Titel: | Analyse der Schiffsplane der brittischen Flotte. Von Joh. Major, Foreman of Chatham Yard, ehemals an der Schule der Schiffsbaukunst, (School of Naval Architecture.) |
Fundstelle: | Band 19, Jahrgang 1826, Nr. LX., S. 241 |
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LX.
Analyse der Schiffsplane der brittischen Flotte.
Von Joh. Major,
Foreman of Chatham Yard, ehemals an der Schule der Schiffsbaukunst, (School of Naval Architecture.)Da Deutschland durch seine Hansee-Staͤdte, die neuerlichst so zu sagen,
englisches Buͤrger-Recht erhalten haben, wieder eine Schifffahrt erhielt,
wie es dieselbe bisher durch keinen seiner deutschen Kaiser und Koͤnige
erhalten hat, und Schiffbaukunst folglich auch fuͤr Deutschland wieder
Werth gewinnt; so werden wir zuweilen Aufsaͤtze uͤber
Schiffbaukunst aufnehmen, die wir bisher gewoͤhnlich nur andeuteten. So
sehr wir uns dieses Aufschwunges unserer biederen deutschen Landsleute im
Norden freuen muͤssen, so sehr muͤssen wir im Suͤden
bedauern, daß unsere noch suͤdlicheren Nachbarnvernachlaͤssigten,
von ihren Hafen am mittellaͤndischen Meere gleichen Vortheil zu ziehen,
oder vielmehr noch groͤßeren; denn, wie ein Blik auf die Karte zeigt,
sind Genua und Venedig und Triest fuͤr den Handel mit Suͤd-America
weit vortheilhafter, fuͤr uns, und fuͤr die Schiffenden, gelegen,
als Bremen, Hamburg und Luͤbeck. Wir haben in Suͤddeutschland
durch die Maßregeln unserer suͤdlichen Nachbarn nun auch den
unbedeutenden Transito-Handel verloren, den wir hatten, und muͤssen von
der Elbe und Weser her beziehen, was wir zu Venedig und Genua vor der
Thuͤre gehabt hatten. Indessen geschieht jedem nach seinem Willen.A. d. Ueb.
Aus einem Schreiben des Hrn. Major an den Herausgeber der
Annals of
Philosophy, in diesen, November. 1825.
Major's Analyse der Schiffsplane der britischen Flotte.
Unter den vielen Planen, zu welchen man seine Zuflucht nehmen
kann, um zur Kenntniß der Grundsaͤtze der Schiffbaukunst zu gelangen, schien mir Keiner
mehr geeignet den erwuͤnschten Zweck zu erreichen, als eine Analyse der
Plane, nach welchem die Schiffe der brittischen Flotte gebaut sind. Ich verstehe
hierunterDer Hr. Verfasser nennt diese Analyse: Digest. eine Analyse ihrer Formen und Ausruͤstungen, und eine Vergleichung
ihrer urspruͤnglichen Zusammensetzung mit dem See-Dienste derselben.
Um noch deutlicher zu sprechen, ich denke, daß wenn man folgende Elemente eines jeden
in die See stechenden Schiffes der brittischen Flotte berechnete und allgemein
bekannt machte, man mehr Licht uͤber diesen Gegenstand verbreiten
wuͤrde, als durch alle Reihen von Versuchen uͤber Widerstand,
uͤber Modelle von Schiffen, und durch alle theoretischen Untersuchungen,
selbst wenn diese von den groͤßten mathematischen Genies geleitet
wuͤrden. Diese Elemente sind: der Canal-Dienst, Leucht-Dienst,
Expeditions-Dienst, d.h., das Gewicht des ganzen zu diesen Diensten
ausgeruͤsteten Schiffes, und das Gewicht des abgetakelten leeren Schiffes;
die Haupt-Masse desselben, naͤmlich die Laͤnge der Last-Wasserlinie,
Breite und Tauchung; die Flaͤchen-Inhalte der Last-Wasserflaͤche und
des Durchschnittes durch die Mitte des Schiffes; die Lage des Mittelpunktes der
Schwere der Verdraͤngung, oder seine Entfernung von der Last-Wasserlinie und
der mittleren Laͤnge des Schiffes; der Mittelpunkt der Schwere des Schiffes
und seiner Ladung, durch Versuch (wie hier beigefuͤgt ist) bestimmt; die
Hoͤhe des Nebenmittelpunktes bei der mittleren Hoͤhe der Stauchung
uͤber dem Wasser; die Laͤnge der Masten und Groͤße der Segel,
