Titel: | Vergleichung der Vortheile der Ochsen und Pferde, als Zugthiere in der Landwirtschaft; nach Erfahrungen auf dem königl. Landgute zu Windsor. Von Nathaniel Kent, Esqu. |
Fundstelle: | Band 19, Jahrgang 1826, Nr. XIII., S. 57 |
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XIII.
Vergleichung der Vortheile der Ochsen und Pferde,
als Zugthiere in der Landwirtschaft; nach Erfahrungen auf dem koͤnigl. Landgute
zu Windsor. Von Nathaniel
Kent, Esqu.
Aus den Transactions of the Society for the Encouragement of
Arts etc. v. XVII. (Im Auszuge, nebst einigen Betrachtungen, wie
dem geringen Ertrage und Werthe der Landguͤter gegenwaͤrtig aufzuhelfen
ist, von dem Uebersezer.)
Kent's, Vergleichung der Vortheile der Ochsen und Pferde als
Zugthiere.
Hr. Gill fand in seinem technical Repository, Octob. 1825, S. 211, es der
Muͤhe werth, seinen Landsleuten einige alte Bemerkungen wieder zu
Gemuͤthe zu fuͤhren, die Hr. Nathaniel Kent, als damahliger Intendant des großen Parkes zu Windsor (Windsor Great Park), bereits im Jahre 1798 der Society of Arts mittheilte. Wenn das englische Publicum
zuweilen noͤthig zu haben scheint, erinnert zu werden, daß man uͤber
dem Neuen, das man lernt, das Alte, das man bereits gelernt hat, nicht vergessen
darf; so gilt dieß wohl auch von dem unsrigen. In Baiern besonders verdient der
Landwirth auf die Vorzuͤge der Ochsen vor den Pferden, als Zugthiere in der
Landwirthschaft aufmerksam gemacht zu werden, da beinahe in keinem anderen Lande
Europens, Frankreich allein ausgenommen, die Viehzucht so sehr vernachlaͤßigt
ist, als in Baiern, das jaͤhrlich fuͤr beinahe eine halbe Million
Rinder aus dem Auslande holt, waͤhrend es fuͤr Millionen in das
Ausland austreiben koͤnnte. Es gibt Landwirthe in Baiern, die sich
schaͤmen, ihre Felder mit Ochsen zu bestellen, und wir sahen Bauernknechte in
Baiern ihre Dienste, bei sehr wohlhabenden Landwirthen, die ihr Gesinde mit
vaͤterlicher Guͤte behandelten, bloß aus dem Grunde versagen, weil sie
mit Ochsen haͤtten arbeiten sollen. Wenn der Koͤnig von England, der
Koͤnig des reichsten Volkes der Erde, es nicht unter seiner Wuͤrde
haͤlt, seine Landguͤter mit Ochsen zu bestellen; soll ein Bauer in
Deutschland sich entehrt finden, das koͤnigliche Beispiel nachzuahmen?
Wir wollen hier eine kurze Skizze der oͤkonomischen Geschichte des
koͤnigl. Parkes zu Windsor und der Verwaltung desselben liefern. Der
Koͤnig gelangte im Jahre 1791 zu dem Besize der 4000 Tagwerke, (Acres, ein
Acre 1200 Wien. □ Kl.), aus welchem dieser Wald bestand. Der Boden war
verschieden, theils thonig und lehmig, theils rauher oder unfruchtbarer Sand: ein
großer Theil des ersteren war mit Binsen und Maulwurfshuͤgeln, lezterer mit
Farnkraͤutern und Moos bedekt.
Ungefaͤhr 1000 Tagwerke des lichtesten Theiles wurden zu einem Oekonomie-Gute
(Norfolk farm) abgeschieden, das nach Norfolker
Wirthschaft betrieben werden sollte, und 400 Tagwerke an dem entgegengesezten Ende
mit gutem Lehmboden gaben ein anderes Guͤtchen (Flemish-Farm), welches auf Flamaͤnder-Art bewirthschaftet werden
sollte.
Der Ueberrest war zu Anlagen und zu einem Park bestimmt, traͤgt aber jezt bei
den vorgenommenen Verbesserungen mehr, als ehevor alle 4000 Tagwerke
zusammengenommen nicht ertragen hatten. Alle nassen ungesunden Stellen wurden nach Essexer-Art mittelst
Abzuggraͤben troken gelegt, so daß sie jezt gutes Gras geben. Die
Maulwurfshuͤgel wurden vorzuͤglich mit der Truhe, geebnet, und die
bemoosten Stellen durch wiederholtes Egen und Walzen hergerichtet. Nebenher wurde
auch auf dasjenige, was die Schoͤnheit des Parkes an und fuͤr sich in
Anspruch nahm, alle noͤthige Aufmerksamkeit getragen, ohne jedoch die
gehoͤrige Ruͤksicht auf Schonung des Holzes auch nur im Mindesten zu
vernachlaͤßigen: es wurde kein Baum umsonst umgehauen.
Der Zwek, den der Koͤnig bei Errichtung dieser beiden Landwirthschaften in dem
ehemahligen oͤden Walde hatte, war den fleißigen Armen in der Nachbarschaft
Gelegenheit zu Verdienst durch Arbeit zu verschaffen, oͤkonomische Versuche
anzustellen, und dadurch, fuͤr den Fall des Gelingens, zur Nachahmung im
Koͤnigreiche zu reizen.
