Titel: | I. Notiz über die natürlichen und künstlichen Puzzolanen. Von Hrn. Girard, Ingénieur des Ponts et Chausées. |
Fundstelle: | Band 25, Jahrgang 1827, Nr. CXX., S. 404 |
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CXX.
I. Notiz uͤber die natuͤrlichen und
kuͤnstlichen Puzzolanen. Von Hrn. Girard, Ingénieur
des Ponts et Chausées.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. October
1826. S. 197–204.
Girard's, Notiz uͤber die natuͤrlichen und
kuͤnstlichen Puzzolanen.
Eine Notiz des Hrn. General Treussart, in den Annal. de Chim. et de Phys.,
Maͤrz 1826 (Polytechn. Journal Bd. XXI. S.
40) enthaͤlt eine in Bezug auf die Theorie der kuͤnstlichen
Puzzolanen sehr merkwuͤrdige Thatsache: daß naͤmlich die Puzzolanen,
welche durch Calcination des Thones beim Zutritte der Luft erhalten worden sind,
sich viel wirksamer zeigen, als diejenigen, welche in verschlossenen
Gefaͤßen, oder bloß in einem Kalkofen calcinirt worden sind. Der Hr. General
Treussart hat Versuche mit Kieselerde und Bittererde,
jeder fuͤr sich, angestellt, und gefunden, daß sie keinen großen Einfluß auf
die Resultate zeigen, wenn man sie dem Thone, den man calciniren will, zusezt;
dagegen hat er bemerkt, daß die Thonerde, wenn man sie ohne Zusaz anwendet, und beim
Zutritte der Luft calcinirt, einen Moͤrtel gibt, welcher viel schneller
erhaͤrtet, als einer von gleicher Zusammensezung, bei welchem aber die
Thonerde in verschlossenen Gefaͤßen calcinirt worden ist. Er hat daraus
gefolgert, daß die in dem Thone enthaltene Thonerde bei einer erhoͤhten
Temperatur wahrscheinlich Sauerstoff aufnimmt, und daß eben deßwegen die
Caͤmente, welche man aus einem Thone erhaͤlt, wobei diese Bedingung
Statt gesunden hat, viel vorzuͤglicher sind, als die gewoͤhnlichen
Caͤmente.
Leider hat es der Hr. General Treussart unterlassen, die
Thonerde nach dem Calciniren beim Zutritte der Luft und nach dem Calciniren in
verschlossenen Gefaͤßen zu wiegen. Haͤtte er im ersteren Falle eine
Zunahme des Gewichtes erhalten, anstatt der Verminderung, die man wegen der
Zersezung des Hydrates erwarten muß, oder wenn auch nur diese Gewichtsverminderung
bei der Thonerde, welche beim Zutritte der Luft calcinirt wurde, weniger merklich
gewesen waͤre, so waͤre die Absorbtion einer Gasart im lezteren Falle
eine fast entschiedene Thatsache gewesen; haͤtte man im Gegentheile gefunden,
daß die in verschlossenen Gefaͤßen calcinirte Thonerde einen geringeren Gewichtsverlust
erleidet, so muͤßte man die von Hrn. General Treussart angegebene Thatsache einer vollstaͤndigeren Zersezung des
Hydrates zuschreiben, und dieses wuͤrde dann mit den Meinungen, die man
allgemein uͤber die Wirkung der Calcination hat, uͤbereinstimmen.
