten Architekten aufhaͤufeln und aufthuͤrmen, sich
rechtfertigen mag vor der Nachwelt, vorausgesezt, daß sie bis auf diese gelangen,
nicht fruͤher einstuͤrzen, oder daß man nicht fruͤher zu soviel
Schamgefuͤhl gelangt, als noͤthig ist, um sie einzureißen.
Das Edinburgh philosophical Journal, enthaͤlt im
Januar, 1825, S. einen Auszug aus obigem Werke, welches eine hoͤchst
detaillirte Nachricht uͤber dieses herrliche Denkmahl menschlicher
Kuͤhnheit, Ausdauer und Besonnenheit mittheilt. Der Bell-Rock ist eine Sandstein-Klippe in einer Entfernung von 11 engl,
(ungefaͤhr 3 deutschen) Meilen von dem naͤchsten Ufer. Sie ist an der
Stelle, an welcher sie, nur zur Zeit der Ebbe, vom Meere unbedekt ist,
ungefaͤhr 400 Fuß lang, und 250 Fuß breit: zur Zeit der Fluch ist sie 10 bis
12 Fuß unter Wasser. Die Aufgabe war, auf dieser den Schiffen so
gefaͤhrlichen Klippe einen Leuchtthurm zu erbauen, der sie vor der nahen
Gefahr warnen sollte. Die Brandung, die von allen Seiten um diese Klippe
schlaͤgt, machte es selbst bei ruhiger See den Bothen gefaͤhrlich, ihr
nahe zu kommen, und nur Fischer wagten es, sich derselben in ihren Kaͤhnen zu
naͤhern. Capt. Brodie errichtete zwar auf
demselben einen hoͤlzernen Balcon; allein die Stuͤrme, und die, alles
Holzwerk um diese Klippe zerstoͤrende, Limnoria
terebrans hatten denselben bald zu Grunde gerichtet. Als Hr. Stevenson, der Erbauer dieses herrlichen Leuchtthurmes,
im J. 1800 auf dieser Klippe landete, fand er bloß Truͤmmer von Schiffen, die
an derselben scheiterten; er uͤberzeugte sich jedoch von der
Moͤglichkeit, hier, wenn gleich mit unendlicher Muͤhe, eine Leuchte zu
errichten. Es mußte vor Allem fuͤr ein Wachtschiff gesorgt werden, das die
Arbeiter bei eintretender Fluch an Bord nehmen, und des Nachts einstweilen als
Leuchte dienen konnte; fuͤr ein Transportschiff, das die Steine und die
Arbeiter hin und her fuͤhren konnte. Die Steine fuͤr die Außenwerke
des Thurmes wurden aus den Granitfelsen um Aberdeen, fuͤr das Innere des
Gebaͤudes aus den Sandsteinbruͤchen zu Kingoodie bei Dundie so
gehauen, daß sie auf der Klippe nur nach ihren Nummern uͤber und an einander
gesezt werden durften. Hr. Stevenson
begann das große Werk
am 7. August 1807 mit seinem ersten Gehuͤlfen, Hrn. P. Logan, damit, daß er die Klippe von den Waͤllen von Seetang (Fucus digitatus und esculentus), die das Meer seit Jahrhunderten um dieselbe angehaͤuft
hatte, reinigen, und mit Steinhauen die Grundfeste der kuͤnftigen Leuchte auf
der Klippe bezeichnen ließ. Es wurde mit den Arbeitern der Contract abgeschlossen,
daß jeder derselben einen Monat lang auf der Klippe bleiben muß, ohne auf das Ufer
zuruͤk zu kehren, und dafuͤr woͤchentlich 20 Shill. mit freier
Kost und Wohnung erhalten soll. Entschaͤdigung fuͤr Sonntags-Arbeit
und Praͤmien blieben „der Ehre der Unternehmer“
uͤberlassen.
