Titel: | Ueber die Vortheile des Dampfes mit hohem Druke. Von Hrn. Joh. Prideaux, zu Plymouth. |
Fundstelle: | Band 19, Jahrgang 1826, Nr. CXIII., S. 513 |
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CXIII.
Ueber die Vortheile des Dampfes mit hohem Druke.
Von Hrn. Joh.
Prideaux, zu Plymouth.
Aus den Annals of Philosophy. Decbr. 1825. S.
432.
Prideaux, uͤber die Vortheile des Dampfes mit hohem
Druke.
„Wenn die folgenden Bemerkungen bereits irgendwo gemacht
wurden“ (sagt Hr. Prideaux in seinem
Schreiben an die Herausgeber der Annals), „so
koͤnnen Sie dieses Schreiben vernichten. Da ich aber in Ihrem IV. Bande
den Versuch eines Beweises (und diesen noch neulich von angesehenen praktischen
Mechanikern wiederholt), fand: daß Dampf mit hohem Druke
bei Dampfmaschinen angewendet, keinen unmittelbaren Vortheil
gewaͤhrt, indem die Kraft des Dampfes sich wie die Dichtigkeit
desselben verhaͤlt, und die Waͤrme desselben bei allen
Dichtigkeiten eine bestaͤndige Groͤße ist, so daß also
die Kraft hier genau im Verhaͤltnisse mit dem
angewendeten Feuer-Materiale stuͤnde; so scheint es mir der Muͤhe
werth, ein Paar Seiten Ihres Journales mit einer, wie es mir scheint,
richtigeren Ansicht uͤber diesen Gegenstand zu fuͤllen.
Es ist durch eine hinlaͤngliche Anzahl von Versuchen erwiesen:
1) daß der Warmestoff des Dampfes, in Beruͤhrung mit
Wasser, bei allen Temperaturen eine bestaͤndige Groͤße
ist.
2) Daß jede elastische Fluͤßigkeit, bei einer
gegebenen Dichtigkeit, ihre Expansivkraft im Verhaͤltnisse zu
ihrer Temperatur stehen hat, und daß diese Kraft fuͤr jeden
hoͤheren Grad Fahrenheit um 1/480 zunimmt.
3) Daß die Expansivkraft jeder elastischen Fluͤßigkeit, bei einer gegebenen Temperatur, sich gerade wie die
Dichtigkeit dieser Fluͤßigkeit verhaͤlt.
Aus diesen Voraussezungen folgt, daß die Kraft des Dampfes sich gerade
verhaͤlt, wie die Dichtigkeit desselben multiplicirt mit 481/480
fuͤr jeden Grad der erhoͤhten Temperatur, indem der
Waͤrmestoff mit der Dichtigkeit allein correspondirt.
Z.B. Dampf hat bei 212° F. eine elastische Kraft = 30 Zoll Queksilber; und
bei 300° = 140 Zoll beinahe, und mit Vernachlaͤßigung der
Bruͤche.
Nach dem zweiten Geseze wird Dampf von einer Dichtigkeit, die von 212°
abhaͤngt, wenn diese Temperatur um 88° steigt, in zunehmend
geometrischem Verhaͤltnisse von 481/480 auf jeden Grad, ungefaͤhr
5,6 Zoll gewinnen, oder bei 300° eine Kraft = 35,6 Zoll Queksilber
besizen.
Und, nach dem dritten Geseze, wird die Dichtigkeit,
welche von 300° abhaͤngt, sich wie 35,6 Zoll zu der gefundenen
Kraft, = 140 Zoll, verhalten; oder um ungefaͤhr 3,9 Mahl groͤßer
seyn, als bei 212°.
Nun ist aber der Waͤrmestoff, als bestaͤndige Groͤße, in
einfachem Verhaͤltnisse zu dieser Dichtigkeit, und das verbrauchte
Brennmaterial muß als correspondirend mit dem Waͤrmestoffe angenommen
werden.
Folglich gibt 30 Zoll × 39 = 117 Zoll, oder der Kraft, die von der Dichtigkeit bei 300° abhaͤngt,
abgezogen von 140 Zoll, oder der durch Versuch gefundenen Kraft, 23 Zoll als
Gewinn, wenn man bei 300° arbeitet.
Wenn dieses Beispiel richtig ist, wird das Gewicht des angewendeten Dampfes,
dessen Waͤrmestoff eine staͤtige Groͤße ist, das Maß des
verbrauchten Brennmaterials seyn, und es ergibt sich ein unmittelbarer Gewinn in
dem Verhaͤltnisse von 481/480 fuͤr jeden hoͤheren Grad
Fahrenheit, wie oben angegeben wurde.
