Titel: | Zur Kenntniß des Chinins, Cinchonins und der Chininsäure, von den HHrn. Henry, Sohn und Plisson, Apothekern etc. |
Fundstelle: | Band 25, Jahrgang 1827, Nr. XLIII., S. 137 |
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XLIII.
Zur Kenntniß des Chinins, Cinchonins und der
Chininsaͤure, von den HHrn. Henry, Sohn und Plisson, Apothekern etc.
Aus dem Journal de Pharmacie. Juni 1827. S.
268–282.
(Im
Auszuge.)
Henry, uͤber Chinin, Cinchonin und der
Chininsaͤure.
Nach folgendem Verfahren kann man zugleich sehr schnell
schwefelsaures Chinin ohne Alkohol, und Chininsaͤure erhalten. Dieses
Verfahren kann jedoch nicht im Großen vortheilhaft angewandt werden, weil es
kostspielig ist, und weil man dadurch das Product nur zum Theile erhaͤlt. Es
eignet sich hingegen wohl, um die Chinarinden in wenigen Augenbliken zu
pruͤfen, und sodann leicht zu erkennen, ob sie Alkaloïde (Chinin oder
Cinchonin) enthalten oder nicht. Es besteht darin:
Ein Kilogr. groͤblich gestoßene gelbe China (mit der grauen und rothen
Chinarinde verfaͤhrt man eben so), kocht man wie bei dem gewoͤhnlichen
Verfahren mit Wasser, das mit Schwefelsaͤure gesaͤuert ist, und wenn
die Fluͤßigkeiten durchgegossen worden, und noch heiß sind, versezt man sie
mit frisch bereitetem Blei-Oxyd-Hydrate (welches man durch Faͤllung einer
Bleizuker-Aufloͤsung mit Aezkali erhaͤlt) so lange, bis sie neutral
sind, und eine schwache gelbe Farbe angenommen haben; dazu braucht man aber den
Saͤttigungspunct der Saͤure nur um ein weniges zu
uͤberschreiten (mit fein gepulverter Bleiglaͤtte erhielten wir, was
wir sogleich bemerken wollen, nur unvollkommene Resultate). Da die
Entfaͤrbung der Decocte zum Gelingen des Verfahrens wesentlich ist, so muß
man, wenn sich die Fluͤßigkeit von einem Tage auf den anderen truͤben
sollte, ein wenig von dem Hydrate noch zusezen, und neuerdings filtriren. Im Falle
man aber aneinander fortarbeitet, hat man dieses nicht zu befuͤrchten, da die
Arbeit in einigen Stunden beendigt ist. Die gelbliche Fluͤßigkeit, welche man
so erhaͤlt, enthaͤlt ein wenig chininsaures Blei, das durch die
Saͤttigung der freien Saͤure der Decocte entsteht, viel chininsauren
Kalk und Chinin, oder Cinchonin, ein wenig gelben Faͤrbestoff, und einige
andere kaum schaͤzbare Bestandtheile. Der ausgewaschene Niederschlag aber
besteht aus Faͤrbestoffen, die mit Bleioxyd vereinigt sind, schwefelsaurem
Bleie und freiem
Chinin, welches, wie wir glauben, anfangs mit einem Faͤrbestoffe, oder
vielleicht mit allen vereinigt war. Wir konnten in diesem Niederschlage kein
basisches chininsaures Blei finden.
Aus der uͤberstehenden Fluͤßigkeit faͤllt man das Blei mit ein
wenig Schwefelsaͤure, oder durch etwas Schwefelwasserstoffgas, welches man
hindurchleitet; nachdem dieses abfiltrirt worden ist, schlaͤgt man das Chinin
mit Kalkhydrat nieder, welches man als einen duͤnnen Brei in sehr geringem
Ueberschusse zusezt. Dieses Chinin ist nun leicht in schwefelsaures
umzuaͤndern, worauf es sehr weiße seidenartige Krystalle gibt. Die
Fluͤßigkeit, welche nach der Zersezung durch Kalkerde noch uͤbrig
bleibt, enthaͤlt den chininsauren Kalk, fast rein; zur Syrupsconsistenz
abgeraucht, krystallisirt sie sehr schnell zu einer Masse, welche durch
Umkrystallisiren gereinigt werden muß. Man kann auch den chininsauren Kalk durch
Alkohol von 36° niederschlagen, und ihn sodann entweder in destillirtem
Wasser, oder in Alkohol von 15° krystallisiren lassen. Durch
Sauerkleesaͤure, welche tropfenweise zugesezt wird, erhaͤlt man daraus
die Chininsaͤure.
Bemerkungen.
Wenn die Entfaͤrbung nicht gut geschehen ist, so hat das durch Kalkmilch
gefaͤllte Chinin eine rosenrothe Farbe, und das damit dargestellte
schwefelsaure Chinin krystallisirt sehr schwer; es ist daher sehr wichtig, daß die
Fluͤßigkeit nicht rosenroth ist.
Wuͤrde man das Bleioxyd-Hydrat in sehr großem Ueberschuße zusezen, so erhielte
man zwar eine sehr klare Fluͤßigkeit, aber es waͤre fast alles Chinin
ausgefaͤllt, und es entstuͤnde auch basisches chininsaures Blei. Etwas
aͤhnliches geschieht bei dem gewoͤhnlichen Verfahren, wo der große
Ueberschuß von Kalk das natuͤrliche chininsaure Chinin zersezt; denn
wahrscheinlich wuͤrde man dabei ebenfalls chininsaures Chinin erhalten, wenn
man nur so viel Kalk zusezen wuͤrde, als noͤthig ist, um die
Saͤure nicht ganz vollstaͤndig zu saͤttigen; freilich enthielte
dieses Salz noch Faͤrbestoff, und koͤnnte deßwegen nicht leicht rein
erhalten werden.
