Titel: | Bemerkung über ein Mittel zur Begünstigung des Zuges der an Wagen angespannten Pferde, von Hrn. Delisle, Capitän beim Genie zu Dünkirchen. |
Fundstelle: | Band 20, Jahrgang 1826, Nr. XXXVII., S. 146 |
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XXXVII.
Bemerkung über ein Mittel zur Begünstigung des
Zuges der an Wagen angespannten Pferde, von Hrn. Delisle, Capitän beim Genie zu
Dünkirchen.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement. Septemb. 1825. S. 279.
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Delisle, über ein Mittel zur Begünstigung des Zuges
etc.
Kein Koͤrper in der ganzen Natur geht augenbliklich von der Ruhe zur Bewegung,
oder von der Bewegung zur Ruhe uͤber.
Um von der Ruhe zur Bewegung uͤberzugehen, muß ein Koͤrper zuerst einen
geringen Druk erleiden, welcher, nach und nach wachsend, denselben endlich langsam
bewegt; die Schnelligkeit vermehrt sich hierauf allmaͤhlich, bis sie der
wirkenden Kraft angemessen ist; denn dann ist sie auf ihr Maximum gekommen.
Befolgt man denselben Gang aber im umgekehrten Verhaͤltnisse, so wird man
begreifen, wie ein, sich in Bewegung befindender, Koͤrper zur Ruhe gelangt,
indem man die Schwere, den Widerstand des Mittelpunctes etc. als eben so viele Druk
ausuͤbende Kraͤfte betrachtet.
Die Veraͤnderung des Zustandes eines Koͤrpers mag so rasch seyn, als
sie will, so laͤßt sie sich doch nicht als augenbliklich, sondern als
allmaͤhlich betrachten.
Aus diesem Grundsaze erhellt der Vorzug der Druk-Kraft vor jener des Stoßes zur
Einleitung der Bewegung, und der Vorzug der Kraft des Stoßes vor der anderen, wenn es sich
darum handelt, etwas zu zertheilen oder zu zerbrechen.
Wenn man Pferde, oder andere Zugthiere an einen Wagen spannt, so hat man offenbar den
Zwek, eine mehr oder minder schnelle Ortsveraͤnderung hervorzubringen: die
Kraft des Drukes ist also in diesem Falle allein die taugliche, und die Kraft des
Stoßes muß sorgfaͤltig vermieden werden, sowohl wegen Erhaltung der
Fuhrwerke, welche durch die Stoͤße, so klein sie auch seyn moͤgen,
doch immer beschaͤdigt werden, als um, in Betreff der Bewegung, nichts von
der angewendeten Kraft zu verlieren; man muß also, außer wenn es durchaus nothwendig
waͤre, vermeiden einen sehr schweren Wagen sogleich im Galoppe, oder selbst
bloß im Trappe fortzufuͤhren; man muß im Schritte abfahren, und hierauf die
Schnelligkeit bis auf den gehoͤrigen Grad vermehren.
Bei einer raschen Bewegung ist man jedoch nicht immer im Stande, Stoͤße zu
vermeiden; ein Geleise, ein Stein koͤnnen deren sehr heftige hervorbringen,
welche den Pferden eben so nachtheilig sind, als den Wagen; in diesem Falle
geschieht es oft, daß die Straͤnge abreißen; daß die Wage oder die Ortscheite
brechen; daß die Pferde stuͤrzen etc., wegen des absoluten Widerstandes, der
sich ploͤzlich der Fortsezung der Bewegung entgegenstellt; wenn die Wage, die
Ortscheite, oder die Straͤnge in diesem Falle Elasticitaͤt
besaͤßen, so wuͤrde der von dem Wagen erlittene Stoß fuͤr die
Pferde ein allmaͤhlich staͤrker werdender, aber nicht absoluter und
fast augenbliklicher, Widerstand, und die fortgesezte Wirkung der Bespannung
waͤre ihrer Seits eine wachsende Drukkraft fuͤr den Wagen, welche
denselben das Hinderniß, das er fand, und welches er auf eine andere Weise nicht
uͤberschritt, besiegen machen wuͤrde.