so daß die ganze Flaͤche des Segeltuches bei verschiedener Starke des Windes
gegeben ist zugleich mit dem Mittelpunkte der Kraft eines solchen Segels; das Gewicht des Metalles
auf jedem Verdeke, der Masten, des Tauwerkes, des Ballastes, des Wassers und des
Mundvorrathes; das Moment der Kanonen außer dem Wasser, oder ihr Gewicht
multiplicirt mit der Entfernung ihres gemeinschaftlichen Mittelpunktes von dem
Wasser, als der sicherste Ausdruk ihrer Kraft. Die Staͤndigkeits-Kraft unter
10° Neigung muß gleichfalls nach Atwood's Methode
berechnet werden; sie wird bei dem Versuche zum Auffinden des Mittelpunktes der
Schwere des Schiffes gleichfalls dienen. Wenn die Schiffbaukunst in unserem Lande
einst weiter gediehen seyn wird, wird und muß man diese Analyse noch weiter treiben;
gegenwaͤrtig darf sie aber, vielleicht, nicht weiter getrieben werden. Wo die
Analyse interessant ist, muß man Dr. Inman's Berechnung
zur Bestimmung der Form zwischen Wind und Wasser, um das Schiff um eine
Laͤngen-Achse zu drehen, gleichfalls anwenden.
In den Akten des Buͤreaus der Flotte, (Navy-Office) sind die Masse der Schiffe, ihrer Masten, die Zahl der Kanonen
und Leute, mit der Tauchung, und einer unrichtigen Schaͤzung der Ladung
bereits von Amtswegen (officially) aufgezeichnet. Die
Weisungen uͤber die Schiffe, die man dort erhaͤlt, sind aus der
Kindheit der Wissenschaft der Schiffbaukunst in unserem Lande; sie gehen nicht in's
Kleine, und beschreiben nichts genau. Es ist unmoͤglich, daß derjenige, der
fuͤr sich allein rechnen will, Daten genug erhaͤlt, die ihn bei seinen
Entwuͤrfen zu Schiffen hinlaͤnglich sicher leiten koͤnnten;
indessen ist dieß Alles, was das Resultat der Amts-Pflicht ist.
Obschon die gegenwaͤrtige Verwaltung der Flotte vieles that, indem sie auf
unseren Werften wissenschaftliche Kenntnisse durch Anstellung der Zoͤglinge
aus der Schule der Schiffbaukunst einfuͤhrte; so ist es doch noch keinem
Beamten an denselben zur Amtspflicht gemacht worden,Dieß ist sehr weise; denn wir haben seit 50 Jahren zu Land und Wasser
gesehen, daß alles, was von Amtswegen geschieht, in der Regel schlecht
geschieht.A. d. Ueb. sich mit der Theorie des Schiffbaues zu befassen. Daher kommt es, daß die
oben angegebenen Elemente noch durchaus nicht allgemein, einige sogar noch durchaus
nicht gekannt sind, und die meisten, die man als bekannt voraussezt, sind nur sehr
wenig bekannt. Irrthum ist so schlecht als Unwissenheit, und daher entstand der Gebrauch, nach
fremden Schiffen zu bauen.
Da die britische Flotte Schiffe aller Voͤlker enthaͤlt, so
koͤnnte die vorgeschlagene Untersuchung so weit getrieben werden, daß sie
eine allgemeine Vergleichung aller Schiffe lieferte. Es waͤre sehr zu
wuͤnschen, daß man eine Analyse einiger der neuesten franzoͤsischen
und americanischen Schiffe erhielte, sowohl der Kriegs- als der
Kauffahrthei-Schiffe.
Ich unterlegte im October 1821 obigen Plan dem achtbaren Flotten-Amte (Navy-Board), und man erwies mir die Ehre, denselben zu
billigen, indem man mir allein, aus Oekonomie, die Ausfuͤhrung desselben
uͤbertrug. Da indessen mit Ausfuͤhrung desselben sechs Mathematiker
durch vier Jahre mehr als ihre physischen Kraͤfte gestatten werden, auch bei
aller Beihuͤlfe von Seite der Werften, hinlaͤnglich
beschaͤftigt seyn wuͤrden; so ward dieser Beifall ein Abortus. Man
sagte mir im October 1822, „daß man es nicht fuͤr noͤthig
faͤnde, diesen Gegenstand weiter zu verfolgen.“ Der Zweck, den
ich vorzuͤglich im Auge hatte, war eine Theorie der Schiffe aus Thatsachen
abzuleiten.