Man hielt bisher die Gruͤnde des Norfolkfarm,
vorzuͤglich auf der großen oͤden Streke von Bagshot-heath, fuͤr
zu unfruchtbar, als daß man sie mit Vortheil urbar machen koͤnnte, obschon
aͤhnliche Gruͤnde im suͤdwestlichen Theile von Norfolk seit
langer Zeit mit Vortheil bebaut worden sind. Das Akerland wird daselbst
gewoͤhnlich in fuͤnfjaͤhrigem Wechsel bestellt: zuerst Weizen,
dann Turnips, drittens, Gerste, und diese auch in den beiden naͤchst
folgenden Jahren. Da aber die Gerste in den beiden lezteren Jahren wenig Ertrag
gibt, so wird auf dem k. Gute Norfolkfarm der
fuͤnfjaͤhrige Wechsel (ein Wechsel zu 100 Tagwerken), auf folgende
Weise betrieben. Im 1) Jahre Weizen oder Roken; 2) unregelmaͤßiger Wechsel;
3) Turnips; 4) Gerste oder Haber; 5) Klee. Der unregelmaͤßige Wechsel, der
bei leichtem Boden so nuͤzlich ist, ist theils als Ertrag, und theils zur
Vorbereitung bestimmt. 40 Tagwerke werden nach demselben mit Wiken zum Abweiden
bestimmt; 40 andere werden Ende Augusts mit Roken, als Fruͤhlings-Futter
fuͤr Mutterschafe und Laͤmmer, bestellt; die uͤbrigen 20
Tagwerke werden mit Erdaͤpfel bestellt, und im naͤchsten Jahre kommen
alle 100 fuͤr Turnips.
Da die Schafe hier in den Park gelassen werden koͤnnen, so kam dieses Gut in
kurzer Zeit zum Erstaunen vorwaͤrts: ein großer Theil desselben, der ehevor
nichts als Moos und Heide war, und kaum 5 Shillings das Tagwerk getragen haben
wuͤrde, traͤgt jezt mehr als der ehemahlige Pachtpreis des ganzen Parkes.
„Die seit einiger Zeit so sehr in Betrachtung gezogene Frage: ob Ochsen oder Pferde in der Landwirthschaft als
Zugthiere, nuͤzlicher sind? hat der Koͤnig unstreitig in
einem groͤßeren Maßstabe zu loͤsen versucht, als irgend Jemand. Er
haͤlt auf seinen Guͤtchen, Gaͤrten und Parks nicht weniger
als 90 Paar Ochsen, und fand sie so vortheilhaft, daß er auch nicht ein einziges
Pferd mehr an demselben haͤlt. Auf den obengenannten beiden
Guͤtern allein werden mit Einschluß der Zugehenden und Abgehenden, 200
Ochsen gehalten. Vierzig werden jedes Jahr neu angekauft, und bleiben, bis sie
drei Jahre alt werden, im Park als Ersaz-Ochsen (Succession-Ochsen); hundert und
zwanzig sind bestaͤndig im Zuge, und vierzig werden jedes Jahr, nachdem
sie sieben Jahre alt geworden sind, ausgemaͤstet.“
„Die Zug-Ochsen werden gewoͤhnlich zu sechs auf ein Joch gerechnet:
jeden Tag bekommt ein anderer Ochs des Gespannes Rasttag, so daß jeder Ochs nur
fuͤnf Tage in der Woche arbeitet. Dieser Ruhetag neben dem Sonntage
bekommt dem Ochsen sehr wohl, indem man gefunden hat, daß er sich bei
maͤßiger Arbeit und bei gewoͤhnlicher Kost besser befindet, als
bei reichlicherem Futter und haͤrterer Arbeit. Das ist das erste
Geheimniß, daß man bei Ochsenwirthschaft zu lernen hat: denn Ochsen kann man
nicht wie Pferde halten, die bei staͤrkerem Futter auch staͤrker
arbeiten koͤnnen.Hr. Kent haͤtte wohl den Grund dieses
Geheimnisses angeben koͤnnen, der im Magen des Ochsen liegt,
welcher bekanntlich eines der ersten Mitglieder von Bacon's
Academia ruminans ist.A. d. Ueb. “
„Man erlaubt den Ochsen niemahls irgend eine Getreideart als Futter, indem
dadurch die spaͤtere Maͤstung erschwert werden wuͤrde. Im
Sommer erhalten sie nur einige Wiken als Lekerbissen, und das Gras von harten
Wiesen (sogenannten Leasows) oder Waldwiesen. Im
Winter bekommen sie bloß Haͤksel aus zwei Drittel Heu, und einem Drittel
Weizen-Stroh. In 24 Stunden fressen sie ungefaͤhr 24 Pfund Heu und 12
Pfund Stroh. An ihren Ruhetagen streichen sie nach Belieben in dem Hofe umher,
denn sie sind nicht in heißen Staͤllen eingeschlossen, sondern haben
offene Staͤdel, in welchen sie ihre Portionen verzehren, und
koͤnnen nach Belieben in denselben ein- und ausgehen.Dieß ist in unserm Klima und bei unseren Ochsen, die nicht eine so gentlemanlike Erziehung erhalten haben,
unmoͤglich: indessen ist es gewiß, daß unsere Staͤlle in
der Regel viel zu warm sind, und dadurch allein die Ursache vieler
Krankheiten werden.A. d. Ueb. Bei dieser Behandlung laͤßt sich nicht zweifeln, daß, da vier
Ochsen gewoͤhnlich in Einem Tage mit Einem Tagwerke fertig werden, und
verhaͤltnißmaͤßig noch andere Nebenarbeiten verrichten, sie weit
nuͤzlicher sind, als Pferde.“
„Die Ersaz-Ochsen laufen im ersten Jahre im Sommer im Parke umher, und im
Winter sind sie in den Leasows und in Pferchen, die bald dort bald da angelegt
werden, damit ihr Duͤnger immer so nahe, als moͤglich, an den Ort
kommt, wo man denselben braucht.“
„Die vierzig Ochsen, welche abgehen, werden auf der besten Weide
uͤbersommert, und im folgenden Winter mit Turnips ausgemaͤstet.
