Titel: | Ueber die Ausstellung der belgischen und holländischen Manufacturen zu Haarlem; über die lezte Ausstellung der Producte der französischen Industrie im Louvre, und über die Dampfmaschinen-Fabriken in Frankreich. |
Fundstelle: | Band 18, Jahrgang 1825, Nr. LXXXIX., S. 467 |
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LXXXIX.
Ueber die Ausstellung der belgischen und
hollaͤndischen Manufacturen zu Haarlem; uͤber die lezte Ausstellung der
Producte der franzoͤsischen Industrie im Louvre, und uͤber die
Dampfmaschinen-Fabriken in Frankreich.
Aus Gill's technical Repository. Sept. 1825. S.
204.Es ist wohl uͤberfluͤßig zu bemerken, daß die hier ausgesprochenen
Urtheile, Urtheile eines Englaͤnders sind. A.
d. Ueb.
Ueber die Ausstellung der belgischen und hollaͤndischen
Manufacturen zu Haarlem.
Haarlem, war bisher nur durch seine Anspruͤche auf
die Erfindung der Buchdruker-Kunst, seine Belagerung, seine Orgel und seine Tulpen
beruͤhmt.Wohl auch durch seine physikalische Gesellschaft, durch seinen Taylor und van Marum.
A. d. Ueb. Dieses Jahr erhielt es Merkwuͤrdigkeiten anderer Art, und wurde von
einer groͤßeren Anzahl Menschen, sowohl Eingeborner als Fremder,
waͤhrend des kurzen Zeitraumes von 6 Wochen, besucht, als seit den Zeiten des
Herzogs Alba nicht in sechs Jahren. Die Veranlassung zu
diesen zahlreichen Besuchen war die Ausstellung der Producte aller belgischen und
hollaͤndischen Manufacturen zur Foͤrderung der Industrie durch Lob und
Preise. Der Koͤnig der Niederlande, der selbst Kaufmann ist, und große
Capitalien in die beiden neuen Handlungs- und Schiffbau-Gesellschaften gelegt hat,
beschloß im vorigen Jahre eine große Aufstellung aller Producte der Fabriken und
Manufacturen seines Reiches von der Steknadel bis zur Dampfmaschine. Diese Idee ward
den Franzosen abgeborgt, die vorD.h. seit Kaiser Napoleon. A. d. Ueb. und nach der Ruͤkkehr der Bourbons ihre periodischen Ausstellungen
hatten und haben. Der Koͤnig der Niederlande folgte dem franzoͤsischen
Beispiele des Jahres 1819Nach Frankreich hatte die erste Industrie-Ausstellung Augsburg, dann
Muͤnchen, Berlin u.s.w. A. d. Ueb. in einer Ausstellung zu Ghent im Jahre 1820, und die Ausstellung im Louvre
im Jahre 1823 veranlaßte das belgische Decret vom J. 1824, welches den Fabrikanten
befahl, sich auf goldene Medaillen und ehrenvolle Erwaͤhnungen fuͤr
diesen Sommer zu Haarlem vorzubereiten. Seine Majestaͤt hatte einen doppelten
Zwek bei dieser Ausstellung; Sie waͤhlte erstens, Haarlem, um den
Hollaͤndern zu beweisen, daß sie keine Vorliebe fuͤr die Belgier (die
Niederlaͤnder, Brabanter) haben; und, zweitens, wollten Sie den
Hollaͤndern und den Niederlaͤndern zugleich beweisen, daß sie eben so
unabhaͤngig von Frankreich seyn koͤnnen, als Frankreich von ihnen
unabhaͤngig ist; daß sie eben so fleißig und geschikt sind, als ihre
suͤdlichen Nachbarn, und daß sie diese, ihre ehemahligen Meister, weder mehr
als Rivalen zu fuͤrchten, noch Verbindungen mit ihnen zu erschmeicheln
brauchen. Ob der eine oder der andere dieser Zweke erreicht wurde, wird sich in der
Folge zeigen. Wer im J. 1823 die zwei und vierzig
Saͤle des Louvre durchwandelte, die so reichlich mit den auserlesensten