Ueberdieß wuͤrde man dadurch richtige amtliche Daten zur Berechnung erhalten,
und eine Flotte, die alle 10 Jahre 15 Millionen Pfund Sterling (180 Millionen
Gulden) kostet, wuͤrde bei ihrem Baue genaue Schaͤzungen erhalten
haben. Ich habe diesen Gegenstand seit dieser Zeit mit allem Eifer verfolgt, und
nehme keinen Anstand zu behaupten, daß die Regierung mehr als die Kosten der
Ausfuͤhrung dieses Planes ersparen wuͤrde, und zugleich den Dienst in
den Werften der Flotte auch in wissenschaftlicher Hinsicht auf gleichen Fuß mit
jenem des Auslandes bringen koͤnnte.
Die HHrn. Beaufoy und Harvey zu
Plymouth haben vor einigen Monaten in den Annals of
Philos. (Polyt. Journ. B. XV., S.
417, Bd. XVI., S. 267, Bd. XVIII., S. 393) eine Reihe von Versuchen
uͤber den Widerstand als das einzige Mittel vorgeschlagen, unsere Kenntnisse
uͤber den Bau der Schiffe auf eine wissenschaftliche Weise zu erweitern.
Lezterer behauptete die Nothwendigkeit derselben so kraͤftiglich, daß er
sagte: „alles ist Finsterniß und Ungewißheit ohne dieselben.“
Nach den geringen Vortheilen, die wir bisher von solchen Versuchen hatten, und bei
den Schwierigkeiten, die Kenntnisse, zu welchen wir dadurch gelangten, auf die
Schiffe selbst anzuwenden, kann ich indessen diese Versuche durchaus nicht als einen
vielversprechenden Plan zu einer Theorie des Schiffbaues betrachten. Das Maximum der
Segelkraft muß mit dem Minimum des Widerstandes verbunden werden, und beide mit dem
Gewichte des Schiffes, dem Stampfen und Rollen etc. Wenn wir die kleine Summe von
Kenntnissen, welche aus den Bemuͤhungen der vereinten Kraͤfte so
vieler hellleuchtenden Genies, die an der franzoͤsischen Akademie zwanzig
Jahre lang (vom J. 1770 bis 1790) sich mit dem Widerstande der Fluͤssigkeiten
beschaͤftigten, fuͤr die Schiffbaukunst hervorgingen, und auf dieselbe
anwendbar sind, erwaͤgen; wenn wir die Resultate der eifrigsten
Bemuͤhungen der Society for the Encouragement of Naval
Architecture betrachten, die zu demselben Zweke mehr als 10, 000 Versuche
angestellt hat; und sie zugleich mit dem Mißlingen so vieler anderer Arbeiten ganzer
Gesellschaften und einzelner Individuen vergleichen; so duͤrfen unsere
Erwartungen von einer neuen Reihe von Versuchen uͤber den Widerstand wahrlich
nicht sehr sanguinisch seyn. Die Aufstellung einer Theorie des Widerstandes scheint
mehr, als Aufloͤsung einer schoͤnen physischen Aufgabe in der
Mathematik, die Sache einer gelehrten Gesellschaft irgend eines Volkes, als ein
Gegenstand zu seyn, auf welchen man sich bei Verbesserung der Schiffsbaukunst
verlassen kann.
Wenn wir die Starke oder die bewegende Kraft der Segel, die auf den Segel-Punkt (point vélique) wirkt, als Resultat des
Widerstandes zu bestimmen vermoͤgen, so koͤnnen wir an jedem in die
See stechenden Schiffe 100 formelle Versuche anstellen; und diese kann man, wie ich
glaube, durch Approximation, bis auf einen gewissen Grad, mit aller Genauigkeit
finden, wahrscheinlich eben so genau, als bei irgend einem regelmaͤßigen
Versuche mit dem Modelle.
