Titel: | Ueber die Ausnahmen von dem Geseze, daß Salze in heißem Wasser mehr auflösbar sind, als im kalten; nebst einem neuen Beispiele. Von Thom. Graham, M. A. |
Fundstelle: | Band 26, Jahrgang 1827, Nr. XXXVIII., S. 141 |
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XXXVIII.
Ueber die Ausnahmen von dem Geseze, daß Salze in
heißem Wasser mehr aufloͤsbar sind, als im kalten; nebst einem neuen Beispiele.
Von Thom. Graham, M.
A.
Aus dem Philosophical Magazine, Julius 1827, S.
20.
Graham's, Ausnahmen, Salze in heißem Wasser
aufzuloͤsen.
Die Koͤrper, welche diese Ausnahmen bilden, sind, nach
unseren bisherigen Erfahrungen, Kalk-Hydrat und schwefelsaure Soda: an
ersterem entdekt Hr. Dalton diese Anomalie, an lezterem
Hr. Gay-Lussac. Nach unseren Beobachtungen
gehoͤrt aber auch phosphorsaure Bittererde, die sich eben so schwer
aufloͤst, wie Kalk-Hydrat, unter diese Koͤrper.
Zur Bildung von phosphorsaurer Bittererde wurden Krystalle von phosphorsaurer Soda
und von schwefelsaurer Bittererde einzeln im Wasser aufgeloͤset, und zwar in
integrirendem Verhaͤltnisse, naͤmlich von ersterem 21 Theile, von
lezterem 15,375. Diese Aufloͤsungen wurden unter einander gemengt, und bei
Seite gestellt. In 24 Stunden hatte sich die phosphorsaure Bittererde
niedergeschlagen, meistens in Haͤufchen von kurzen nadelfoͤrmigen
Krystallen, und die schwefelsaure Soda blieb aufgeloͤst.
Nach Hrn. Dr. Thomson besteht dieses Salz aus
Einem Atom
Phosphor-Saͤure
3,5
– – Bitter-Erde
2,5
Sieben Atomen Wasser
7,875
––––––
13,875.
Es efflorescirt, verliert, der Luft ausgesezt, schnell sein
Krystallisations-Wasser, und faͤllt als weißes Pulver nieder.
Die Krystalle wurden, nachdem die daruͤber stehende Fluͤßigkeit
abgegossen ward, sorgfaͤltig mit Wasser geschuͤttelt und abgewaschen,
dann auf dem Filtrum abgewaschen und getroknet. Man bereitete eine Aufloͤsung
derselben in dem Verhaͤltnisse von 4 Loth phosphorsaurer Bittererde auf 1
Pinte destillirten Wasser, indem man sie drei bis vier Tage lang in demselben stehen
ließ, und oͤfters schuͤttelte. Die erhaltenen Aufloͤsungen
wurden abgegossen und filtrirt. Obschon das Wasser, das von den Krystallen auf dem
Filtrum ablief, beinahe ohne Geschmak war, so hatte doch die Aufloͤsung einen
merklich suͤßlichen Geschmak.
Man erhizte eine gewisse Menge dieser Aufloͤsung nach und nach durch
Erwaͤrmung im Wasserbade. Noch ehe die Temperatur des Bades bis auf
120° stieg, wurde die Aufloͤsung truͤbe, und nahm immer mehr
und mehr ein milchiges Ansehen an, je mehr die Hize zunahm, bis endlich bei
212° sich ein wolkiger Niederschlag zu Boden sezte, und die daruͤber
schwimmende Fluͤßigkeit beinahe vollkommen durchsichtig wurde. Der
Niederschlag war von phosphorsaurer Bittererde, die ihres
Krystallisations-Wassers beraubt war, nicht merklich verschieden.