Die gewoͤhnliche Weise dieser Maͤstung ist, daß man die Turnips
auszieht, und sie den Ochsen entweder im Stalle, oder in Krippen in dem Hofe
verfuͤttert: Stroh bekommen sie im Ueberfluße zu kauen, und darauf zu
liegen. Im vorigen Winter machte man einen Versuch, der sehr gut ausfiel, und
diesen Winter wiederholt werden soll. Er bestand darin, daß man die Ochsen den
Tag uͤber auf dem Turnips-Felde, wie Schafe, pferchte, nur mit dem
Unterschiede, daß man ihnen die Turnips in Krippen vorlegte, damit sie dieselben
nicht eintreten: Nachts wurden sie in eine Art von Stadel getrieben, der wieder
leicht abgebrochen werden konnte, und wo sie eine gute Streu von Binsen,
Farnkraͤutern und Laub fanden; in die Krippe wurde ihnen Gerstenstroh mit
Turnips aufgestekt. Sie nahmen sehr schnell zu, und jeder Ochs machte wenigstens
acht Fuhren guten Mist in diesem Nachtquartiere, den Duͤnger ungerechnet,
den er des Tages uͤber auf dem Felde ließ, welches, da der Boden sehr
leicht war, sehr viel dadurch gewann. Das Resultat dieses Ochsen-Systemes ist,
daß, nach Abzug der Auffuͤtterungs-Kosten im ersten Jahre, und des
Werthes des Grases, und der Turnips im lezten Jahre, (das Futter waͤhrend
der drei Zwischenjahre als Aequivalent der Arbeit gehoͤrig in Anschlag
gebracht), alle Unfaͤlle mit eingerechnet, jeder Ochs jaͤhrlich
wenigstens 20 p. C. Profit gibt. Wo hat man jemahls solchen Gewinn bei einem
Pferde?“
„Ich werde nicht behaupten, daß man auf allen Arten von Boden Ochsen
brauchen kann; auf sehr steinigen Gruͤnden ist dieß durchaus
unmoͤglich;In Deutschland haͤlt man aber gerade dort mehr Ochsen, wo sie
weniger Ertrag geben, z.B. in der steinreichen Pfalz, wo man sogar
Kuͤhe am Pfluge sieht. Dort laͤßt die Armuth und der
undankbare Boden den fleißigen Landmann nie zur Wohlhabenheit gelangen;
und in dem gesegneten Baiern, wo man meistens mit Pferden statt mit
Ochsen pfluͤgt, macht der Reichthum des Bodens den Bauer faul,
und folglich aͤrmer, als er nicht seyn duͤrfte. A. d.
Ueb. auch kann man nicht auf jedem Gute der Pferde gaͤnzlich
entbehren: jeder groͤßere Guͤter-Besizer wird aber wenigstens
mehrere Joche Ochsen mit Vortheil bei seiner Wirthschaft verwenden
koͤnnen. Zu Windsor werden alle Ochsen mit Kummten eingespannt, indem man
gefunden hat, daß ihr Schritt dabei freier bleibt, als wenn sie unter das Joch
paarweise gespannt werden. Sie arbeiten viel leichter im Kummte, als im Joche,
welches man uͤberall verbannen sollte.“
Wenn Hr. Kent das ungarische, oder das alt
roͤmische, Joch hier versteht, so hat er allerdings Recht. Man hat
aber hier und da bei uns in Baiern eine Art, die Ochsen bei den
Hoͤrnern zu kriegen, die uns unter allen Arten, die Ochsen
einzuspannen die zwekmaͤßigste und ein sehr praktischer Commentar zu
dem alten anakreontischen Ausspruche: φυσις
χερατα
ταυροις, zu seyn
scheint.
A. d. Ueb.
„Man verwendet die verschiedenen Raçen von Ochsen nach den
verschiedenen Arten des Bodens. Auf dem Gute Norfolkfarm, wo der Boden leicht ist, braucht man den Schlag von
Devonshire; auf dem Flemishfarm, wo der Boden schwer
ist, braucht man die Herefordshire Raçe; im Parke selbst, wo man sie bloß
zum Karrenziehen, Egen, und Walzen verwendet, den Glamorganshire Schlag. So
dient jede Raçe auf dem ihr angemessenen Boden trefflich.“
„Es ist vielleicht hier nicht uͤberfluͤßig einer sehr
einfachen Methode zu erwaͤhnen, deren man sich mit vielem Vortheile
bedient, um die Ochsen an das Kummt zu gewoͤhnen. Man legt ihnen
naͤmlich anfangs bloß einen breiten Streifen Leder um den Naken, und
bindet einen Strik daran, an dessen hinterem Ende man einen schweren Holzkloz befestigt.
Damit laͤßt man den Ochsen auf die Weide, und laͤßt ihn auf
derselben den Kloz nachschleppen. Drei oder vier Tage darauf legt man ihm das
Kummt an, und er hat gelernt, dasselbe ruhig zu ertragen.“
„Ich habe oben gesagt, daß man den Ertrag eines Ochsen im Durchschnitte zu
20 p. C. annehmen darf. Wenn man annimmt, daß ein Ochs um 10 Pfund Sterl. (120
fl.) gekauft, und um 25 Pfund Sterl. (300 fl.) verkauft wird, und 10 Pf. Sterl.
fuͤr das Futter in den beiden Jahren davon abzieht, so ist der Beweis
klar genug. Im vorigen Jahre, wo die Saubohnen sehr wohlfeil waren, hielt man
die Ochsen etwas laͤnger, und fuͤtterte sie im Stalle mit
Bohnen-Mehl, was ihnen sehr gut anschlug, indem man sie dadurch im Durchschnitte
auf beinahe 30 Pfund Sterl. (360 fl.) brachte. Ein Glamorgan-Ochs, den man um 8
Pfund kaufte (96 fl.), und den man wegen seines gedraͤngten runden Baues
immer den kleinen Ochsen nannte, gedieh bei diesem Futter so gut, daß er zu fett
ward, um ihn nach Smithfield treiben zu koͤnnen. Er wurde daher einem
Mezger in der Nachbarschaft um 47 Pfd. (564 fl.) verkauft.“
Auch die Schafzucht wurde auf diesen k. Guͤtchen nicht vernachlaͤßigt.