Wenn wir ferner den Widerstand bei einer gewissen Schnelligkeit des Schiffes kennen,
den man leicht dadurch findet, daß man ein Schiff in einem Strome an einer Leine
zieht (swinging) und die Zugkraft (pull) bemißt; so hat man auch die Kraft des Segels im
Mittelpunkte seiner Kraftaͤußerung, wenn dieses Schiff im Ocean mit jener
Geschwindigkeit, wie in der gegebenen Bewegung, hinfaͤhrt.
Die Schiffe segeln unter verschiedenen Trag-Linien; die beste Form fuͤr den
Widerstand in einer Richtung, ist es daher nicht immer auch in der anderen. Das
Maximum der Segel-Kraft muß zugleich mit dem Minimum des Widerstandes verbunden werden. Die Kleinheit des
Schiffes um Holz und Ausgaͤbe zu ersparen, das Stampfen und Rollen, die
Eigenschaften bei verschiedenem Wetter, muͤssen alle vereint an einem Schiffe
in Betrachtung gezogen werden. Dieß kann aber nur, wie es mir scheint, durch Analyse
von Thatsachen und durch eine kritische Vergleichungs-Methode geschehen. Auf diese
Weise wuͤrden, bei einigem Studium, sich bald einige allgemeine
Grundsaͤze fuͤr jeden nachdenkenden Beobachter ergeben, und Thatsachen
wuͤrden den Flug phantastischer Speculationen lahmen, die bisher der
Hauptgrund der verschiedenen Formen der Schiffe gewesen sind.
Das Wichtigste, was wir uͤber Schiffe wissen, ist, daß je groͤßer bei
gleichem Baue die Schiffe aller Klassen ihren Haupt-Massen nach sind, desto
schneller sie segeln; und, umgekehrt, je kleiner, desto langsamer. Dieß ist das
Resultat der Beobachtung von Thatsachen. Obschon dieser Grundsaz groͤßere
Ausgaben herbeifuͤhrt, so macht doch dieses Besser-Segeln die
Einfuͤhrung groͤßerer Schiffe wuͤnschenswerth. Man richtet auf
diese Weise mit drei Schiffen soviel aus, als sonst mit vier; man hat den Vortheil
uͤber alle schwaͤcheren Feinde, und kann den maͤchtigeren und
ganzen Flotten leichter entgehen. Die Wichtigkeit dieses Umstandes zeigte sich nie
deutlicher, als in dem lezten americanischen Kriege, wo sechs große Fregatten einer
englischen Flotte von 6 Linien-Schiffen und 20 Fregatten entwischten. Man hat seit
200 Jahren diesen Grundsaz immer mehr und mehr verfolgt; die Franzosen waren in
dieser Hinsicht immer vor uns voraus, und sind es noch jezt.
Doch dieß ist es nicht allein, worauf es bei den Schiffen ankommt: es gehoͤrt
noch mehr zu einem guten Schiffe. Man kann ein besseres Linien-Schiff bauen, als
unsere Schiffe von 74 Kanonen, und 6000 Pf. Sterl. (72,000 fl.) noch dabei ersparen.
Die Schweden haben dieß durch die Bemuͤhung ihres Chapman, des großen Theoretikers in der praktischen Schiffbaukunst,
gelernt. Die schwedischen Schiffe von 74 Kanonen sind im Holze um 350 Tonnen
leichter (sie sind 1250 Tonnen,Eine Tonne = 20 engl. Ztr. A. d. U. waͤhrend unsere 1600 wiegen); und dieß gibt gerade die oben
angegebene Ersparung. Sie sind dabei stark genug um den Stuͤrmen der Ostsee
zwanzig bis dreißig Jahre lang ohne bedeutende Ausbesserungen zu trozen, und 1/5
Metall mehr zu fuͤhren. Die Schwimm-Flaͤche (Plan of floatation) ist groͤßer, und der mittlere Durchschnitt des
Schiffes bedeutend kleiner. Sie fuͤhren mehr Segel, so daß sie wahrscheinlich
um zwei Knoten in einer Stunde schneller segeln; sie fuͤhren auch mehr
Ballast. Ich weiß dieses aus drei verschiedenen Quellen, an deren Lauterkeit nicht
zu zweifeln ist, und ich kann meine Behauptungen durch Analyse erweisen.
Chapman's Andenken wird in der Schiffbaukunst ewig leben.
