Titel: | Vorrichtung zur Prüfung der Stärke der zur Kettenbrüke zu Paris (pont des Invalides) bestimmten Ketten, von Hrn. Navier. |
Fundstelle: | Band 20, Jahrgang 1826, Nr. LV., S. 227 |
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LV.
Vorrichtung zur Prüfung der Stärke der zur
Kettenbrüke zu Paris (pont des Invalides) bestimmten Ketten,
von Hrn. Navier.Es unterliegt keinem Zweifel, daß Haͤngebruͤken aus Draht oder
Ketten, wo es nur immer die Breite des Flusses oder der Vertiefung, uͤber
welche sie gespannt werden sollen, gestattet, jeder anderen Bruͤke nicht
sowohl in Hinsicht auf Wohlfeilheit und Dauerhaftigkeit, als auch in der
fuͤr jedes Land, welches Eisenbergwerke besizt, hoͤchst wichtigen
Ruͤksicht der Beschaͤftigung so vieler Haͤnde sowohl durch
Gewinnung als durch Verarbeitung des Eisens, weit vorzuziehen sind. Die
Grundsaͤze dieses Bruͤkenbaues sind so einfach, daß jeder
Mechaniker aͤhnliche Bruͤken mit aller Sicherheit bauen kann,
vorausgesezt, daß das Eisen von gehoͤriger Guͤte und
gehoͤrig bearbeitet ist. Die Probe uͤber die Erfuͤllung
dieser Bedingung kann nie sorgfaͤltig genug angestellt, und muß
noͤthigen Falles, sogar wiederholt angestellt werden, und hier darf
durchaus
nicht an Ersparung gedacht werden, wenn anders nicht Menschenleben muthwillig
auf's Spiel gesezt werden soll. Es gibt zu dieser unerlaͤßlichen Probe
keine bessere Vorrichtung, als die der englischen Fabrikanten, und wenn wir die
hierzu noͤthigen Ausgaben scheuen, so waͤre es besser, wir
gaͤben die Idee der Haͤngebruͤken gaͤnzlich auf, als
daß wir die tragischen Unfaͤlle von Koͤthen
vervielfaͤltigen, und Koͤthen-Bruͤken statt Ketten-Bruͤken bauen. Wir theilen hier die Beschreibung des
Apparates des Hrn. Navier mit, ohne denselben zur
Nachahmung empfehlen zu, wollen. A. d. R.
Aus dem nouveau Bulletin des sciences p. l.
Société philomatique. November, 1825. S.
163.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Navier's, Vorrichtung zur Prüfung der Stärke der zur Kettenbrüke zu
Paris bestimmten Ketten.
Die Ketten der Haͤngebruͤke, deren Erbauung dem Verfasser dieses
Artikels anvertraut ist, bestehen vorzuͤglich aus großen Ringen von 5 bis 6
Meter Laͤnge. Das Eisen dieser Ringe ist 54 Millimeter breit, und 31 dik. Der
Querdurchschnitt dieser beiden Eisenstangen ist demnach 3348 □ Millimeter.
Wenn man nun annimmt,
was auch die Versuche als mittleren Durchschnitt geben, daß geschmiedetes Eisen,
wenn es gebrochen werden soll, eine Kraft von 40 Kilogrammen auf jeden □
Millimeter des Flaͤcheninhaltes des Querdurchschnittes erfordert, so ist zum
Brechen eines solchen Ringes eine Kraft von 133920 Kilogrammen nothwendig.Der Uebersezer erlaubt sich an dieser Annahme sehr zu zweifeln, aus
Gruͤnden, deren Entwikelung ihm uͤberfluͤßig scheint.