Meisterwerken der Kuͤnste und Gewerbe aus den Fabriken und
Werkstaͤtten eines maͤchtigen und wohlhabenden Volkes ausgestattet
waren; wer Zeuge des Schauspieles war, das die Franzosen ihr „Fest der Industrie“ (Fête d'industrie) nennen; der wird gestehen, daß
ein Fremder einen großen Vorrath von Gutmuͤthigkeit, und ein Eingeborner eben
so viel Vaterlandsliebe mit nach Haarlem bringen mußte, um an der aͤrmlichen
und durchaus nicht auf irgend einen Eindruk berechneten Ausstellung der
Fabrik-Producte, die in den Barraken von Haarlem zerstreut waren, irgend eine
Aehnlichkeit mit dem glaͤnzenden Schauspiele, mit dem
uͤberfuͤllten Bazaar zu Paris zu finden. Beide waren indessen
Ausstellungen der Producte der Industrie, und die gluͤklichen
Preisetraͤger zogen in beiden die Aufmerksamkeit ihrer Mitbuͤrger auf
sich: dieß war, aller Wahrscheinlichkeit nach, genug fuͤr die
Hollaͤnder.Und haͤtte es mehr seyn sollen, als genug? War nicht ein Theil des
weisen Zwekes des Koͤniges erreicht: Aufmerksamkeit auf die Producte
der Industrie zu erregen? Holland wuͤrde, wenn wieder ein
Nassau-Oranien kaͤme, ehe die Englaͤnder uͤbertreffen
koͤnnen, als Frankreich, das sie selbst unter einem Napoleon nicht zu
erreichen vermochte. Die Hollaͤnder sind wenigstens ein Mahl schon
Herren von England gewesen; die Franzosen aber nie.A. d. Ueb.
Es fehlte nicht an Wetteifer bei der Ausstellung zu Haarlem. Das k. Decret, das Zeit
und Ort bestimmt, ist vom 28. Junius 1824 datirt. Die Fabrikanten konnten sich also
ein ganzes Jahr lang vorbereiten, da der Julius 1825 zur Ausstellung bestimmt wurde.
Die Regierung trug alle Transportkosten von den Fabriken zum Ausstellungs-Orte. Die
Schiedsrichter wurden bestimmt, und goldene, silberne und bronzene Medaillen
gepraͤgt als Preise fuͤr die Preistraͤger. Der Katalog, in
welchem die aufgestellten Stuͤke verzeichnet sind, bildet einen Band von
beinahe 400 Seiten; die Zahl der Fabriken, die Producte lieferten, steigt
uͤber 1000, und die der aufgestellten Stuͤke uͤber 6000.
Waͤhrend der 6 Wochen, als die Ausstellung zu Haarlem dauerte, fanden sich
daselbst gewiß an 150,000 Menschen ein. Man wollte die Ausstellung Ende Julius
schließen; allein der Zulauf war so groß, daß ein k. Decret dieselbe bis zum 10.
August verlaͤngerte. Einige Tage vor dem Schluße begab sich der Koͤnig selbst
von Bruͤssel nach dem Haag, und von da nach Haarlem, verweilte daselbst einen
Tag, und besichtigte Alles, unterhielt sich mit denjenigen, die die
vorzuͤglichsten Arbeiten geliefert hatten, und ließ seinen Minister des
Inneren zur Vertheilung der Preise zuruͤk. Am 10. August begab sich S. E.,
Hr. van Gobbelschroy, als Repraͤsentant des
Koͤniges, begleitet von den Autoritaͤten des Ortes und den
Schiedsrichtern, nach der Kathedrale, wo ein Thron geziert mit den National-Farben
errichtet war, und nach einer passenden Rede, die der protestantische Geistliche,
Hr. Onder de Wyngaard Couzins, uͤber Industrie und Gluͤkseligkeit von
der Kanzel hielt, vertheilte S. E. eilf goldene und eine große Menge silberner, und
eherner Medaillen. Alles war in Gott vergnuͤgt, und die Preiswerber zogen
heim, „Ausforderungen bruͤllend“ gegen Birmingham,
Manchester, Sheffield, London, Sedan, Louviers und Lyon.