„Man hielt zwei Herden Mutterschaft, jede von 400 Stuͤken. Da
der Boden leicht und troken ist, so konnten sie auch, außer bei nassem Wetter,
im Winter auf dem jungen Klee gepfercht werden: ein Verfahren, das sehr zu
empfehlen ist, indem man dadurch eine reiche Klee-Ernte erhaͤlt, und den
Aker fuͤr den naͤchsten Herbst zur Weizensaat ohne alle andere
Beihuͤlfe vorbereitet. Ein anderes treffliches Verfahren ist auch dieses,
auf leichten Boden, bei trokener Witterung, auf der Weizensaat unmittelbar zu
pferchen, und in dieser Hinsicht, nach Umstaͤnden, um 14 Tage oder 3
Wochen fruͤher oder spaͤter zu saͤen. Man haͤlt die
Pferche etwas groͤßer, und treibt die Schafe am Morgen ein paar Mahl um
die Pferche, ehe man sie auslaͤßt, damit sie den Boden niedertreten und
festmachen, was demselben, außer dem Vortheile, den er durch ihren
Duͤnger erhaͤlt, sehr gut bekommt.“
„Eine andere Weise zu pferchen, fand man beinahe uͤber alle
Beschreibung gut. Sie wurde zuerst im Jahre 1793 versucht; da der
Schaͤfer aber sich einbildete, daß die Schafe dadurch litten, ward sie
aufgegeben: es ist indessen kein Grund fuͤr diese Meinung vorhanden, und man wird
diese Methode im naͤchsten Winter wieder versuchen.“
„Man waͤhlt einen trokenen geschuͤzten Flek, und
schlaͤgt Schollen von einem Neubruche, oder einem noch nie
umgepfluͤgten Boden, einen Fuß hoch auf einer Streke auf, die weit genug
ist, um eine sehr große Pferche zu bilden. Diesen Flek bestreut man duͤnn
mit Binsen, Baumblaͤttern, Farnkraͤutern, Moos, kurzem Strohe oder
Stoppeln, und wenn die Witterung rauh oder naß ist, treibt man die Herde, statt
sie frei auf dem offenen Kleefelde zu halten, in diese waͤrmere Pferche,
wo sie die gewoͤhnliche Menge Heues aus der Krippe erhaͤlt. Jede
Nacht, in welcher die Schafe so gepfercht werden, erhalten sie frische Streu in
der Pferche. Nachdem man auf diese Weise einige Zeit fortgefahren hat, werden,
waͤhrend des Winters, von Zeit zu Zeit, einen halben Schuh hoch Lagen von
Kalk, Kreide, Bauschutt oder Asche auf dem ganzen Fleke aufgefahren, und nachdem
sich diese Mischung gehoͤrig erhizte, wird, ungefaͤhr im April,
der ganze Boden aufgegraben und durch einander gemengt, was den besten
Duͤnger fuͤr Turnips gibt.“
„Ich habe diese Methoden zu Pferchen deßwegen so genau beschrieben, weil
sie nicht uͤberall gekannt sind, und Besizern von Parks und
groͤßeren Anlagen, wo man Baumblaͤtter genug hat, sehr
nuͤzlich werden koͤnnen.“
„Da auf dem Norfolkfarm der Boden noch nicht mit Mergel oder Thon
verbessert wurde, so mißraͤth der Klee zuweilen, wie dieß auch auf
anderem aͤhnlichen Boden der Fall ist. In diesem Falle thut unser
Koͤnig, was jeder andere unter gleichen Umstaͤnden gleichfalls
thun sollte: statt das Feld ohne Ertrag zu lassen, bestellt er es im folgenden
Jahre mit Wiken, die beinahe eben soviel Ertrag geben, als Klee, und auf die der
Weizen sehr freudig nachwaͤchst.“
Man bedient sich hier des auf leichtem Boden jedem anderen vorzuziehenden,
Norfolk-Pfluges, der eine reinere Furche zieht, besser stuͤrzt als jeder
andere, und der sich beinahe um einen ganzen Ochsen leichter zieht. Auch die Norfolk
Ege wird hier, vorzuͤglich bei den sogenannten Buͤrsten-Turnips (brush turnips), und bei anderen Turnips-Arten, vor dem
Harken desselben angewendet. Die Drill-Walze, deren man sich hier bedient, besteht
aus Ringen von Gußeisen aus dem Norwich-Gußhause, die auf einem runden Stuͤke Holz
aufgezogen werden, das als Achse dient. Dieß ist eines der besten Werkzeuge zur
Zubereitung eines Akers fuͤr jede Art von Getreide, wo der Boden die
Anwendung gestattet. Das dadurch eingedruͤkte Korn wurzelt besser ein, und
man erspart dadurch wenigstens ein Viertel an der Aussaat.
Flaͤmishfarm, was auf flamaͤndische Weise,
d.h., in abwechselnden Ernten fuͤr Vieh und Menschen bewirthschaftet werden
sollte, zeigte, bei dem Versuche, einen zu strengen und festen Boden, und man fand,
daß vierfacher Wechsel, wie in einigen Gegenden von Gloucestershire, hier am besten
thun wuͤrde; z.B. im ersten Jahre, Weizen; im zweiten Kraut oder Klee; im
dritten Haber; im vierten Bohnen. Das Akerland auf diesem Gute betraͤgt 160
Tagwerke, also 40 Tagwerke fuͤr den Wechsel. Man nimmt den Bohnen hier den
Gipfel, sobald die Blumen angesezt sind; dadurch werden die Fruͤchte
groͤßer, haͤufiger, und fruͤher reif: lezteres ist sehr
wichtig, indem man dann in der Folge um 14 Tage fruͤher Weizen bauen kann.
Man baut ferner hier im Fruͤhjahre in 20 Tagwerke oder in die Haͤlfte
Weizen, Klee, egt ihn mit der Busch-Ege ein, und walzt ihn. Dadurch erhaͤlt
man im naͤchsten Jahre eine schoͤne Klee-Ernte. Die andere
Haͤlfte, nach dem Weizen, bleibt im Winter und Fruͤhjahre brach, und
wird dann mit Kraut bepflanzt. Dadurch erhaͤlt man den doppelten Vortheil,
daß die Haͤlfte dieses Wechsels Sommer-, die andere Haͤlfte
Winter-Ernte gibt. Wenn man im naͤchsten Jahre diese Theile wechselt, und
Klee baut, wo ehevor das Kraut stand, kommt Klee und Kraut nur nach acht Jahren
wieder auf denselben Boden. Man hat mehrere Jahre nach einander Kraut gebaut, hat es
aber erst dieses Jahr recht bauen gelernt. Das großkoͤpfige
(trommelkoͤpfige, drumheaded cabbage) ist das
beste. Man saͤet es im August, sezt es im November aus, und verpflanzt es zum
Gebrauche im Julius. Zur Mast steht es den Ruͤben nach; es gibt aber den
Kuͤhen, wie den Mutterschafen, mehr Milch, und verdient bei Milchwirthschaft,
und wo man Schafe aufziehen will, gebaut zu werden. Hr. Kent schlaͤgt vor, die Krautkoͤpfe zu vierteln, sie
uͤber Wiesen zu streuen, die Duͤnger beduͤrfen, und auf diesen
Wiesen selbst von den Mutterschafen fressen zu lassen.
