Titel: | Vorschlag zu einer Eisenbahn zwischen Paris und Le Havre, vorgelesen von Hrn. Navier an der Académie des Sciences, den 1. Mai 1826. |
Fundstelle: | Band 21, Jahrgang 1826, Nr. CXXXI., S. 520 |
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CXXXI.
Vorschlag zu einer Eisenbahn zwischen Paris und
Le Havre, vorgelesen von Hrn. Navier an der Académie des Sciences, den 1.
Mai 1826.
Aus dem Globe, 4. Mai 1826, im Bulletin des Sciences
technologiques, Julius. S. 52. (Im Auszuge.)
Navier's, Vorschlag zu einer Eisenbahn.
Frankreich hat, was merkwuͤrdig ist, bisher keine
Eisenbahn. Bekanntlich schlug Hr. Dupin einen Canal in
dieser Richtung vor, der aber bloß am linken Ufer der Seine laufen sollte, und
unendliche Schwierigkeiten darboth. Hr. Berigny will die
Seine gehoͤrig schiffbar gemacht wissen, und berechnet die Kosten hierzu auf 20 bis 25
Millionen. Seit ungefaͤhr einem Jahre hat eine Gesellschaft der Regierung den
Vorschlag gemacht, eine doppelte Eisenbahn von Paris nach Havre zu errichten. Die
Gesellschaft will die Eisenbahn auf ihre Kosten errichten, und den Transport der
Waaren besorgen, wenn man ihr 14 Centimen fuͤr die Tonne auf eine Streke von
Einem Chilometer von Havre nach Paris, und 10 Centimen von Paris nach Havre zu
fordern gestattet: dieß gibt fuͤr die Streke von Havre bis Paris in der
ersten Richtung 30 Franken 80 Cent. fuͤr die Tonne, und in der zweiten 22
Franken.
Hr. Navier entwikelt die bei uns in Deutschland nun
allgemein bekannte, aber noch nirgendwo angewendete, Theorie der Eisenbahn. Er
berechnet die ganze Laͤnge der Bahn von Paris bis Havre zu 55 franz. Meilen,
und rechnet auf ein, Eine franzoͤsische Meile in Einer Stunde im Schritte
gehendes, Pferd, 6 Tonnen Last: nur auf einem Achtel des Weges wuͤrde die
doppelte Zahl der Pferde noͤthig seyn.
Die Auslagen fuͤr seine doppelte, 6 Meter breite Bahn, (die in der ganzen
Breite aber 9 Meter, und in Aufschuͤttung und Abtragung im Durchschnitte Ein
Meter betruͤge), berechnet er, wie folgt:
Eisen, fuͤr die Laͤnge eines
Meter
50
Franken.
Unterlagen in Stein
15
–
Pflasterung oder
Aufschuͤttung
12
–
Gewoͤhnliches
Aufschuͤtten
8
–
–––––––––
Im Ganzen fuͤr Ein Meter
85
Franken.
Dieß gibt fuͤr 22,000 Meter zu 85
Franken
18,700,000
–
Außerordentliches
Aufschuͤtten
1,250,000
–
Bruͤken, Kreuzungen, und andere
Kunstarbeiten
700,000
–
Preis der Gruͤnde, im
Verhaͤltnisse von Einem Francfuͤr das □ Meter,
oder 9 Francs fuͤr das laufende Meter,was 10,000 Francs
fuͤr das Hektar gibt
1,980,000
–
–––––––––
In Allem
22,630,000
–
Kosten der Leitung, Verwaltung,
Expropriationen, 1/20
1,131,500
–
Unvorgesehene Ausgaben, ungefaͤhr
1/10
2,238,500
–
–––––––––
In Allem, Franken auf das Meter,
26,000,000
–
Interesse der Capitalien bis zur
Dividende
4,000,000
–
–––––––––
Gesammt-Auslage:
30,000,000
–
Interesse des Capitales zu 5 p. C.
1,500,000
Franken.
Unterhaltung der Bahn und
Kunstarbeiten
300,000
–
Verwaltung und Aufsicht
200,000
–
–––––––––
2,000,000
–
Diese Schaͤzung uͤbersteigt die der englischen Eisenbahn-Meister um ein
Bedeutendes. Hr. Tredgold berechnet (a practical treatise on rail roads and carriages, 1825.
p. 141.) die Kosten einer Eisenbahn mit doppeltem
Geleise auf 5,000 Pfund Sterling fuͤr die englische Meile: d.h. 125,000
Franken fuͤr 1609 Meter, oder 78 Franken fuͤr Ein Meter. Da aber das
Eisen in Frankreich theurer ist, als in England, muͤßte man noch 30 Franken
fuͤr jedes Meter hinzufuͤgen; was also 108 Franken statt 78
gaͤbe. Navier's Schaͤzung
uͤbersteigt auch die der HHrn. Gebruͤder Séguin und Biot in dem Compte rendu aux Actionnaires du chemin de fer de St. Etienne
à Lyon.
