Titel: | Ueber die neuen Filter oder Durchseiher des Hrn. Taylor zur Zuker-Raffinerie. Von Hrn. Payen. |
Fundstelle: | Band 25, Jahrgang 1827, Nr. XCIII., S. 326 |
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XCIII.
Ueber die neuen Filter oder Durchseiher des Hrn.
Taylor zur
Zuker-Raffinerie. Von Hrn. Payen.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement. N. 274. S. 122.
Payen's, uͤber die neuen Filter oder Durchseiher zur
Zuker-Raffinerie.
Man hat schon oft bedauert, daß Vorurtheile gegen Neuerungen
die Verbreitung nuͤzlicher Erfindungen hindern; es ist aber eben so traurig,
daß man oͤfters, ohne vorausgegangene gruͤnliche Pruͤfung, die
uͤbertriebenen Vortheile neuer Erfindungen lobpreisen hoͤrt. Die Sucht
nach Neuerungen, die einige unserer Landsleute aus England nach Hause gebracht zu
haben scheinen, und die jezt bei uns anfaͤngt Mode zu werden, scheint uns
desto mehr zu fuͤrchten zu seyn, als sie selbst auf diejenigen
anfaͤngt ihren Einfluß zu aͤußern, die durch ihre Kenntnisse und durch
ihren Stand die oͤffentliche Meinung in Hinsicht auf Industrie leiten
sollten.
Diese Betrachtungen drangen sich uns, so zu sagen, von selbst auf, als wir neulich
oͤffentlich gewisse Grundsaͤze uͤber
Runkelruͤbenzuker-Gewinnung und Raffinirung desselben, und des Rohrzukers
aͤußern hoͤrten. Wir wollen diese gewagten Behauptungen hier
beleuchten, um das Publicum zu warnen und es aufzufordern gegen gefaͤhrliche
Taͤuschungen in der Fabrik-Industrie-Praxis auf seiner Huth zu seyn. Wir
wolle mit der Pruͤfung der neuen Filtrir-Mittel beginnen.
Die Filter des Hm. Taylor“, hat man gesagt,
„sind eine gluͤkliche Verbesserung Der Filter des Hrn. Harwood; sie sind weniger zusammengesezt, weniger
kostbar, als diese, sind bequemer, und gewaͤhren dieselben Vortheile. Sie
sind eine wahre und große Verbesserung jener Kunst, die in unseren Tagen so
wenig Fortschritte gethan hat, daß das alte Verfahren in den Colonien, und die
Verfahrungs-Weise des seligen Achard noch immer die
Basis der Arbeiten desselben bilden.“
Man muß gestehen, daß derjenige, der bei dem Verkaufe des Rechtes dieser Filter
interessirt ist, dieselben unter keinem haͤtte darstellen koͤnnen; er
koͤnnte in dieser Hinsicht Entschuldigung finden, wenn er den Gebrauch seines
privilegirten Filters allgemein verbreitet zu sehen wuͤnscht.
Wir wollen sehen, in wiefern diese Filter die Kunst vervollkommnen konnten, und
inwiefern sie von aͤhnlichen, schon in den aͤltesten Zeiten
gebraͤuchlichen. Filtern abweichen.
Man bedient sich in den Laboratorien der Chemie und Pharmacie seit der Entstehung
dieser Wissenschaften regelmaͤßig gefalteter, papierner Filter, die in einem
gegebenen Raͤume eine drei Mahl groͤßere Oberflaͤche, als die
sie umgebende Huͤlle, der Trichter naͤmlich, der sie
zusammenhaͤlt, darbiethen. Man konnte das Filtriren, oder den Durchfluß der
Fluͤßigkeit durch die Papierlagen nicht kraͤftiger bewirken, als durch
Vergroͤßerung der filtrirenden Oberflaͤche, und durch
Vervielfaͤltigung der Ausgange, die die Fluͤßigkeit zu nehmen hat.
