Titel: | Ueber HHrn. Hill's und Haddock's Patent auf Verbesserung der Schwefelsäure-Fabrication. Von Hrn. J. C. Gamble, an den Liffybank Vitriol-Werken zu Dublin. |
Fundstelle: | Band 20, Jahrgang 1826, Nr. CII., S. 378 |
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CII.
Ueber HHrn. Hill's und Haddock's Patent auf Verbesserung der
Schwefelsäure-Fabrication. Von Hrn. J. C. Gamble, an den Liffybank Vitriol-Werken
zu Dublin.
Aus dem Repertory of Patent-Inventions. April 1826. S.
236.
Hill, über Verbesserung der Schwefelsäure-Fabrication.
Das in der lezten Nummer des Repertory (in unserem polyt.
Journal S. 66.) mitgetheilte Patent der
HHrn. Hill's und Haddock hat
anfangs die Aufmerksamkeit der Schwefelsaͤure-Fabrikanten sehr auf sich
gezogen. Die genauen Versuche des Hrn. Hatchett haben uns
die ungeheuere Menge Schwefels kennen gelehrt, welche in dem Schwefel-Kiese
enthalten ist. Man wußte auch, daß durch das Rosten dieser Schwefelkiese bei einer
niedrigen Rothgluͤhhize in Beruͤhrung mit atmosphaͤrischer Luft
der Schwefel sich entwikelt, und schwefelige Saͤure in großer Menge erzeugt
wird. Die franzoͤsischen Chemiker, Clement und Deformes, haben ferner erwiesen, daß bei der
gewoͤhnlichen Fabrication der Schwefelsaͤure der Nuzen des Salpeters
darin besteht, daß salpetrigsaure Daͤmpfe entwikelt werden, welche, als
Vereinigungs-Mittel zwischen dem Sauerstoffe der Atmosphaͤre und dem
schwefeligsauren Dampfe, einen Koͤrper erzeugen, welcher, mittelst Beiwirkung
des Wassers, endlich in Schwefelsaͤure umgeaͤndert wird.
Nach diesen bekannten Thatsachen konnte nichts zwekdienlicher scheinen, als
anzunehmen, daß schwefeligsaurer Dampf, der sich aus den Schwefelkiesen entwikelt,
in Verbindung mit der gehoͤrigen Menge salpeterigsaurer Daͤmpfe in
eine Kammer geleitet, auf die wohlfeilste und vorteilhafteste Weise
Schwefelsaͤure liefern muͤßte, und diesem zu Folge versahen zwei sehr große
Schwefelsaͤure-Fabriken sich mit Licenzen von obigen Patent-Traͤgern,
und begannen die neue Art die Schwefelsaͤure zu erzeugen. Es scheint aber,
daß dieser Versuch ihren Erwartungen nicht entsprach, denn sie haben zeither die
neue Methode wieder aufgegeben. Ein drittes Haus, die HHrn. Thompson und Hill's zu Liverpool, fahren
indessen noch immer mit dieser Methode fort, wahrscheinlich, weil sie als
Eigenthuͤmer eines Bergwerkes sich des Vortheiles erfreuen, ihre eigenen
Schwefelkiese zu verarbeiten.
Der Verfasser dieses Aufsazes hat dieses Verfahren unter unendlich verschiedenen
Abaͤnderungen versucht. Er ließ sich um so muthiger in diese Versuche ein,
und verfolgte sie mit desto entschlossenerer Beharrlichkeit, als er dachte, daß die
unermeßlichen Vorraͤthe von Schwefelkies in seiner Nachbarschaft, in den
Gruben von Wales und Wicklow, ihm große oͤrtliche Vortheile gewaͤhren
muͤßten, und er gab sie nur auf, weil ihm wenig Hoffnung blieb, dieselben
jemahls mit Erfolg ausgefuͤhrt zu sehen.
