Titel: | Ueber den Gerbestoff der Galläpfel, der Eichenrinde, der Chinarinde, des Catechu's und des Kino's; von J. J. Berzelius. |
Fundstelle: | Band 26, Jahrgang 1827, Nr. XXXV., S. 130 |
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XXXV.
Ueber den Gerbestoff der Gallaͤpfel, der
Eichenrinde, der Chinarinde, des Catechu's und des Kino's; von J. J. Berzelius.
(Aus Poggendorff's Ann. der
Physik. Bd. X. S. 257.)
Berzelius, uͤber den Gerbestoff der Gallaͤpfel, der
Eichenrinde, der Chinarinde, des Catechu's und des Kino's.
Bei Gelegenheit der Bearbeitung meines Lehrbuches habe ich
uͤber den Gerbestoff einige Versuche angestellt, deren
hauptsaͤchlichste Resultate ich hier anfuͤhren werde. Es ist bekannt,
daß fast ein Jeder, welcher mit dem Gerbestoffe gearbeitet, eine besondere Methode
zur Darstellung desselben gegeben hat, in der Meinung, daß der
Gallaͤpfelauszug ein ganz unreines Gemenge von Gerbestoff sey. Einige
Versuche, die ich mit demselben angestellt habe, um die fremden Stoffe in ihm
aufzufinden, scheinen zu beweisen, daß derselbe neben reinem Gerbestoffe, ein wenig
Gallaͤpfelsaͤure enthaͤlt, ferner Salze von diesem und dem
Gerbestoffe mit Kali und Kalk, veraͤnderten Gerbestoff, in dem Zustande, den
man gewoͤhnlich Extractivstoff zu nennen pflegt, und ich Extractivabsaz
nenne, und endlich eine im kalten Wasser unloͤsliche Verbindung von
Gerbestoff mit vielleicht Gallertsaͤure. Diese wird jedoch am meisten aus dem
Eichenrinde-Extracte erhalten.Hr. Arosenius, Mitglied der Akademie, hat mir ein
Stuͤk von einer auf Spilsbury's Methode im
Gerben befindlichen Haut gezeigt, auf deren Außenseite ein schleimiger
oder vielmehr gallertartiger Stoff saß, der mit Leichtigkeit von einem
alkalihaltigen Wasser aufgenommen, und daraus durch Saͤuren
gefaͤllt wurde, ganz wie der schleimige Stoff der Rinden, oder wie
die Gallertsaͤure. Dieser Stoff gibt mit dem Gerbestoffe eine in
Wasser schwerloͤsliche Verbindung, welche, wenn die
Fluͤßigkeit durch die Haut dringt, ihren Gerbestoff verliert, und
isolirt zur Außenseite herauskommt, wo er gelatinirt und abgeschabt werden
kann. A. d. O.
Die Bereitungsart des Gerbestoffes wird sehr einfach, wenn man ihn mit solchen
Reagentien abscheidet, die nicht auf die uͤbrigen Stoffe einwirken. Die,
welche sich bisher am besten dazu geeignet fanden, sind: Schwefelsaͤure und
Kali.
1) Mit Schwefelsaͤure reinigt man den Gerbestoff, wenn man eine warme Infusion
von Gallaͤpfeln durch Leinewand filtrirt, mit einer sehr geringen Portion
verduͤnnter Schwefelsaͤure vermischt und gut umruͤhrt. Dabei
entsteht ein geringes Coagulum, das sowohl den Gerbestoff, wie den Absaz
enthaͤlt, und aͤhnlich dem Vorgange beim Klaͤren mit Eiweiß,
das Truͤbe umschließt, so daß die Fluͤßigkeit durch Papier filtrirt
werden kann.
Der filtrirten Aufloͤsung sezt man alsdann Schwefelsaͤure hinzu,
verduͤnnt mit der Haͤlfte ihres Gewichtes an Wasser, und ruͤhrt
den Niederschlag um. Die Saͤure wird in kleinen Portionen zugesezt, und damit
fortgefahren, so lange, als man noch findet, daß das Gefaͤllte nach einer
Stunde zu einer klebrigen, halbfluͤßigen Masse zusammenbakt. Sobald dieß
anfaͤngt, nicht mehr zu geschehen, gießt man die saure Fluͤßigkeit ab,
und vermischt sie vorsichtig mir concentrirter Schwefelsaͤure, so lange diese
noch einen Niederschlag gibt. Man erhaͤlt dann eine weiße, sich in's Gelbe
ziehende Masse, welche schwefelsaurer Gerbestoff ist, und sich nicht in einem sauren
Wasser aufloͤst. Diesen bringt man auf das Filtrum, waͤscht ihn mit
Wasser, das mit viel Schwefelsaͤure vermischt ist, preßt ihn zwischen
Fließpapier aus, und loͤst ihn dann in reinem Wasser, von dem er
augenbliklich zu einer blaßgelben Loͤsung aufgenommen wird.