Anfangs hielt man sich fuͤr sehr gluͤklich, wenn man waͤhrend
der Ebbe 2 bis hoͤchstens 3 Stunden lang auf der Klippe arbeiten konnte: wie
die Fluth sich naͤherte, mußten die Arbeiter auf ihre Flucht Bedacht nehmen,
und sich in Bothen auf das Wachtschiff retten. Die Errichtung irgend eines
Zuflucht-Winkels auf der Klippe selbst lag allerdings schon in dem ersten Plane des
Hrn. Stevenson; allein, erst Ende Septembers konnte,
selbst bei naͤchtlicher Arbeit bei Fakelschein, das Geruͤst zu einem
hoͤlzernen Balcon fertig werden, der aus sechs, 50 Fuß langen, Balken
bestand, die unten 35 Fuß weit in die Runde, 20 Zoll tief in den Felsen eingebolzt
waren, und oben zusammen stießen. Waͤhrend dieser Arbeit riß eines Tages der
Wind das Wachtschiff sammt allen Bothen davon, und 34 Arbeiter, die auf der Klippe
beschaͤftigt waren, wuͤrden von der wiederkehrenden Fluth
unvermeidlich ersaͤuft worden seyn, waͤre nicht zufaͤllig ein
Both von Arbroath her mit einem Schreiben an den Baumeister gekommen, auf welchem
sie sich retten konnten. Ein anderes Mahl jagte ein Sturm das Wachtschiff sammt
allen Arbeitern davon. Es geschah nicht selten, daß die Fluth dem Schmiede das Feuer
ausloͤschte, waͤhrend er noch mit dem Ausbessern der Werkzeuge auf der
Klippe beschaͤftigt war. Im Sommer 1808 wurde neben dem Wachtschiffe noch ein
Schoner von 80 Tonnen als Wohn- und Zufluchtsort fuͤr die Arbeiter
aufgestellt; mehrere Frachtschiffe zum Transporte der Steine von 40 Tonnen, und 3
Praam-Bothe von 12 Tonnen wurden zum Dienste ausgeruͤstet, mit welchen
lezteren die Steine von
den Transportschiffen, die von der Klippe fern bleiben mußten, auf die Klippe selbst
geschafft werden konnten. Diese Praamen mußten besonders stark gebaut werden, und
machten mehrere kleine Bothe noͤthig, welchen endlich auch Greathead's
Rettungsboth beigegeben wurde. Eine Menge zur Ausschiffung der schweren Steine, und
zur Aussezung derselben auf der Klippe nothwendigen, und bloß fuͤr diesen
Zwek berechneten Maschinen wurden gebaut und herbeigeschafft. Charakteristisch und
den Englaͤnder bezeichnend ist der Umstand, daß die Errichtung von
Eisenbahnen auf den wenigen ebenen, kaum einige Fuß langen, Streken auf dieser
Klippe eine der ersten Arbeiten war! Obschon die Zeit der Fluth die Zeit der
Feyerstunden war, so konnten doch die Arbeiter, solang sie sich vor der Fluth nur
auf dem Schiffe bergen konnten, dieselben nicht in Ruhe hinbringen. Das Schiff wurde
von der Brandung immer so sehr geschaukelt, daß sie fast immer seekrank wurden und
seekrank blieben: die Zeit selbst vermochte nicht, sie an das heftige Schaukeln zu
gewoͤhnen. Daher wurde jeder Augenblik waͤhrend der Ebbe
benuͤzt, und die Fakel in einer Hand, daß Werkzeug in der anderen, bei Nacht
wie am Tage gearbeitet. Am 10. Julius 1803 konnte der Grundstein zu dem Leuchtthurme
gelegt werden: die Grundfeste ist eine Plattform aus dichtem rochen Sandsteine von
42 Fuß im Durchmesser, die mit rauhem Fels von 1 1/2 bis 5 Fuß Hoͤhe umgeben
ist. Bis Ende Septembers war man bereits 5–6 Zoll uͤber die Grundfeste
gekommen, wozu man 400 Steinbloͤke von ungefaͤhr 388 Tonnen Schwere