Es ist, aus der Natur einer geometrischen Progression, einleuchtend, daß dieser
Gewinn steigen muß, so wie die Temperatur mehr erhoͤht wird. Wenn wir bei
600° arbeiten, wird die Kraft eines jeden Pfundes Dampfes doppelt so groß seyn, als bei 212°; und wenn
wir bis auf 960 oder 980° steigen, wird sie vierfach so groß seyn;
waͤhrend der Waͤrmestoff, und folglich das Brennmaterial, dieselbe
bestaͤndige Groͤße bleibt.
Dieß laͤßt sich leicht aus den Rechnungen der in Betrieb stehenden
Dampfmaschinen erweisen; allein die Wirkungen haͤngen in diesen
Faͤllen von so vielerlei Ursachen ab, daß man keinen
gleichfoͤrmigen Schluß aus denselben ableiten kann. Koͤnnten Sie
mich auf Watts Versuche uͤber die Dichtigkeit des Dampfes verweisen?
Wenn man den in dem Daͤmpfe enthaltenen Waͤrmestoff als Maßstab des
verbrauchten Brennmateriales annimmt, so kann dieß nicht mit aller Schaͤrfe geschehen;
die Ausstrahlung der Hize wird nothwendig mit der Temperatur zunehmen; allein,
es scheint mir, daß diese durch die verminderte Oberflaͤche der
Gefaͤße mehr als ersezt wird, und daß, bei dem schnellen Gange, einer
Dampfmaschine, dieß kaum einen bemerkenswerthen Unterschied geben kann.
Ein Nebenvortheil von nicht geringerer Wichtigkeit, den Mechaniker sehr gut
kennen, und der auch dem Scharfsinne Watt's nicht
entging, wird dadurch erhalten, daß man Dampf von hohem Druke in den Cylinder
laͤßt. Hr. Watt hat eine Formel zur Berechnung
des Vortheiles bei diesem Verfahren mitgetheilt; einen weit anschaulicheren
Beweis verdanke ich aber einer Unterredung mit Hrn. Perkins.
Textabbildung Bd. 19, S. 515
Man seze, daß bei einem Druke von 10 Pfd. auf den Zoll gearbeitet werden
soll.
Man erhoͤhe die Kraft des Dampfes bis zu 80 Pfd. auf den Zoll, und lasse
1/3 Stoß fuͤhren, und sperre dann, wann der Staͤmpel bei I ist,
die Verbindung.
Auf diese Weise erhaͤlt man 1/3 mit 80 Pfd.
Wenn der Dampf sich bis II ausgedehnt hat, ist das Volumen verdoppelt, und die
Kraft auf 40 Pfund reducirt (vorausgesezt, daß der Cylinder die Temperatur
bestaͤndig behaͤlt), indem das Mittel von I zu II 60 Pfund
ist.
Folglich haben wir 1/2 bei 60 Pfund.
Wenn der Staͤmpel IV erreicht, so ist das Volumen wieder verdoppelt, und
die Kraft auf 20 Pfund reducirt, da das Mittel von II zu IV 30 Pfund ist.
Dieß gibt einen Viertel-Stoß bei 30 Pfund.
Wenn VIII erreicht ist, so ist das Volumen wieder verdoppelt, und die Kraft ist
auf die Haͤlfte reducirt, und wird 10 Pfund auf den Zoll, wie man sezte.
Nun ist aber das Mittel von IV bis auf den Grund 15 Pfund.
Dieß gibt 1/2, Stoß mit 15 Pfund.
Addirt man diese Groͤßen zusammen, so erhaͤlt man
I
1/8
zu
80 tb.
=
10 tb.
I
bis
II
1/6
–
60 tb.
=
7,5
II
–
IV
1/4
–
30 tb.
=
7,5
IV
–
VIII
1/2
–
15 tb.
=
7,5
–––––
32,5 tb. auf den Zoll,
fuͤr den mittleren Stoß, welcher dem Flugrade bei jedem
Staͤmpelstoße mitgetheilt wird; und da der mit Dampf gefuͤllte
Cylinder nur eine Dichtigkeit von 10 Pfund auf den Zoll hat, so scheint die
dadurch gewonnene Kraft bei dem ersten Anblike ungeheuer.
Allein, dagegen kommt zu betrachten: die Unregelmaͤßigkeit der dem
Flugrade mitgetheilten Bewegung, und der dem Cylinder nach und nach ertheilten
Temperatur, nebst dem Gewichte und der Reibung der Maschine und anderen
Ruͤksichten, die zuviel theoretische Grundsize umfassen, als daß sie ohne
wiederholte unmittelbare Versuche in der Berechnung ein genuͤgendes
Resultat gewaͤhren koͤnnten.
Es ist indessen durch Theorie und Erfahrung bekannt genug, daß man durch Dampf
mit hohem Druke hohen Gewinn erreichen kann; die Graͤnze der Ersparung
scheint mir der Grad zu seyn, bei welchem das Wasser von den Gefaͤßen,
die ihn enthalten, zersezt wird.“