Abgesehen von dieser rein theoretischen Sache, welche bald aufgeklaͤrt werden
duͤrfte, empfiehlt der Hr. General Treussart, um
gute kuͤnstliche Puzzolane zu erhalten, die Ziegel aus Thon in einem
Reverberirofen zu erhizen, oder, wenn man sich eines gewoͤhnlichen Ofens
bedient, den oberen Theil desselben nicht zu verschließen. Diese Methode muß nach
den von dem Verfasser angefuͤhrten Versuchen in der That bessere Resultate
geben; aber freilich wird nach seiner Verfahrungsart die Fabrikation eines
Gegenstandes, der jezt schon zu theuer ist, und der, wenn er zu hydraulischen Bauten
angewandt wird, die Kosten derselben betraͤchtlich vermehrt, noch viel
kostspieliger. Dennoch sezt dieser Ingenieur hinzu: „die Vortheile, welche
ein Thon gewaͤhren kann, der lange Zeit in
einem Strome atmosphaͤrischer Luft calcinirt worden ist, lassen sich
schwerlich alle voraus sagen.“ Mir scheint es, daß der Hr. General
Treussart, indem er sich zu sehr aͤhnlichen
Betrachtungen hingibt, den wahren Gesichtspunkt bei Untersuchungen dieser Art aus
den Augen verliert. In der That fehlt es in den Kuͤnsten gar nicht an
Substanzen, die mit fettem Kalke einen Moͤrtel von sehr großer Consistenz
geben, und den hydraulischen Kalk in solchen Gegenden, wo man keinen findet, ersezen
koͤnnen; aber das Problem, das eigentlich geloͤst werden soll, ist
dieses: mit dem moͤglich geringsten Aufwande
hydraulische Moͤrtel zu verfertigen, welche fuͤr jeden besonderen
Zwek, wozu man sie bestimmt, Consistenz genug haben. Freilich versteht es
sich von selbst, daß es nicht durchaus noͤthig ist, einem Moͤrtel, der
bloß die Grundmauer einer Schleuse oder eines Dammes zu tragen hat, das heißt, ein
hoͤchstens 5 oder 6 Meter hohes Mauerwerk, denselben Widerstand zu geben, wie
demjenigen, der den Saͤulen einer grossen Bruͤke als Grund dienen
muß.
Es wuͤrde sich also darum handeln, einen Vergleichungspunct festzusezen,
zwischen der Haͤrte eines Moͤrtels und dem
Widerstande desselben gegen ein Gewicht, das ihn zu zermalmen oder bloß
zusammenzudruͤken trachten wuͤrde. Hierbei wird aber die Untersuchung
durch alle diejenigen Betrachtungen verwikelt, die sich auf den Widerstand fester
mit Enden versehener Koͤrper beziehen. Sie koͤnnte nur durch eine sehr
große Anzahl von Versuchen gehoͤrig aufgeklaͤrt werden, womit man sich
bis jezt noch nicht beschaͤftigt hat; man koͤnnte jedoch auch, was am
wenigsten kostspielig waͤre, das aͤußerste Gewicht bestimmen, welches,
wenn man einen Quadratcentimeter von der Oberflaͤche des Moͤrtels
damit belastet, keine merkliche Zusammendruͤkung hervorbringt; und ich glaube
auch, daß man mit Grund darnach die Last berechnen koͤnnte, die ein solcher
Moͤrtel ohne alle Gefahr tragen wuͤrde.
Man darf sich jedoch durch die Zahlen nicht
taͤuschen lassen, die man durch Vergleichung verschiedener Moͤrtel mit
einander erhaͤlt, es sey nun durch das Zermalmen von Prismen oder durch das
Eindringen einer Spize. Diese Zahlen zeigen wirklich den Widerstand oder die
relative Haͤrte an, aber man lernt durch sie nichts, oder fast nichts, in
Bezug auf die Anwendung, welche man von diesen Moͤrteln im Großen machen muß;
es konnte sich leicht treffen, daß diejenigen, welche in der Reihenfolge die
niedrigste Stelle einnehmen, wenn sie nur am wohlfeilsten zu stehen kaͤmen,
gerade fuͤr die Bauten vorzuziehen waͤren, so wie man den
gewoͤhnlichen Baustein dem Marmor und Granit vorzieht.
Es gibt uͤbrigens Eigenschaften, von welchen die Guͤte eines
Moͤrtels abhaͤngt, und woruͤber man noch keine Versuche
angestellt hat. Diese Eigenschaften sind die Unaufloͤslichkeit, der
Widerstand gegen das Einfressen der Stroͤme und Wasserfaͤlle, und die
Undurchdringlichkeit; nun beweißt doch nichts, daß diese Eigenschaften, so wichtig
sie auch sind, der Consistenz, die ein Moͤrtel unter dem Wasser
erhaͤlt, proportional sind. So ist bekanntlich der reine dichte Thon eben so
undurchdringlich und eben so unaufloͤslich, als ein guter Moͤrtel, und
dennoch uͤberschreitet er niemals die Consistenz eines festen Teiges, wenn
man ihn eintaucht.
