Titel: | Königl. bayer'sche Gesezgebung über Gewerbs-Privilegien. |
Fundstelle: | Band 19, Jahrgang 1826, Nr. CI., S. 405 |
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CI.
Koͤnigl. bayer'sche Gesezgebung
uͤber Gewerbs-Privilegien.
(Aus dem k. Regierungsblatte N. 4. 1826. Im
Auszuge.)Die vollstaͤndige Verordnung uͤber den Vollzug der gesezlichen
Grundbestimmungen fuͤr das Gewerbswesen in den sieben aͤltern
Kreisen des Koͤnigreiches, ist aus dem Koͤnigl. Regierungsblatte
besonders abgedrukt bei J. C. Wirth, Buchdruker in
Augsburg, um 15 Kreuzer zu haben. Auswaͤrtige Handwerker,
Kuͤnstler und Fabrikanten, welche sich in Bayern niederzulassen gedenken,
finden in diesen Grundbestimmungen alle Bedingungen die zur Erreichung der
Ansaͤssigmachung erforderlich sind. D.
Koͤnigl. bayer'sche Gesezgebung uͤber
Gewerbs-Privilegien.
Erster Titel. Von den Bedingungen
zur Erlangung eines Gewerbs-Privilegiums.
§. 48. Jeder, welcher eine neue Entdekung, Erfindung, oder Verbesserung im
Gebiete der Gewerbe selbst gemacht hat, und Jeder, welcher einen im Auslande
bekannten, aber im Koͤnigreiche noch nicht in Ausuͤbung gebrachten
Fabrikationszweig, oder ein verbessertes industrielles Verfahren zuerst
einfuͤhrt, erhaͤlt, wenn er den nachgesezten Erfordernissen
Genuͤge leistet, ein Gewerbs-Privilegium:
1) Der Bewerber um ein Privilegium hat sich mit seinem Gesuche mittel- oder
unmittelbar an das Staatsminisierium des Innern zu wenden, in der Bittschrift seine
Entdekung, Erfindung oder Verbesserung zwar nur ihrem wesentlichen Bestande nach, jedoch bestimmt und klar anzuzeigen, zugleich
aber damit eine in deutscher Sprache verfaßte oder doch mit einer Uebersezung in
diese Sprache begleitete in allen Beziehungen erschoͤpfende und in dem Maaße
genaue Beschreibung verschlossen einzureichen, daß jeder
Sachverstaͤndige mit den darin angegebenen Mitteln und in der beschriebenen
Weise das Resultat der Erfindung zu bewirken, oder den Gegenstand darnach zu
verfertigen im Stande sey. Bei Gesuchen um ein Privilegium auf die erste Einfuͤhrung eines noch nicht in
Ausuͤbung stehenden Fabrikationszweiges, oder eines verbesserten Verfahrens
muͤssen insbesondere die Merkmale desjenigen, was neu ist, oder worin die
Verbesserung sich von der Haupt-Erfindung oder von dem schon bekannten Mechanismus,
Verfahren, oder in der
Wirkung unterscheidet, in der Beschreibung bestimmt ausgedruͤkt, und zur
Versinnlichung oder Vergleichung mit richtigen Zeichnungen, Modellen oder Mustern
nachgewiesen seyn.
Jede Mangelhaftigkeit der Beschreibung, die Verschweigung eines zum Gelingen des
Verfahrens wesentlich gehoͤrigen Umstandes, die Angabe von anderen nicht den
gleichen Erfolg hervorbringenden Mitteln, Undeutlichkeit der Kennzeichen der Neuheit
oder des Unterschiedes der Verbesserung hat die Wiedereinziehung des bereits ertheilten Privilegiums zur Folge.
2) Die mit der Vorstellung zu uͤbergebende verschlossene Beschreibung muß auf
dem aͤußern Umschlage enthalten:
a) den deutlich geschriebenen Vor- und
Zunamen, den Stand-, Wohn- oder Aufenthaltsort des Bewerbers,
b) die charakteristische Bezeichnung der
Entdekung, Erfindung, oder Verbesserung ihrem wesentlichen Bestande nach,
und
c) die Anzahl der Jahre, fuͤr
welche das Privilegium nachgesucht wird.