Um die Aufloͤsbarkeit dieses Salzes bei verschiedenen Temperaturen zu
bestimmen, wurde von einer gewissen Menge desselben Salzes, welches bereits zu drei
Aufloͤsungen diente, durch wiederhohltes Schuͤtteln mit Wasser eine
Aufloͤsung bereitet. Die Temperatur war 45°. „(Vermuthlich
Fahrenh.)“
8000 Gran dieser Aufloͤsung wurden sorgfaͤltig filtrirt, und im
Sandbade bis zur Trokenheit abgeraucht. Der Ruͤkstand war 10,75 Gran
wasserfreie phosphorsaure Bittererde. 744 Gran Wasser loͤsen demnach 1 Gran
dieses Salzes in wasserfreiem Zustande auf.
8000 Gran derselben Aufloͤsung wurden in einer mit einem glaͤsernen
Stoͤpsel versehenen Flasche im Wasserbade bis auf 212° erhizt, und
einige Zeit uͤber in derselben Temperatur erhalten. Nachdem der Niederschlag
zu Boden gefallen war, wurde ein guter Theil der durchscheinenden Fluͤßigkeit
abgegossen, und der Ruͤkstand noch heiß auf ein Filtrum geworfen. Er wog,
sorgfaͤltig getroknet, 3,8 Gran. 8000 Gran Wasser von 212°
Waͤrme halten demnach 10,75 – 3,8 = 6,95 Gran dieses Salzes
aufgeloͤset, oder 1151 Gran Wasser halten 1 Gran wasserfreier phosphorsaurer
Bittererde aufgeloͤset. Ein Theil Wasser loͤset demnach
bei 45°
1/744,
bei 212°
1/1151
wasserfreier phosphorsaurer Bittererde auf.
Ein Theil Wasser wird daher von krystallisirter phosphorsaurer Bittererde
bei 45°
1/322,
bei 212°
1/498
aufloͤsen.
Der durch Waͤrme erhaltene Niederschlag war außerordentlich voluminoͤs
und nicht krystallisirt. Er betrug meistens nicht volle 3,8 Gran in 8000 Gran
dieser Aufloͤsung. Nach mittlerem Durchschnitte betrug er in sieben
Versuchen, die mit verschiedenen Aufloͤsungen angestellt wurden, 2,5 Gran.
Der Betrag des Niederschlages hing aber von der Zeit und von dem Schuͤtteln
bei Bereitung der Aufloͤsung ab, indem das Wasser sich nur schwer mit diesem
Salze saͤttigen laͤßt, und es ist daher offenbar, daß nicht der
mittlere Durchschnitt, sondern der hoͤchste Betrag des Niederschlages der
Wahrheit am naͤchsten kommt.
Durch Kochen der phosphorsauren Bittererde in Wasser durch mehrere Stunden erhielt
man Aufloͤsungen, die diese Eigenschaft besaßen. Durch Hize nahmen die
Krystalle in dem Wasser das Ansehen an, als haͤtten sie effllorescirt.
Phosphorsaure Soda und schwefelsaure Bittererde wurden einzeln den
Aufloͤsungen von phosphorsaurer Bittererde zugesezt, und zwar im
Verhaͤltnisse von 10 Gran auf 1000 Gran Aufloͤsungen, ohne daß sich
dadurch der mindeste Einfluß auf den Betrag oder das Aussehen des Niederschlages
ergeben haͤtte.
Phosphorsaure Bittererde scheint in Saͤuren leichter aufloͤsbar, als in
Wasser; wenigstens fand man, daß sie sich mit Leichtigkeit in folgenden
Saͤuren aufloͤst, wenn diese auch sehr verduͤnnt sind;
naͤmlich in Essigsaͤure, Sauerkleesaͤure,
Phosphorsaͤure, Kochsalzsaͤure, Salpetersaͤure und
Schwefelsaͤure. Der kleinste Zusaz von dieser Saͤure zu der
waͤsserigen Aufloͤsung hindert die Erscheinung des bei angewendeter
Waͤrme gewoͤhnlichen Niederschlages, indem sie die aufloͤsende
Kraft des Aufloͤsungs-Mittels verstaͤrkt.Der Versuch theilweiser Niederschlagung der phosphorsauren
Bittererde-Aufloͤsung durch Waͤrme wurde mit dem besten
Erfolge von meinem Freunde, Hrn. A. Steel,
wiederhohlt in Dr. Thomson's Laboratorium: er
arbeitete sehr sorgfaͤltig, und mit sehr reinem Praͤparaten.
