Titel: | Neue Methode, die Schnelligkeit des Wassers, welches in den Flüssen läuft, zu messen, oder, über das rheometrische Winkelmaß. Eine Abhandlung des Prof. Geminiano Poletti (enthalten im XIX. V. der Abhandlungen der italienischen Gesellschaft der Wissenschaften, [Atti della Società Italiana delle Scienze] Modena 1825.) |
Fundstelle: | Band 20, Jahrgang 1826, Nr. I., S. 1 |
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I.
Neue Methode, die Schnelligkeit des Wassers,
welches in den Flüssen läuft, zu messen, oder, über das rheometrische Winkelmaß. Eine
Abhandlung des Prof. Geminiano
Poletti (enthalten im XIX. V. der Abhandlungen der italienischen
Gesellschaft der Wissenschaften, [Atti della Società Italiana delle
Scienze] Modena 1825.)
Uebersezt von J. B. Fischer, C. M.
Aus Configliachi's und Brugnatelli's Giornale di Fisica. T. VIII. p.
438.
Mit Abbildungen auf Tab.
I. (Auszug.)
Poletti's, neue Methode, die Schnelligkeit des Wassers zu
messen.
Bisher hat man noch keine bestimmte Methode gefunden, die Hebung oder Senkung der
Oberflaͤche des Wassers eines Flusses zu bestimmen. Man glaube nicht, daß die
Regel des P. Castelli, daß der Zug eines Flusses in
verschiedenen Zustaͤnden mit den Quadraten der lebendigen Hoͤhen des
Wassers im Verhaͤltnisse stehe, hier etwas leiste; denn diese Regel
stuͤzt sich auf den Saz: daß diese Hoͤhen im Verhaͤltnisse mit
den Geschwindigkeiten wachsen, was die Erfahrung nicht bestaͤtigt. Eben so
laͤßt sich nicht mit sichererem Grunde, wie Bonati
S. italienische Gesellschaft der Wissenschaften Bd. I. bewieß, Guglielmini's Regel anwenden, daß der Zug
des Flusses in verschiedenen Zustaͤnden mit dem Cubus der Hoͤhen des
Wassers im Verhaͤltnisse stehe. Und obwohl Hr. Venturoli aus einer gewissen Formel abgeleitet hat, daß die eine dieser
Regeln dann dienen kann, wann die Bewegung des Stromes langsam genug ist, und die
andere, wann sie sehr reißendS. Elementi di Meccanica e Idraulica. V. II. p. 145, 146. Milano
1816. ist; so scheinen uns dieselben doch selbst in diesen einzelnen
Faͤllen mangelhaft. Denn diese Schluͤsse beruhen auf der Annahme, daß
der Widerstand, welchen das Wasser beim Laufe durch die Betten erleidet, durch die
Formel Prony's ausgedruͤkt sey; da aber diese nach
einigen Versuchen entworfen wurde, welche in Roͤhren und sehr kleinen Canaͤlen von Holz
angestellt wurden, so kann man sie nicht mit Sicherheit zu rheometrischen
Berechnungen anwenden. Nicht besser begruͤndet waͤre die Anwendung der
Formel Hrn. Eytelwein's, welche die Geschwindigkeit des
in Fluͤssen laufenden Wassers ausdruͤkt, weil sie empirisch ist, und
uns daher Zweifel uͤber ihre Guͤltigkeit in jedem Falle uͤbrig
laͤßt. Man sieht aus dem bisher Gesagten ein, daß, um zu bestimmen, wie hoch
sich die Oberflaͤche des Wassers eines Flusses erhebt, wenn auf denselben ein
neuer Zufluß einstroͤmt, oder um wie viel sie sich senke, wenn ein Theil
seines Wassers abgeleitet wird, und um noch viele andere Aufgaben der Rheometrie zu
loͤsen, es noͤthig ist, die Schnelligkeit des Stromes zu messen, indem
man mit irgend einem Instrumente Versuche hieruͤber anstellt. Da aber eine
solche Messung desto genauer ausfallen wird, je leichter der Gebrauch und je weniger
unvollkommen die Theorie des angewandten Instrumentes ist, und da ferner die Theorie
der bekannten und besten Instrumente dieser Art nicht ohne Ausnahme sind, wie wir
weiter unten beweisen werden; so halten wir es nicht fuͤr fruchtlos, zu
zeigen, worin das Wesentliche der oben genannten Abhandlung besteht, welche in vier
Capitel getheilt, und deren Hauptzwek die Beschreibung und die Theorie einer neuen
einfachen Maschine ist, mittelst welcher die Geschwindigkeit des Wassers in
Canaͤlen und Fluͤssen bestimmt werden soll.