Obschon man dem eigentlichen Parke auf diese Weise viele Tagwerke entzog, so
haͤlt er doch eben so viel Wild, als zuvor, und der uͤbrige Ertrag auf
diesem Guͤtchen ist reiner Gewinn. Der Ertrag des auf den 140 Tagwerken
gebauten Rokens und Weizens kann wenigstens auf 3360 BushelsEin Bushel ist 0,5 734 Wiener Mezen. A. d. Ueb. geschaͤzt werden. Wenn man nun auf einen Menschen jaͤhrlich 6
Bushels rechnet, so finden jezt 560 Menschen hier ihr taͤgliches Brod: die 40
Mast-Ochsen, die Nachzucht von 800 Schafen, und wenigstens 5000 Bushel Haber, und
Bohnen ungerechnet; „alles dieß ist bloß das Werk einer
Ochsen-Wirthschaft.“
Der Koͤnig hat auf diesen Guͤtchen auch eine Muͤhle
fuͤr die Armen errichtet, die von reichen Guͤterbesizern
nachgeahmt zu werden verdient. Sie wird von dem Abfall-Wasser des Teiches im
Parke getrieben, und mahlt zwei Drittel Weizen und ein Drittel Roken fuͤr
die armen Arbeitsleute auf diesen Guͤtern, die den Stein (14 Pfund)
solchen Mehles zu 16 Pence (48 kr.) fuͤr sich und ihre Familie, also um
wenigstens 20 p. C. wohlfeiler, als von den Mehlverkaͤufern,
bekommen.“
–––––––––
Es gab vielleicht keine Zeit, und es gibt vielleicht kein Land, wo dieses Beispiel
eines guten Koͤniges mehr Nachahmung verdient, als die Gegenwart in Bayern,
wo der reichste Guͤterbesizer, wie der aͤrmste Bauer, beinahe
stuͤndlich, statt dem Himmel fuͤr die gesegneten Jahre zu danken, die
er mit den Seinigen in einer Fuͤlle von Lebensmitteln erlebt, in
gotteslaͤsterischem Undanke der ewigen Guͤte flucht. Moͤchte er
lieber seine eigene Unwissenheit, seine Faulheit anklagen: denn der kluͤgere,
der thaͤtigere Guͤterbesizer und Bauer wird in den fruchtbarsten
Jahren, wie in den Fehljahren, stets in dem Verhaͤltnisse mehr ernten, als
sein Nachbar, als er kluͤger und thaͤtiger, als derselbe ist.
Traͤfen die unheilvollen Nachtheile dieser Unwissenheit und dieser
Traͤgheit nur einzelne Individuen, die sich dieselben zu Schulden kommen
lassen, so koͤnnte man sich daruͤber beruhigen: das Schrekenvolle bei
diesem Unheile ist aber dieses, daß der Kluͤgere und Thaͤtigere dabei
eben so sehr leiden muß, als der Unwissende und der Faule.
Wir sprechen hier nicht von jener Unwissenheit in den ersten Grundsaͤzen einer
gut eingerichteten Landwirthschaft; die Fruchtbarkeit des Bodens, die Guͤte
des Himmels selbst, die Erbarmen mit den Schwachen im Geiste zu tragen scheint,
macht sie, fuͤr den Augenblik, weniger fuͤhlbar. Wir meynen jene
Unwissenheit, in deren Folge allein man so thoͤricht seyn kann, nicht
einzusehen: 1) daß Papier nie baares Geld ist; 2) daß Papier-Handel kein Handel,
sondern ein Hazardspiel ist, in welchem jedes Mahl derjenige gewinnen muß, dem man
Einsaz leistet; daß diejenigen, die dieses eben so schaͤndliche, als
einfaͤltige, Spiel trieben, in den guten alten Zeiten unter ehrlichen Leuten,
fuͤr unehrlich, fuͤr Stock-jobbers galten,
die bald den Staat, bald das Publicum uͤbervortheilen, je nachdem sie es in
ihrem Interesse finden. 4) daß, durch dieses Spiel nicht bloß Staats- und
Privat-Bankerotte entstehen muͤssen, sondern daß der Werth einer jeden
Realitaͤt und selbst des baaren Geldes in dem Maße vermindert werden muß, als
dieses Spiel gelingt; daß also, selbst in dem gluͤklichsten Falle, nur
Ungluͤk fuͤr das Land, Verderben und Untergang fuͤr Millionen
aus diesem Spiele hervorgeht, waͤhrend einige Duzende von Stock-jobbers den
Wohlstand des ganzen Landes verschlingen. Das Traurigste, das Schmerzlichste in
diesem Ungluͤke ist dieß, daß der nuͤchterne, der umsichtige, der
fleißige Buͤrger, der verstaͤndig und thaͤtig genug war, die
Faro-Bank des Boͤrsenspieles zu vermeiden, eben so gut mit in das
Staats-Verderben hineingezogen wird, als die mit Staats-Papieren gegen das Interesse
des Staates spielen, wie die Spieler selbst. Die taͤglich lauter,
taͤglich schreiender werdenden Klagen, daß das Faro-Spiel mit Staats-Papieren
dem Handel, der Industrie, dem Akerbaue alle Nervenkraft und alles Leben entzieht,
sind weit mehr gegruͤndet, als die ruchlosen Klagen uͤber zu
reichliche Ernten; sie sind leider, nur zu wahr, und nur zu allgemein guͤltig
fuͤr den groͤßten Theil der europaͤischen Staaten.