Wenn man sich daher bloß mit der Haͤrte oder dem Widerstande der
Moͤrtel beschaͤftigen will, so heißt dieß unter einem einzigen
Gesichtspuncte und auf eine sehr unvollstaͤndige Weise eine Frage betrachten,
welche viele andere Ruͤksichten umfaßt, und welche zu wichtig ist, als daß
sie nicht unter allen ihren Gesichtspunkten untersucht werden sollte.
Ich habe in einem Schreiben an den Hrn. Generaldirector der Bruͤten und
Chausseen, im November 4824, und seitdem auch in einer Abhandlung, die dem Institute
im Maͤrz 1825 uͤbergeben wurde, die sehr merkwuͤrdigen
Eigenschaften der fossilen thonhaltigen Sandsteine auseinandergesezt, deren Farbe
vom Braunrothen bis zum Gelblichrochen wechselt, und die man unter dem Namen Arénes im Thal Isle (Dept. Gironde) kennt. Dieser
Sand hat mehr oder weniger die Eigenschaft Moͤrtel zu bilden, wenn man ihn
mit fettem oder magerem Kalke mengt. Die wirksamsten Sandsteine geben, wenn man sie
im Verhaͤltnisse von 3 Theilen auf 1 Theil fetten geloͤschten Kalk
anwendet, einen vortrefflichen hydraulischen Moͤrtel; diese Sandsteine kommen
in jeder Beziehung den besten Caͤmenten gleich, und ihr Preis ist zehnmal
geringer. Wenn man mit dieser Sandart nur ein Fuͤnftel fetten Kalk anwendet,
so erhaͤlt man, wie ich kuͤrzlich fand, noch ein
vorzuͤglicheres Resultat. Wenn die Sandsteine weniger als 30 Procent thonige
Erde enthalten, sind sie wenig wirksam und erhaͤrten oft erst nach anderthalb
Monaten, aber nach Verlauf eines Jahres und laͤngerer Zeit bemerkt man keinen
sehr großen Unterschied zwischen diesen Moͤrteln, welche man traͤge (bétons
paresseux) nennen kann, und jenen, welche schneller zu erhaͤrten
anfingen.
Die Sandsteine sind in Ueberfluß in der Natur verbreitet: man kann sogar sagen, daß
sie viel haͤufiger vorkommen, als der reine Sand. Daher ist auch im
Allgemeinen der Preiß des aus Sandstein und fettem Kalke in den von mir oben
angegebenen Verhaͤltnissen gebildeten Moͤrtels, geringer als der jedes
anderen Moͤrtels, er mag ein hydraulischer seyn oder nicht, und
ungefaͤhr nur halb so groß, als der Preiß des
unter den guͤnstigsten Umstaͤnden mit ausgezeichnet hydraulischem
Kalke bereiteten Moͤrtels.
Der geringe Preiß des Sandstein-Moͤrtels erlaubt, ihn gewissermassen bei den
Bauten zu verschwenden. Die Anwendung, welche man davon schon bei neunzehn Schleusen
in der Isle machte hat uns in den Stand gesezt, sein Vermoͤgen dem
zerstoͤrenden Einflusse der Stroͤme und Wasserfaͤlle zu
widerstehen, beurtheilen zu koͤnnen. Er haͤlt sich selbst da, wo sehr
große Felsstuͤke weggerissen werden. Man kann, wenn die Sandsteine wirksam
sind, ihn auch als Grundstein und in betraͤchtlichen Massen anwenden, um das
Massive von Daͤmmen oder Schleusen zu tragen. Fuͤr die Schiffahrt auf der
Isle hat man dieses oͤfters mit gutem Erfolge gethan.
Wuͤrde man nur mittelmaͤßig wirksame Sandsteine finden, so
koͤnnte man sie mit geringen Kosten in sehr wirksame Sandsteine, das heißt,
in vortreffliche Puzzolanen umaͤndern, wenn man sie schwach calciniren
wuͤrde.
Diese wichtige Thatsache hat Hr. Vicat beobachtet, nachdem
er meine Versuche uͤber die rohen Sandsteine kennen gelernt hat. Leztere
duͤrften in den meisten Faͤllen hinreichen; wo es aber noͤthig
ist, wird man finden, daß die anderen alles leisten, was man von den Puzzolanen
verlangen kann.