Die Filter des Hrn. Taylor sind also ganz nach dem
Grundsaze, nach welchem die alten Filter angelegt sind, eingerichtet. Bei den
Filtern des Hrn. Taylor vertreten die
kegelfoͤrmigen Sake aus Baumwollenzeugen, deren Muͤndungen sich in
einer Kiste befinden, die Stelle des Trichters, und die anderen drei Mahl
groͤßeren Saͤke von derselben Form und aus demselben Stoffe, die also
eine drei Mahl groͤßere Oberflaͤche darbiethen, vertreten die Stelle
des papiernen Filters. Dieses neue Filter ist bloß dadurch von dem alten
verschieden, daß es unregelmaͤßig und ohne alle Kunst gefaltet ist. Dieß ist
die einzige Vervollkommnung, die wir an demselben finden, und die in einigen Fallen
nuͤzlich seyn kann. Aber selbst dadurch entsteht, wie wir weiter unten zeigen
werden, kein besonderer Vortheil bei dem Raffiniren des Zukers.
Sind diese Filter wirklich die erste Anwendung des Grundsazes im Großen, nach welchem die
Filter in den Laboratorien gebaut sind? Gewiß nicht. Die Filter des Hrn. Howard, die aus einer Menge
Rahmen bestehen, die mit Metall-Geweben uͤberzogen sind, und so eine große
filtrirende Oberflaͤche bilden, umschließen in demselben Raͤume eine
weit groͤßere Oberflaͤche, und bei der Weise, nach welcher Hr. Howard bei dem Raffiniren verfaͤhrt, war eine
solche Groͤße filtrirender Oberflaͤche nothwendig, um die Thonerde
schnell aus dem Syrupe zu scheiden, die so außerordentlich fein ist, und deren er
sich zur Entfaͤrbung des geschmolzenen Zukers bediente, nachdem er ihn aus
einer Alaun-Aufloͤsung niederschlug.
Eine andere Anwendung der kleinen Filter der Laboratorien im Großen bestand in dem
Gebrauche der Weidenkoͤrbe, die große wollene oder baumwollene Sake trugen,
und deren man sich in Zukerraffinerien seit Entstehung der Kunst des
Zuker-Raffinirens bedient. Sie waren ganz die Filter des Hrn. Taylor, wenn der Sak groͤßer waͤre, und eben so viele Falten
darboͤthe.
Wir koͤnnten noch eine Menge anderer aͤhnlicher Beispiele von Filtern,
die im Großen angewendet wurden, auffuͤhren: die hier aufgefuͤhrten
moͤgen zur Bestaͤtigung desjenigen, was wir uͤber diese
Erfindung sagten, hinreichen. Wir muͤssen jezt nur beweisen, daß ihr Nuzen
nur in der Zuker-Raffinerie null, oder fuͤr Frankreich wenigstens unbedeutend
ist, wo man sich allgemein der thierischen Kohle bedient.
Ein gutes Filtrir-System muß nicht nur den Zwek haben die thierische Kohle zu
entfernen, sondern auch die Einwirkung derselben zu verlaͤngern und zu
verstaͤrken suchen, indem sie dieselben mit denjenigen Theilchen der
Fluͤßigkeit in Beruͤhrung bringt, die waͤhrend ihrer
Vermischung mit denselben in dem Kessel mit diesen nicht in Beruͤhrung kamen.
Auf dieselbe Weise wird durch Filtriren des Wassers uͤber
unaufloͤsbare Substanzen, die mit aufloͤsbaren Salzen
impraͤgnirt sind, die Zahl der Beruͤhrungspuncte mit denselben
vervielfaͤltigt, und man erhaͤlt dadurch weit staͤrkere
Aufloͤsungen der lezteren, als man durch langes Einweichen derselben in
gleicher Menge Wassers nicht erhalten haben wuͤrde. Hierauf beruht das
sogenannte baͤnderweise Waschen (lavages par
bandes) in den Salpeter-Plantagen. Um noch ein anderes Beispiel zu geben,
wollen wir nur bemerken, daß die rohe Soda, durch wiederholtes Einweichen oder Aufgießen (touillage) und Abgießen behandelt, nur mit Maͤhe
Aufloͤsungen von 10° im Durchschnitte am Beaumé'schen Araͤometer gibt, waͤhrend man dieselbe
durch ein gehoͤrig geleitetes Filtriren vollkommen ausziehen, und dadurch
leicht eine Aufloͤsung von 15° im Durchschnitte erhalten kann; wobei
man also weniger Wasser zu verdampfen hat, und folglich bedeutend an
Erzeugungs-Kosten erspart.