Den Ertrag dieser Eisenbahn berechnet Hr. Navier auf
folgende Weise. Die Transport-Kosten wuͤrden auf der Streke von Havre nach
Paris (55 franz. Meilen), in Allem nur 13 Franken 78 Cent. betragen, und von Paris
nach Havre nur 8 Franken 25 Cent. Nun hat aber, nach obiger Voraussezung, die
Gesellschaft das Recht von Havre nach Paris 30 Franken 80 Cent., und von Paris nach
Havre 22 Franken zu fordern (im Mittel 27 Franken, 87 Cent.); folglich gewinnt die
Gesellschaft an jeder Tonne 15 Franken 93 Cent. Da nun die nothwendige Einnahme nur
2 Millionen betraͤgt, so steht man, daß nur 126,000 Tonnen Maaren diesen Weg
passiren duͤrfen, um diese Einnahme zu gewaͤhren. Ist diese einmahl
gemacht, so hat man fuͤr jedes Tausend Tonnen daruͤber 16,000 Franken
reinen Gewinn. Nach den genauesten Berechnungen, vorzuͤglich jenen des Hrn.
Bérigny, scheinen die Waaren, die von Paris
nach Havre hinab gehen, nur die Haͤlfte derjenigen zu betragen, die in
entgegengesezter Richtung ziehen. Man kann die Waaren, die auf diesem Wege hin und
her gehen, ungefaͤhr auf 300,000 Tonnen schaͤzen. Wuͤrden sie
alle auf der Eisenbahn laufen, so gaͤbe dieß einen jaͤhrlichen Gewinn
von 2,700,000 Franken. Es wird aber ein großer Theil derselben diesen Weg
einschlagen.
Der Transport der Waaren von Havre nach Paris kostet zu Wasser auf der Seine, wo er
langsam, beschwerlich, und zuweilen die Haͤlfte des Jahres uͤber
unmoͤglich ist, im Durchschnitte 30 Franken 80 Cent.; von Paris nach Havre in
dem von der Gesellschaft angegebenen Verhaͤltnisse aber weniger.
Auf Dampfbothen bis nach Rouen, und auf Flußbothen von Rouen nach Paris kostet eine
Tonne zwischen 45 bis 50 Franken.
Auf gewoͤhnlichen Dampfbothen von Havre nach Paris 55 bis 57 Franken.
Auf eisernen Dampfbothen 60 bis 70 Franken.
Mit gewoͤhnlichem Land-Transporte kommt die Tonne auf 90 Franken.
Mit schnellerem Fuhrwerke, die Tonne auf 120 Franken.
Es muß hier der Unterschied zwischen den Preisen des Transportes auf den
gewoͤhnlichen Schiffen, auf den schnelleren Dampfbothen, und auf den noch
schnelleren Landfuhrwerken auffallen. Nach Hrn. Bérigny werden von 200,000
Tonnen, die jaͤhrlich von Rouen nach Paris expedirt werden, 40,000 zu Lande
verfahren. Zu Lande gehen jaͤhrlich 78,000 Tonnen von Havre nach Paris.
Offenbar ist also Schnelligkeit des Transportes eine Hauptbeduͤrfniß des
Handels.
Wenn man nun auf der Eisenbahn nur so viel von Havre bis Paris bezahlt, als man
fuͤr den langsamen und gefaͤhrlichen Transport auf der Seine bezahlen
muß, naͤmlich 30 Franken 80 Cent., so erhaͤlt man seine Waaren sicher
und ohne alle Beschaͤdigung in 2 1/2 Tagen; also um vieles schneller, als auf
dem schnellsten Land-Transporte, wo man 120 Franken fuͤr die Tonne bezahlen
muß. Wenn man die Pferde im Trabe laufen lassen wollte, kaͤmen die Waaren
noch ein Mahl so schnell; allein die Transport-Kosten kaͤmen mehr als die
Haͤlfte theurer. Wenn man Dampfwagen, oder an den Abhaͤngen
Dampfmaschinen anwenden wollte, so wuͤrde allerdings der Transport schneller
und wohlfeiler. Auf der Eisenbahn von Stokton nach Darlington laufen die Dampfwagen
3 franzoͤsische Meilen in Einer Stunde.
Ein See-Canal von Havre nach Paris wuͤrde, nach Hrn. Navier und Bérigny, wenigstens an 200
Millionen kosten, und sich nie verzinsen. Die Waaren muͤßten auf diesen
Canal, so wie auf der Seine, man mag ihr Flußbett wie immer verbessern wollen,
wenigstens 9–10 Tage von Havre bis Paris unter Weges bleiben, und die
Transport-Kosten waͤren dieselben, wie auf der Eisenbahn, auf welcher man die Waaren in 2 Tagen
und einem halben erhaͤlt.