Es war allerdings nothwendig, im ersten Capitel die Theorien der
vorzuͤglichsten hydrometrischen Instrumente einer Pruͤfung zu
unterwerfen, und wenn man hieruͤber richtig urtheilen wollte, so war es vor
allem noͤthig, die Haltbarkeit der Grundsaͤze zu beweisen, auf welchen
sie beruhen. Daher erinnerte man uns hier:
1) Daß die Kraft des Stoßes oder der Widerstand eines Stromes gegen unbewegliche
feste Koͤrper, bei einer und derselben Oberflaͤche, sich
verhaͤlt wie das Quadrat der Geschwindigkeit des Fluidums, wann der Stoß
gerade ist; und daß dieses Gesez durch die Erfahrung und die Newton'sche Theorie einleuchtend bewiesen ist.
2) Daß eben so der Widerstand gegen unbewegliche feste Koͤrper bei derselben
Oberflaͤche, im doppelten Verhaͤltnisse der Geschwindigkeit des
Stromes steht, daß es aber bis jezt ungewiß bleibt, ob man das doppelte oder das
einfache der Sinusse des Einfalles hierbei annehmen muͤsse.
3) Daß die Kraft des geraden Stoßes der Fluͤßigkeiten gegen bewegliche Hemmungen noch erst
bestimmt werden muß; denn Einige halten diese Kraft fuͤr proportional mit dem
Quadrate der Differenz, oder der Summe der Geschwindigkeiten, welche der
Fluͤßigkeit und dem festen Koͤrper zukommen, je nachdem sich dieser
leztere in der Richtung des Stromes oder in entgegengesezter Richtung bewegt; Einige
andere hingegen behaupten, es muͤsse besagte Kraft im Verhaͤltnisse
zur Differenz oder zur Summe der Quadrate jener Geschwindigkeiten berechnet werden.
Daraus geht klar hervor, daß das Gesez des unmittelbaren Stoßes gegen unbewegliche
Koͤrper allein als unumstoͤßlich betrachtet werden kann.
Die Theorie der Asta ritrometrica Bonati's, des zusammengesezten Schwimmers (galleggionte composto) des Brunnaci, des Rheometers
Woltman's lassen daher noch manchen Zweifel uͤbrig. Diese Instrumente
schwimmen alle im Strome; daher handelt es sich hier um einen Widerstand, der in
einem bewegten Fluidum sich bewegenden Koͤrper; es ist aber, wie vorhin
gesagt wurde, noch nicht mit Gewißheit ausgemacht, nach welchem Geseze man diesen
Widerstand schaͤzen muͤsse. Wenn man den Widerstand im
Verhaͤltnisse zum Quadrate der Differenzen der Geschwindigkeiten des
Instrumentes und des Wassers annimmt, so dienen, in diesem Falle, die Formeln,
welche die Erfinder der Instrumente gaben, allerdings zur Bestimmung der
Geschwindigkeit des Stromes; allein, in allen Faͤllen, wo sich die Berechnung
auf den Saz stuͤzt, daß die Kraft des Stoßes der Differenz der Quadrate
dieser Geschwindigkeiten proportional ist, sind in der oben angezeigten Abhandlung
andere Formeln gegeben. Daher bleibt es ungewiß, ob wir uns an die einen oder an die
anderen dieser Formeln bei dem Gebrauche halten sollen. Ueberdieß werden, wenn nicht
der Schwimmer, doch die beiden anderen Instrumente vom Wasser schief getroffen, und
das Gesez des schiefen Stoßes ist, wie wir oben gesagt haben, noch ganz unbekannt.