Er hat, nach Bouguer, welcher den Neben-Mittelpunct (Metacentre) zuerst berechnete, und zuerst die wahre
Methode der Staͤndigkeit aufstellte, der Schiffbaukunst vielleicht den
groͤßten Dienst erwiesen. Er hatte nicht das Gluͤk, in seiner Jugend
in die Mathematik eingeweiht zu werden, machte aber bei reiferem Alter bedeutende
Fortschritte in derselben, und uͤbte seine Kenntnisse mit maͤchtigem
Erfolge aus. Er scheint sich mit vielem Nachdruke auf das Studium der Form der
Schiffe verlegt zu haben, indem er die Wirkungen der verschiedenen Formen und
Ausruͤstungen derselben nach einem beinahe aͤhnlichen Plane, wie der
hier vorgelegte, jedoch nicht auf eine so vortheilhafte Weise, wie durch die zeither
gefuͤhrten verbesserten Rechnungen moͤglich wurde, verfolgte. Auch
konnte die schwedische Flotte ihm kein so weites Feld fuͤr analytische
Beobachtungen darbiethen, wie die englische. Schweden hatte zu Chapman's Zeiten noch kein Corps du génie
maritime von 30 Schuͤlern der Schiffbaukunst mit schoͤnen
mathematischen Vorkenntnissen, die zu dem Studium aller Aufgaben der Theorie sowohl,
als der Praxis in der Schiffbaukunst einzig und allein bestimmt sind.
Dieser Plan laͤßt sich eben so gut auch auf Dampfschiffe anwenden. Die
Franzosen haben dieß bereits gethan, und einen Mathematiker, Hrn. Marastier, im J. 1823 nach America geschikt, durch
welchen sie die Analyse von mehr denn 100 Dampfschiffen nebst einer daraus
abgeleiteten Theorie erhielten.
Die Kenntniß der Lage des Mittelpunctes der Schwere eines Schiffes und seines
Inhaltes ist von der hoͤchsten Wichtigkeit. Die meisten Mathematiker sind
darin uͤbereingekommen, daß derselbe zugleich auch der Drehepunct des
Schiffes ist. Ohne Kenntniß desselben laͤßt sich die Staͤndigkeit des
Schiffes fuͤr
keinen Fall bemessen. Man hat ihn in England nur erst an zwei Schiffen gefunden.
Durch Berechnung der Momente der Lasten von einer horizontalen Ebene und Theilung
durch das ganze Gewicht des Schiffes fand man diesen Punct an dem Bulwark und an dem Ajax an der Schiffbau-Schule unter Dr.
Inman im J. 1817. Man fand ihn in beiden
Faͤllen beinahe 4 Fuß 5 Zoll von den Schießloͤchern, oder Einen Fuß 7
Zoll uͤber der Wasser-Linie des Canal-Dienstes. Man kann gegen dieses
Verfahren den Schwerpunct zu finden einwerfen, daß es sehr langweilig, und, indem
die specifische Schwere des Holzes auf der See durch Einsaugen und
Ausduͤnstung wechselt, zugleich Fehlern unterworfen ist. Die vertical Momente
sind indessen in mehr denn einer Hinsicht hoͤchst nuͤzlich. Die Zeit,
die man zur Berechnung desselben bei jedem Schiffe noͤthig hatte, war ein
Jahr fuͤr zwei Rechner, denen nebenher die noͤthigen Arbeiter
zugetheilt waren, um Vorrache, Bloͤke etc. abzuwaͤgen.
Diesen Punct in jedem Angenblike, waͤhrend ein Schiff im Dienste ist, ohne
Ruͤksicht auf die besonderen Umstaͤnde, einer zusammengesezten Last zu
finden, muß offenbar einen aͤußerst wichtigen Gewinn gewahren. Chapman, dieser ausgezeichnete schwedische
Schiffbaumeister, schlug zuerst im J. 1793 vor, dieß auf dem Schiffe selbst durch
einen Versuch zu thun. Bei uns ist es noch an keinem Schiffe geschehen. Chapman's Methode, diesen Punct zu bestimmen,
unterliegt zweien Einwuͤrfen. Er bedient sich des Neben-Mittelpunktes als
Staͤndigkeits-Maßes unter einem Winkel von 8 bis 10°, was offenbar
unrichtig ist. Dieser Fehler laßt sich jedoch leicht verbessern, wenn man Atwood's Staͤndigkeits-Gleichung (equation of stability) dafuͤr substituirt. Der
zweite Einwurf ist, daß er, wie es scheint, die Veraͤnderung der Stelle des
Schwerpunctes des Schiffes bei Bewegung seiner Kanonen nach einer Seite ganz
uͤbersah. Diese leztere Dunkelheit veranlaßte Hrn. Karl Bonnycastle, der ehemahls an der Shool of Naval
Architecture war, gegenwaͤrtig aber Professor der Physik zu
Charlotteville bei Washington in Virginia in den vereinigten Staaten ist, und der
beste Mathematiker an unserem Instituts war, diese Methode als unrichtig in ihren
Schluͤssen zu verwerfen; er wendete viele Zeit an, um diesen Punct auf andere
Weise durch Versuche zu bestimmen. Seine Bemuͤhungen blieben indessen ohne Erfolg. Dieser
Schwierigkeit ist hier durch Auffindung des neuen Mittelpunctes der Schwere des
Schiffes abgeholfen, und durch Untersuchung der Uebertragungs-Linie sind wir im
Stande, diesen Punct bei aufrechter Stellung der Masten zu bestimmen.
