Titel: | Bericht der HHrn. Soubeiran und Pellerin über eine neue Abart von boraxsaurer Soda. |
Fundstelle: | Band 29, Jahrgang 1828, Nr. XIV., S. 60 |
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XIV.
Bericht der HHrn. Soubeiran und Pellerin uͤber eine neue Abart von boraxsaurer
Soda.
Aus dem Journal de Pharmacie, Maͤrz 1828, S.
170.
(Im Auszuge.)Ueber diesen Borax wurde schon im polyt. Journ. Bd. XXVII. S. 455 eine Notiz mitgetheilt, welche aber nicht so
vollstaͤndig ist wie diese. A. d. R.
Soubeiran's u. Pellerin's neue Abart von boraxsaurer
Soda.
Es hat sich zwischen den HHrn. Buran und Payen ein Streit uͤber die
Prioritaͤt der Entdekung einer neuen boraxsauren Soda erhoben. Die Société de Pharmacie wurde zum
Schiedsrichter aufgerufen, und die HHrn. Soubeiran und
Pellerin wurden zu Berichterstattern ernannt.
Diese neue boraxsaure Soda ist nichts anderes, als eine Abart der
gewoͤhnlichen prismatischen boraxsauren Soda, von welcher sie sich
vorzuͤglich dadurch unterscheidet, daß sie um die Haͤlfte weniger
Krystallisationswasser enthaͤlt. Davon haͤngen nun auch die
uͤbrigen Eigenschaften derselben ab: Krystallisation in regelmaͤßigen
Oktaëdern, statt in vier- oder sechsseitigen Prismen; groͤßere
Dichtigkeit und Haͤrte; denn der oktaëdrische Borax rizt den
prismatischen.
Lezterer spaltet sich, wenn die Temperatur um 15° wechselt; ersterer bleibt
dabei unveraͤndert.
Der gewoͤhnliche Borax bleibt im Wasser und in feuchter Luft durchscheinend,
und beschlaͤgt sich in trokener; der neue Borax wird in Wasser oder in
feuchter Luft undurchsichtig, und bleibt nur in trokener durchscheinend.
Der wichtigste Unterschied zwischen diesen beiden Salzen ist aber derjenige, den sie
bei ihrer Anwendung in den Kuͤnsten zeigen, und der von dem Unterschiede in
ihrer Harte und in ihrem Zusammenhange abhaͤngt. Die Juweliere, die den Borax
in hoͤchst zertheiltem Zustande anwenden muͤssen, reiben zu diesem
Ende einen Boraxkrystall auf einem sehr harten Steine ab, den sie von Zeit zu Zeit
mit einem Tropfen Wasser befeuchten. Der gemeine Borax brach bei dieser Arbeit
oͤfters ab, und ließ Broͤtchen zuruͤk, die bei Anwendung
desselben auf Gold und Silber, bedeutende Stellen an diesen Metallen schmelzen
machten, und die Arbeit des Kuͤnstlers verdarben. Man nahm dafuͤr
oͤfters geschmolzenen Borax; allein dieser zeigte sich zu hart: er griff den
Stein an, statt daß er vom Steine angegriffen wurde. Der oktaëdrische Borax
zeichnet sich vorzuͤglich dadurch aus, daß er sich auf dem Steine
gehoͤrig zertheilt und nie sich broͤkelt.
Man erzeugt diesen oktaëdrischen Borax, indem man gemeinen Borax im Wasser bei
einer Temperatur von 100° aufloͤst, und zwar in solcher Menge, daß die
Aufloͤsung auf dem Siedepuncte am Baumé'schen Araͤometer
30° zeigt. Man laͤßt die Aufloͤsung nach und nach und
regelmaͤßig erkalten. Sobald die Temperatur bis auf 79° gesunken ist,
sezen sich oktaëdrische Krystalle ab, die sich aber nur so lang erzeugen, bis
die Temperatur auf 56° gesunken ist, dann bilden sich in der abgegossenen
Mutterlauge nur mehr prismatische Krystalle. Wenn man nicht die Vorsicht braucht,
die Mutterlauge in dem gehoͤrigen Augenblike abzugießen, so deken sich die
Krystalle wechselseitig, und man verfehlt seinen Zwek. Hieraus erklaͤrt sich,
wie gewisse unreine Boraxarten, wie der ostindische Boraxtinkal und der halb
raffinirte chinesische, bei dem Raffiniren zuweilen ein groͤßeres Gewicht
geben, als der prismatische Borax.