Noch ein Versuch, der sich leicht wiederholen laͤßt, wird die Vortheile eines
guten Filtrir-Systemes bei Entfaͤrbung des Syrupes mittelst thierischer Kohle
noch deutlicher beweisen und zeigen koͤnnen, wie sehr das neue Filter dieser
Methode nachsteht. Man nehme eine Aufloͤsung von Braun-Zuker (Caramel) in Wasser, die so sehr verduͤnnt ist,
daß die Farbe derselben nicht gesaͤttigter wird, als die der
Entfaͤrbungsmaß-Aufloͤsung (solution
décolorimétrique) zur Pruͤfung der thierischen Kohle
(d.h. ungefaͤhr von demselben Tone, den Franzbranntewein, zwischen dem Auge
und dem Lichte gehalten, darbiethet). Man nehme nun auf zwei gleiche Theile der
Braunzuker-Aufloͤsung, z.B., auf 100 Gramm, 2 Gramm thierische Kohle; man
schuͤttle jedes dieser 100 Gramm mit dieser Kohle, und schuͤtte das
eine derselben auf ein gewoͤhnliches Laboratoriums-Filter aus Papier, das
andere in eine Roͤhre von 2 Centimeter Durchmesser, die unten mit einem
Blaͤttchen nicht geleimten Papieres zugebunden ist. Die Fluͤßigkeit,
die durch das Laboratorium-Filter aus Papier laͤuft, wird auf die
Franzbranntwein-Farbe zuruͤkgebracht worden seyn, waͤhrend die
Fluͤßigkeit in der Roͤhre, bei einer doppelten Dike durch die Lage
thierischer Kohle am Boden filtrirt, kaum denselben Ton der Farbe darbiethen wird.
Es ist also offenbar, daß ein gehoͤriges Filtriren die Wirkung der
thierischen Kohle unter diesen Umstaͤnden beguͤnstigen und verdoppeln
kann.
Eine aͤhnliche Wirkung hat auch bei den gewoͤhnlichen Filtern der
Zukerraffinerien Statt. Denn, wenn man aus einem dieser Filter etwas Syrup nimmt,
nachdem die thierische Kohle sich beinahe vollkommen niedergeschlagen hat, und ihn,
nachdem man ihn durch einen Sak laufen ließ, mit dem Syrupe vergleicht, der aus dem
Filter laͤuft, so wird man sehen, daß dieser bedeutend weniger
gefaͤrbt ist.
Es ist also, wo man die Wirkung der thierischen Kohle beguͤnstigen, und
dieselbe auf das Hoͤchste bringen wollte (auf ein Maximum), eine
Hauptbedingung, die Beruͤhrungspunkte derselben mit der Fluͤßigkeit zu
vervielfaͤltigen, und daher eine dike Lage der thierischen Kohle zu
unterhalten, durch welche der Syrup durchfließen muß. Wenn diese Lage aber zu dik
wird, wird das Durchtriefen der Fluͤßigkeit so sehr erschwert, so daß es
endlich gaͤnzlich aufhoͤrt, indem die Fluͤßigkeit durch
Verminderung der Temperatur zu dik wird.