Wenn ein Wagen im Kothe stekt, oder wenn sich ein Hinderniß, welches man aus Mangel
an Instrumenten, oder, an Zeit nicht uͤberwinden kann, dem Beginnen der
Bewegung widersezt, so macht die Bespannung, auf Antreiben ihres Fuͤhrers,
eine außerordentliche Anstrengung, welche eben deßwegen von kurzer Dauer ist; man
sieht in diesem Falle oft, daß die Raͤder bis auf den Gipfel des Hindernisses
gelangen, und daß es beinahe nichts mehr bedarf, um dasselbe zu uͤberwinden;
allein in diesem Augenblike wird die Anstrengung selbst durch die zu große
Schnelligkeit, die sie anfangs der Masse mittheilte, aufgezehrt, so daß diese in einen beinahe
unguͤnstigeren Zustand zuruͤksinkt, als jener war, in welchem sie sich
vorher befand. Ist ein zweiter Versuch eben so unnuͤz? Die Pferde
straͤuben und baͤumen sich, es ist kein Ganzes mehr in ihren
Anstrengungen, und es ist nicht mehr moͤglich vorwaͤrts zu kommen.
Besaͤßen in diesem Falle die Wage, die Ortscheite, oder die Straͤnge
Elasticitaͤt, so wuͤrden die Pferde, das Nachgeben des Widerstandes
fuͤhlend, sich getrost auf ihre Strange stuͤzen, und ihre, immer mehr
und mehr geneigten Fuͤße wuͤrden um so mehr die Wirkung des Gewichtes
ihres Koͤrpers beguͤnstigen. Haͤtte die Bewegung ein Mahl
begonnen, so wuͤrden die ersten Theile der Anstrengung, welche sich in dem
elastischen Theile angehaͤuft haben, diese Bewegung selbst dann noch
fortsezen, wenn die Pferde bloß hielten; sie wuͤrden aber gewiß
vorwaͤrts gehen, denn die Thiere werden, eben so gut wie die Menschen, durch
den Erfolg aufgemuntert.
Es handelt sich also nur mehr darum, wie man den Ortscheiten die zu diesem Zweke
gehoͤrige Elasticitaͤt geben kann.
Eine halbmondfoͤrmige Feder, DEF, Fig. 28.,
welche aus Eisen und Stahl-Platten besteht, die sowohl in Betreff ihrer
Staͤrke, als ihrer Zahl der Schwere des Wagens angemessen seyn muß, ist auf
eine unwandelbare Weise, oder dem Deichsel-Zapfen, C,
mit der Wage, AB, verbunden; die Enden, D und F, dieser Feder
greifen in die verlaͤngerten Ringe, DG, FH, ein, welche aus Leder oder Metall bestehen,
und die Wage, AB, umfassen, ohne dieselbe zu
hindern sich zu schieben, so daß sie der Feder sogar gestatten, sich genau daran
anzulegen; die Ringe werden durch Klammern auf der Wage befestigt, die ihnen jedoch
einigen Spielraum in der Richtung, AB, gestatten;
an diesen Ringen befinden sich endlich, wie gewoͤhnlich, die Ortscheite, J und K; ich glaube, daß ein
Zwischenraum von 15–20 Centimeter zwischen den Extremitaͤten, D und E, der Feder und der
Wage der Elasticitaͤt hinlaͤnglichen Spielraum gewaͤhren wird,
vorausgesezt jedoch, daß, in dem Zustande der Ruhe, die Feder schon gespannt genug
waͤre, um dem gewoͤhnlichen Zuge auf einem guten Wege nicht
nachzugeben.
Dieses Mittel muß, wie jedes andere, Versuchen unterworfen werden; denn der Erfahrung
allein kommt das Recht zu, uͤber alle Fragen der praktischen Mechanik zu
entscheiden.
Wenn man an jedem Ende der Feder einen Zeiger der Spannung derselben
anbraͤchte, so besaͤße man einen doppelten Dynamometer, der sehr
geeignet waͤre, um Versuche uͤber die Kraft der Pferde oder anderen
Zugviehes, so wie auch uͤber die, den Wagen mehr oder weniger
guͤnstigen, Eigenschaften verschiedener Arten von Wegen anzustellen.