Dieser Grund ist nur zum Beweise angefuͤhrt, daß das hydrometrische
zusammengesezte Pendel von Venturoli nicht vollkommen fehlerfrei ist. Uebrigens
begreift ein Jeder wohl von selbst, daß die Bemessung des laufenden Wassers in den
großen Fluͤssen sowohl mit Guglielmini's als mit Prony's Regulator, so wie
mit dem einfachen, ganz verbessertem hydrometrischen Pendel des Venturoli, immer
eine hoͤchst schwierige und beinahe unausfuͤhrbare Sache ist. So sieht
es also mit der Theorie und mit der Handhabung der besseren hydrometrischen
Instrumente aus. Und da das einige Gesez des Widerstandes der Fluͤßigkeiten,
welches fuͤr unbezweifelt gelten kann, das des unmittelbaren Stoßes des
Fluidums gegen unbewegliche feste Koͤrper ist, so wurde dieses zur
Begruͤndung des Instrumentes gewaͤhlt, welches hier rheometrisches Winkelmaß d.h. Winkelmaß zur Messung des
stroͤmenden Wassers (squadra reometrica) genannt
wird.
Im zweiten Capitel der Abhandlung, wovon wir hier die Analyse liefern, wird nun die
Beschreibung und die Theorie dieses neuen Instrumentes gegeben, welches von
folgender Art ist.
„An dem cylindrischen Stabe, AC, (Fig. 1.) Tab. I. ist oben, senkrecht auf seine Achse, ein Lineal, EF, angebracht. Ein cylindrisches Loch, G, laͤuft durch das Lineal nach der Dike
desselben; seine Achse ist normal mit jener des Stabes. Das Ende, F, des Lineales ist von Metall, oder damit so
beschlagen, daß das Gewicht des Armes, EG,
jenem des kurzen Armes, GF, gleich kommt, und
daß der Schwerpunct des ganzen Lineales in den Punct faͤllt, wo die Achse
des Stabes jene des Loches durchschneidet.“
„Wenn dieses Instrument an der Achse oder an dem
horizontalen Stuͤzpuncte, welcher durch das Loch, G, geht, aufgehangen, und wenn unter einem rechten Winkel oder schief
an dem Stabe oder an einem Arme des Lineales eine Kraft angebracht ist, so sieht
man deutlich, daß diese dasselbe, um seine Aufhaͤngungs-Achse drehen
wird. Wenn aber keine Kraft auf das Lineal oder den Stab wirkt, so wird, bei der
Gleichheit der Rotations-Momente der zwei Arme, EG, FG, in Hinsicht auf die Achse
des Loches, G, die eine sich in horizontaler
Stellung halten, waͤhrend die Achse des anderen senkrecht stehen
wird.“
„Nun denke man sich das Winkelmaß, EGFC, (Fig. 2.) an der
Horizontalachse auf obige Weise aufgehangen, und in laufendes Wasser in der
Laͤnge, HC, getaucht. Man wird bald
einsehen, daß das Wasser, wann es gegen, HC,
stoͤßt, das Winkelmaß um die Aufhaͤngungs-Achse drehen wird, indem
es den Stab, AC, vom Stuͤzpuncte
entfernt, und das Lineal, EF, zum Horizonte
neigt. Wenn man aber das Ende, E, mit einem
Gewichte, P, beschwert, so wird dieß sogleich mit
einem Momente wirken, welches jenem, das der Strom ausuͤbt,
entgegengesezt ist.“
„Auf diese Weise kann man, wenn das Gewicht, P, zuerst kleiner ist, als die Kraft des Stoßes,
durch allmaͤhlige Vergroͤßerung dasselbe so groß machen, als eben
noͤthig ist, um den Stab, AG, in
senkrechte Stellung, und also den unmittelbaren Stoß des Stromes gegen den Stab
durch ein Gleichgewicht aufzuwiegen.“
Mittelst dieses Gleichgewichtes bestimmt man den Maßstab der Geschwindigkeit in jeder
senkrechten Linie des laufenden Wassers. Wenn man nun (Fig. 2.), EG = a, GH = b, den in das
laufende Wasser getauchten Theil, HM = x, sezt, und uͤbrigens mit, v, die Geschwindigkeit des Wassers in, M, und mit, Π, das
Gewicht bezeichnet, welches, in, E, angebracht, dem
geraden Stoße des Stromes gegen, HM, das
Gleichgewicht haͤlt, so findet man, daß zwischen den Groͤßen, x, v und Π, das
Verhaͤltniß besteht, welches in der Integral-Gleichung
(1) λ ∫v² (x + b) dx = αΠ
ausgedruͤkt ist, wenn, λ, einen
bestaͤndigen Coëfficienten bezeichnet, welcher, nach der Theorie des
Widerstandes der Fluͤßigkeiten, gleich ist nr/20g, wo, r, der Radius des
Querdurchschnittes des Stabes, n, die specifische
Schwere des Wassers, und, g, die Schwere ist.