A. d. U.
Bei Verfolgung dieses Gegenstandes hatte ich Gelegenheit verschiedene Bemerkungen
anzustellen.
Bloße Andauer der Hize hatte keinen Einfluß auf Vermehrung des Betrages des
Niederschlages, sowohl bei Aufloͤsungen von Kalk-Hydrat, als von
phosphorsaurer Bittererde, vorausgesezt, daß nichts von der Aufloͤsung in
Dampf verwandelt wurde. Wenn filtrirte Aufloͤsungen von Kalk und von phosphorsaurer
Bittererde, die schon ein Mahl erhizt worden sind, neuerdings in verschlossenen
Gefaͤßen im Wasserbade einer Temperatur von 212° ausgesezt und mehrere
Stunden lang in dieser Temperatur belassen werden, so erscheint kein neuer
Niederschlag mehr. Wenn aber eine staͤrkere Hize angewendet wurde, um diese
Temperatur von 212° in der Aufloͤsung hervorzubringen, geschah dieß
zuweilen. Wenn eine solche Aufloͤsung mittelst der Flamme einer
Weingeistlampe, selbst in einem geschlossenen Gefaͤße, erhizt wurde, zeigte
sich gewoͤhnlich ein leichter Niederschlag. Wenn das Gefaͤß, obschon
es geschlossen war, nicht ganz voll war, war der Niederschlag haͤufiger; und
wenn so wenig von der Fluͤßigkeit in dem Gefaͤße war, daß man sie in
diesem sieden, und daß sie sich in dem oberen Theile des Gefaͤßes verdichten
und wieder zuruͤkfallen konnte, so konnte man den Niederschlag beinahe ad libitum vermehren, vorzuͤglich am Kalkwasser.
Die Ursache des Niederschlages scheint in allen diesen Faͤllen dieselbe. In
dem Augenblike, als ein Tropfen der Aufloͤsung in Dampf verwandelt wird, sezt
er die Menge Kalkes oder Salzes, die in demselben enthalten ist, ab, und wenn dieses
Salz so schwer und wenig aufloͤsbar ist, wie Kalk-Hydrat in
phosphorsaure Bittererde, so kann das Wasser, wenn es auch wieder auf das Salz
zuruͤk kommt, dasselbe nicht wieder aufloͤsen, nachdem es dasselbe
einmahl fallen ließ. Es waͤre, wie man weiß, eine vergebene Muͤhe,
wenn man eine gesaͤttigte Aufloͤsung des Kalkes im Wasser dadurch
bereiten wollte, daß man das Wasser nur mit jenen wenigen Kalkkoͤrnchen
schuͤttelt, die es aufzuloͤsen im Stande ist; und in dem vorliegenden
Falle hat, wenn der Kalk einmahl niedergeschlagen ist, dieselbe Schwierigkeit Statt,
wenn der Kalk wieder aufgenommen werden soll.
Aus diesen Bemerkungen erhellt der Vortheil bei Anwendung eines Wasserbades zum
Erwaͤrmen der Aufloͤsungen, dessen wir uns immer bedienten, und
wodurch wir regelmaͤßig die Niederschlaͤge von Kalk-Hydrat und
phosphorsaurer Bittererde erhielten. Hieraus erklaͤrt sich auch eine
Erscheinung bei der Aufloͤsbarkeit des Kalkes, die Hr. Rich. Phillips in den Annals of Philos.
N. S. 1. B. S. 109 beobachtete, und die sonst anomal erschiene.
Hr. Phillips hizte eine gewisse Menge Kalkwasser in einer
Flasche, deren Hals durch eine Roͤhre verlaͤngert wurde, um den Zutritt des kohlensauren
Gases aus der Atmosphaͤre abzuhalten, und ließ es kochen, bis ein Drittel
desselben verdampft war. Durch den Niederschlag, welcher durch bloße
Erhoͤhung der Temperatur erzeugt wurde, sollte die Menge des in der
Aufloͤsung enthaltenen Kalkes auf 1/1270 reducirt werden; sie betrug aber
nicht mehr als 1/1505. Es ward aber weit mehr von der Aufloͤsung
waͤhrend des Kochens in Dampf verwandelt, als wirklich entwich, indem die
kuͤhlen Seiten der langen Roͤhre ganz vorzuͤglich geeignet
waren, die aufsteigenden Daͤmpfe zu verdichten und in die Aufloͤsung
zuruͤk zu fuͤhren, sobald die Roͤhre nur einige Hoͤhe
hatte, waͤhrend der in harten Krystallen niedergeschlagene Kalk sich nicht
mehr in irgend einem merklichen Grade aufloͤsen laͤßt.
