Titel: | Erfindung gewisser Verbesserungen an Betten, Bettstellen, Sofas, Sesseln und anderen Schiffs-Meubeln; worauf Samuel Pratt, Feld-Equipagen-Fabrikant, New-Bond-Street, Parish St. George, Hanover Square, City of Westminster, in Folge einer Mittheilung eines im Auslande wohnenden Fremden, und eigener Entdekungen sich am 18. October 1826 ein Patent ertheilen ließ. |
Fundstelle: | Band 25, Jahrgang 1827, Nr. LXVI., S. 234 |
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LXVI.
Erfindung gewisser Verbesserungen an Betten,
Bettstellen, Sofas, Sesseln und anderen Schiffs-Meubeln; worauf Samuel Pratt,
Feld-Equipagen-Fabrikant, New-Bond-Street, Parish St. George, Hanover Square, City of
Westminster, in Folge einer Mittheilung eines im Auslande wohnenden Fremden,Der bin ich nicht, obschon ich dieselbe Idee 2 Jahre fruͤher
haͤtte, und zu London und Paris laut aussprach. Als ich zu Landshuth in
Bayern das Bonnetum venerabile eines Doctors der
Medicin und Chirurgie aufsezte, mußte ich, nach dem
Universitaͤts-Gebrauche, auch eine Inaugural-Rede halten, und ich
waͤhlte mir als Gegenstand derselben, „die Seekrankheit“ (le mal de
mer), die ich an mir selbst sehr genau zu beobachten Gelegenheit
haͤtte, weil ich gewaltig, mit noch einem Freunde, an derselben litt. Ich
haͤtte mich, waͤhrend meines Leidens an Hippokrates (Aphon S. IV.
14) erinnert; δηλσι δέ
χαί ή
ναυτιλίη,
δτι
χίνησις τά
σώματα
ταϱαει; und habe als Mittel gegen die
Seekrankheit Cardans bekannte Maschine vorgeschlagen,
in der die Boussole und die Schiffslampen aufgehaͤngt sind, die aber, um
einen Menschen statt der Lampe oder Magnetnadel hineinzubringen, im
vergroͤßerten Maßstabe verfertigt werden muͤßte. Diese Rede ward
am 26. Febr. 1825 oͤffentlich gelesen, und meine Zuhoͤrer werden
sich noch daran erinnern. Ich bin der Meinung, daß kein ehrlicher Mann auf eine
Idee, (wohl aber auf große gemachte Geldauslagen fuͤr irgend eine
nuͤzliche Unternehmung) ein Patent nehmen soll, und glaube, daß alle
Ideen, d.i. Gedanken, zollfrei sind vor allen
Tribunalen, und jeder sich seinen Theil denken kann; daß Niemand das Recht hat,
deßwegen, weil er fruͤher an etwas Gutes dachte, den anderen zu hindern
dasselbe Gute zu thun und zu verbreiten, da mir, mit einem Worte, ein bitterer
Haß gegen alles Privilegium-Unwesen, gegen jeden noch groͤberen Egoismus
als er ohnedieß in jedem Menschen wohnt, angeboren ist; so muß ich mich wundern,
daß Hr. Samuel Pratt sich auf meine Idee, die ich zu
London und Paris, und schon auf dem Meere selbst, meinem Capitan Mondschein (Moon) aͤußerte, ein Privilegium geben ließ.
Man wird aus der Beschreibung der Vorrichtung des Hrn. Samuel Pratt ersehen, daß sein See-Ameublement nichts
anderes als des gottlosen Kezers Cardanus Maschine in
vergroͤßertem Maßstabe ist. Wenn Cardanus etwas anderes gewesen
waͤre, wuͤrde seine Maschine sich vielleicht jezt schon in jeder
Landkutsche befinden, bloß weil mancher dike Herr auch in einem so kleinen
Dampfbothe von bloß 2 Pferden Kraft die Seekrankheit an sich und den Seinigen
zuweilen verspuͤrt. Was uns wundert, ist, daß Hr. W. Newton (der
Herausgeber des London Journal, der aber kein Isaak Newton ist, obschon er in jedem Hefte seines
Journales „the new and emproved (!!!) Globe“ verkauft), weder Cardan's,
noch der Aufhaͤngung aller Schiffslampen und Compasse auch nur mit einem
Woͤrtchen erwaͤhnt. Es ist doch wirklich sonderbar, daß es seit so
vielen Jahren noch keinem Seemanne eingefallen ist, sich selbst so zu achten,
wie seine Seelampe und seinen Compaß. Ich habe schon in der ersten Nacht auf dem
Schiffe gewuͤnscht, wenigstens so, wie die Schiffslampe in der
Cajuͤte, aufbewahrt zu seyn. Der Uebersezer, Dr. Julius Herrmann
Schultes. und eigener Entdekungen sich am 18. October
1826 ein Patent ertheilen ließ.