Dieses so eben angegebene Verfahren ist jenes des Hrn. Payen. Hr. Buran verfaͤhrt beinahe auf
dieselbe Weise. Er concentrirt die Aufloͤsung bis auf 32° am
Baumé'schen Araͤometer, und schließt dann den Kessel, um die
Abkuͤhlung so langsam als moͤglich von Statten gehen zu machen. Nach
sechs Tagen (er arbeitet mit 10 Ztr.) oͤffnet er den Kessel, zieht die
Fluͤssigkeit ab, und nimmt den oktaëdrischen Borax heraus, der eine
sehr dike Rinde bildet, auf deren Oberflaͤche sich ein Anfang prismatischer
Krystallisation zeigt, die mit der Art weggehauen wird. Hr. Buran bemerkt, daß stets ein durch mehrere Stunden fortgeseztes Kochen
nothwendig ist, um eine große Menge oktaëdrischer Krystalle zu erhalten.
Wir haben die Versuche uͤber die Eigenschaften des oktaëdrischen
Boraxes, so wie uͤber die Bildung desselben nach Hrn. Payen's Methode wiederholt, und die Resultate stimmten vollkommen mit den
Angaben des lezteren: indessen sahen wir doch auch unter 56° noch
oktaëdrische Krystalle sich bilden.
Wir uͤberzeugten uns ferner dadurch, daß wir 2 Pf. gemeinen Borax drei Stunden
lang sotten, und diesen Versuch selbst mit der Mutterlauge wiederholten, die nur
prismatische Krystalle gab, daß lang fortgesezte Einwirkung der Hize die Umwandlung
des gemeinen Boraxes in oktaëdrischen beguͤnstigt.
Oktaëdrischer Borax gibt aber an und fuͤr sich, ohne lang anhaltende
Hize, bloß in siedend heißem Wasser aufgeloͤst, wieder oktaëdrische
Krystalle.
Es gibt mehrere Beispiele veraͤnderter Krystallform desselben Salzes nach
Verschiedenheit des Krystallisationswassers. Hr. Robiquet
erhielt salpetersauren Strontian in kleinen wasserfreien Krystallen aus
concentrirten Aufloͤsungen dieses Salzes, und dasselbe Salz in großen
durchscheinenden Oktaëdern aus einer verduͤnnten Aufloͤsung
desselben. Hr. Thomson machte dieselbe Bemerkung
uͤber zwei Krystallisationsformen der kohlensauren Soda bei verschiedener
Menge von Krystallisationswasser, die eine ist ein vierseitiges vierflaͤchig
zugespiztes Prisma, die andere ein Oktaëder mit rhomboidaler
Grundflaͤche und mit abgestumpften Spizen.
Hr. Buran beschaͤftigte sich zugleich mit Hrn. Houton-Labillardière seit dem Jahre 1818
mit Untersuchungen uͤber den im Handel vorkommenden Borax, und beiden gelang
es, demselben zuerst jene Krystallform zu geben, die im Handel so sehr gesucht ist.
Hr. Buran hatte verschiedene Kaͤufer zu
befriedigen, und unter diesen waren die Juweliere diejenigen, die am schwersten zu
befriedigen waren. Nach seiner Versicherung gelang es ihm erst nach einer Reihe von
Versuchen den oktaëdrischen Borax zu verfertigen, den er seit mehreren Jahren
allein in den Handel brachte.