Um nun das erste Glied der vorausgehenden Gleichung zu integriren, ist es nothwendig,
v, durch, x,
auszudruͤken, und zu diesem Zweke dienen folgende Betrachtungen. Wenn v = φ . x, gesezt
wird, so kann, φ . x, keine negative Potenz von,
x, enthalten; denn, wenn dieses moͤglich
waͤre, indem, x, einer unendlichen Groͤße
gleich waͤre, wuͤrde, v, unendlich werden,
was ungereimt ist; indem dem unendlichen, x, die
Geschwindigkeit, v, der Oberflaͤche des Wassers
entspricht, welche in den gewoͤhnlichen Fluͤssen endlich ist. Auch
kann uͤberdieß, φ . x, keine gebrochenen
Potenzen von, x, enthalten; denn durch eine solche
Irrationalitaͤt wuͤrde, v, mehrere Werthe
haben, und daher wuͤrden mehrere Geschwindigkeiten einem und demselben Puncte
eines Stromes entsprechen koͤnnen, was nicht der Fall seyn kann.
Da aus diesen Gruͤnden, φ . x, nur ganze
und positive Potenzen von, x, enthalten muß, so wird
v = V + αx + bx² + cx³ + etc. + lxn;
und daher noch
v² = V² +
αx + βx² + γx³ + etc. + ρx²n,
wo, V, die Geschwindigkeit des
Wassers an der Oberflaͤche bezeichnet, und die Coëfficienten, α, β, γ etc., ρ, und der Exponent, 2n, Groͤßen sind, welche sich auf folgende Weise bestimmen.
Wenn nun vorausgehender Werth von, v², in (1)
substituirt, und dann integrirt wird, so erhaͤlt man
Textabbildung Bd. 20, S. 6
Aus dieser Gleichung und aus der Erfahrung leitet man die Werthe von α, β, γ etc. ρ und 2n ab. Denn, wenn man die Geschwindigkeit, V, des Stromes an der Oberflaͤche gefunden, und
mit dem rheometrischen Winkelmaße, 2n, successive
Eintauchungen gemacht hat, welche den Tiefen Unter der Oberflaͤche des
Wassers, x = h₁, h₂, h₃, etc. h₂n, entsprechen,
wofuͤr man die correlativen Messungs-Gewichte der Stoße, P₁, P₂, P₃, etc. P₂n, hat; so sieht man wohl, daß, wenn man nach
und nach diese Groͤßen in der vorhergehenden Gleichung substituirt, man
andere, 2n, Gleichungen erhaͤlt, in welchen die
unbekannten, α, β, γ etc. ρ,
seyn werden, deren Werthe man bald nach der bekannten Eliminations-Methode findet.
Und auf diese Weise wird die Formel bestimmt
(2) v² = V² + αx + βx² + γx³ + etc. + ρx²n.