brauchte. Man konnte diesen Sommer nur 265 Stunden uͤber arbeiten, und von
diesen nur 80 Stunden zum eigentlichen Baue verwenden. Im Fruͤhlinge des
Jahres 1809 fand man, daß das angefuͤhrte Mauerwerk und selbst der Balcon den
Winter-Stuͤrmen gluͤklich widerstanden hat. Man wagte lieber alle
Gefahren des Aufenthaltes auf dem Balcon (auf welchem 13 Arbeiter einmahl 30 Stunden
lang im Sturme und von den Wogen gepeitscht aushalten mußten), als daß man auf dem
Schiffe seekrank wurde. Die Muͤhseligkeiten verdoppelten die Anstrengung, und
es gelang zuweilen waͤhrend einer Ebbe 50 Steine auszuschiffen, und 30 davon
aufzusezen. Im Junius war man bereits so hoch, daß die vorigen Krahne nicht mehr brauchbar waren, und
man auf neue Vorrichtungen denken mußte. Man konnte jezt schon arbeiten, nachdem der
Fels bereis 2 Stunden lang unter Wasser war. Am 20. August konnten 51
Steinbloͤke (die ganze 22ste Lage) gelegt werden, und am 25ten August, am
lezten Tage fuͤr dieses Jahr, war man mit den Granitbloͤken bereits 31
Fuß 6 Zoll uͤber dem Grundsteine, und 17 Fuß uͤber die hoͤchste
Wasserhoͤhe der Fruͤhlings-Fluthen.
Im Jahre 1810 wurde der Bau mit allem Eifer fortgesezt, obschon Stuͤrme die
ganze Flotte verjagten. Die Arbeiter konnten sich jezt schon an 2 Guineen in der
Woche, manche derselben 4 verdienen. Gegen Ende Augusts war das Mauerwerk vollendet.
Die Wohnung des Hrn. Stevenson auf dem Balcon, wo er so
viele Wochen zubrachte, war kaum so lange, um eine Hangmatte zu fassen, und nicht
mehr als 4 Fuß 3 Zoll breit. Die Arbeiter wurden noch von den Mauern des
Leuchtthurmes vertrieben, als derselbe bereits 64 Fuß hoch war. Ein Zufall wollte,
daß Mad. Dixon, die Tochter des beruͤhmten
Erbauers des Leuchtthurmes auf dem Edystone des Hrn. Smeaton, zufaͤllig die
erste Person wurde, die diesen Leuchtthurm besuchte. Als im December die Bell-Rok
Leuchte bezogen wurde, hatten die ersten Bewohner derselben das feierliche
Schauspiel, die Wogen 104 Fuß hoch an ihr hinaufschlagen zu sehen, und das ganze
Gebaͤude zitterte unter jedem Wellenschlage. Am l. Februar 1811 ward der
Thurm zum ersten Mahle beleuchtet. Das Licht ist rothgefaͤrbt, und erscheint
den Schiffenden, da der Reflector sich dreht, periodisch. Das Gewicht der
Steinmasse, aus welcher dieser Thurm gebaut ist, betraͤgt 2083 Tonnen, und
die Baukosten beliefen sich auf 61,331 Pfund, 9 Shill, 2 Den. Diese Leuchte wird
stets von 3 Menschen bewohnt, und von diesen wird abwechselnd alle 6 Wochen einer
von einem vierten abgeloͤst. Ihr Jahrgehalt ist 50 bis 60 ℔, nebst
Kost, so lange sie auf dem Posten sind was im Winter oft 3 Monate lang
waͤhrt. In diesem Falle correspondiren sie mit dem festen Lande durch
Taubenpost: die Tauben fliegen nie in gerader Linie nach den Ort ihrer Bestimmung,
sondern immer erst nach der naͤchsten Landspize, und von dort nach ihrem
bekannten Taubenschlage zu Arbroath. Die Wohnzimmer auf dieser Leuchte sind sehr
nett eingerichtet, und die Waͤchter haben ihre kleine Bibliothek, erhalten
bei jeder Abloͤsung Zeitungen und Journale etc. Eine messingene Stiege, die
zugleich als Blizableiter dient, fuͤhrt zu dem Thore in diesem Thurme.