Vergleicht man diese Thatsachen mit den Eigenschaften des natuͤrlichen
hydraulischen Kalkes, und erwaͤgt, daß nur wenige Orte weder fossilen
thonhaltigen Sand, noch diesen schaͤzbaren Kalk besizen; so muß man daraus
folgern, daß die Faͤlle, wo man in den Kuͤnsten genoͤthigt ist,
seine Zuflucht mit Kostenaufwand zu den kuͤnstlichen und vulkanischen
Puzzolanen zu nehmen (wenn sie naͤmlich weit bezogen werden muͤssen),
wenigstens sehr selten sind, so daß die Zeit nicht mehr fern seyn duͤrfte, wo
diese Art von Materialien bei den Bauten nicht mehr angewandt werden wird.
Der Hr. General Treussart gibt an, beobachtet zu haben,
daß die hydraulischen Moͤrtel, welche schnell erhaͤrten, auch in der
Folge immer eine groͤßere Consistenz zeigen, als die anderen; so daß man
beilaͤufig nach der Zeit, die ein eingetauchter Moͤrtel zum
Erhaͤrten braucht, die Staͤrke desselben schaͤzen
koͤnnte. Ich muß hier bemerken, daß Hr. Vicat eine
bemerkenswerthe Ausnahme von diesem Geseze bei Gelegenheit der hydraulischen
Eigenschaften des unvollkommen calcinirten Kalksteines angegeben hat, und daß daher
die Versuche des Herrn General Treussart diesem Geseze
nicht einmal fuͤr diejenigen Substanzen, welche er untersucht hat,
Guͤltigkeit verschaffen koͤnnen. In der That habe ich die Beobachtung
gewacht, daß, wenn man einen aus irgend einer Puzzolane und fettem Kalke gebildeten
Moͤrtel eintaucht, sich nach und nach eine sehr große Quantitaͤt Kalk
aufloͤst; dieses hoͤrte nur dann auf, als er erhaͤrtet war.
Sobald dieß geschehen war, war der Moͤrtel unaufloͤslich geworden; da
aber der aufgeloͤste Kalk den Moͤrtelschichten, welche unmittelbar mit
dem Wasser in Beruͤhrung waren, entzogen war, so ist leicht einzusehen, daß
der Widerstand dieser
Schichten sich vermindert haben mußte. Die Theile des Moͤrtels, denen eine
solche geschwaͤchte Festigkeit zukommt, und die man daher unregelmaͤßig nennen kann, erstreken sich
natuͤrlich um so weiter hinein, je langsamer der Moͤrtel
erhaͤrtet ist. Bei einigen Versuchen, die ich mit Sandstein-Moͤrteln
vermittelst der Durchdringung einer Spize anstellte, gab ein wirksamer
Sandstein-Moͤrtel als Vertiefung, in welche die Spize eindrang 0,0055 Meter
auf der Oberflaͤche, und nur 0,0047–0,005 Meter unter dieser
Oberflaͤche; ein mittelmaͤßiger Sandstein-Moͤrtel gab 0,09
Meter Vertiefung auf der Oberflaͤche, und 0,005 Meter, bis 1 Centimeter
darunter. Lezterer Moͤrtel hatte anderthalb Monate zum Erhaͤrten unter
dem Wasser gebraucht. Diese beiden Versuche reichen hin, zu zeigen, welche
Unsicherheit die so eben angegebene Thatsache in die Vergleichungen bringt, welche
man bis auf diese Zeit mit Moͤrteln anstellte, ohne zuvor ihre
Oberflaͤche bis auf eine Tiefe von ein oder anderthalb Centimeter weggenommen
zu haben. Da nun der Hr. General Treussart den Widerstand
der Moͤrtel nach dem Widerstande der eingetauchten Ziegelsteine
schaͤzte, die auf allen Seilen der aufloͤsenden Einwirkung des Wassers
ausgesezt waren, so mußte er dadurch nothwendig auf das oben angefuͤhrte
Gesez kommen, ohne daß man dieses Gesez deßwegen als hinlaͤnglich
begruͤndet ansehen koͤnnte. Mucidan den 19ten April 1826.