Um die oberflaͤchliche Geschwindigkeit, V, zu
bestimmen, ist es nicht noͤthig, seine Zuflucht zu den Schwimmern zu nehmen,
indem man sich auch hierzu des rheometrischen Winkelmaßes bedienen kann. Denn, wenn
der Stab des Winkelmaßes auf eine kleine Laͤnge, i, unter der Oberflaͤche des Wassers getaucht, und das Gewicht, p, bestimmt wird, welches mit dem Stoße des Stromes
fuͤr diese Eintauchung im Gleichgewichte ist, so findet man
Textabbildung Bd. 20, S. 6
Und wenn man die Beschaffenheit der in der Gleichung (2) vorgestellten Linie wohl
betrachtet, so wird es nicht schwer seyn, zu entscheiden, daß sie sich so wenig von
derjenigen unterscheidet, welche den wahren Maßstab der Geschwindigkeiten in der
senkrechten Linie eines Stromes ausdruͤken wuͤrde, daß man die eine
statt der anderen gebrauchen kann. Denn wir nehmen an, daß bei den Eintauchungen,
h₁, h₂,
h₃ etc., die
Formel (2) auf entsprechende Weise die Geschwindigkeiten, v₁, v₂, v₃ etc., gebe. Wenn man auf der Achse,
AX (Fig. 3.) die Theile AM' = h₁, AM'' = h₂, AM''' = h₃,
nimmt, und auf, AX, die senkrechten Linien, AN = V, AN' = v₁, AN = v₂, AN''' = v₃,
zieht, so ist es klar, daß die Linie, N, N', N'', etc., sich dem wahren Maßstabe der Geschwindigkeiten um so mehr
naͤhern wird, je kleiner die Differenzen zwischen zwei consecutiven Abscissen
sind, naͤhmlich die Differenzen, AM'' – AM', AM''' – AM''
etc. Wacht man mm mit dem rheometrischen Winkelmaße
solche Eintauchungen, daß zwei consecutive sich sehr wenig von einander entfernen,
so wird man eine Krumme erhalten, die mit einem unbedeutenden Unterschiede den
Maßstab der Geschwindigkeiten darstellt, so viel man naͤhmlich, wie uns
scheint, bei dem gegenwaͤrtigen Zustande der Theorie der Bewegung des Wassers
in den Fluͤssen fordern kann.
Um dann die Quantitaͤt des Wassers, Q, welche in
Einer Secunde durch eine Verticale eines Stromes fließt, zu finden, so hat man, wenn
man die Eintauchungen so anstellt, daß, h₂ = 2h, h₃ = 3h₁
etc., ist,
Q = h₁ (V/2 + v₁ + v₂ +... + v2n/2).
Man kann aber nicht allein mit dem rheometrischen Winkelmaße den Maßstab der
Geschwindigkeiten der Schichten eines Stromes von oben bis zum Grunde finden,
sondern auch genau das Gesez erhalten, womit die oberflaͤchlichen
Geschwindigkeiten vom Hauptfaden gegen die Ufer hin abnehmen. Wirklich gibt uns der
oben erwaͤhnte Werth der Geschwindigkeiten an der Oberflaͤche
V² = 2α/λi(2b + i) p.
Nun muß man bemerken, daß, wenn man dasselbe rheometrische Winkelmaß anwendet, um die
oberflaͤchlichen Geschwindigkeiten der Brandung des Wassers an den Ufern zu
bestimmen, und wenn man bei jedem Versuche den Stab in das Wasser in der
bestaͤndigen Laͤnge, i, taucht, die
Großen, λ, α, b, i, bestaͤndig seyn
werden; so daß die vorausgehende Gleichung eine Appollonianische Parabel mit dem
Parameter 2α/λi(2b + i)
darstellt, deren Abscissen durch, p, und die Ordinaten
durch, V, ausgedruͤkt sind. – Es zeigt
sich dann leicht, daß die Geschwindigkeiten der Oberflaͤche des Stromes gegen
jedes Ufer dem Geseze der Ordinaten der Bogen (Fig. 4.) DL, DL
', folgen, die auf zwei gleiche Parabeln sich beziehen;
daher die Geschwindigkeiten des Wassers laͤngs dem Ufer durch die Applicaten,
KL, K'L, dargestellt sind, und jene des
Hauptfadens durch die Ordinate, CD, welche beiden
parabolischen Aesten gemein ist.
Dieß ist das Wesentliche der neuen Methode, die Geschwindigkeit des
stroͤmenden Wassers zu messen, und dieß ist das Gesez der oberflaͤchlichen
Geschwindigkeiten, welches gefunden wurde. Wir wollen nun auch anzeigen, was im
dritten Capitel abgehandelt wurde. Hier wird naͤhmlich gezeigt, wie man
verfahren muͤsse, um mit dem rheometrischen Winkel-Maße zu finden, ob irgend
eine Linie der gegebenen Gleichung den Maßstab der Geschwindigkeiten der
Wasserschichten eines Flusses von der Oberflaͤche bis zum Grunde darstellen
kann. Und wenn wieder, v, die Geschwindigkeiten des
Stromes in einem Puncte unter der Oberflaͤche fuͤr die Verticale, x und V, jene an der
Oberflaͤche ausdruͤkt, so loͤsen sich folgende Aufgaben auf.