A. d. Ueb. Um jedem Unfalle, der durch schlechte Beschaffenheit des Eisens entstehen
koͤnnte, vorzubeugen, oder auch durch schlechte Bearbeitung des Gliedes
selbst, fand man es fuͤr noͤthig, jedes Glied vorlaͤufig, ehe
es eingereiht wird, einer Probe zu unterwerfen, nach welcher es wenigstens eine
Kraft von 18 Kilogrammen auf jedes □ Millimeter des Querdurchschnittes muß
ertragen koͤnnen, und diese Probe wurde dem Erbauer der Bruͤke zur
Bedingung gemacht. Man wird diese Vorsicht wahrscheinlich zureichend finden, wenn
man weiß, daß diese Ringe nur eine Kraft von 8 bis 9 Kilogrammen zu ertragen haben,
welche die Schwere der Kette selbst auf jeden □ Millimeter ausuͤbt,
und daß diese Kraft auch dann nicht 11 bis 12 Kilogramme uͤbersteigt, wenn
die Bruͤke gaͤnzlich mit den schwersten Lastwaͤgen, oder mit
Soldaten in Schlachtordnung bedekt ist.
An jenen Theilen, wo die Ketten ihre Richtung aͤndern, indem sie sich entweder
auf Saͤulen stuͤzen, oder in die Schaͤchte hinabsteigen, wo die
Enden derselben befestigt sind, werden die Ringe durch krumme Stuͤke Eisen
ersezt, welche an ihren Enden zwei Loͤcher haben. Diese Stuͤke, die
etwas staͤrker sind als die Ringe, muͤssen derselben Probe unterzogen
werden, d.h., einen Druk von ungefaͤhr 67,000 Kilogrammen ertragen. Die Zahl
der Stuͤke, die auf diese Weise gepruͤft werden muͤssen, betraͤgt, ohne
die kleineren Stuͤke, welche zur Verbindung dienen, und zugleich mit den
groͤßeren gepruͤft werden koͤnnen, ungefaͤhr 3000.
Leute, die mit Arbeiten dieser Art vertraut sind, werden leicht begreifen, daß eine
aͤhnliche Operation, die in wenigen Monathen vollendet seyn muß, nicht ohne
Schwierigkeiten ist, vorzuͤglich in Hinsicht auf die Groͤße der
anzuwendenden Kraft, und die Genauigkeit, mit welcher sie bestimmt werden muß.
Man weiß, daß mehrere englische Fabrikanten große Vorrichtungen zur
vorlaͤufigen Pruͤfung der Ketten zum Seedienste auf Schiffen
besizen.Vergl. Rapport et Mémoire sur les ponts
suspendus, p. 47. und polytechn. Journ. Bd. XVIII. S. 430. A. d. Ueb. Man hat es nicht fuͤr zwekmaͤßig gefunden, diese Vorrichtungen
nachzuahmen, weil sie zu kostbar gewesen waͤren;Das ist echt neu franzoͤsisch; à 3
p. C.! Man darf sich daher nicht wundern,
wenn es an der Seine Auftritte à la
Koͤthen geben sollte. A. d. Ueb. und vorzuͤglich, weil die Schaͤzung der Kraͤfte auf die
Stuͤke selbst nicht ohne alle Ungewißheit ist. Man ist auf die Idee eines
Hebels gekommen, dessen man sich oͤfters zu Versuchen im Kleinen bediente,
und suchte dabei die bedeutenden Schwierigkeiten zu beseitigen, die sich bei
Anwendung dieser Maschine zeigten.
Der Hauptnachtheil an dem Hebel ist die Reibung auf seiner Drehungs-Achse, die man
nicht mit Bestimmtheit schaͤzen kann, und die hier um so mehr Einfluß gehabt
haͤtte, als die Achse sehr dik haͤtte seyn muͤssen, um
hinlaͤnglich stark zu seyn. Ein anderer sehr unangenehmer Umstand ist der,
daß der Hebel sich neigt, wenn das gespannte Stuͤk sich, dem Gewichte
nachgebend, verlaͤngert, was auch durch das bloße Zusammenpressen der
Unterlagen geschehen kann. Durch diese Neigung wird das Verhaͤltniß der
Hebelarme veraͤndert, und die ganze Arbeit verdorben.