Man muß sich also gleich weit entfernt halten von einem zu großen filtrirenden
Oberflaͤche, die das Filtriren wohl beschleunigt, aber die Wirkung der
thierischen Kohle wenig beguͤnstigt, und von einer zu kleinen
Oberflaͤche, die den Syrup zwar zwingt, durch eine dike Lage thierischer
Kohle durchzulaufen, und dadurch die Wirkung der lezteren verstaͤrkt,
zugleich aber auch das Durchsikern des Syrupes selbst erschwert. Die Filter, die ich
bei dem ersten Anfange der Anwendung der thierischen Kohle empfahl, und aus welche
sich die meisten in den Zukerraffinerien gebraͤuchlichen Filter
zuruͤkfuͤhren lassen, scheinen mir bei irgend einer Arbeit im Großen
noch immer den Vorzug zu verdienen. Sie bilden rechtwinkelige mit Kupfer (!)
ausgefuͤtterte Kisten, auf deren Boden ein Rost ein starkes lichtes
Metallgewebe traͤgt. Der ganze Boden ist mit einem Stuͤke Tuches
belegt, dessen Raͤnder an grobe Hanfleinwand angenaͤht sind, die
uͤber den Rand der Kiste emporragen. Ein Dekel aus leichtem Holze, der
innenwendig gleichfalls mit Kupfer gefuͤttert ist, dekt dieses Filter, und
unterhaͤlt die Temperatur auf hinlaͤnglicher Hoͤhe,
waͤhrend er zugleich die Verduͤnstung verhindert. Man kann, in eben
dieser Absicht, auch die Kisten von außen mit Wollentuͤchern
umhuͤllen. Der truͤbe Syrup, der in diese Filter gegossen wird, darf
nicht hoͤher, als 25 bis 30 Centimeter hoch in denselben stehen, damit der
Bodensaz nicht zu dik wird, und das Durchsikern der Fluͤßigkeit
aufhoͤrt.
Da bei diesem Filtrir-Apparate das Filter der untere Theil ist, so bedekt es sich
bald ganz mit thierischer Kohle, wenn, nach dem Gerinnen des Eyweißstoffes (aus dem
Blute oder aus den Eyern), man den truͤben kochenden Syrup auf dasselbe
gießt, und dieses chemische Mittel wirkt zugleich selbst als Filter, durch welches
aller Syrup laufen muß, und sezt so seine wohlthaͤtigen Wirkungen fort.
Man kann sich bald uͤberzeugen, daß die thierische Kohle hier als Filter dient, wenn man
statt des diken Tuches (drap de blanchet, dit de
Romorantin) eine duͤnne Leinwand nimmt, die
kein Filter bildet. Anfangs wird der Syrup truͤb durch dieselbe laufen.
Sobald sich aber eine Schichte thierischer Kohle auf derselben niedergeschlagen hat,
wird er rein und gehoͤrig entfaͤrbt durchlaufen. Man bedient sich
daher auch in mehreren Raffinerien dieser Filter aus Hanfleinwand, weil sie weit
wohlfeiler sind, als jene von Tuch. Es erhellt also nach Versuchen im Großen, daß
das neue Filter, wodurch man die Anwendung des Blutes ersparen, und den Verbrauch
der thierischen Kohle um die Haͤlfte vermindern wollte, nur wenig Blut
erspart, das Filtriren beschleunigt, aber eben so viel thierische Kohle fordert, und
doch eine weniger entfaͤrbte Fluͤßigkeit liefert.
Der einzige Vortheil, den man von schnellem Filtriren vernuͤnftiger Weise
erwarten kann, waͤre der, daß man eine weit dichtere Fluͤßigkeit
erhielte, welche weit weniger Brenn-Material zum Einsieden forderte.
Schnelles Filtriren laͤßt sich in der Zuker-Raffinerie sehr leicht bewirken;
das kann jeder: die Aufgabe des Filtrirens in der Zuker-Raffinerie ist aber diese:
in der kuͤrzesten Zeit die groͤßte Menge Syrup von gehoͤriger
Dike durch die moͤglich dikste Schichte thierischer Kohle durchlaufen zu
machen.