Man sezt nun in kleinen Portionen feingeriebenes kohlensaures Bleioxyd hinzu, dessen
Wirkung darin besteht, daß es zuerst die freie Schwefelsaͤure im Wasser
fortnimmt, und nach einer kurzen Maceration auch die mit dem Gerbestoffe verbundene.
Sobald dieß
geschehen ist, wird die Farbe sogleich dunkler gelb. Man filtrirt nun die
Loͤsung, und verdunstet sie zur Trokne, am liebsten im luftleeren Raume.
Man erhaͤlt dann eine harte, gesprungene, gelbbraune, extractaͤhnliche
Masse, welche den reinen Gerbestoff enthaͤlt, verunreinigt mit dessen, durch
den Zutritt der Luft gebildeten, Absaz. Diese Masse wird gepuͤlvert, und bei
+ 30° mit Aether digerirt, so lange derselbe noch etwas loͤst. Den
Aether uͤberlaͤßt man der freiwilligen Verdampfung, worauf der
Gerbestoff nach dem Troknen zuruͤkbleibt, in Gestalt einer durchsichtigen,
kaum merklich gelblichen Masse, die sich nicht an der Luft veraͤndert.
– Was der Aether ungeloͤst laͤßt, ist brauner,
zusammengebakener Gerbestoff-Absaz, der sich nicht mehr voͤllig in
Wasser loͤst.
2) Mit kohlensaurem Kali wird der Gerbestoff gereinigt, wenn man eine, auf die oben
angefuͤhrte Art, geklaͤrte Gallaͤpfel-Infusion mit einer
concentrirten Loͤsung von kohlensaurem Kali vermischt, so lange als noch ein
weißer Niederschlag entsteht, aber nicht laͤnger, denn der Niederschlag wird
in einem Ueberschusse von Alkali geloͤst. Der Niederschlag wird auf ein
Filtrum gebracht, mit eiskaltem Wasser gewaschen (vom warmen wieder geloͤst),
und alsdann in verduͤnnter Essigsaͤure aufgeloͤst, wobei sich
ein brauner Stoff abscheidet. Dieser Stoff ist Gerbestoff-Absaz, gebildet
waͤhrend des Waschens durch Einwirkung der Luft, wobei die weiße Masse
allmaͤhlig grau wird. Aus der filtrirten Aufloͤsung faͤllt man
den Gerbestoff durch Bleiessig, waͤscht den Niederschlag gut, ungeachtet er
dabei vom Weiß in's Gelbe uͤbergeht, und zerlegt ihn sodann durch
Schwefelwasserstoffgas. Die filtrirte Fluͤßigkeit ist farblos, und gibt, beim
Verdunsten im luftleeren Raume uͤber Pottasche, den Gerbestoff in zarten,
schwach gelblichen, durchsichtigen Schuppen, welche, der Luft ausgesezt, besonders
unter dem Einflusse des Sonnenlichts, eine dunklere gelbe Farbe annehmen, und, wenn
man sie in Aether aufloͤst, den Absaz zuruͤklassen. – Ob das
Schwefelblei bei dieser Operation den Absaz des Gerbestoffs
zuruͤkhaͤlt, ist mir nicht bekannt. Ein franzoͤsischer
Pharmacent hat dem Schwefelqueksilber das Vermoͤgen zugeschrieben, wie das
Kohlenpulver zu entfaͤrben; das Verhalten scheint hier dasselbe zu seyn.
Alkali zieht den Absaz aus dem Schwefel-Bleie aus.
Der reine Gerbestoff ist also farblos; seine gelbe oder braune Farbe ist eine Folge
der Einwirkung der Luft. Er wird an der Luft nicht feucht, loͤst sich aber
mit der groͤßten Leichtigkeit in Wasser, und ist leicht zu puͤlvern.
Die Eigenschaft, zwischen den Fingern zu erweichen, die man ihm gewoͤhnlich
zuschreibt, fehlt ihm gaͤnzlich. Bei der Destillation gibt er kein Ammoniak,
aber ein gelbliches Oehl und eine Fluͤßigkeit, die beim Erkalten Krystalle
absezt. Diese Krystalle sind nicht Gallaͤpfelsaͤure. Sie schmeken
scharf, brenzlich, schwaͤrzen nicht die Eisensalze, sondern faͤrben
sie gruͤngelb, und erzeugen einen Niederschlag von graugruͤner Farbe.
