Titel: | Ueber die Befruchtung der Blüthen der Birnbäume. Von dem hochw. Hrn. Georg Swaine, corresp. Mitgliede der Gesellschaft. |
Fundstelle: | Band 19, Jahrgang 1826, Nr. LXXVI., S. 307 |
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LXXVI.
Ueber die Befruchtung der Bluͤthen der
Birnbaͤume. Von dem hochw. Hrn. Georg Swaine, corresp. Mitgliede der
Gesellschaft.
Aus den Transactions der London Horticultural
Society.
Swaine, uͤber die Befruchtung der Bluͤthen der
Birnbaͤume.
Gartenfreunde haben sowohl im Norden, als im Suͤden von
England schon lange uͤber die beinahe allgemeine Unfruchtbarkeit der besseren
Sorten von Birnbaͤumen geklagt. Unter den ersten Preisen, welche die Caledonian Horticultural Society ausgeschrieben hat, war
einer „fuͤr Mittheilung der besten Mittel vollgewachsene
Obstbaͤume, vorzuͤglich von den feinsten Sorten der
franzoͤsischen Birnen, die (wie man sagt), scheinbar in sehr gesundem und
uͤppigen Zustande doch in einer beinahe gaͤnzlichen
Unfruchtbarkeit sich befinden, tragbar zu machen;“ und der
Praͤsident der London Horticultural Society
bemerkt in seinem Aufsaze uͤber die Cultur des Birnbaumes, „daß der
Birnbaum die Geduld feiner Pflanzer laͤnger, als irgend ein anderer
gepfropfter Baum in unseren Gaͤrten, auf die Probe stellt, ehe er
Fruͤchte traͤgt, und daß er, obschon er in der Folge sehr alt
wird, wenn man ihn an der Wand zieht, in wenigen Jahren aufhoͤrt,
Fruͤchte zu tragen.“ Ich habe, meiner Seits, nicht nothwendig
mich auf das Zeugniß anderer in Hinsicht dieser traurigen Erscheinung zu berufen,
indem ich selbst ein auffallendes Beispiel dieser ungluͤkseligen Anlage an
einem Individuum der Gattung Pyrus besize, welches seit langer Zeit alle weine
Bemuͤhungen, seiner Unfruchtbarkeit abzuhelfen, vereitelte; es ist eine Gansell's Bergamotte, die seit 20 und mehreren Jahren in
ihrer gegenwaͤrtigen Lage gegen eine Wand zum Theile gegen Suͤdwest,
zum Theile gegen Suͤdost gekehrt steht.
Dieser Baum sieht sehr gesund und selbst hinlaͤnglich uͤppig aus, und
war seit mehreren Jahren bestaͤndig zu gehoͤriger Zeit mit einer Menge Blumen bedekt, hat
aber bisher niemahls mehr als drei bis vier Birnen des Jahres, und oͤfters
gar keine, getragen. Vor dem Jahre 1820, wo ich mich viel mit kuͤnstlicher
Befruchtung mehrerer Arten von Fruͤchten beschaͤftigte, habe ich nie
bemerkt, daß von den 9 bis 15 Blumen, aus welchen der Doldenstrauß der
Birnbluͤthen besteht, nur die drei unteren Blumen, wie man sagt, ansezen,
oder eigentlich gesprochen, wirklich befruchtet werden. Ich erinnerte mich hier des
Verfahrens der besten Gaͤrtner, die Fruͤhbohnen am Gipfel abzukniken,
d.h. mit dem Vorfinger und dem Daumen die obersten Blumen, die theils kaum
entwikelt, theils noch im Embryo an der Traube sich befinden, abzubrechen, damit die
untersten und fruͤhesten ansezen, die sonst in den meisten Faͤllen
abortiren wuͤrden; ich dachte, daß, wenn ich die obersten und im Mittelpuncte
des Doldenstraußes der Birne befindlichen Blumen, sobald moͤglich, entfernen
wuͤrde, dieß aͤhnliche gute Wirkung in Verstaͤrkung der
uͤbrigen erzeugen muͤßte, und daß diese desto sicherer ansezen
wuͤrden. In dieser Hinsicht brachte ich im Fruͤhjahre 1821, sobald die
drei unteren Blumen des Doldenstraußes ihre weißen
Blumenblaͤtter zu zeigen anfingen, meine spizigen Scheren an zwei
Birnenbaͤumen in Thaͤtigkeit, wovon der eine obige Gansell's Bergamotte, der andere die braune Butterbirne
(brown Beurré), war: und sobald ich ein Paar
Duzende der Bluͤthenstraͤuße gehoͤrig ausgeschnitten
haͤtte, nahm ich auch beiden Baͤumen wenigstens 3/4 ihrer ganzen
Knospen-Zierde weg. An dem Beurré schien
diese Operation in der Folge die beste Wirkung zu haben; denn es war kaum eine der
drei uͤbrig gebliebenen Blumen zuruͤk, die nicht angesezt, und
spaͤter die schoͤnsten Fruͤchte gebracht haͤtte, die ich
noch von diesem Baume abgenommen habe. Was aber die eigensinnige Gansell betraf, so
kam, obschon die Blumen anfangs anzusezen schienen, und mehrere derselben nicht vor
der Mitte des Sommers abfielen, wo sie beinahe so groß, wie Stachelbeeren waren,
auch nicht eine einzige zur Reife. Ich schnitt mehrere der groͤßten, die am
spaͤtesten abgefallen sind, auf, und verglich sie mit den Fruͤchten
des Beurré von demselben Alter und von derselben
Groͤße, und fand, daß die Kerne der ersteren nicht gehoͤrig befruchtet
waren. Dieser Umstand brachte mich auf die Idee, daß einige Unvollkommenheiten an
den wesentlichen Theilen der Blumen hier Statt haben muͤßten.