Das Praͤsentatum, welches auf den Umschlag der
verschlossenen Beschreibung mit genauer Angabe des Tages
und der Stunde der Einreichung zu sezen, und
woruͤber dem Bewerber unverzuͤglich eine
mit der Zeit der Praͤsentation und mit der Bezeichnung und Erfindung auf dem
Umschlage etc. woͤrtlich uͤbereinstimmende amtliche Bescheinigung
auszustellen ist, sichert demselben den Anspruch auf Prioritaͤt seiner Entdekung, Erfindung, Verbesserung oder
Einfuͤhrung.
Vorlaͤufige Anzeigen einer Entdekung, Erfindung,
oder Verbesserung, ohne die Beschreibung selbst, auch bei
dem Vorbehalte, dieselbe nachtragen zu wollen, werden nicht beruͤksichtiget;
die in der aͤußern Bezeichnung mangelhaft
erscheinenden Beschreibungen aber sollen, nach Beisezung des
Praͤsentatums, zur Verbesserung zuruͤkgegeben werden.
§. 49. Keine untere Behoͤrde, bei welcher Privilegien-Gesuche und
Beschreibungen uͤbergeben werden, hat sich mit einer Eroͤrterung
uͤber die Person oder die Sache zu befassen, sondern die Beschreibung ohne
Verzug und uneroͤffnet an das Ministerium des
Innern weiter zu befoͤrdern. Die Behoͤrden und Stellen sind
fuͤr jede Versaͤumniß oder Verlezung der Siegel durch die.
Amtsuntergebenen verantwortlich.
Eine vorlaͤufige Eroͤffnung und Untersuchung der Entdekung, Erfindung oder Verbesserung
findet nur bei Gegenstaͤnden, die in das Sanitaͤtsfach einschlagen,
statt, und kann nur von dem Ministerium des Innern verfuͤgt werden; alle
uͤbrigen einkommenden Beschreibungen werden bei demselben verschlossen aufbewahrt.
Zweiter Titel. Von den mit den Gewerbs-Privilegien
verbundenen Vortheilen und Befugnissen.
§. 50. Das Privilegium schuͤzt den Inhaber in dem ausschließenden
Gebrauche und in der Benutzung seiner Entdekung, Erfindung oder Verbesserung, so wie sie in der eingelegten Beschreibung dargestellt
ist, fuͤr die Anzahl von Jahren, auf welche das Privilegium
lautet.
§. 51. Der Privilegiums-Inhaber ist befugt, alle zur vollstaͤndigen
Ausuͤbung oder Hervorbringung des Gegenstandes seines Privilegiums
erforderlichen Anlagen und Werkstaͤtten in jeder beliebigen Ausdehnung, unter
Beobachtung der allgemeinen polizeilichen Vorschriften zu errichten, jede Art von
Huͤlfsarbeitern in denselben aufzunehmen, sich Teilnehmer beizugesellen, zum
Absaze seines privilegirten Erzeugnisses allenthalben Niederlagen zu errichten, auch
uͤber sein Geheimniß und Privilegium zu verfuͤgen, und dasselbe unter
allen guͤltigen Rechtsformen an Andere zu uͤberlassen. – Jede
solche Veraͤnderung in der Person des Privilegiums-Inhabers muß jedoch von
dem neuen Erwerber mit Vorlage des Nachweises
uͤber die rechtmaͤßige Erwerbung unter dem Nachtheile des
Erloͤschens, der hoͤhern Kreisstelle, und durch diese dem Ministerium
des Innern angezeigt werden.
§. 52. Das Privilegium auf die Verbesserung einer bereits privilegirten
Entdekung oder Erfindung beschraͤnkt sich jedesmal auf den besondern
Gegenstand derselben, nach den in der Beschreibung angegebenen
Unterscheidungsmerkmalen, und gibt dem Privilegiumsbewerber auf die uͤbrigen
Theile der bereits privilegirten Erfindung, oder auf eine schon bekannte
Verfahrungsart kein Recht; dagegen darf der privilegirte Haupt-Erfinder eben so
wenig die von einem Anderen entdekte Verbesserung benuzen, wenn er sich nicht mit
dem neuen Privilegiums-Inhaber daruͤber einversteht.