Dieß waren die Umstaͤndlichkeiten bei dieser Ausstellung. Was die
ausgestellten Artikel betrifft, so ist man mit den Producten der
niederlaͤndischen Fabriken bald fertig: in Seidenwaaren kommen sie den
franzoͤsischen nicht gleich; in Baumwollen- und Stahlwaaren nicht den
englischen, und in einigen Wollen- und Lein-Waaren kommen sie auch den deutschen
nicht gleich. Die elendesten Buden in Manchester koͤnnten nichts Schlechteres
an Baumwollenzeugen und Twist ausbiethen, als wir in den Banalen von Haarlem sahen.
Die geschliffenen Glaswaaren waren sparsam, und nicht sehr ausgezeichnet, und die
Preise in Pracht-Uhren und Moͤbeln blieben weit hinter den
franzoͤsischen. Nicht ein einziger Shawl war da, den man mit jenen im Louvre
vergleichen koͤnnte. Mit einem Worte, der einzige Gegenstand, in welchem die
Niederlaͤnder sich auszeichneten, waren die breiten Tuͤcher von
Verviers, und einige Stuͤke Leinwand und Spizen.Man muß ja nicht vergessen, daß dieß ein
Englaͤnder geschrieben hat. A. d. Ueb.
Wir wollen dieser Notiz eine andere beifuͤgen, die uns ein Mann von vielen
praktischen Kenntnissen und strenger Unpartheilichkeit uͤber die lezte
Ausstellung im Louvre mittheilte.
Man kann, sagt er, die Gegenstaͤnde der Ausstellung im Louvre unter zwei
Klassen bringen: Luxus-Artikel, deren Absaz nothwendig beschraͤnkt ist;Leider nicht so sehr, als man glaubt, so lange es noch so viele Gecken gibt,
als man jezt uͤberall erzieht. Frankreich ist das große Berchtesgaden
und Nuͤrnberg fuͤr die alten Kinder in dem veralteten Europa;
und so lange wir solche alte Kinder noch unter uns haben, kann
Groß-Berchtesgaden und Groß-Nuͤrnberg des Absazes seines
Troͤdels in Europa gewiß seyn. A. d. Ueb. und Gegenstaͤnde, deren man allgemein bedarf, und die daher zum Handel im Inneren,
wie in das Ausland taugen.
Die Luxus-Artikel haben fuͤr einen Englaͤnder wenig Interesse; nicht so
die Handels-Artikel. Was die Lezteren betrifft, so dreht sich das Ganze hier um zwei
Haupt-Fragen: naͤmlich um die groͤßere Geschiklichkeit bei der
Erzeugung dieser Fabrikate, und um die groͤßere Wohlfeilheit derselben.
Dadurch wird man unmittelbar auf die Verbesserungen im Maschinen-Wesen geleitet
werden muͤssen, und vorzuͤglich auf die Dampfmaschinen, als die Seele
des neueren Maschinen-Wesens. Und, sonderbar genug, bei der lezten oder
gegenwaͤrtigen Ausstellung (Exposition) fand sich
in dieser Beziehung, auch nicht ein einziger Gegenstand, der der Aufmerksamkeit
eines Kenners werth gewesen waͤre. Man hat in der Nachbarschaft von Paris
zwei große Dampfmaschinen-Fabriken; eine zu Charenton, bei welcher Aaron Manby, ehevor an den Horseley-works, bei Birmingham,
Antheil hat; die andere wichtigere ist zu Chaillot unter der Firma Perrier und Comp.