Aus dem London Journal of Arts. Mai 1827. S.
117.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.Wir uͤbersezen woͤrtlich. A. d. U.
Pratt's, Erfindung gewisser Verbesserungen an Betten
etc.
Der Hauptzwek dieser Erfindung ist, einen elastischen,
schwingenden Siz, oder ein solches Lager oder Bett fuͤr den Schiffsgebrauch
zu verfertigen, wodurch die unangenehmen Wirkungen, welche einige Leute von der
Bewegung des Schiffes empfinden, und die man Seekrankheit nennt, vermieden
werden.
Dieser verbesserte Apparat kann auf verschiedene Weise eingerichtet werden. Die
Hauptsache ist, das Gestell des Sizes oder Lagers auf Gefuͤgen oder Zapfen
aufzuhaͤngen, die sich unter rechten Winkeln gegen einander drehenAlso genau Cardan's Vorrichtung. A. d. U., Size und Lager elastisch zu machen, und das sich schwingende Gestell mit
Spiral-Federn aus Metall zu versehen.
Nachdem das Gestell, auf welches die Kissen fuͤr Size oder Sofas oder Betten
gelegt werden, aus Holz in gehoͤriger Groͤße und Form verfertigt
worden ist, wird der untere Theil desselben mit gespanntem Canevaß
uͤberzogen, und mit staͤrkerem Gewebe gekreuzt: auch kann das
gewoͤhnliche Grundlager bei Sesseln, Sofas und Betten hierzu verwendet
werden.Gekreuzte Gurten wuͤrden am besten taugen. A. d. U. Auf dieses Unterlager kommt die gehoͤrige Anzahl von Spiralfedern aus
gewundenem Stahl-Drahte in Form einer Sand-Uhr, wie zwei an ihrer Spize vereinte
Kegel.Diese Stahlfeder-, nicht Feder-Betten, nennt man in Frankreich lits allemands; sie scheinen also deutsche
Erfindung. A. d. U.
Die unteren Theile dieser Federn werden auf dem Canevaß angenaͤht, und die
oberen mittelst Bindfaden in aufrechter Lage erhalten, die man wie ein Nez
uͤber dieselben zieht. Oben auf diese Federn kommt wieder eine Lage Canevaß,
und dann eine duͤnne Lage von Roßhaar oder Wolle, worauf der aͤußere
Ueberzug zu liegen kommt, nach dem Geschmake des Fabrikanten.Hr. Pratt scheint das Matrazen-Machen und
Auspolstern der Size auf Sesseln nicht recht zu verstehen. Wenigstens
koͤnnen wir in Deutschland das Ding besser, als es hier beschrieben
ist. A. d. U.
Es ist offenbar, daß diese Vorrichtung nach Art der Sessel, Sofas, Betten, die man
verfertigen will, verschieden seyn muß; es ist also bloß noͤthig, die
Errichtung des Schwing-Gestelles an einem kleinen Ruhelager zu zeigen, da bei den
groͤsseren nur die Dimensionen geaͤndert werden duͤrfen, ohne
daß man von der Hauptidee abzuweichen braucht.
Fig. 15.
zeigt ein solches Sofa von vorne mit dem Holzwerke und dem Schwing-Gestelle, worauf
das Kissen, a, a, ruht, welches auf obige Weise
verfertigt und durch die Stahlfedern elastisch gemacht wurde, die man in punctirten
Linien angedeutet sieht.