In unserem lieben Vaterlande Bayern leidet zwar der Handel nicht; denn Bayern hat
keine Fugger, keine Welser mehr die Flotten in America besaßen, und
Koͤnigreiche daselbst in Pacht nahmen; Nuͤrnberg war von seiner
Hoͤhe lange vorher herabgesunken, ehe es Bayern's Lyon geworden ist: Bayern
hat keinen Handel, so wie kein Staat in unseren Zeiten mehr Handel haben kann, der
nicht Flotten besizt, und folglich seine Buͤrger bei ihrem Fruͤhstuͤke, wie
bei ihrem Abend-Thee, und an jedem gefaͤrbten Lappen, den sie an ihrem Leibe
tragen, von den Kaufleuten, und oͤfters sogar von bloßen Kraͤmern, in
Seehafen abhaͤngig sehen muß. Wer nicht Schiffsladungen oder wenigstens
Tonnen kauft, um wieder Tonnen zu verkaufen; wer Tonnen Zentnerweise, oder gar
Zentner pfundweise verkauft, der soll ja nicht glauben, daß er Kaufmann ist; er ist
das, was man in Handels-Staaten einen Kraͤmer
nennt; er soll nicht vergessen, daß er nur von dem doppelten Schaden des
Verkaͤufers und Kaͤufers reich wird; daß er, mit einem Worte, nur ein
nothwendiges Uebel fuͤr die Gesellschaft ist, und nur in sofern auf die
Achtung seiner Mitbuͤrger und den Dank seines Vaterlandes Anspruch hat, als
er gewandt genug ist, dem auslaͤndischen Verkaͤufer mehr abzugewinnen,
als seinem Landsmanne, dem Kaͤufer, und dadurch seinem Vaterlande, und
folglich auch sich selbst jene Summen zu ersparen, die oft so einfaͤltig in
das Ausland hinausgeworfen werden. Handel koͤnnte Bayern nur durch eine große
Handels-Gesellschaft gewinnen, die im Oriente, in Ost- und West-Indien ihre
Factoreien besaͤße, und ihre Augsburger- und Nuͤrnberger-Fabricate
daselbst gegen den leider unvermeidlich gewordenen Bedarf an Colonial-Waaren
umtauschte. Dazu hat es aber bisher weniger an Geld, als an vaterlaͤndischem
Geiste gefehlt: denn die „lausigen Paar Millionen“, wie Vater
Max, der Allgeliebte, einst sagte: „Die hierzu noͤthig sind, ließen
sich wohl leicht zusammenbringen, wenn meine Kraͤmer Handelsgeist und
Vaterlandsliebe besaͤßen.“ Der sogenannte Handel im Inneren
ist kein Handel; er ist Verkehr, und braucht, als solcher, keine Summen Geldes,
sondern nur weise Maßregeln der Regierung.
Industrie wird und kann in Bayern, wie in allen Staaten, wo sie bluͤhend
geworden ist, (England und Frankreich seit den aͤltesten Zeiten, Oesterreich
und Preußen unter Theresia und Friedrich,) lediglich nur durch Einfuhr-Verbothe
jener Waaren gehoben werden, die man bei uns eben so gut verfertigen kann, als im
Auslande. Erhoͤhung der Zoͤlle taugt bekannten Erfahrungen zufolge,
nichts; es gibt Gecken bei uns genug, denen irgend etwas bloß darum werth ist, weil
es auslaͤndisch ist, und die keinen Zoll scheuen. Man fuͤhre ja nicht
das Beispiel Sachsens fuͤr freie Einfuhr an, und die Schweiz; in diesen Laͤndern
wuͤrde der Mensch buchstaͤblich verhungern muͤssen, wenn er
sich nicht lieber halb zu Tode arbeiten will: der Magen ist die Dampfmaschine, die
die zweifuͤßigen Spinn- und Webe-, und Kloͤppel- und Stik-Maschinen in
der Schweiz, wie in Sachsen, treibt. Wir Bayern haben seit den Agilolfingern die
Expansions-Kraft der Daͤmpfe in einem leeren Magen nie gefuͤhlt, und
arbeiten lieber mit der Faust am Pfluge oder am Schwerte, als mit den Fingern. Wer
jemahls in Alt-Bayern, eine Fabrik anzulegen versuchte, der wird die Wahrheit dieser
Bemerkung mit uns gefuͤhlt haben. In Bayern koͤnnen Fabriken nur durch
Maschinen auf eine solche Weise bestehen, daß sie den Bedarf des Landes gegen die
Einfuhr aus dem Auslande deken, und mit den Fabrikaten desselben, bei auch noch so
sehr erhoͤhten Zoͤllen, Concurrenz halten koͤnnen. Wenn in
England der hohe Arbeitslohn Maschinen fuͤr Fabrikanten noͤthig macht,
so werden in Bayern Maschinen durch den Mangel an geschikten und arbeitslustigen
Individuen unentbehrlich. Welcher Fabrikant des Auslandes, der in, oder vielmehr an,
Bayern seinen Markt fuͤr seine Producte hat, wird so thoͤricht seyn,
und seine Fabrik in dem bluͤhenden Zustande, in welchem er sie durch unser
Geld gegenwaͤrtig gebracht hat, aufgeben, um bei uns die Errichtung einer
neuen Fabrik zu wagen? Bei uns, wo jedem Auslaͤnder der Markt so gut frei und
offen steht, wie dem Inlaͤnder, der noch fuͤr seine Fabrik-Rechte
schwere Abgaben bezahlt; wo, nach einem hoͤchst mangelhaften Mauth-Tariffe,
der Fabrikant fuͤr rohe Materialien, die er zur Verarbeitung
inlaͤndischer roher Producte, z.B., Farbematerialien zum Faͤrben
inlaͤndischer Wolle, inlaͤndischer Leinwand braucht, eben so viel
Mauth zahlen muß, und oft noch mehr, als fuͤr Einfuhr gleichen Gewichtes an
auslaͤndischem Tuche, auslaͤndischer gefaͤrbter Leinwand nicht
auf der Mauth abgefordert wird! Wuͤrde heute Einfuhr auslaͤndischer
Tuͤcher, Seidenzeuge etc. bei uns verbothen, so wuͤrden Duzende
derjenigen Fabrikanten, die bisher fuͤr ihre Waaren bei uns ihren Haupt-Absaz
fanden, sich mit ihren Fabriken niederlassen, und das Land wuͤrde nicht bloß
das Geld, das jezt jaͤhrlich in das Ausland geht, innerhalb seiner
Graͤnzen in Umlauf erhalten, sondern auch viele Familien fleißiger und
geschikter Leute fuͤr seine Bevoͤlkerung gewinnen: Bayern bedarf aber
einer groͤßeren Bevoͤlkerung auf das Dringendste; denn es bildet nichts, weniger, als den
volkreichsten Staat im deutschen Bunde. Wer sich uͤberzeugen will, wie sehr
und wie schnell Waaren-Einfuhrverbothe Staaten, die vorher keine Fabriken hatten,
und die lediglich von der Industrie des Auslandes abhiengen, zu Fabriken helfen, der
werfe einen Blik auf Oesterreich, und sehe, was die Industrie in diesem Lande, wo
sie weniger als Null gewesen ist, gegenwaͤrtig geworden ist; der sehe, wie
viele Fabriken Rußland seit dem Ukase, der fremde Waaren einzufuͤhren
verbiethet, seit dieser kurzen Zeit allein schon gewonnen hat. Und wer wird nicht
tausend Mahl lieber Fabriken in Bayern, als in Rußland, errichten, wenn er dort eben
so geschuͤzt wird, wie hier!