Die Arbeiter zu Charenton sind alle Englaͤnder, und was aus dieser Anstalt
auch noch immer werden mag, so kann und darf man sie nur als etwas Exotisches
betrachten, das vielen Gefaͤhrlichkeiten unterliegt, ehe es tief gewurzelt
hat. Perrier's Fabrik hingegen kann man als eine
franzoͤsische Anstalt betrachten; das Kapital ist franzoͤsisches Geld, undund und die Arbeiter sind Franzosen oder Deutsche. Wenn auch die HHrn. Jennings und Edwards, die
daran Antheil haben, Englaͤnder sind, so arbeiten sie doch nicht mit
englischen Haͤnden. Abgesehen uͤberdies; von diesem Unterschiede bat
die Anstalt fuͤr sich selbst schon mehr Interesse, vorzuͤglich in
Hinsicht auf die Kraͤfte zur Production. Hr. Edwards war Theilnehmer an der Fabrik des Hrn. Arthur Woolf, der die Dampfmaschine mit hohem Druke so sehr
verbesserte, und er hat dieser Anstalt die Wohlthat seiner großen praktischen
Kenntnisse und Erfahrung verliehen. Die Fortschritte, die dieselbe in den lezten
vier Jahren machte, sind wirklich zum Erstaunen schnell, und wenn die Maschinen noch
nicht so wohlfeil sind, wie in England, so sind sie doch eben so gut gearbeitet. 220
Arbeiter sind in den Werkstaͤtten immer in Thaͤtigkeit, und vielleicht
betraͤgt die Anzahl derjenigen, die ausserhalb derselben beschaͤftigt
werden, eben so viel. In dem lezten Jahre wurden 40 Maschinen hier verfertigt, und
Bestellungen sind auf mehr dann 18 Monate vorhinein eingegangen. Gegenwaͤrtig
arbeitet man an zwei Woolfe'schen Maschinen, deren eine die Kraft von 80 Pferden
hat, und fuͤr eine Strekmuͤhle bei Paris bestimmt ist; eine andere,
von der Kraft von 200 Pferden, ist fuͤr ein Bergwerk bestimmt. Die
Eigenthuͤmer dieser Anstalt gestehen, daß sie von einer gleichen Anzahl
franzoͤsischer Arbeiter nicht dieselben Resultate erhalten, als in England von englischen Arbeitern; daß sie das in England
gebraͤuchliche System der Vertheilung der Arbeiten unter der Aufsicht von
Vormaͤnnern, denen sie ihr Zutrauen schenken koͤnnen, in Frankreich
zur Ersparung an Arbeitslohn nicht einfuͤhren und nicht ausfuͤhren
koͤnnen; daß sie endlich den geschikteren Arbeiter so, wie den minder
geschikten, stets unter strenger Aufsicht halten muͤssen: mit einem Worte,
daß die Herren der Fabrik hier allein die wahrhaft nuͤzlichen Aufseher seyn
koͤnnen.
Es verdient hier bemerkt zu werden, daß der englische Arbeiter
in Frankreich bei weiten nicht das ist, was er in seinem Vaterlande, in England,
ist. Die Versuchungen, in welche er durch die Wohlfeilheit und Guͤte
des Weines und der geistigen Getraͤnke zur Trunkenheit verfuͤhrt wird,
die eingebildete Meinung, daß sein Herr ihn nicht entbehren koͤnne, machen
ihn so unfolgsam, daß man mit allem Rechte besorgen muß, daß keine Fabrik, die von
englischen Arbeitern allein abhaͤngt, in Frankreich lang bestehen kann. Man
hat zu Chaillot den Versuch mit englischen Arbeitsleuten gemacht, und man war bald
gezwungen, denselben aufzugeben.Dieß ist reine Wahrheit. Wer nicht in England war, kann sich von der
Kuͤmmerlichkeit, mit welcher der Arbeiter dort leben muß, keinen
Begriff machen. Brod und Bier sind so schlecht und so theuer, daß die untere