§. 53. Die Nachahmung und jeder Verkauf eines privilegirten Gegenstandes ohne
Einwilligung des Privilegiums-Inhabers ist als Eingriff in die bevorzugte Befugniß desselben
verboten und berechtigt ihn, die polizeiliche Einschreitung gegen den unbefugten
Verfertiger zur ungesaͤumten Einstellung der fernem Nachahmung und zur
einstweiligen Beschlagnahme der nachgemachten Gegenstaͤnde, dieselben
moͤgen sich bei dem Verfertiger selbst oder bei einem Dritten zum Verkaufe
vorfinden, oder vom Auslande eingefuͤhrt seyn, unter den im Geseze
angedrohten Strafen zu verlangen.
Dritter Titel. Von dem Anfange, der Dauer und dem
Erloͤschen der Privilegien, dann von der Privilegien-Taxe.
§. 54. Die durch das Gesez auf 15 Jahre festgesezte hoͤchste Dauer der
ausschließenden Wirkung ist vom Tage der Ausfertigung des Privilegiums zu berechnen.
Die Wirksamkeit desselben in Beziehung auf die Straffaͤlligkeit der
unbefugten Nachahmung, oder des Verkaufes des privilegirten Gegenstandes kann jedoch
erst vom Tage der oͤffentlichen Kundmachung durch das Regierungsblatt beginnen.
§. 55. Die Wirkung des Privilegiums erlischt sowohl fuͤr den Erwerber,
als auch fuͤr jeden nachfolgenden Besizer desselben:
1) Wenn sich bei der Ausuͤbung des Privilegiums zeigen
wuͤrde, daß die zur Hervorbringung des Gegenstandes gebrauchten Mittel,
die Verfahrungsweise, oder das privilegirte Product selbst gegen
sanitaͤtspolizeiliche Ruͤksichten oder gegen das Staats-Interesse
streiten, oder fuͤr die gemeine Wohlfahrt gefaͤhrlich
seyen.
2) Wenn Jemand legal nachweist, daß
die privilegirte Entdekung, Erfindung oder Verbesserung entweder schon vor dem
Tage und der Stunde der amtlich ausgefertigten Bescheinigung von ihm entdekt,
erfunden oder nach einer schon bekannten Beschreibung verfertigt, und in einem
und dem andern Falle von ihm im Koͤnigreiche factisch in Ausuͤbung gebracht worden sey; oder wenn der
Inhaber eines in Kraft stehenden Privilegiums mit Beziehung auf die eingelegte
Beschreibung darthut, daß der spaͤter privilegirte Gegenstand mit seiner
eigenen fruͤher vorschriftsmaͤßig angezeigten und privilegirten
Entdekung, Erfindung oder Verbesserung identisch
sey.
3) Wenn sich ergibt, daß es der eingereichten Beschreibung der Entdekung,
Erfindung oder Verbesserung an den in §. 48. Nr. 1. zur
Guͤltigkeit des Privilegiums vorgeschriebenen wesentlichen Erfordernissen
mangle.
4) Wenn der Privilegiums-Inhaber die bei Ertheilung des
Privilegiums etwa sonst noch gesezten besondern Bedingungen nicht
erfuͤllt, oder die zweite Haͤlfte der Privilegien-Taxe nicht
rechtzeitig entrichtet, und wenn in Besiz-Veraͤnderungsfaͤllen die
§. 51. vorgeschriebene Anzeige von dem neuen Erwerber unterlassen
wird.
§. 56. Um den Bewerbern die versuchsweise Ausuͤbung ihrer Entdekungen,
Erfindungen oder Verbesserungen zu erleichtern, kann ein Privilegium auch auf kuͤrzere, als die im Geseze bestimmte
hoͤchste Dauer ertheilt, und vor Ablauf der ersten Bewilligung eine
Verlaͤngerung der Ausschließungszeit bis zu 15 Jahren erlangt werden.
Wird die Verlaͤngerung nicht rechtzeitig nachgesucht, so erlischt in diesem
Falle das Privilegium schon mit dem Ablaufe der urspruͤnglich ertheilten
Ausschließungszeit.