Was in Bayern, das keinen Handel besizt, dessen Industrie bei seinem
gegenwaͤrtigen Mauthsysteme mit jedem Tage in
groͤßern Verfall koͤmmt durch den unseligen Handel mit Papieren, durch
die zahllose Menge von auslaͤndischen Lotterie-Loosen, und durch so viele
andere hoͤchst verderbliche Anstalten, durch welche es, wo nicht
kraͤftige Abhuͤlfe geschieht, endlich noch um seinen lezten
Haͤller gebracht werden muß, vorzuͤglich leidet, dieß sind die
Guͤterbesizer; gleich viel, ob es Fuͤrst oder Graf ist, oder ein armer
Bauer mit einem Tagwerke. Der Werth der großen Guͤter, so wie einzelner
kleiner Fleke von Grundstuͤken, ist seit einigen Jahren so sehr herabsunken,
daß die Familien-Vaͤter in der hoͤheren Classe des Adels, wie in der
niedrigsten der aͤrmsten Bauern, nur mit Schreken in die Zukunft sehen
koͤnnen. Bei wie vielen haͤufen sich nicht die Interessen der Schulden
zur neuen Schuld, und was wird das Loos so vieler Guͤterbesizer werden, wann
das Hypotheken-Gesez in Kraft tritt? Man schreibt dieses taͤglich tiefere
Sinken des Werthes der Guͤter den geringen Kornpreisen zu, als den
verkuͤmmerten Interessen des Capital-Werthes der Guͤter. Daß dieses
nicht der einzige, und bei weitem nicht der wichtigste, Grund ist, erhellt daraus,
daß bloß der schlechte Curs die Staats-Papiere wohlfeil macht. Was macht aber den
schlechten Curs? Lediglich der Umstand, daß viele Staats-Papiere zum Verkaufe
dargebothen werden. Da nun gegenwaͤrtig uͤberall Guͤter um ein
Spottgeld zu haben sind, so fallen die Guͤter desto mehr, je mehr deren zu
haben sind. Diese Ursache ist gewiß nicht minder wichtig, als die geringen
Kornpreise.
Was aber das Unbegreifliche in der Thorheit unserer Zeiten ist, ist die Verblendung,
mit welcher man Staats-Papiere kaufen kann, weil sie heute, um 1 p. C. wohlfeiler
sind, als gestern, und Guͤter und liegende Gruͤnde, die heute
vielleicht um 3 p. C. wohlfeiler geworden sind, als gestern, nicht kaufen kann; da
doch die Staats-Papiere, wie wir seit 30 Jahren an so vielen, vielen Staats-Papieren
gesehen haben, am Ende auf die Haͤlfte, auf zwei Drittel, ja sogar auf ein
Zehntel ihres urspruͤnglichen Werthes herabsinken koͤnnen,
waͤhrend bei Guͤtern und liegenden Gruͤnden dieß nimmermehr der
Fall war, und nie seyn kann, vielmehr dieselben sich, alsbald wieder heben werden,
und wieder heben muͤssen, so wie mehr Nachfrage nach denselben werden wird.
Es ist fuͤrwahr unbegreiflich, wie man lieber verlieren, lieber mit Gefahr
einen Groschen, als mit Sicherheit einen Thaler gewinnen will.
Die Gefahr des Hazard-Spieles, mit welchem der Gewinn an Staats-Papieren verbunden
ist, ist aber nicht die einzige Gefahr, die denjenigen droht, welche sich mit
Staats-Papieren in Millionaͤrs umwandelten und noch umwandeln wollen: es
droht ihnen bei all ihren Schaͤzen, selbst dann, wann sie ihre Lumpen in
Metall werden umgewandelt haben, eine andere, eine unvermeidliche Gefahr, von
welcher sie jezt noch, im Taumel-Schlummer ihres vermeinten Gluͤkes, sich
nichts traͤumen zu lassen scheinen. Beschaͤftigt mit dem Gelde, oder
vielmehr mit dem Papiere unserer Zeit, scheinen sie vergessen zu haben, was das Geld
vor der Entdekung der Goldbergwerke in America war, und was es nach der Entdekung
derselben geworden ist; sie ahnden folglich nicht, was es in wenigen Jahren, da
diese Goldbergwerke jezt erst bergmaͤnnisch betrieben werden, und folglich
wenigstens drei Mahl so viel, als ehevor, jaͤhrlich liefern werden, wird
werden muͤssen; um so mehr wird werden
muͤssen, als auch Sibirien jezt ein neues Mexico geworden ist, und
die Welt in seinem gelben Meere ersaͤufen wird.