Er bediente sich einer Retorte aus Gußeisen, durch welche die schwefeligsauren Dampfe
mit atmosphaͤrischer Luft in eine Kammer geleitet wurden, welche vor allem
Rauche des Ofens vollkommen gesichert war. Er arbeitete zuweilen mit einer halben
Tonne (10 Ztn.), zuweilen mit drei Mahl soviel, taͤglich. Er versuchte jeden
Grad von Hize, unter welchem das Gas entwikelt werden konnte, von der untersten
Rothgluͤh-Hize bis zur groͤßten Hize, die die Retorte zu ertragen
vermochte. Er unterzog sein Material der Gluͤh-Hize in jeder Dauer von 2
Stunden bis zu 24 Stunden. Er leitete das Gas in die Kammern mit jeder
Geschwindigkeit zwischen der hoͤchsten und moͤglich langsamsten
Stroͤmung. Er machte den Versuch ohne Salpeter, fand aber, daß er auf diese
Weise nicht die mindeste Verdichtung bewirken konnte, und gab diesen Versuch bald
wieder auf. Die salpeterigsauren Daͤmpfe wurden mittelst
Schwefelsaͤure aus dem Salpeter entwikelt, und durch einen besonderen Canal
in die Kammer geleitet. Die Menge Salpeters wechselte zwischen Einem Sechszehntel
und Einem Zweiunddreißigstel des angewendeten Schwefelkieses. Zuweilen wurde Dampf
allein, zuweilen Dampf in Verbindung mit atmosphaͤrischer Luft in die Kammer
mittelst eines besonderen Canales, und unter verschiedenen Abaͤnderungen eingelassen:
ein ander Mahl ließ man diese beiden Huͤlfsmittel weg. Man hat, mit einem
Worte, jede Vorrichtung versucht, die nur immer ausgedacht werden konnte, und immer
mit demselben uͤblen Erfolge. Schwefeligsaures Gas wurde immer in
unermeßlichen Ueberfluße erzeugt, konnte aber nicht verdichtet werden. Man konnte
nicht die Haͤlfte der nach der alten Methode in einer gewissen Zeit
erhaltenen Menge Schwefelsaͤure zu Stande bringen, und da das Capital,
welches in bell Bleikammern stekt, eine Hauptsache ist, so wuͤrde ein so
großer Abgang am Producte unter jedem Verhaͤltnisse zum Untergange
fuͤhren. Bei den obigen Versuchen liefen die Gasarten durch eine Reihe von
Kammern, die 240 Fuß in der Laͤnge hielten.
Wenn man diesen Gegenstand etwas genauen betrachtet, so findet sich, wie es uns
scheint, nichts, was man nicht a priori erwarten
koͤnnte. Gemeiner Schwefelkies, oder, wie wir ihn fortan nennen wollen.
Eisen-Bisulfuret, besteht, in runden Zahlen, aus 52 Theilen Schwefel und 48 Theilen
Eisen. Wenn dieses Bisulfuret einer niedrigen Rothgluͤh-Hize ausgesezt wird,
unter Zutritt der atmosphaͤrischen Luft, so gibt es nur die Haͤlfte
seines Schwefels, die in schwefeligsaͤures Gas verwandelt wird, ab, so daß
der Ruͤkstand ein Protosulfuret wird. Allein, da das Eisen in hoͤherer
Temperatur eine sehr große Verwandtschaft zum Sauerstoffe hat, so gibt dieses
Protosulfuret, wenn es in Beruͤhrung mit einer neuen Menge Sauerstoffes der
atmosphaͤrischen Luft kommt, den Ruͤkstand seines Schwefels von sich,
und wird in rothes Oxid verwandelt. Diese Verbindungen gehen waͤhrend dieser
Arbeit mehr oder minder schnell vor sich, und wird sie lange genug fortgesezt, so
wird der Ruͤkstand ein rothes Oxid, das gaͤnzlich alles Schwefels
beraubt ist.
Nun hat die atmospaͤrische Luft, die durch eine Tonne Schwefelkies
durchstreicht, mehr dann eine halbe Tonne Sauerstoff an die schwefelige
Saͤure abzugeben, und vier Fuͤnftel Tonne, um das Eisen zu oxidiren,
so daß beinahe Eine Tonne Sauerstoff abgesezt werden muß, ehe ein Atom desselben in
der Kammer zur Verwandlung der schwefeligen Saͤure in Schwefelsaͤure
verwendet werden kann. Da nun die atmosphaͤrische Luft Ein Fuͤnftel
Sauerstoff enthaͤlt, so muͤßten fuͤnf Tonnen derselben in die
Kammer kommen, wovon noch nichts zur Verwandlung der schwefeligen Saͤure
in Schwefelsaͤure in Rechnung kam: das Volumen hiervon will ich unseren
Lesern zur Berechnung uͤberlassen.
Ich will zugeben, daß hier die Sache in dem unguͤnstigsten Lichte dargestellt
ist, indem, bei dem gewoͤhnlichen Verfahren, der Ruͤkstand theils
Protosulfuret, theils rothes Oxid ist. Es ist indessen eine treue Darstellung von
dem, was stets mehr oder weniger Statt hat.
Allein, die Schwierigkeit hat hier noch nicht ihr Ende erreicht. Denn, obschon
Sauerstoff in der Kammer, aber so verduͤnnt vorhanden ist, daß er nur einen
unbedeutenden Theil der ganzen Masse bildet, so wurde doch die Vereinigung der
schwefelig- und salpeterigsauren Gase so aͤußerst schwer, und endlich
gaͤnzlich unmoͤglich. Diese Thatsache hat die Erfahrung jedem
Schwefelsaͤure-Fabrikanten gelehrt. Er hat wahrgenommen, wie rasch die
Verdichtung beim Anfange der Verbrennung vor sich geht, wo naͤmlich die
Atmospaͤre in den Kammern ihr gehoͤriges Verhaͤltniß von
Sauerstoff enthält, und wie, sobald dieses Verhaͤltniß abnimmt, die
Verdichtung langsamer wird, und endlich aufhoͤrt, noch ehe die Materialien
erschoͤpft sind.