§. 57. Wer ein Privilegium erhaͤlt, hat an der dafuͤr in jedem
einzelnen Falle regulirten Taxe, so ferne er nicht vorzieht den ganzen Betrag
sogleich und auf einmal zu berichtigen, die Haͤlfte bei der
Aushaͤndigung der Privilegiums Urkunde, die andere Haͤlfte aber binnen
drei Monaten nach Ablauf der halben Zeit, fuͤr welche das Privilegium
bewilliget ist, unter dem auf die Unterlassung gesezten Nachtheile (§. 55.
Nr. 4.) zu bezahlen.
Wenn ein Privilegium vor dem Ablaufe der Bewilligungszeit wieder eingezogen wird,
findet eine Zuruͤkverguͤtung der bezahlten Taxe nicht statt, es sey
dann, daß die Zuruͤknahme aus oͤffentlichen Ruͤksichten
(§. 55. Nr. 1.) erfolgte.
Die eingehenden Taxen sind von den Kreis-Regierungen vierteljaͤhrig mit einem
Verzeichnisse der Privilegien, fuͤr welche die Taxe geleistet wurde, an das
Ministerium des Innern einzusenden, welches daruͤber nach gesezlicher
Vorschrift verfuͤgen, und die Verwendung durch das Regierungs-Blatt bekannt
machen wird.
Vierter Titel. Von der Einregistrirung der Privilegien,
und der Bekanntmachung der Erfindungen.
§. 58. Damit diejenigen, welche ein Privilegium nachsuchen wollen, in den
Stand gesezt seyen, von den bereits privilegirten Entdekungen, Erfindungen,
Verbesserungen und Einfuͤhrungen Kenntniß zu erhalten, wird ein Register
angelegt und vollstaͤndig fortgefuͤhrt werden, in welches alle
verliehenen Privilegien mit Angabe der Personen, ihres Wohn- oder Aufenthaltsortes,
des Tages und der Stunde der Praͤsentation der Beschreibungen, des Datums der
Ausfertigung, des Gegenstandes des Privilegiums und der Dauer der Ausschließungszeit
einzutragen, und die Veraͤnderungen im Besize, so wie die vor Ablauf der Zeit
eintretenden Erloͤschungen vorzumerken sind.
§. 59. Auszuͤge aus diesem Register sollen von Zeit zu Zeit in die
gelesensten Zeitungen, Gewerbs-Journale und in die Kreis-Intelligenzblaͤtter
eingeruͤkt werden. Das Ministerium des Innern wird dafuͤr Sorge
tragen, daß den einkommenden Beschreibungen der privilegirten Entdekungen,
Erfindungen und Verbesserungen selbst nach Verlauf der ersten
drei Jahre vom Tage der Bekanntmachung des verliehenen Privilegiums an
gerechnet, die ausgedehnteste Publicitaͤt verschaft, und dadurch der
beabsichtigte Zwek: Anregung des Erfindungsgeistes und
Belebung der Industrie, moͤglichst befoͤrdert werde.
Der Termin zur Bekanntmachung der Entdekungen, Erfindungen und Verbesserungen kann,
da den Inhaber das Privilegium gegen unbefugte Nachahmung und Eingriffe in seine
Zustaͤndigkeit hinlaͤnglich schuͤzt, nur in außerordentlichen
Faͤllen, und wenn der Privilegiums-Inhaber wichtige Gruͤnde
fuͤr die laͤngere Geheimhaltung derselben zu erweisen vermag, von dem
Ministerium des Innern verlaͤngert werden.
§. 60. Die dermaligen Inhaber von Privilegien koͤnnen in alle nach
gegenwaͤrtigen Bestimmungen mit den neuen Privilegien verbundene Befugnisse
eintreten, wenn sie die. 48. vorgezeichnete Beschreibung ihrer privilegirten
Erfindungen oder Verfahrensweise, so ferne es von ihnen noch nicht geschehen ist,
binnen sechs Monaten nachtraͤglich an das Ministerium des Innern
einsenden.
Im Uebrigen sollen sie in der Ausuͤbung ihrer Privilegien in der Art und unter
den Bedingungen, wie sie ertheilt sind, ungestoͤrt verbleiben.