Der Werth des Geldes ist durch die jaͤhrlichen Ausbeuten an Gold und Silber,
die aus America heruͤber geschleppt wurden, in 300 Jahren um nicht weniger
als um das Zwanzigfaͤltige gefallen. Der Tagloͤhner, der in Europa im
Jahre 1492 noch fuͤr 6 Pfennige arbeitete, konnte im Jahre 1792 nur mehr
fuͤr 8 Groschen Taglohn erhalten werden. Von 1792 bis jezt ist,
vorzuͤglich durch das imaginaͤre Geld, das Geld um die Haͤlfte
seines vorigen Werthes gefallen: man zahlt jezt 36 kr. Taglohn, wo man im Jahre 1792
noch 24 kr. Taglohn bezahlte. Welche Perspective geht aus diesem Ruͤkblike in
die Vergangenheit bei den taͤglich mehr sich anhaͤufenden Bergen von
Staats-Papieren, von Gold- und Silber-Barren fuͤr die Zukunft hervor? Diese:
daß in 50 Jahren der Kreuzer kaum mehr zwei Pfennige werth seyn wird: daß also
derjenige, der jezt seinen Soͤhnen eine Million hinterlaͤßt, seinen
Enkeln an derselben nur mehr eine halbe Million hinterlassen wird. Es ist durchaus
falsch, daß das Gold bei den Reichen immer waͤchst: es wird immer weniger, je
mehr es wird. Gold, gleichviel, ob gepraͤgt oder in Barren, ist an und
fuͤr sich nichts; es ist nur der Repraͤsentant des Werthes anderer
Dinge, die in dem Maße mehr gewinnen, als dieser Repraͤsentant mehr verliert.
Ein Gut, das im Jahre 1492 um 10,000 fl. gekauft wurde, ist jezt 200,000 fl. werth;
eine Kiste Geldes mit 10,000 fl. vom Jahre 1492 wuͤrde aber,
unberuͤhrt, jezt nur noch 10,000 fl., d.h. dasjenige verglichen, was man im
Jahre 1492 dafuͤr kaufen konnte, und was man jezt dafuͤr kaufen kann,
um 20 Mahl weniger geworden, folglich im reellen Werthe
auf 500 fl. des reellen Werthes vom Jahre 1492 herabgegangen seyn. Wodurch sind die
reichsten gegenwaͤrtig in Europa existirenden Familien, die Northumberlands,
die Esterhazys, die Lichtensteine, die Potocki, die uͤberreichen rußischen
Fuͤrsten zu jenem soliden Reichthume gekommen, der
denselben koͤnigliche Jahres-Einkuͤnfte sichert; Einkuͤnfte,
die selbst die verheerendsten Kriege kaum schmaͤlern konnten, und die mit
jedem Jahre groͤßer werden muͤssen, wie der Werth des Geldes
faͤllt? Etwa dadurch, daß ihre Ahnherren Stock-jobberey trieben? Oder
dadurch, daß sie weise genug waren, von Jahr zu Jahr, so wie es ihre Ersparnisse
erlaubten, Guͤter zu kaufen, liegende Gruͤnde zu kaufen, deren Werth in jedem Lande seit
Jahrtausenden von einem Jahre zu dem anderen gestiegen ist? Wer immer bei Tonnen
Goldes nur ein Qentchen Verstand hat, der wird, wo ihm anders das Wohl seiner Kinder
und seiner Nachkommen lieb ist, eilen, denselben nicht Geld, dessen Werth immer
faͤllt, sondern liegende Gruͤnde zu hinterlassen, deren Werth immer
und immer steigt. Eine Familie, die, im J. 1492, 10,000 fl. Einkommen hatte, lebte damahls so
gemaͤchlich, wie eine Familie, die gegenwaͤrtig 200,000 fl.
jaͤhrliche Einnahme hat. Haͤtte sie diese 10,000 fl. Renten aber nur
durch Geld allein, als die Interessen eines Geld-Capitales, das jaͤhrlich
10,000 fl. abwirft, so wuͤrde sie an diesen 10,000 Gulden des Jahres 1492
kaum mehr 500 fl. Einnahme im J. 1825 besizen. Warum dringt die Klerisey, von der
Jedermann weiß, daß sie ihr Interesse kennt, und Haus zu halten nur zu gut versteht,
uͤberall so sehr auf liegende Gruͤnde? Warum verschmaͤht sie
die Tonnen Geldes, die man ihr darbiethet? Weil sie die Geschichte des Geldes besser
kennt, als die, die damit Handel treiben.
Wenn der verderbliche Schwindel des Faro-Spieles mit den Staats-Papieren, diese Pest
des gegenwaͤrtigen gesellschaftlichen Zustandes, endlich wieder
aufgehoͤrt haben wird, sey es, daß die Spieler entweder durch ihren eigenen
Verlust zu Verstande kommen, oder daß die Regierungen sich gezwungen sehen werden,
Geseze gegen sie zu erlassen, wie gegen diejenigen, die ihres Verstandes beraubt
sind, und ganze Staaten in die Gefahr des Unterganges stuͤrzen; wenn das
Geld, als Repraͤsentant der Realitaͤten, wieder seinen
natuͤrlichen Zug dorthin erhalten wird, wohin es seiner eigenen Natur nach
bestimmt ist, „als Mittel zum Kaufe, nicht selbst als Waare, zu
dienen“; dann wird, nach dem natuͤrlichen Gange der Dinge, wie
wir denselben aus den Annalen aller Jahrhunderte und aller Staaten kennen, zuerst
der Akerbau erbluͤhen, der die Basis jeder gediegenen Industrie (nicht der
pilzartigen Luxus-Industrie) ist, und erst auf den unerschuͤtterlichen
Pfeilern des Akerbaues und einer fuͤr die Beduͤrfnisse des Landes
berechneten Industrie kann ein Handels-System gegruͤndet werden, das eben so
unerschuͤtterlich gegen die Stuͤrme der Zeit dastehen wird, wie die
Pfeiler, auf denen es ruht.
„Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brod essen.“
Dieß ist die Bestimmung des Menschen; nicht der Faro-Tisch an der Boͤrse. Wer
sich von dieser seiner Bestimmung entfernt, sey es als Individuum, oder als Masse,
der stuͤrzt sich und andere in einen Abgrund, aus welchem kein Engel ihn zu
retten vermag. Arbeitsamkeit, und ihre Schwestern Tugend und Sittlichkeit, sind es
allein, die Individuen, wie ganze Staaten zu erhalten vermoͤgen im Strome der
Zeit, dessen Lauf der Verstaͤndige zu beachten weiß.