Als ich im folgenden Fruͤhjahre 1822 die Blumen dieses Baumes untersuchte, der
fruͤher als irgend ein anderer Birnbaum bluͤht, so bemerkte ich, daß
sie laͤnger, als die Blumen irgend einer anderen Birnen-Sorte, die ich zu
beobachten Gelegenheit haͤtte, geschlossen blieben. Ich vermuthete, daß die
Narbe ehe zur Befruchtung reif war, als die Staubbeutel, und selbst ehe die
Blumenblaͤtter sich entfalteten, und da der Griffel so außerordentlich
duͤnn und zart war, daß es mir auffiel, vermuthete ich, daß er bereits
aufhoͤrte, in dem gehoͤrigen Zustande zu seyn, sobald er der Sonne und
der Luft ausgesezt ward; ich schloß daher, daß es vielleicht moͤglich seyn
moͤchte, eine Frucht zu erhalten, wenn man die Blumen ihrer
Blumenblaͤtter beraubte, ehe diese sich entfalten, und zu jeder Blume in
einer Huͤlle von Papier (wie bei der kuͤnstlichen Befruchtung) eine
reifere Blume, naͤmlich eine solche, deren Staubbeutel eben zu stauben
beginnen, einsperrte, und zwar entweder von der eigenen Sorte, oder, was noch besser
waͤre, von einer anderen. Ich fing daher diese Operation auch am 27.
Maͤrz 1822 an, und haͤtte in einem Tage auf die eben erwaͤhnte
Weise 27 Blumen aufgebunden. Zu zehn dieser Blumen sperrte ich Blumen des Beurré (mehr koͤnnte ich von dieser Sorte
nicht finden, da sie etwas spaͤter bluͤht, als die Gansell); vierzehn
andere zugesellte Blumen, um zwei Duzende voll zu machen, waren von der Gansell; und
drei von der Pfundbirne. Von der lezteren, die sehr groß und rauh war, haͤtte
ich wenig Erwartung. Ich wollte diese Operation an noch mehreren Blumen vornehmen;
allem, da die Witterung kaͤlter ward, und ich mich eben nicht wohl befand, so
verschob ich die Arbeit, bis es damit zu spaͤt war. Die Papiere wurden erst
am 15ten April abgenommen, an welchem Tage die Witterung waͤrmer war, obschon
keine Sonne schien. Ich haͤtte, bis auf die drei unteren Blumen, wie im
vorigen Jahre, alle anderen Blumen in den Doldenstraͤußen weggeschnitten, und
von diesen dreien nur eine aufgebunden, und die zwei anderen gleichfalls
weggeschnitten. Diese Blumen waren an dem Baume nach verschiedenen Seiten
hingekehrt: die einen gegen Norden, die anderen gegen Suͤden. Von den 10
Blumen, die ich mit Beurré zusammengesellte,
sezten acht an, und zwei davon fielen, wie ich vermuthe, zufaͤllig ab, die
anderen gehen ihrer Reife entgegen. Von den 14, welchen ich Blumen ihrer eigenen
Sorte zugesellt haͤtte, ist jezt nur eine einzige uͤbrig; die drei,
die mit der Pfundbirne
zusammengesperrt waren, fielen alle ab. Die einzige Birne an dem Baume, mit welcher
keine Operation vorgenommen wurde, und die natuͤrlich sich ansezte, entstand
in einem Doldenstrauße von Blumen an dem Ende eines horizontalen
Leitschoͤßlinges des vorigen Jahres, der erst zum Vorscheine kam, nachdem die
uͤbrigen bereits abgefallen waren. Dieser Umstand beweiset nebenher, daß die
Fruchtknospen der Birnen nicht alle durchaus drei Jahre zu ihrer Vollendung
brauchen, indem jene Knospe, welche von Natur aus die fruchtbarste am Baume war, am
fruͤhsten nicht vor der Mitte des lezten Sommers sichtbar geworden seyn
koͤnnte. Da die Birnen jezt zwischen 5 1/2 und 7 1/2 Zoll im Umfange halten,
so haͤtte ich sie fuͤr frei von aller weiteren Gefahr außer jener der
aͤußeren Gewalt. Drei sind in einer Linie innerhalb eines Raumes von 12 Zoll
in der Nahe des Mittelpunctes des Baumes, und eine befindet sich an einem Aste, den
ich, zur Zeit der Operation, fuͤr verloren gab, weil er am meisten ausgesezt
stand.
Ob das Resultat obiger Versuche die Erwartung begruͤnden kann, daß
kuͤnstliche Huͤlfe bei der Befruchtung der Blumen der
Obstbaͤume in dem gegenwaͤrtigen Falle fuͤr die Gaͤrtner
kuͤnftig eben so wichtig seyn wird, als diese es anerkannt bei den Gurken,
Melonen, Fruͤhbohnen, den Hautbois Erdbeeren etc. bereits geworden ist, muß
die Zukunft entscheiden.
Der Secretaͤr der Gesellschaft bemerkt, daß Hr. Swaine der Gesellschaft am 1. October zu ihrer Versammlung einige der
oberwaͤhnten Birnen sandte; sie waren ungewoͤhnlich groß und sehr
huͤbsch. Die Verbastardirung hat dem Aussehen der Frucht nichts benommen;
auch koͤnnte man an dem Geschmake keinen Unterschied bemerken.