–
I. „Aufzufinden: ob der Maßstab der Geschwindigkeiten durch
eine in der Gleichung, v = V – fx, gegebene Linie dargestellt
sey, wenn, f, einen bestaͤndigen
Coëfficienten bezeichnet.“
II. „Wenn man besagten Maßstab als eine Krumme parabolischer
Art, die in der Gleichung
v² = V²
– lxn
ausgedruͤkt ist, annimmt, den Parameter, l,
und den Exponenten, n, zu finden.“
III. „Zu entdeken: ob es besser waͤre, den Maßstab
der Geschwindigkeiten als durch die transcendentale Gleichung
v = V/μx
ausgedruͤkt anzunehmen, wenn man den bestaͤndigen
Coëfficienten, μ,
bestimmt.“
Die Aufloͤsungen dieser Probleme gruͤnden sich auf die Integrirung der
Gleichungen
λ ∫ (V
– fx)² (x +
b) dx = αΠ
λ ∫ (V²
– fx)² (x +
b) dx = αΠ
∫ V²/μ2x (x + b)
dx = αΠ
mit einiger Kunst der Berechnung, und auf einige
Eintauchungen, welche man mit dem rheometrischen Winkelmaße anstellen muß, sey es um
die Werthe der bestaͤndigen Coëfficienten zu bestimmen, oder um sich
zu uͤberzeugen, ob die unterlegte Gleichung den gesuchten Maßstab der
Geschwindigkeiten ausdruͤkt.
Es ist nicht schwer zu begreifen, daß man durch analoges Verfahren Fragen derselben
Art, wie die oben angezeigten loͤsen kann, und nur um sich die Ergebnisse zu
erleichtern, wird es vortheilhaft seyn zu bemerken: 1) daß die Wahl der Funktionen
von x, welche die Geschwindigkeit, v, bezeichnen soll, von der Art seyn muß, daß ∫v²(x + b) dx dadurch integrirbar
wird; 2) daß die bestaͤndigen Groͤßen, welche in den angenommenen
Funktionen von, x, enthalten sind, und die man durch
Versuche mit dem Winkelmaße bestimmen muß, nicht von der Loͤsung der
Gleichungen eines sehr hohen Grades abhaͤngen.
Das rheometrische Winkelmaß koͤnnte aber noch einen wichtigeren Dienst
leisten, als jenen, welchen es in den eben angedeuteten Untersuchungen
gewaͤhrte, wenn neue Fortschritte die Theorie vom Widerstande der
Fluͤßigkeiten weiter gefuͤhrt haben wuͤrden. Denn, wenn man
dahin gelangte, den Mittelpunct des geraden Stoßes gegen einen festen
Koͤrper, welcher nur zum Theile in eine bestimmte Fluͤßigkeit getaucht
ist, festzustellen, so ist dann in dieser Abhandlung bewiesen, daß man mit dem
rheometrischen Winkelmaße auf ein Mahl die mittlere Geschwindigkeit des Stromes
bestimmen kann. Wenn diese Geschwindigkeit, w, heißt, so
findet man sie in der einfachen Formel
Textabbildung Bd. 20, S. 9
ausgedruͤckt, wo die Groͤßen α, b, g, r, die oben genannte Bedeutung haben,
und wo, l, die Laͤnge des Theiles des Stabes
vorstellt, welcher in den Strom eingetaucht bleibt; C,
die Entfernung zwischen der Oberflaͤche des Wassers und dem Mittelpuncte des
Widerstandes jenes Theiles des Stabes, und, P, das
messende Gewicht. Im lezten Capitel ist von einigen Ruͤksichten beim
Gebrauche des rheometrischen Winkelmaßes die Rede. Zuerst wird die Vorrichtung
beschrieben, welche man anwenden koͤnnte, wenn man mit dem rheometrischen
Winkelmaße die Geschwindigkeit in einem engen und nicht sehr tiefen Canale zu
bestimmen haͤtte; diese Beschreibung lassen wir weg, und sprechen eben so
wenig von der Art, das rheometrische Winkelmaß zu halten und zu handhaben, wenn man
sich desselben zur Bestimmung der Geschwindigkeit des Wassers in den großen
Fluͤssen, bedienen will; wer dieses Unterrichtes bedarf, findet denselben
weitlaͤuftig im angefuͤhrten XIX. Bd. der Abhandlungen der
italiaͤnischen Gesellschaft der Wissenschaften, wo die Abhandlung
eingeruͤkt ist. Wir halten es jedoch fuͤr gut, hier noch die neue
Weise zu zeigen, nach welcher man den Cylinder des rheometrischen Winkelmaßes
zusammensezen muͤßte, wann man ihn zur Messung der Geschwindigkeit des
Wassers anwenden wollte,
welches in hinlaͤnglich breiten und tiefen Canaͤlen und
Fluͤssen laͤuft.