Die Form des hoͤlzernen Gestelles, d.i. des Gestelles, worauf auf das Kissen ruht, kann auf
eine geschmakvolle Weise nach der Mode eingerichtet werden; das Schwinggestell unten
aber erlaubt keine AbaͤnderungSo wie Cardan's Idee keine Abaͤnderung
gestaltet: alles im rechten Winkel. A. d. U., außer in der Dimension, und in der Anwendung einer groͤßeren oder
geringeren Anzahl von Federn, oder eines Gegengewichtes unten, je nachdem man
naͤmlich einen Stuhl, ein Sofa oder ein Bett verfertigen will. Fig. 16. ist
ein Grundriß oder eine horizontale Ansicht des Schwinggestelltes, wodurch noch
deutlicher, als in der vorigen Figur, die Art und Weise angedeutet wird, wie die
Seitenfedern unten anzubringen sind, um dem Schwinggestelle bei seinen Schwingungen
zu begegnen. Der obere Rand des Schwinggestelles, den man bei, b, b, Fig. 15. sieht, ist aus
geschlagenem Eisen, worauf die Matraze fuͤr das Sofa, oder der Polster
fuͤr den Sessel befestigt ist. c, c, sind Stangen
oder Arme, die den oberen Rand mit der unteren Stange, d,
d, verbinden, an deren Stelle auch eine Kiste mit Gewichten angebracht
werden kann, e, e, sind Spiral-Federn, die an den Seiten
und Enden der unteren Stange angebracht werden, und diese Federn werden durch
Boͤke gehalten, die von dem Boden-Gestelle, f, f,
auslaufen. Statt dieser Boͤke kann auch ein Metallrand oder eine Metallplatte
um den unteren Theil dieser Vorrichtung angebracht werden, damit die Federn sich
dagegen stuͤzen koͤnnen.
Der obere Rand, b, b, des Schwinggestelles ist mittelst
der Gefuͤge, g, g, an dem zweiten Rande, h, h, befestigt, und dieser durch aͤhnliche
Gefuͤge, i, mit den senkrechten Stuͤzen,
k, verbunden.
Auf diese Weise schwingt sich der Polster oder die Matraze auf Unterlagen, die sich
frei auf ihren Verbindungen schaukeln, und mit welchen das elastische Kissen
zugleich nachgibt; wenn mehrere Personen auf dem Sofa sizen, so wird die Wirkung des
Schlingerns und Stampfens des Schiffes groͤßten Theils = 0. Diese Kissen und
Sofas koͤnnen auch auf dem Lande gebraucht werden (!)Das Lustigste bei diesem Patente ist, daß weder der Patent-Traͤger,
noch sein im Auslande wohnender heiliger Geist, noch Hr. Newton einsehen, worauf es bei dieser Vorrichtung
eigentlich ankommt; daß sie nicht wissen, daß man auf einem harten
Brettchen, das nach
Cardan's Art aufgestellt ist, eben so sicher
gegen Seekrankheit sizt, als auf 10,000 Federn. So geht's in der Welt, man
sucht den Sattel, und sizt darauf. A. d. U.
Der Herausgeber (Hr. W. Newton) fuͤhlt großes
Vergnuͤgen, im Stande zu seyn, von dieser Erfindung aus eigener Erfahrung zu
sprechen, da er das Gluͤk haͤtte, diesen Apparat vor kurzer Zeit auf
einer Reise nach Paris benuͤzen zu koͤnnen, bei welcher Gelegenheit er
ihn zu einem, nach seiner Ansicht entscheidenden. Versuche verwendete, sowohl am
Borde des Schiffes, als Mittel gegen die Seekrankheit, als zu Land, als Sizpolster
auf der Reise (!).