Klasse sich nur selten saͤttigen kann, gewiß aber nicht
uͤbersaͤttigen wird. Wohlhabende Honoratioren essen und
trinken in England nicht so gut, und nicht so viel und vielerlei, als bei
uns der gemeinste Buͤrger. Es gibt gewiß kein maͤßigeres Volk,
als das Englische; allein, hier wird nur die Noth zur Tugend. Wenn der
Englaͤnder zu uns auf das feste Land heruͤber kommt, wird er,
wie wir uͤberall sehen koͤnnen, weit, unmaͤßiger, als
wir. Er kann den Reizen der Wohlfeilheit, der Guͤte unserer
Getraͤnke und Speisen um so weniger widerstehen, als noch der Reiz
der Neuheit fuͤr ihn hinzukommt. Waͤhrend er zu Hause
unermuͤdet, rastlos thaͤtig ist, weil sein Magen nie
uͤberfuͤllt ist, wird er bei uns traͤge und
nachlaͤßig, weil er nur zu leicht sich uͤberladet. –
Ueberall uͤber der Erde finden wir nur dort Fleiß und Arbeitsamkeit
bei einem Volke, wo das physische Leben schlecht ist, wo die ersten
Beduͤrfnisse des Lebens sehr theuer und sehr schlecht sind. Das
Eldorado, das Kanaan von Europa, Ungarn, hat in seinen gesegneten Gefilden
auch nicht eine einzige Fabrik von Belang. Die fruchtbareren Gegenden
Italiens, Spaniens, Portugals, Frankreichs sind, und waren seit
Jahrhunderten, ohne alle Spur von Industrie: man mahlt, man singt, man
tanzt, aber man arbeitet nicht. Eben so ist es in Deutschland. Das
uͤberschwenglich fruchtbare Bayern war nie ein Fabriks-Staat, und im
benachbarten, auch nicht ganz unfruchtbaren, Schwaben ist nur der
unfruchtbarste Theil, der Schwarzwald, Fabrik-Land. Was ist das herrliche
Suͤd-America, gegen das unwirthbare Nord-America; was die
suͤdlicheren fruchtbareren Staaten Nord-America's gegen die
noͤrdlichen? Und ist es nicht eben so in Asien? Wollen wir in Europa,
wollen wir in Deutschland es besser finden, als es uͤberall
uͤber der Erde ist? In Sachsen, arbeitet der Mensch sich zum
Kruͤppel, um nicht bei Cichorien-Kaffee zu verhungern,
waͤhrend in Ungarn der ungarische Mensch (Maghyar Ember) unter seinen Baͤumen liegt, und, voll
Behaglichkeit, die Pfeife im Munde und die Flasche Ungarwein zur Seite, in
den blauen Himmel hinaufsieht. So wahr ist es, was der alte Sicilianer vor
mehr dann 2000 Jahren sagte: „Armuth und Mangel allein erwekt
Gewerbe und Kuͤnste.“*) Wie groß ist nicht die Zahl
der Wohlhabenden und der Reichen; und wie viele derselben arbeiten, auch nur
mit dem Kopfe? Sahen wir nicht, daß viele, die, so lange es sie noch
hungerte, fleißig schrieben und arbeiteten, keine Feder mehr in die Hand
nahmen, sobald sie Mitglieder von Academien geworden sind? Nicht jeder kann
sagen: Est Deus in nobis, agitante calescimus
illo; es gibt weit mehrere: quorum Deus
venter est, und man sollte beinahe glauben, nach dem, was man
naͤmlich in der Welt sieht, die „goͤttliche
Faulheit,“ das „sacrosanto
far niente“, sey eines der Grundprincipe des
menschlichen Wollens, das so oft in Thaͤtigkeit tritt, als der Magen
es erlaubt. Je groͤßer die Wohlfeilheit in einem Lande, desto
groͤßer die Faulheit: denn man kann in einem solchen Lande, ohne alle
Anstrengung, sehr gemaͤchlichgegemaͤchlich leben. „Guter Wein und großes Brod, macht alle Lust zur
Arbeit todt.“ A. d. Ueb.*) Ά πενίρ,
Αιόφαντε,
μὸνα τὰς
τὲχνὰς
ἐτείρει.