Der Gerbestoff der Eiche wird von den meisten Saͤuren gefaͤllt, aber
nicht von der Essigsaͤure. Der zusammengebakene Niederschlag, den er mit
Saͤuren gibt, verdankt seine Eigenschaft des Zusammenbakens
hauptsaͤchlich der Verbindung der Saͤure mit dem Absaze. Laͤßt
man ihn in siedend heißem Wasser, so sezt sich das Meiste von dem lezteren beim
Erkalten ab, und man kann aus der klar gewordenen Fluͤßigkeit den Gerbestoff
auf die genannte Art abscheiden. Die mit Saͤuren genau gesaͤttigten
Verbindungen schmeken nicht im Geringsten sauer, sondern rein zusammenziehend, so
daß man in ihnen nicht die Gegenwart der Saͤure vermuthen sollte. Im reinen
Zustande sind sie gewoͤhnlich leicht loͤslich in Wasser, und werden
daraus nur durch einen groͤßeren Ueberschuß von Saͤure in der
Fluͤßigkeit gefaͤllt.
Mit den Salzbasen gibt der Gerbestoff sehr merkwuͤrdige Verbindungen. Die mit
Kali und Ammoniak ist, im neutralen Zustande, schwerloͤslich im kalten
Wasser, und faͤllt sich in Gestalt einer weißen Erde; sie loͤst, sich
in siedend heißem Wasser, und sezt sich beim Erkalten daraus zum Theile wieder ab in
Form eines Pulvers, das, auf's Filtrum gebracht, ausgepreßt, und schnell getroknet,
ganz das Ansehen eines unorganischen erdartigen Salzes besizt, und sich
unveraͤndert an der Luft erhaͤlt. Im feuchten Zustande wird
Gerbestoff-Absaz auf Kosten der Luft gebildet. Die Verbindung mit Natron hat
dieselbe Gestalt, ist aber viel leichtloͤslicher.
Es ist bekannt, daß der Gerbestoff der Eiche das weinsaure Antimonkali
(Brechweinstein) faͤllt. Dieser Niederschlag ist dadurch merkwuͤrdig,
daß ein Theil des Gerbestoffs dabei die Stelle des Antimonoxyds im Salze vertritt.
Wenn man Gallaͤpfelaufguß gebraucht, so ist es vorzugsweise die
Gallaͤpfelsaͤure, welche sich mit dem Salze vereinigt, und dabei das
Verhalten der Borsaͤure nachahmt.
Der Gerbestoff der Chinarinde wird, außer auf die von Pelletier angegebene Weise, auch dadurch erhalten, daß
man eine schwachsaure, siedendheiße Infusion von Chinarinde nach dem Erkalten
filtrirt, und mit kohlensaurem Kali faͤllt. Dabei entsteht ein weißer
Niederschlag, welcher Gerbestoff ist, vereinigt mit Cinchonin und Guinin, woraus
sich viel Gerbestoff ziehen laͤßt, wenn man Alkali in Ueberschuß hinzusezt.
Der Niederschlag wird bei dem Waschen rothbraun, dadurch, daß dieser Gerbestoff viel
schleuniger, als der vorhergehende, an der Luft zersezt wird. Den gewaschenen
Niederschlag behandelt man mit Essigsaͤure, welche die Vasen und den
Gerbestoff aufloͤst, aber den waͤhrend des Waschens gebildeten Absaz
zuruͤklaͤßt. Dieser ist das, was Pelletier
Chinaroth nennt, und worin der Gerbestoff der Chinarinde ganz und gar verwandelt
werden kann. Der Gerbestoff wird alsdann aus der Essigsaͤure durch Bleiessig
und Schwefelwasserstoffgas auf die oben genannte Art abgeschieden. Er wird dabei in
einer hellgelben Aufloͤsung erhalten, welche, im luftleeren Raume verdunstet,
ein blaßgelbes, zusammenhaͤngendes Extract, von rein zusammenziehendem, nicht
im mindesten bitterem, Geschmake zuruͤklaͤßt. Aether loͤst ihn
mit schwach gelblicher Farbe auf, und laͤßt ihn nach Verdunstung von einem
blaͤsseren Gelb zuruͤk. Er laͤßt einen mit Chinaroth
vereinigten Gerbestoff ungeloͤst zuruͤk. Bei dem Schwefelblei bleibt,
nach Reduction des Bleisalzes durch Schwefelwasserstoffgas, eine neue Portion von
Chinaroth zuruͤk. Der Gerbestoff der Chinarinde gibt mit Saͤuren
schwerloͤsliche Verbindungen, die aber doch noch viel
leichtloͤslicher, als die mit dem Gerbestoffe der Eichenrinde sind, so daß
sie nicht aus einem Chinadecocte oder einer Chinainfusion gefaͤllt werden
koͤnnen. Aus einer sehr concentrirten Aufloͤsung kann man, mit einer
concentrirten Loͤsung von kohlensaurem Kali, eine pulvrige Verbindung
faͤllen; aber sowohl diese, wie die uͤberstehende Fluͤßigkeit,
wird durch die Gegenwart des Alkalis, in wenig Stunden, in Chinaroth verwandelt.