Diese Wirkung der Cohobation hat nicht bloß bei Kalkwasser und bei der
Aufloͤsung von phosphorsaurer Bittererde, sondern in einem gewissen Grade bei
allen schwer aufloͤsbaren Koͤrpern Statt. Ich habe sie in einem
bedeutenden Grade an der Aufloͤsung von Gyps, selbst wenn sie sehr
verduͤnnt war, beobachtet, und ich glaube, daß der Niederschlag, den man
durch gelindes Kochen mehrerer Mineral-Wasser erhaͤlt, und den man
gewoͤhnlich dem dadurch entstehenden Austreiben des kohlensauren Gases
zuschreibt, in einigen Faͤllen bloß von dieser Ursache abhaͤngt. So
schwach die Aufloͤsung auch immer seyn mag, so wird offenbar ein Theil des
Salzes auf diese Weise abgesezt.
Wir glaubten die relative Aufloͤsbarkeit dieser schwer aufloͤsbaren
Koͤrper bei verschiedenen Temperaturen dadurch bestimmen zu koͤnnen,
daß wir bei der niedrigsten Temperatur eine gesaͤttigte Aufloͤsung
derselben bildeten, und diese so lang mit Wasser verduͤnnten, bis sie bei
hoher Temperatur keinen Niederschlag mehr gaben. Wir fanden aber bald, daß dieses
Verfahren wegen der Schwierigkeit, die Aufloͤsung mit dem Wasser zu
verkoͤrpern, nicht brauchbar ist.
4000 Gran Kalk-Wasser wurden mit 2000 Gran Wasser verduͤnnt,
geschuͤttelt, und fuͤr zwei Stunden bei Seite gestellt. Nachdem man
dasselbe hierauf im Wasserbade bis auf 212° erhizte, zeigte sich ein
Niederschlag, der, auf dem Filtrum aufgefangen und getroknet, beinahe zwei Gran
Kalk-Hydrat enthielt. Phosphorsaure Bittererde gab, auf dieselbe Weise
behandelt, 12 Gran Niederschlag.
4000 Gran Kalk-Wasser wurden mit eben so viel reinem Wasser verduͤnnt, und in
einem verschlossenen Gefaͤße drei Tage lang bei Seite gestellt und
oͤfters geruͤttelt. Bei sorgfaͤltiger Erwaͤrmung im
Wasserbade ward die Aufloͤsung etwas truͤbe, und sezte nur eine
geringe Menge Kalk-Hydrat ab, wovon man 0,15 erhielt. Unter gleichen
Umstaͤnden gab eine Aufloͤsung von phosphorsaurer Bittererde weit
weniger Niederschlag, obschon die Aufloͤsung weit truͤber wurde.
Man fand, was sich auch aus den fruͤheren Versuchen erwarten ließ, daß der
Niederschlag aus dem Kalkwasser nicht bedeutend dadurch vermindert wurde, daß man
denselben solang in dem Wasser ließ, bis das Wasser kalt wurde, d.h., daß er durch
das Erkalten nicht wieder aufgeloͤset wurde. Es ist also unnoͤthig,
die Aufloͤsung zu filtriren, waͤhrend sie noch heiß ist. Phosphorsaure
Magnesia schien aber im kalten Zustande sich mit groͤßerer Leichtigkeit
aufzuloͤsen, wahrscheinlich, weil sie aͤußerst fein zertheilt
niederfiel. Man erhielt, als man die Aufloͤsung der phosphorsauren Bittererde
bei 212° filtrirte, 2,3 Gran Niederschlag von der lezteren, waͤhrend
eben so viel von dieser Aufloͤsung, kalt filtrirt, kaum 2 Gran gab. Der
Niederschlag war sichtbar weniger.