Es laͤßt sich gar nicht erwarten, daß in Frankreich die Dampfmaschinen jemahls
so wohlfeil verfertigt werden koͤnnen, wie in England, oder daß man in
Frankreich bei Anwendung derselben soviel gewinnt oder erspart, wie in England: wenn
indessen die Regierung weise genug ist, dem Lande vollkommene Freiheit in
Benuͤzung derselben dort zu gewaͤhren, wo sie mit wahrem Vortheile
angewendet werden koͤnnen so ist nicht zu zweifeln, daß die Industrie des
Landes dabei sehr viel gewinnen muß. Bisher hat indessen die Verwaltung des Inneren
eine Neigung gezeigt, die geistreichen und unternehmenden Direktoren der Fabrik zu
Chaillot auf alle moͤgliche Weise zu neken, mehr vielleicht aus einer
gewissen Sucht, sich in Alles zu mengen, damit man den Einfluß der Regierung
uͤberall, wo Leben und Bewegung Statt hat, fuͤhlen moͤge, als
in der Absicht, um die Fortschritte des Maschinen-Wesens aufzuhalten; abgesehen
uͤbrigens davon, daß grobe Vorurtheile gegen die Maschinen uͤberhaupt
unter zwei Klassen von Staatswirthschaftlern noch sehr vorherrschend sind. Die einen
dieser Leute glauben naͤmlich, daß ein Volk, das keinen guten Schuh
anzuziehen hat („peuple en sabots“)
leichter zu regieren ist, als ein wohlhabendes, gewerbsfleißiges Volk, und suchen
daher dem Emporkommen des Fabrikwesens so viele Hindernisse, als moͤglich, in
den Weg zu werfen; die anderen, obschon sie Industrie foͤrdern wollen, sind
der Meinung, daß jede Verbesserung in dem Maschinen-Wesen, wodurch die Arbeit
erleichtert und
abgekuͤrzt wird, der arbeitenden Klasse nachtheilig seyn muͤsse.Die Gegner des Maschinen-Wesens der lezteren Klasse verdienen alle Achtung;
denn sie sind aus einem sehr humanen Grunde Gegner. Allein, eben dieses edle
Gefuͤhl fuͤr menschliches Leiden wird sie zu Freunden und
Vertheidigern des Maschinen-Wesens umschaffen, wenn sie das Elend bedenken,
in welches der Mensch versenkt wird, wenn er das arbeiten muß, was die
naͤchste beste Maschine ohne Vergleich leichter und besser
verfertigen kann, als er. Koͤnnte ich diese edlen Menschenfreunde zu
den Jammer-Scenen hinfuͤhren, in welchen ich den Menschen, tief unter
die einfaͤltigste Maschine erniedrigt, in den Karpathen, im
Riesengebirge, in den Alpen, im Schwarzwalde, in den schweizerschen, in den
saͤchsischen und franzoͤsischen Fabriken, und selbst in den
Maschinen reichen englischen Fabriken sah, sie wuͤrden, im Vereine
mit den Philanthropen Englands, sich bemuͤhen, dem Menschen seine
urspruͤngliche Wuͤrde wieder zu geben, ihn dem Akerbaue wieder
zuzuwenden, damit er, nach Gottes Willen im Schweiße seines Angesichtes sein
Brod auf eine gesunde Weise verdienen kann, und nicht an Leib und Seele
zugleich verkruͤppelt und eine Race fortpflanzt, die unter den
schreklichsten Qualen eines langwierigen Siechthumes nur zu bald aussterben
muß. Was eine Maschine thun kann, und besser thun kann, als der Mensch, dazu
muß der Mensch seinen Arm nicht herleihen: denn der Mensch ist keine
Maschine. Besser fuͤr ihn, wenn er gar nicht ist, als wenn er zur
Maschine mißbraucht werden soll. Ein zweiter Grund fuͤr die
Maschinen, den jene Menschenfreunde auch nicht gehoͤrig beachtet zu
haben schienen, ist der; daß in einem Lande, wo bisher noch alle
Lebensmittel im Ueberfluße sind, wo es sehr wohlfeil ist, Fabriken, insofern
sie von Menschenhaͤnden allein abhaͤngen, wie wir in obiger
Anmerkung gezeigt haben, nicht gedeihen koͤnnen. Wer wird fuͤr
andere spinnen, wenn er hoͤchstens fuͤr sich selbst zu spinnen
braucht? Wo soll also der Fabrikant in einem Lande, wo Niemand fuͤr
andere spinnen will, Spinner finden, wenn er nicht Spinn-Maschinen brauchen
soll. Was von Spinn-Maschinen gilt, gilt auch von den uͤbrigen
Maschinen, die alle, wenn man so sagen darf, den Menschen wieder in seine
Wuͤrde einweihen. Wollte man aus einem Lande, wo wegen der
Fruchtbarkeit des Bodens, nach der Erfahrung aller Zeiten und
Voͤlker, kein Fabriken-Geist sich entwikeln kann, Maschinen
verbannen; so wuͤrde dieses Land immer von denjenigen aͤrmeren
Laͤndern abhaͤngen, die zuerst zu Maschinen griffen, und ihre
Arme dadurch vertausendfaͤltigten; es wuͤrde endlich von
diesen tausendarmigen Nachbarn, auch bei der hoͤchsten Vollsaftigkeit
seines Bodens und seiner Einwohner, ausgesaugt werden, wie ein Fisch, der in
den Bereich einer tausendarmigen Meduse gerieth. A. d. Ueb.