Der Gerbestoff aus dem Catechu wird folgendermaßen
gereinigt Man reibt das Catechu zu Pulver, und zieht es in einer verschlossenen
Flasche mit warmem Wasser aus, filtrirt die Fluͤßigkeit durch Leinwand, und
klaͤrt sie mit ein wenig Schwefelsaͤure. Hierauf vermischt man die filtrirte
Fluͤßigkeit mit concentrirter Schwefelsaͤure, (welche zuerst einen
voruͤbergehenden, aber dann einen bleibenden Niederschlag bewirkt), so lange
als noch etwas abgeschieden wird. Der Niederschlag wird mit saurem Wasser.
gewaschen. Dann loͤst man ihn in siedendheißem Wasser, und laͤßt dieß
erkalten, wobei die Verbindung der Schwefelsaͤure mit dem Absaze, mit
braungelber Farbe niederfaͤllt. Die rothe, filtrirte Fluͤßigkeit wird
mit kohlensaurem Bleioxyde vermischt, und damit fleißig umgeruͤhrt, bis eine
abgenommene Probe eine saure Aufloͤsung von Chlorbarium (salzsaurem Baryt),
nicht mehr truͤbt. Dann wird sie filtrirt, wobei sie eine kaum gelbliche
Fluͤßigkeit gibt, die, nach Verdunstung im luftleeren Raume, den reinen
Gerbestoff zuruͤklaͤßt, als eine gelbe, durchsichtige,
zusammenhaͤngende, nicht gesprungene Masse. – Es loͤst sich
leicht in Wasser und Alkohol, auch etwas in Aether. Seine Loͤsung in Wasser,
der Luft ausgesezt, wird anfangs an der Oberflaͤche, dann allmaͤhlich
immer tiefer, und nach Verlauf von 24 Stunden durch die ganze Masse dunkelroth. Wird
sie nun verdunstet, so bleibt ein Stoff, der in seinen Eigenschaften ganz dem
Catechu gleicht, und in kaltem Wasser nicht voͤllig geloͤst wird,
sondern einen Absaz von graurother Farbe zuruͤklaͤßt. Seine
Verbindungen mit Saͤuren sind eben so leicht loͤslich, wie die des
China-Gerbestoffes; und werden gar nicht von Alkali gefaͤllt, sondern
durch dieses bald in den rothen Absazstoff verwandelt.
Das Kino-Gummi enthaͤlt einen Gerbestoff, der von den vorhergehenden
sehr abweicht. Aus einer Infusion von Kino-Gummi wird er durch
Schwefelsaͤure mit blaßrother Farbe gefaͤllt, und kann mit kaltem
Wasser gewaschen werden. Der Niederschlag wird in siedendheißem Wasser mit rother
Farbe geloͤst, und sezt beim Erkalten schwefelsauren Absaz ab. Die
daruͤberstehende Fluͤßigkeit versezt man mit Barytwasser, mit der
noͤthigen Vorsicht, die Saͤure genau auszufuͤllen, worauf sie,
im luftleeren Raume verdunstet, einen durchsichtigen, gesprungenen, rothen Stoff
hinterlaͤßt, der rein zusammenziehend schmekt, schwerloͤslich in
kaltem Wasser, und unloͤslich in Aether ist. Dieser hat eine so große
Neigung, Absaz zu bilden, daß seine Loͤsung von selbst an der Luft
truͤbe wird, und einen hellrothen Stoff absezt. Man kann die
Schwefelsaͤure nicht mit kohlensaurem Bleioxyde abscheiden, denn man
erhaͤlt eine fast schwarze Fluͤßigkeit, welche Blei aufgeloͤst enthaͤlt, und
welche nach Verdunstung einen schwarzen, in kaltem Wasser unloͤslichen Stoff
zuruͤklaͤßt. Dasselbe ist der Fall, wenn man versucht, ihn mit
essigsaurem Bleioxyd oder Kupferoxyd, und Schwefelwasserstoff abzuscheiden. Dieser
Gerbestoff gibt mit Saͤuren sehr schwerloͤsliche Verbindungen, wird
aber nicht durch kohlensaures Kali oder weinsaures Antimonoxyd-Kali
(Brechweinstein) gefaͤllt.