Da Chapman's Methode durch Bewegung der Kanonen und
zusammengesezten Lasten des Schiffes ausgefuͤhrt wird, fanden einige
Schiffsbaumeister dieselbe unbequem. Dieß veranlaßte mich, eine andere Methode
auszudenken, naͤhmlich durch Neigung des Schiffes mittelst einer an den
Masten angebrachten horizontalen Kraft, wodurch die Lasten des Schiffes nicht aus
ihrer Lage gebracht werden, nicht vermehrt und nicht vermindert werden. Sie ist hier
beigefuͤgt.
Um den Mittelpunct der Schwere eines Schiffes zu finden, indem man die Lasten
horizontal bewegt, sey, Fig. 1., CAODB, der Boden des Schiffes; AB, die Last-Wasserlinie in geneigter Lage; CD, jene in aufrechter; E, der Mittelpunct der Schwere der Verdraͤngung; G, jener des Schiffes; M,
die Lage der Kanonen, die nach, N, kommen; unter rechten
Winkeln.
Wenn nur der neue Mittelpunct der Schwere des Schiffes und der Verdraͤngung
gefunden werden soll, so kann dieß durch Uebertragung der Theile derselben, der
Kanonen und des neu eingesenkten Theiles geschehen, welcher leztere dem
aufgestauchten gleich seyn muß. Die Uebertragungs-Linien sind parallel mit jenen der
Theile, und ihre Entfernungen verhalten sich umgekehrt, wie die Lasten. Es sey, Q, der neue Mittelpunct der Schwere bei der schiefen
Verdraͤngung, und, m, jener des Schiffes. Man
verbinde, Q und in, und verlaͤngere, Qm, bis in die Ebene der Masten. Da nun das Schiff
im Stande der Ruhe ist, ist, QM, senkrecht auf,
AB.
Man ziehe, GZ und ET, parallel mit, AB, und, GR, senkrecht auf dieselben. Es sey ferner, V, das ganze verdraͤngte Volumen des Schiffes in
Kubikfuß See-Wasser; A, das Volumen des durch die
Neigung eingesenkten Theiles nach demselben Maße; x =
EG der unbekannten Entfernung des Punctes, G, von, E; VV, die Last der Kanonen in Kubikfuß See-Wasser;
d = MN; Δ =
dem Neigungs-Winkel; b, die Uebertragung des
eingetauchten Theiles: so wird Gm = Wd/V, und
Textabbildung Bd. 19, S. 249
GZ ist ferner = ET – ER =
bA/V – x. sin. Δ
Folglich:
Textabbildung Bd. 19, S. 249
Den Werth von, b, A und V,
findet man in Atwood's Stability.Die Theorie der Staͤndigkeit, welche im Auffinden des Abstandes der
senkrechten Central-Linie der Schwebung auf dem Wasser von dem Mittelpuncte
der Schwere des Schiffes besteht, hat Hr. Atwood
in einer Untersuchung dieses Gegenstandes in den Phil.
Tranf. 1798. II. auf alle Formen der Schiffe angewendet. Es handelt
sich hier um, RT = gZ, zu finden.A. d. O.