Die Zahl der Leute, in deren Koͤpfen diese Vorurtheile spuken, ist
groͤßer, als man glaubt, und ihr Einfluß wird immer fuͤhlbar bleiben,
und nachtheilig auf das Fabrik-Wesen wirken; wenigstens wird es dasselbe nie zu
jener Hoͤhe emporheben auf welcher wir Fabriken und Manufacturen in England
emporgehoben sehen und bewundern.
Wenn wir von Maschinen zu den aufgestellten Fabrikaten uͤbergehen, so werden
die breiten Tuͤcher, in welchen Frankreich so gluͤklich mit uns
wetteiferte, zuerst unsere Aufmerksamkeit fesseln. Sie sind im Ganzen genommen, weicher und
gaͤnzender, als bei der lezten Ausstellung, und die feineren Tuͤcher
des Hrn. Ternaux sind etwas wohlfeiler Hr. de –,
von der rechten Seite der Deputirten-Kammer, und eines der ausgezeichnetsten
Mitglieder derselben, war auffallend gluͤklich in Naturalisirung der Merinos
in Frankreich. Nach seiner Meinung (und vielleicht kann Niemand richtiger urtheilen
uͤber die Fortschritte der Wollen-Manufacturen als er, weil Niemand dieselben
schaͤrfer im Auge hielt), ruͤhrt die große Wohlfeilheit der feinen
Tuͤcher lediglich von dem Stillstande im Handel her, und die Weichheit
derselben wird bloß durch den haͤufigeren Gebrauch der saͤchsischen,
und selbst der Laͤmmerwolle erzeugt. Weder er, noch irgend einer der
groͤßeren Merinos-Herden-Besizer, hat dieses Jahr auch nur Ein Fließ
verkauft, obschon er das Pfund gern fuͤr 30 Sous verkauft haͤtte. Die
Laͤmmerwolle steht, wie er bemerkt, gegenwaͤrtig, was nie der Fall
war, hoͤher im Preise, als alte Wolle: ein Beweis mehr, daß sie mehr gesucht
ist. So sehr indessen die Tuͤcher auch an Weichheit und Milde gewonnen haben
moͤgen, so haben sie eben so viel an Dauerhaftigkeit verloren: es ist noch
sehr problematisch, ob sie nicht am Ende noch theurer zu stehen kommen werden.
Flanelle sehen jezt auch schoͤner aus, als ehevor; allein das Vorurtheil
fuͤr die englischen (eigentlich welschen, welsh),
Flanelle herrscht noch immer mit alter Macht uͤber Frankreich, obschon man
daselbst den eigenen, verbesserten, noch nicht gehoͤrig gepruͤft haben
kann.
Herr – (Compagnon in dem Hause – et Comp.) der, bei seiner ausgebreiteten Verbindung mit
allen großen Manufacturen, und bei der Groͤße seines eigenen
Geschaͤftes, wohl einsehen kann, ob waͤhrend zwei oder drei Jahre die
Industrie in seinem Lande Fortschritte machte, ist der Meinung, daß, wenn in einigen
Luxus-Artikeln, wie in Kaschmir-Shawls, geschliefenen Glaͤsern, Spiegeln,
Bronzewaaren, Stahl-Zierrathen einige Fortschritte in Frankreich gemacht wurden,
alle uͤbrigen groͤßeren Wollen-, Baumwollen-, Leinen- und
Seidenzeug-Fabriken und Stahl-Manufacturen stehen geblieben sind, wo sie waren,
außer wenn man Ternaux's Behauptung gelten lassen will,
daß er die breiteren feineren Tuͤcher vervollkommnete (von welchen jedoch die
Kaͤufer sagen, daß sie das Einlassen nicht gut vertragen). Es ist wahr, man
hat in zwei der kleineren Baumwollen-Fabriken einige der neuesten englischen
Verbesserungen im Maschinen-Wesen eingefuͤhrt; dessen ungeachtet ist Hr
– immer noch der Meinung, daß auch dieser Zweig des Fabrikwesens sich im
Stillstande befindet.