„An das Lineal, AB, (Fig. 6.)
fuͤgt man regelmaͤßig ein Stuͤk eines cylindrischen Rohres,
CD, von solcher Laͤnge an, als die
Entfernung der Achse, woran man das Winkelmaß befestigt, von der
Oberflaͤche des Wassers betraͤgt; das Ende, D, versehe man mit einer Mutterschraube. Ueberdieß verfertige man eine
gewisse Zahl von cylindrischen Staͤbchen, T,
T'', T''' etc.,
welche mit dem Rohre, CD, gleichen Durchmesser
haben. Jedes dieser Staͤbchen sey an dem einem Ende mit einer
maͤnnlichen, und an dem anderen mit einer weiblichen Schraube versehen;
so daß der Vorsprung der maͤnnlichen Schraube um ein Stuͤk in die
einwaͤrts gekruͤmmte Spirale der weiblichen Schraube eines jeden
anderen Stuͤkes eingreifen kann, so wie das von D.“
„Hierauf verfertige man ein Staͤbchen, T(n), das nur
auf einer Seite die maͤnnliche Schraube hat. Zu groͤßerer
Einfachheit wird es auch gut seyn, alle Staͤbchen von gleicher
Hoͤhe zu machen, und ihre Zahl muß so seyn, daß m' u' + m'' u'' + m''' u''' +
etc. m(n) u(n) nicht kleiner ist,
als die groͤßte Tiefe des Flußes.“
„Es ist leicht einzusehen, wie man mit solchen
Stuͤken den Stab des Winkelmaßes, je nachdem es die Noth erheischt,
abkuͤrzen, oder verlaͤngern kann, und wie daher die verschiedenen
Eintauchungen gemacht werden. Denn fuͤr die erste Eintauchung wird es
hinreichen mit dem Cylinder, CD, das
Staͤbchen T(n) zu verbinden: fuͤr die zweite fuͤgt man, T', hinzu, und zu diesem T(n):
fuͤr die dritte verbindet man mit dem schon um das Staͤbchen, T', verlaͤngerten Stabe das andere, T'', und dann mit diesem noch T(n): und so fort.
Wenn man so, z.B. eine Eintauchung machen wollte, welche der Hoͤhe, m' u(n) = m'u' + m'' u'' + m(n)
u(n) entspraͤche, so wird man das in
Fig.
6. dargestellte Winkelmaß zusammen gesezt haben.“
„Um endlich zu erfahren, wann der Cylinder des Winkelmaßes
die senkrechte Stellung erlangt habe, hat man ein Senkblei, p, dessen Faden am Puncte, q, des Metall-Bogens, rqs,
aufgehangen ist. Der Stab wird senkrecht seyn, wenn der Faden des Senkbleies
einen Punct treffen wird, welchen man genau in der Querlinie, rs, bemerkt hat, indem man das Winkelmaß in seiner
Horizontal-Achse aushing, und seinen Cylinder senkrecht stellte.“
Wir beendigen diesen Auszug mit dem Wunsche, daß scharfsichtige und
verstaͤndige Experimentatoren diese neue Methode die Schnelligkeit des
Wassers in den Fluͤssen zu messen, der Pruͤfung der Erfahrung
unterziehen moͤchten. Und gewiß, wenn man die Verhaͤltnisse, welche im
dritten Capitel der Abhandlung aufgeklaͤrt sind, wohl betrachtet, wird man
einsehen, daß das rheometrische Winkelmaß zu einer Menge von Nachforschungen dienen
kann, die dahin fuͤhren koͤnnen, jene Gleichung zu finden, welche den
wahren Maßstab der Geschwindigkeiten von der Oberflaͤche des Wassers bis zum
Grunde eines Flußes darstellte, und so die vollkommene und genaue Aufloͤsung
der wichtigsten Aufgabe zu erhalten, welche die Messung des stroͤmenden
Wassers betrifft.