„Ist nun Hr. Buran der Entdeker des
oktaëdrischen Borax, oder hat er, wie Hr. Payen behauptet, denselben gemacht, ohne es selbst zu wissen, ohne ihn
jemahls einzeln dargestellt, ohne ihn in seinen Formen erkannt zu
haben?“
„Hr. Buran ist nicht ein Fabrikant ohne alle
Kenntnisse. Er hat lange Zeit in dem Laboratorium der Veterinaͤrschule zu
Alfort gearbeitet: er war Mitarbeiter des Hrn. Houton-Labillardière. Wir duͤrfen also annehmen,
daß er durch wissenschaftlich geleitete Untersuchungen zur Fabrikation des
oktaëdrischen Boraxes gelangen konnte. Es laͤßt sich auch leicht
begreifen, warum er es vorzog, seinen oktaëdrischen Borax in
unfoͤrmlichen Massen zu verkaufen: sein Geheimniß blieb ihm dadurch
laͤnger gesichert. Es war auch wirklich eine ungunstige Concurrenz zu
besorgen, und die Ahndungen des Hrn. Buran, der
mehrere Jahre allein den Markt mit oktaëdrischem Borax unter dem Namen
calcinirter Borax, Borax fuͤr Juweliere, Rindenborax (Borax calcéné, Borax des Bijoutiers, Borax
en croûte) versah, und zwar das Pfund fuͤr 3 Franken,
gingen in Erfuͤllung. Seit Hr. Payen in
Concurrenz trat, d.h. seit der lezten Industrieausstellung, wo Hr. Buran auch seine Producte aufstellte, ist der Preis
bedeutend gewichen.“
Sind die Massen, die Rinden, die Hr. Buran in den Handel
warf, reiner oktaëdrischer Borax, oder ein Gemenge aus zwei verschiedenen
Arten? Oben sind sie, wie bereits bemerkt wurde, mit einer Lage prismatischen Borax
bedekt, die Hr. Buran mit der Art wegnimmt, wovon aber
zuweilen noch Stuͤke daran bleiben, wie dieß selbst an dem der
Société eingesandten Muster der Fall war. Diese Rinde haͤlt
allerdings noch 47 p. C. Krystallisationswasser, wie die Analyse derselben lehrte.
Allein die untere Masse ist reiner oktaëdrischer Borax, und nicht, wie Hr.
Payen behauptet, ein Gemenge aus diesem und dem
prismatischen. Die Analyse derselben gab uns 29,7 Krystallisationswasser, d.h. eben
soviel, als sich in den einzelnen isolirten oktaëdrischen Krystallen fand,
die Hr. Payen der Gesellschaft zustellte.
Wenn man statt unfoͤrmlicher Massen, die mit fremden Koͤrpern
verunreinigt seyn koͤnnen, reine Krystalle in den Handel bringt, so hat man
eben dadurch ein Unterpfand fuͤr die Reinheit der Waare geliefert und
Buͤrgschaft gegen allen Betrug geleistet. Wenn es auch nicht leicht ist, ein
Salz zu verfaͤlschen, das nur unter bestimmten Umstaͤnden
krystallisirt, so koͤnnte dieß doch in der Folge einem geschikten
Betruͤger moͤglich werden, und die Wassenform, in welcher Hr. Buran seine Waare liefert, koͤnnte den Betrug
beguͤnstigen. Es muß dem Kaͤufer immer lieber seyn, reine Formen zu
erhalten.
„Die Entdekung der bisher im Handel vorkommenden oktaëdrischen
Boraxsauren Soda kann Hm. Buran nicht abgesprochen
werden. Was hingegen die chemische Entdekung betrifft, so scheint es uns
ausgemacht, daß sie Hrn. Payen angehoͤrt, der
zuerst diesen Borax
beschrieb und seine Bereitung lehrte. Wir sind innig uͤberzeugt, daß
diese Thatsachen Hrn. Buran bekannt waren, schreiben
aber doch die Entdekung Hrn. Payen zu, indem wir uns
auf den Grundsaz stuͤzen, daß nur derjenige als der wahre Entdeker einer
chemischen Erscheinung gelten kann, der dieselbe zuerst durch den Druk oder in
einer gelehrten Gesellschaft bekannt machte.