Die Schnelligkeit, mit welcher phosphorsaure Bittererde efflorescirt, wenn sie der
Atmosphaͤre ausgesezt ist, fuͤhrte uns, der Theorie nach, auf
Betrachtungen uͤber diese Anomalie in ihrer Aufloͤsbarkeit.
Efflorescenz an Salz-Hydraten zeigt allerdings einen geringen Grad von
Verwandtschaft mit dem Wasser bei der Temperatur der Atmosphaͤre an; eine
Verwandtschaft oder Anziehungskraft, welche selbst bei einer geringen
Erhoͤhung der Temperatur sehr vermindert wird. Wenn die Anziehungskraft, die
zwischen dem Salze und Wasser waͤhrend der Aufloͤsung besteht, von
derselben Art ist, wie jene zwischen der Basis und dem Wasser im Zustande eines
festen Hydrates, so koͤnnen wir erwarten, daß die auffallende Kraft, welche
die Hize in Verminderung der Staͤrke der Anziehung aͤußert, auch auf
die Aufloͤsbarkeit des Salzes bei verschiedenen Temperaturen Einfluß haben
wird. Selbst wenn wir annehmen, daß die Aufloͤsungs-Kraft des Wassers
durch erhoͤhte Temperatur bis auf einen gewissen Grad vermehrt, wird, kann
diese schnelle Verminderung der Anziehungskraft des Salzes gegen das Wasser, so wie
die Temperatur stieg, der vermehrten Kraft des Aufloͤsungs-Mittels
entgegen arbeiten, und dieselbe selbst vermindern, vorzuͤglich bei Salzen,
die so leicht effloresciren, wie schwefelsaure Soda und phosphorsaure Bittererde.
Die Aufloͤsbarkeit solcher Salze kann also anfangen sich zu vermindern, wenn
die Temperatur uͤber einen gewissen Grad erhoͤht wird.
Da die Hydrate aller Salze, sie moͤgen bei der Temperatur der
Atmosphaͤre effloresciren oder nicht, durch die Hize zersezt werden, so muß
die angegebene Ursache, welche der Zunahme der aufloͤsenden Kraft des Wassers
bei erhoͤhter Temperatur entgegen arbeitet, wenn sie vorhanden ist, allgemein
seyn, und mehr oder minder auf die Aufloͤsbarkeit eines jeden dieser Salze
bei verschiedenen Temperaturen wirken. Hieraus folgt nothwendig, daß es fuͤr
jedes Salz auf dem Maßstabe der Temperatur einen Punct gibt, uͤber welchem es
aufhoͤrt in dem Wasser mehr aufloͤsbar zu seyn, und wo seine
Aufloͤsbarkeit geringer wird. Bei efflorescirenden Salzen, deren
Verwandtschaft fuͤr Wasser, im Zustande eines Hydrates, durch geringe
Erhoͤhung der Temperatur sehr vermindert wird, scheint dieser Punct auf dem
Maßstabe der Temperatur sehr niedrig zu seyn; in einigen Faͤllen unter
212°. Bei Hydraten, welche das Wasser mit staͤrkerer Kraft an sich
halten, steht dieser Punct hoͤher, und bei Hydraten, welche eine bedeutende
Hize zu ihrer Zersezung fordern, steht dieser Punct der hoͤchsten
Aufloͤsbarkeit wahrscheinlich sehr hoch, so daß die Fluͤßigkeit,
welche aufloͤsen soll, unter starkem Druke gehalten werden muß, wenn sie
fluͤßig bleiben und aufloͤsen soll.