Durch das obige Verfahren erhaͤlt man leicht wenigstens 2/3 des Chinins, und
zwar ohne Alkohol; der Ruͤkstand wird mit dem Absaze vermengt und mit
Weingeist ausgezogen, wodurch leicht noch alles erhalten werden kann.
Bei unserem Verfahren scheint folgender Proceß Statt zu finden:
Die saure Fluͤßigkeit, welche man durch das Auskochen der gelben Chinarinde
erhaͤlt, enthaͤlt die mit dem Chinine verbundenen Faͤrbestoffe
in Schwefelsaͤure aufgeloͤst, ferner chininsauren Kalk, chininsaures
Chinin und Chininsaͤure, nebst einigen anderen nicht sehr beachtenswerthen
Bestandtheilen; versezt man diese nun mit so viel Bleioxyd, als noͤthig ist,
um die freien Saͤuren zu saͤttigen, so wird dadurch auch die
Verbindung des Chinins mit dem Faͤrbestoffe zersezt, und das Metalloxyd
bildet mit lezterem einen roͤthlichen unaufloͤslichen Lak,
waͤhrend es auf den chininsauren Kalk, und das chininsaure Chinin nicht
merklich wirkt, so lange man nicht einen zu großen Ueberschuß anwendet. Nach dieser
Zersezung enthaͤlt somit die filtrirte und entfaͤrbte
Fluͤßigkeit chininsaures Chinin und chininsauren Kalk mit etwas chininsaurem
Bleie, das durch die Saͤttigung der freien Chininsaͤure entsteht. Der
Niederschlag aber besteht aus schwefelsaurem Bleie, Chinine und einem durch den
Faͤrbestoff und das angewandte Oxyd gebildeten Lake.
Ueber die Chininsaͤure.
Wir haben bereits oben das Verfahren, diese Saͤure zu erhalten angegeben; ihre
farbenlose Aufloͤsung wird durch Concentration, man mag sie im leeren Raume,
oder an freier Luft vornehmen, immer braungelb; ihr Geruch gleicht dem des
Zukercandes, und sie schmekt etwas bitter und sehr sauer; erhizt, bildet sie, ehe
sie sich zersezt, ein durchsichtiges und roͤthliches Extract; sie
krystallisirt in Warzen oder kleinen Blaͤttchen, die oft nur sehr wenig
Consistenz haben, und der Masse ein gallertartiges Ansehen geben.
Mit Bittererde, Kalk, Natrum, Bleioxyd, Chinin und Cinchonin gibt sie wahre Salze,
welche alle, das Kalksalz ausgenommen, mehr oder weniger schwer krystallisiren;
mehrere dieser chininsauren Salze konnten wir in Alkohol von 32° kaum
aufloͤsen, und die mit Chinin und Cinchonin kann man sogar durch 36gradigen
Alkohol faͤllen, und so den chininsauren Kalk, womit sie im Chinadecocte
gemengt sind, davon abscheiden. Alle diese Salze haben die merkwuͤrdige
Eigenschaft, durch Abdampfen im Marienbade ein ambragelbes Extract zu geben, welches
wie Firniß aussteht, und wenn es etwas befeuchtet der Luft ausgesezt wird,
allmaͤhlig sich in eine koͤrnige krystallinische Masse
umaͤndert. Der chininsaure Kalk ist in Alkohol von 20 bis 22°
aufloͤslich, und kann nur durch einen sehr großen Ueberschuß von
Bleioxyd-Hydrat zum Theile zersezt werden.
Natrum, Bittererde und Blei geben mit dieser Saͤure keine deutlich
krystallisirenden Salze, und die Alaunerde konnten wir als Gallerte kaum mit
Chininsaͤure verbinden, so daß wir auch von derselben zur Entfaͤrbung
einiger Producte Gebrauch machen konnten.
Chininsaures Chinin.
Wenn man mittelst gelinder Waͤrme Chinin, welches aus schwefelsaurem Chinine
gefaͤllt und gut ausgesuͤßt worden ist, in Chininsaͤure
aufloͤst, so erhaͤlt man eine klare, etwas saͤuerliche
Fluͤßigkeit, die sehr bitter ist, und im Marienbade abgedampft einen
ambragelben Ruͤkstand hinterlaͤßt, welchen wir mit sehr wenig
destillirtem Wasser versezten. Nachdem dieser einige Stunden so der freien Luft
ausgesezt war, verwandelte sich die Fluͤssigkeit in eine
warzenfoͤrmige Masse, die bald kleine glaͤnzende Krystalle darstellte,
deren Gestalt wir noch nicht bestimmen konnten.
Chininsaures Cinchonin.
Das reine hydratische Cinchonin verband sich auch mit reiner Chininsaͤure, und
verhielt sich beim Abdampfen, wie das vorhergehende Salz, und wie alle chininsauren
Salze, von denen wir weiter oben gesprochen haben. Die Krystalle desselben
loͤsen sich ebenfalls sehr leicht in Wasser und auch in Alkohol von
36° auf; sie sind sehr bitter. Ammoniak, Kalkwasser, u.s.w. scheiden aus
diesem und dem vorhergehenden Salze das Cinchonin oder Chinin aus.Die Verfasser theilten auch ein Verfahren mit, das chininsaure Chinin und
Cinchonin aus der gelben und grauen Chinarinde geradezu darzustellen, und
werden nur noch von der natuͤrlichen Verbindung des Chinins und
Cinchonins mit dem Faͤrbestoffe im zweiten Theile ihrer Abhandlung
handeln. Von beidem werden wir das Wichtigste nachtragen, sobald dieser
Aufsaz erscheint. A. d. Red.