Um den Mittelpunct der Schwere des Schiffes aus der Starke der Segel oder irgend
einer gegebenen Kraft, deren Wirkungs-Punct auf die Ebene der Masten gegeben ist,
oder umgekehrt, aus dem Mittelpuncte der Schwere des Schiffes die Neigungs-Kraft der
Segel unter einer bestimmten Neigung zu finden, sey, P,
die Kraft in Kubikfuß See-Wasser, welche das Schiff um eine bekannte Tiefe von dem
Mittelpuncte der Schwere der Verdraͤngung, = a,
neigen; ∆, der Neigungs-Winkel des Schiffes; G,
Fig. 2.,
der Mittelpunct der Schwere des Schiffes; E, jener der
Verdraͤngung; Q, der neue Mittelpunct der Schwere
der Verdraͤngung; und, unter obiger Bedeutung, sey, GP = a – x,
RT oder GZ = bA/V – xs. Man ziehe dann, GR, senkrecht auf, AB und PR damit parallel. Man vergleiche
uͤber diesen Ausdruk der Staͤndigkeit Atwood a. a. D.
Da nun die Kraft, die das Schiff neigt, gleich ist der Schwebung der
Staͤndigkeit, wenn das Schiff in Ruhe ist, so ist
Textabbildung Bd. 19, S. 249
Textabbildung Bd. 19, S. 250
Obige Skizze einer Analyse der Schiffe der Flotte, in Hinsicht auf Ableitung einer
Reihe von Erfahrungen, die als Fuͤhrerinn bei dem Baue der Schiffe derselben
dienen koͤnnte, enthaͤlt alle Haupt-Elemente des Bestandes eines
Schiffes. Es ist kein neuer Calcul hier eingefuͤhrt, außer Dr. Inman's Berechnung zur Bestimmung der noͤthigen
Form zwischen Wind und Wasser, um Querbewegung bei den Rollen hervorzubringen, und
dem Versuche zum Auffinden des Mittelpunctes der Schwere des Schiffes und seines
Inhaltes. Man nahm darauf Ruͤksicht, die Vergleichungen soviel
moͤglich, vielmehr nach einem allgemeinen und umfassenden Maßstabe, als nach
kleinlichem Detaile einzelner Umstaͤnde, die nicht wesentlich auf die
Guͤte des Schiffes Einfluß haben, und die Rechnung nur außerordentlich
weitlaͤuftig machen wuͤrden, anzustellen. Wann die Wissenschaft der
Schiffbaukunst in unserem Lande einst weiter vorgeruͤkt seyn wird, und die
Hauptgraͤnzen mehr allgemein bekannt seyn werden, dann kann auch eine in
allen ihren Theilen feinere Analyse angewendet werden, um jene Gegenstaͤnde
zu vergleichen, welche ein besonderes Interesse darbiethen.
Die Art, nach welcher hier die Induction physischer Grundsaͤze zur Bestimmung
der Grundprincipe der Schiffballkunst angewendet wurde, ist, ihrer großen
Kuͤrze wegen, unvollkommner, als der Gegenstand kaum zu gestatten scheint.
Wir werden in einem kuͤnftigen Aufsaze einige Versuche uͤber Schiffe
mittheilen, durch welche man die relative Geschwindigkeit des Schiffes und des
Windes und den Mittelpunct des mittleren Widerstandes zu bestimmen bemuͤht
war.
Unsere Flotte in England besteht aus 500 Kriegsschiffen, von welchen 120
Linien-Schiffe sind. Von diesen sind ungefaͤhr zwei Drittel „in
gutem Stande fuͤr den Seedienst.“ Man darf nicht vergessen,
daß nur sechs verschiedene Range unter denselben Statt haben, die,
groͤßtentheils, dieselben Maste, Tauwerke, Kanonen, Mundvorrath etc.
fuͤhren; und das, in einigen Faͤllen, 30 bis 40 Schiffe nach derselben
Tauchung gebaut sind. Die Verschiedenheiten sind daher nicht so groß, als man glaubt. Man kann sich
hier der Interpolationen bedienen, die hinlaͤnglich genaue Resultate liefern
werden.
Die Liberalitaͤt, mit welcher die Admiralitaͤt das Institut behandelt,
zu welchem ich zu gehoͤren die Ehre habe (Chatham-Yard), macht es uns zur Pflicht, den Zwek der Lords derselben,
Vervollkommnung unserer Flotte, auf alle moͤgliche Weise zu foͤrdern.
Ich wuͤrde mich sehr gluͤklich schaͤzen, wenn obige
Untersuchung denselben auch nur einigermaßen erreichte.