Um diesen Nachtheilen abzuhelfen, hat man ein Hebelsystem, welches aus zwei Hebeln
besteht, angewendet. Der erste dieser Hebel, AB,
Fig. 10.,
kann sich um eine feststehende Achse, A, drehen. Der
zweite, DE, haͤngt an dem ersteren mittelst
der senkrechten Stange, CD, deren Enden in die
beiden Hebel eingelenkt sind. Der Ring, MN,
welcher der Probe
ausgesezt wird, haͤngt senkrecht an dem Puncte, M, geht quer durch die beiden Hebel, ohne sie zu beruͤhren, und
stuͤzt den unteren Hebel, DE, mittelst des
Messers, N. An dem Ende, E,
dieses Hebels haͤngt eine Wagschale mit einem Gewichte, P. Ein anderes Gewicht, Q,
befindet sich am Ende, B, des oberen Hebels. Es ist
offenbar, daß das Gewicht, P, den unteren Hebel um den
Punct, N, zu drehen sich bemuͤht. Allein, wegen
der Stange, CD, muͤßte dadurch auch der
obere Hebel sich um die Achse, A, drehen, und dadurch
das Gewicht, Q, heben. Wenn also dieses Gewicht
hinreicht, wird das Gleichgewicht unterhalten.
Dieser hoͤchst einfache Apparat beseitigt die oben erwaͤhnten
Schwierigkeiten. Denn 1) laͤßt sich die Kraft, welche auf, MN, wirkt, mit sehr großer Genauigkeit bestimmen,
sobald man nur das Gewicht, P, kennt, das Gewicht des
Hebels, DE, und den Ort des Mittelpunctes der
Schwere dieses Hebels; denn die senkrecht wirkende Kraft der Stange, CD, ist durch die Bedingung bestimmt, daß diese
Kraft im Gleichgewichte ist mit dem Gewichte, P, um den
Stuͤzpunct N; und die Spannung des
Stuͤkes, MN, ist die Summe des Gewichtes,
P, des Gewichtes des Hebels, DE, und der von der Stange, CD,Es bleibt eine kleine Ungewißheit uͤber die von der Stange, CD, ausgeuͤbte Kraft in Hinsicht
der Reibung auf dem Messer, N; allein der
Halbmesser der Schneide ist so klein, daß man diese Reibung als durchaus
unbedeutend betrachten kann. Ueberdieß vermehrt, durch die Art, wie dieser
Apparat angewendet wird, die Kraft, welche diese Reibung uͤbersteigt,
zugleich die Spannung, welche man erzeugen will. A. d. O. ausgeuͤbten Kraft. Diese Spannung ist also durchaus
unabhaͤngig von den Reibungen auf der Achse, A,
und den Verbindungen, C, D. Es ist nothwendig, daß,
waͤhrend der Probe, der untere Hebel horizontal erhalten wird, und die
Stange, CD, vertical bleibt; der obere Hebel kann
geneigt bleiben.
2) Wenn der Ring, MN, sich waͤhrend der
Probe verlaͤngert, oder wenn die Unterlagen zwischen dem Messer, N, und dem Ende der Ringe sich zusammendruͤken,
so darf man nur den oberen Hebel, AB,
niederlassen, um den unteren Hebel, DE, horizontal
zu erhalten. Das Gewicht, Q, ist so eingerichtet, daß es
immer das Gewicht, P, uͤberwiegt. Auf diese Weise wird, wenn die
Stange, CD, sich herabneigt, das untere Ende, D, dieser Stange ein beweglicher Stuͤzpunct,
welcher dem Hebel, DE, folgt, wenn das
Stuͤk, MN, nachgibt, und hindert diesen
Hebel sich zu neigen. Man muß hier bemerken, daß, bei der Unbedeutenheit der
Verdraͤngungen, der Punct, C, sich nicht merklich
von derselben Senkrechten entfernt, wenn der obere Hebel verschiedene Neigungen
annimmt. Der Punct, D, ist uͤbrigens gleichfalls
in derselben Senkrechten mittelst eines hervorstehenden Stuͤkes erhalten,
welches in diesem Puncte in einem an dem Gestelle der Maschine angebrachten Falze
enthalten ist.
