Titel: | Romershausen's Wasserrad. |
Fundstelle: | Band 20, Jahrgang 1826, Nr. XXX., S. 131 |
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XXX.
Romershausen's
Wasserrad.
Zusaz zu Bd.
XVIII. H. 4. S. 401. des polytechnischen Journals.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Romershausen's Wasserrad.
Da mir in dem Berichte des Hm. Mallet uͤber ein
neues vom Herrn Grafen de Thiville vorgeschlagenes
hydraulisches Rad, ganz dieselbe Vorrichtung begegnete, welche ich bereits vor 6
Jahren in einer oͤffentlichen DrukschriftDr. Romershausen's Kunstrad fuͤr
Bergwerke, Wasserkuͤnste und Muͤhlwerke. Nebst Zeichnungen.
Zerbst, bei J. G. H. Alter. 1822 bekannt gemacht habe, so finde ich mich bewogen, diese angeblich
franzoͤsische Erfindung, als dem deutschen Boden angehoͤrig, hier
oͤffentlich zu reclamiren, und ihre vorzuͤgliche Zwekmaͤßigkeit
nochmals zu empfehlen.
Die Hauptsache dieser Vorrichtung besteht darin, daß ich zur vollkommensten Benuzung
des Aufschlagwassers – den aͤußern Umfang des Rades ganz verschloß,
und das Wasser in die sich nach dem Innern des Rades oͤffnenden Schaufeln
einleitete – und eben diese an sich einfache aber sehr fruchtbare Idee ist
es, deren Prioritaͤt ich in Anspruch nehme; indem sich die
zwekmaͤßigste Anordnung der Schaufelung hiernach von selbst ergibt, und auf
verschiedene Weise ausgefuͤhrt werden kann, wie dieses auch bei Thiville's Rad der Fall ist. Ich uͤberlasse dieses
der Wahl unserer gelehrten und praktisch erfahrnen Mechaniker, und beschreibe hier
nur das verbesserte Wasserrad, welches meine oben bemerkte Schrift zuerst angab.
Das erste Modell, welches jene Beschreibung mittheilte, war mit einem Zellen-Fortsaz
(Schwungring genannt) versehen, worin das von der Innenseite des Rades eingetretene
Wasser zu bedeutender Verlaͤngerung des Hebels nach der Peripherie hin
vorwaͤrts drang. Praktische Versuche zeigten aber bald, daß dieses eine zu
große Verzoͤgerung der Kraft mit sich fuͤhrte, und daß der volle
Effect nur bei sehr langsamer Bewegung statt finden konnte. Ich ließ daher jenen
Schwungring hinweg, und behielt bloß die in beigefuͤgter Zeichnung
dargestellte Einrichtung bei
Fig. 26. A. B. Das Gerinne, welches das Wasser bei, B, in die Schaufeln, von der inneren Seite des Rades
einleitet.
Das Rad ist am aͤußern Umfange vollkommen verschlossen, so daß dieser Umfang
selbst die Bodenschaufel abgibt. Die Lage der Zellen ist aus der Zeichnung deutlich
– ihre Einrichtung ist aber folgende. Jede Schaufel bildet eine, sowohl aus
Holz, als auch vorzuͤglich leicht aus Blech zu fertigende
Winkelflaͤche Fig. 28., a und b. Die Stellung
derselben zwischen den beiden Seiten-Kraͤnzen des Rades macht Fig. 27. deutlich, welche
dieselbe nach Hinwegnahme der aͤußern Stirnbedekung zeigt. Sie sind
abwechselnd so geordnet, daß jede Schaufel seitwaͤrts nach oben einen Canal
bildet, welcher mit den Oeffnungen, o und p, der Seiten-Kraͤnze des Rades correspondirt,
und jedesmal das Wasser der unteren Zelle oberhalb und zur Seite der daruͤber
liegenden abfließen laͤßt. Man siehet diese Oeffnungen auch in Fig. 26., wo
unterhalb ein Theil des Seiten-Kranzes und der Abfluß des Wassers durch die
Oeffnungen, o, dargestellt ist. So fließt hier das
Wasser der 13ten Zelle durch die Seitenoͤffnung neben der 12ten aus, das der
14ten Zelle stroͤmt aber auf der entgegengesezten Seite durch eine hier nicht
sichtbare Oeffnung, p, neben der 13ten Zelle aus
– u.s.w. Man siehet hiernach, daß dieses Wasserrad von 1 bis 12 an allen
wirksamen Stellen, das Wasser zu vollkommenster Kraftaͤußerung
unverschuͤttet bewahrt. Die Fliehkraft desselben laͤßt es aber, von
der Zelle 12 an, sehr schnell durch die, nun unter das Niveau desselben tretenden
Oeffnungen entweichen. Nach meinen praktischen Versuchen verstaͤrkt sich bei
dieser Einrichtung die Kraft eines solchen Rades uͤber die Haͤlfte der
seither bekannten besten Vorrichtungen, und ich glaube nicht, daß eine
sorgfaͤltigere Benuͤzung des Aufschlagwassers moͤglich seyn
wird.
Fig. 29.
zeigt die Einrichtung des Gerinnes, sie ist ganz die in meiner oben bemerkten
Schrift angegebene, und ich finde sie, ohngeachtet der Erinnerungen des Hrn. Grafen
de Thiville, sehr zwekmaͤßig. Die
Wasserleitung, A, theilt sich naͤmlich in einiger
Entfernung vom Rade bei, x, in zwei Rinnen, zwischen
welchen bei, mm, das Rad (dessen Welle, W, ist), laͤuft; bei, BB, nahem sich diese Rinnen wieder, so daß sie nur
die Radaͤrme ohne Beruͤhrung zwischen sich hindurch lassen, und gießen
ihr Wasser gemeinschaftlich in die Zellen des Rad-Kranzes, 8. Das Rad ist auf diese Weise
gleichfoͤrmiger belastet, als wenn das Gerinne wie die Zellen nur auf einer
Seite angebracht sind.
Das Gerinne liegt hier hoͤher, als bei Thiville, wo
es in der Horizontale der Radachse angebracht ist. Ich benuze dadurch nicht allein
den Wasserstoß vollkommner, indem er hier nach Fig. 26. auf das Rad, xw, wirkt, und nicht, wie bei Thiville, auf die steife Linie, zw; sondern die Kraft druͤkt hier auch noch
auf die wirksamsten Theile des Rades 1–4, welche sonst ganz muͤßig
bleiben. Die Rechnung zeigt bei verhaͤltnißmaͤßig kleinerem Rade diese
Einrichtung als die vortheilhafteste – und ein bedeutender Gewinn geht aus
der Belastung der aͤußersten Radperipherie hervor. Auch moͤchte ich
das Eintauchen des Rades in das abfallende Wasser, wo moͤglich vermieden
sehen, da es bei der bekannten Adhaͤsion, die freie Bewegung des Rades nicht
allein behindert, sondern lezteres auch noch bei einiger Schnelligkeit eine
bedeutende Wassermasse als Gegengewicht auf der anderen Seite in die Hoͤhe
schleudert.
Wir sind reich an Aufschlagwasser, dieser billigsten und sichersten aller
Kraͤfte; betrachtet man aber, wie dasselbe im Allgemeinen noch durch die
unzwekmaͤßigsten Vorrichtungen nuzlos verschleudert wird, so wird man dem
Verfasser den Wunsch nicht verargen, daß zu baldiger Anwendung und weiterer
Ausbildung dieses Wasserrades der schlichte Name des Deutschen wenigstens nicht
hinderlich seyn moͤge.
Elard Romershausen.