Die HHrn. Vivians, diese geistreichen Besizer
weitlaͤufiger Kupferwerke in der Nachbarschaft von Swansea, haben eine Menge
sinnreicher Vorrichtungen angewendet, um die ungeheueren Volumen schwefeligsaurer
Daͤmpft zu verdichten, welche sich während des Roͤstens zur großen
Ungelegenheit der ganzen Nachbarschaft entwikeln.Vergl. polytechnisches Journal Bd. XII. S.
257. A. d. R. Man rieth ihnen diese Daͤmpfe in eine Bleikammer zu leiten, und dort
auf salpeterige Daͤmpfe stoßen zu lassen, in der Hoffnung, daß diese sich
dort zur Schwefelsaͤure verdichten, und dadurch zwei Vortheile zugleich
erlangt wuͤrden: Erzeugung naͤmlich eines schaͤzbaren Produktes
und Beseitigung der Ungelegenheit fuͤr die Nachbarschaft. Allein das Resultat
entsprach der Erwartung durchaus nicht. Die große Menge fremdartiger Gase hinderte
die Vereinigung der schwefelig und salpeterigsauren Dampfe, und man erhielt keine
Schwefelsaͤure.
Die Patent-Traͤger haben in ihrer Patent-Erklaͤrung eine hoͤchst
studirte Zweideutigkeit beobachtet, insoferne sie von Anwendung des Salpeters bei
ihrem Verfahren sprachen. Sie sagen, daß sie die metallischen oder anderen Sulfurete in
Beruͤhrung mit der atmospaͤrischen Luft, oder mit anderen
imponderablen sauerstoffhaltigen Substanzen verbrennen. Nun gibt es aber keine
imponderable, d.h., nicht schwere Substanz, welche Sauerstoff enthielte. Um diesen
Mißgriff zu beseitigen, hatten sie nur sagen duͤrfen, was sie anwenden, um
Sauerstoff bei ihrer Arbeit zu erhalten. Wenn es salpeteriger Dampf war, so
haͤtten sie es sagen sollen, und nicht das Publicum bis zum Ablaufe ihres
Monopol-Rechtes hindern sollen, eine Reihe von Versuchen anzustellen, um den Sinn
ihrer Worte zu errathen.
Es scheint aber, nach der Zeugen-Aussage in ihrem Processe gegen Thompson und Hill, daß sie die
Absicht hatten, das Publicum glauben zu machen, sie verfertigten
Schwefelsaͤure ohne Salpeter. Bei diesem Processe wurden zwei
beruͤhmte Chemiker vorgefuͤhrt, um zu beweisen, daß sie mehrere Tage
zu Bromley waͤhrend der Schwefelsaͤure-Fabrication gegenwaͤrtig
waren, daß sie der Arbeit zusahen, und daß Schwefelsaͤure ohne Salpeter
erzeugt wurde.
Obschon wir weit entfernt sind, die Wahrheitsliebe und die Kenntnisse dieser
ausgezeichneten Maͤnner in Anspruch zu nehmen, so glauben wir doch Ursache zu
haben, zu zweifeln, daß selbst die in dem Berichte erwaͤhnte geringe Menge
Schwefelsaͤure ohne Salpeter erzeugt wurde. Das Experiment wurde nicht in
ihrem eigenen Laboratorium, nicht in dem Kreise ihrer eigenen Beobachtung
angestellt. Die Patent-Traͤger, wo sie anderen die Erlaubniß verkaufen
wollten, sich ihres Privilegiums zu bedienen, sezten immer Salpeter in guter Dosis
unter den Ausgaben an. In den Versuchen, die ich ohne Salpeter machte, erhielt ich
nie Schwefelsaͤure: Sir Humphry Davy mag hier als
Zeuge gelten. Er sagt: Chem. Phil. S. 275:
„Man erhize eine Porzellan-Roͤhre zur Rothgluͤh-Hize,
und lasse die staͤrkste Schwefelsaͤure in Dampfen durchziehen: ein
Theil derselben wird zersezt werden.“ Man darf also aus diesem
Versuche mit Recht schließen, daß, wenn er laͤnger fortgesezt worden
waͤre, die ganze Saͤure zersezt worden seyn wuͤrde. Wenigstens
konnte man kein entgegengeseztes Resultat erwarten. Ich weiß, daß einige altere
franzoͤsische Chemiker einer entgegengesetzten Meinung waren: allein,
abgesehen davon, daß der Versuch unseres Praͤsidenten ein ganzes Heer
derselben aufwiegt, scheint die zersezende Kraft der Waͤrme auch noch besser mit allen Analogien
in der Natur zu stimmen, so wie mit der auf Thatsachen gegruͤndeten
Erfahrung.
Seit der großen Entdekung der HHrn. Clement und Deformes, welche die Verbesserung und den herabgekommenen
Preis der Schwefelsaͤure zur Folge hatten, so wie sie auf gewoͤhnliche
Weise bereitet wird, ist es wahrscheinlich, daß alle Versuche dieselbe durch
Zersezung metallischer Sulfurete zu erzeugen mißlingen werden, besonders aber so
lange, als unsere freundschaftlichen Verhaͤltnisse mit den suͤdlichen
Staaten dieselben bleiben.