Leute, die nicht an die See gewohnt sind, leiden bei einer kurzen Seereise, wenn das
Meer unruhig ist, gewoͤhnlich an der Seekrankheit. Schreiber dieses ist der
Seekrankheit besonders unterworfen, und erlaubt sich daher sagen zu duͤrfen,
daß sein Versuch ein beweisender Versuch ist. Sobald er in das Paketboth trat, das
uͤber den Canal faͤhrt, sezte er sich auf diesen neuen Apparat, und
blieb 2 Stunden lang auf demselben, ohne die mindeste Spur von Seekrankheit zu
empfinden, obschon mehrere Personen neben, ihm bedeutend an derselben litten. Er
dachte, daß dieß vielleicht einem besonderen Zustande seines Magens in diesem
Augenblike zuzuschreiben seyn koͤnnte, der ihn jezt weniger, als
gewoͤhnlich, fuͤr die Seekrankheit empfindlich machte, und ließ sich
verfuͤhren, seinen Siz zu verlassen, und auf das Verdek zu gehen: er
haͤtte aber kaum 20 Schritte auf demselben gethan, als die Bewegung des
Schiffes die Seekrankheit in ihm erzeugte, so daß er kaum Zeit haͤtte, seinen
Siz zu erreichen, auf welchem sie augenbliklich verschwand. Er blieb gesund; denn er
verließ seinen Siz nicht wieder, bis er in dem Hafen einlief.Es ist Erfahrungssache, daß nur gewisse Leute von der Seekrankheit ergriffen
werden. Mein Vater, der nie auf der See war, haͤtte das Mal de mer weder auf der lang dauernden Fahrt
nach England von Holland aus, noch auf der Ruͤkfahrt uͤber den
Canal, wo Alles, was am Borde des Bothes war (einige 90 Menschen) bis auf
meinen Vater und einen alten Mann und die Seeleute, seekrank wurde, weil die
See sehr hoch ging. A. d. U.
„(Hr. Newton beschreibt uns nun die Vortheile
seines elastischen Sizpolsters in einer franzoͤsischen Diligence sehr
breit; wir glauben die Beschreibung dieser Vortheile ad
posteriora a priori weglassen zu duͤrfen.)“
Mehrere Personen haben mit dem Patent-Traͤger eine viertaͤgige
Probfahrt in einem Bothe im Canale gemacht, und der Erfolg war der oben angegebene.
Es ist also kein Zweifel, daß diese elastischen „(!)“ Polster
am Borde eines Schiffes fuͤr jeden Fall große Erleichterung bei der
Seekrankheit, wenn nicht gaͤnzliche Beseitigung derselben zu bewirken
vermoͤgen.
Wir empfehlen dem Patent-Traͤger dringend, einige solche elastische
Stuͤhle in die Haupthafen Englands, vorzuͤglich nach Dover, Brighton,
Holyhead und Liverpool zu senden, und sie Reisenden zu lehnen. Schwaͤchlichen
Personen wuͤrde dieß eine wahre Wohlthat seyn, und er wuͤrde dabei
wahrscheinlich sehr viel gewinnen.Wir empfehlen unseren liehen Landsleuten zu Hamburg, Bremen, Luͤbek
und Stettin die auslaͤndische Elasticitaͤt bei Seite zu
lassen, und der deutschen Derbheit treu zu bleiben; nur Feldstuͤhle
vorzurichten, in welchen sie diejenigen ihrer Passagiere, die, in einer
anderen Hinsicht, ebenso brechbar und empfindlich sind, als ihr Compaß,
ebenso ruhig horizontal schwebend halten koͤnnen, als diesen –
und sie werden keine Speibeken brauchen. Ein hartes Brettchen wird dasselbe
thun, wenn es so vorgerichtet ist, wie der Compaß, wo es nur groß genug ist,
um einen Passagier darauf sizen zu lassen. A. d. U.
Es scheint uns, daß Betten, Sofas, Stuͤhle und viele andere
Hausgeraͤthe, so wie auch Kutschen-Kissen und Reissattel von dem
Patent-Traͤger auf dieselbe Weise mit Spiralfedern verfertigt werden
koͤnnen, und wohlfeiler kommen, als aͤhnliche Meubeln mit Roßhaar oder
Wolle ausgestopft; fuͤr jeden Fall sind sie weit elastischer als
leztere.Man scheint also in England die deutschen
Feder-Matrazen und Sizpolster
fruͤher ebensowenig gekannt zu haben, als in Frankreich. A. d. u.