In jener großen Anzahl von Salzen, welche mit dem Wasser keine festen Verbindungen
eingehen, besizen wir keinen solchen Weiser uͤber ihre verschiedenen Grade
von Aufloͤsbarkeit bei verschiedenen Temperaturen. Sie koͤnnen daher
in einigen Faͤllen eben solchen Anomalien in der Aufloͤsbarkeit
unterliegen, wie die efflorescirenden oder auswitternden Salze. Die Theorie
laͤßt sich nicht ohne Unterschied auf alle Hydrate anwenden. Es gibt eine
Classe von Hydraten, bei welchen die Verbindung zwischen der Basis und dem Wasser
wesentlich von jener der gewoͤhnlichen Salz-Hydrate verschieden zu
seyn scheint. Hierher gehoͤren die Hydrate der Alkalien, der Erden und
Metall-Oxyde, und diese scheinen nicht dem Geseze zu unterliegen.
Viele Salze, Oxyde und Erden dieser Classe sind bekanntlich unaufloͤsbar, wenn
sie einer bedeutenden Hize ausgesezt werden. Dieß ruͤhrt von dem Verluste des
Wassers her, mit welchem
sie vorlaͤufig verbunden waren, und nicht, wie man oͤfters annimmt,
von der Einwirkung der Hize, durch welche sie haͤrter geworden seyn sollen,
ihr Zusammenhang vermehrt worden seyn soll. Denn, wenn wir die Aufloͤsbarkeit
dieser Koͤrper betrachten, muͤssen wir nothwendig annehmen, daß
niemahls der Koͤrper fuͤr sich allein aufgeloͤst wird, sondern
immer die urspruͤngliche und innige Verbindung desselben mit dem Wasser.
Diese Verbindungen sind von einem hoͤheren Range, als die
gewoͤhnlichen Hydrate, und erfordern gewoͤhnlich besondere
Umstaͤnde zu ihrer Bildung. Die Silica ist ein deutliches Beispiel. Troken
und ohne alles Wasser ist sie ganz unaufloͤsbar, und kann nie mehr mit dem
Wasser in eine solche Verbindung gebracht werden, daß sie einen Koͤrper mit
demselben bildet; wenn sie aber vorlaͤufig in inniger Verbindung mit dem
Wasser war, ist sie aufloͤsbar. Die Kiesel- oder
Silica-Aufloͤsung darf also nicht als Kiesel-Aufloͤsung,
sondern muß als Kieselhydrat-Aufloͤsung betrachtet werden. Dieß ist
derselbe Fall mit den Alkalien; was deutlich dadurch erwiesen wird, daß, wenn man
Alkalien in Alkohol aufloͤst, dieselben sich immer im Zustande eines Hydrates
befinden. Die Verbindung des Wassers mit dem Kalke in dem sogenannten
geloͤschten Kalke gehoͤrt gleichfalls zu diesen hoͤheren
Verbindungen, so daß man Kalkwasser nicht als Kalkwasser, sondern als
Kalkhydrat-Wasser, als eine Aufloͤsung von Kalkhydrat betrachten muß.
Das Wasser scheint in innigerer Verbindung mit dem Kalke, als das
Krystallisations-Wasser mit jenen Salzen, welche effloresciren. Es
widerspricht demnach der Theorie nicht, daß Kalk-Hydrat in kaltem Wasser mehr
aufloͤsbar ist, als in warmem, und doch nicht efflorescirt. Wenn
Kalk-Hydrat eine losere Verbindung mit etwas hinzugekommenem Wasser, wie das
Krystallisations-Wasser der gewoͤhnlichen Salze waͤre, und wenn
dann dieses Hydrat nicht efflorescirte, dann wuͤrde dieß der Theorie
widersprechen.
Der Umstand, daß bei schwefelsaurer Soda Efflorescenz und verminderte
Aufloͤsbarkeit bei hoͤherer Temperatur zugleich Statt hat,
beguͤnstigt obige Ansicht. Wenn man uͤber die Aufloͤsbarkeit
der efflorescirenden Salze genauere Untersuchungen anstellen wuͤrde, so
wuͤrde man wahrscheinlich an mehreren derselben dieselben Eigenheiten
entdeken.
Krystallisirte kohlensaure Bittererde ist hoͤchst efflorescirend, und nach Butini
„(sur la Magnésie in Thomson's System,
Salts of Magnesia)“ ist sie in kaltem
Wasser mehr aufloͤsbar, als in warmem, das mit Kohlensaͤure
geschwaͤngert ist.