Fig. 11.
stellt einen senkrechten Durchschnitt durch den Apparat vor den Hebeln dar.
AA, der obere Hebel.
BB, ein starkes Stuͤk auf diesen Hebel
aufgeholztes Gußeisen, welches die Zapfen, C,
fuͤhrt, die die Achse desselben bilden.
DD, der untere Hebel.
EE, zwei starke geschlagene Eisenstangen, die sich
an ihren Enden in Kehlen der Fassungen aus Gußeisen, BB, FF, drehen, und durch welche Achsen
laufen, die in diesen Fassungen enthalten sind. Diese Stangen dienen bald den
unteren Hebel an dem oberen aufgehaͤngt zu erhalten, bald den oberen Hebel
auf den unteren druͤken zu lassen.
GG, Fassung des unteren Hebels aus Gußeisen, mit
welcher er auf das Messer, H, druͤkt, und die mit
hervorstehenden Stuͤken, g, versehen ist, welche
in senkrechten Falzen der Pfosten, KK, laufen.
H, Messer, auf welches der untere Hebel mittelst der
Fassung, GG, druͤkt, wenn der Ring der
Probe unterzogen wird.
I, starke bewegliche Querstange aus geschlagenem Eisen
zum Aufhaͤngen des Ringes waͤhrend des Versuches. Diese Querstange
ruht auf zwei Stuͤken Gußeisen, die in die Pfosten, KK, eingelassen sind, und deren untere Enden
Pfannen fuͤr die Zapfen, C, des oberen Hebels
bilden. Dadurch wird die Zusammenziehung in dem Zwischenraume, CI, waͤhrend der Proben vermieden.
LL, der Ring in der Probe. Er wird durch die
Querstange, I, getragen, und laͤuft frei zwischen
den Hebeln in eigens dazu vorgerichteten Hoͤhlungen. Das Messer, H,
ruht mittelst der Zwischenlagen, hh, auf dem
unteren Ende desselben.
M, Kiste am Ende des oberen Hebels zur Aufnahme der
Gewichte, welche so vorgerichtet sind, daß, waͤhrend der obere Hebel sich um
die feste Achse, C, dreht, und auf, E, druͤkt, er den kuͤrzeren Arm des
unteren Hebels, der sich auf dem Messer, H, dreht,
hinabdruͤken kann.
N, auf dem unteren Hebel aufgehaͤngte Platte zur
Aufnahme der Gewichte, welche vorlaͤufig die bestimmte Spannung hervorbringen
muͤssen.
Um mit dieser Maschine zu arbeiten, beladet man die Platte, N, so wie die Kiste, M, bringt den Ring, LL, in die angegebene Lage, und hebt, mittelst der
Winden, O, P, die Enden der beiden Hebel
ungefaͤhr 0,5 Meter uͤber die horizontale Richtung derselben. Man
stekt keilfoͤrmige Zwischenlagen unter das Messer, H, so, daß dieses einen bestimmten Druk auf das untere Ende des Ringes
ausuͤbt, und laͤßt nun die Winde, P,
nieder, bis der Hebel, DD, vollkommen horizontal
wird, und die Stangen, EE, senkrecht stehen. Da
dieser Hebel durch die Winde, P, in dieser Lage erhalten
bleibt, so laͤßt man nun auch die Winde, O, so
lang nieder, bis die Senkung des oberen Hebels die Erhebung des laͤngeren
Armes des unteren bestimmt hat, was man daran erkennt, daß lezterer nicht mehr auf
der Winde, P, ruht. In dem Augenblike, wo diese Winde,
P, frei wird, erleidet der Ring, LL, die verlangte Spannung, in welcher man
denselben einige Minuten lang laͤßt.
Ein Mann reicht bei jeder Winde hin. Die Bedienung dieser Maschine fordert vier bis
fuͤnf Leute, die dann auch die Ringe herbeitragen etc. 1300 Ringe wurden
bereits auf diese Weise gepruͤft; taͤglich ungefaͤhr 25. Die
Maschine hat seit dem ersten Versuche nicht im Mindesten gelitten.