Titel: | Ueber die Wurzeln des Rohrkolbens, von Hrn. Lecoq. |
Fundstelle: | Band 29, Jahrgang 1828, Nr. LXXXIV., S. 289 |
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LXXXIV.
Ueber die Wurzeln des Rohrkolbens, von Hrn.
Lecoq.
Aus dem Journal de Pharmacie. April 1828. S.
221.
Lecoq, uͤber die Wurzeln des Rohrkolbens.
Die beiden Arten von Rohrkolben (Typha
latifolia and angustifolia) finden sich haͤufig in Moraͤsten,
wo sie schnell wachsen, und andere Wanzen verdraͤngen.
Ihre Wurzeln, oder vielmehr die Wurzelstoͤke, zeraͤsteln sich sehr, so
daß Eine Pflanze oͤfters in dem Schlamme des Morastes einen anderthalb Fuß
diken Stok gibt.
1000 Gramme dieses Wurzelstokes verloren bei dem Troknen in einer Trokenstube 730
Graͤmme Wasser. Mit Alkohol und mit Wasser destillirt gaben die Wurzeln nur
negative Producte; das Wasser blieb klar und geruchlos, oder hatte nur den faden
Geruch aller destillirten Wasser von nicht riechenden Pflanzen.
Ein Theil dieser Wurzeln wurde zerrieben, und mit Wasser auf einem Siebe
angeruͤhrt, auf welchem die holzigen Fasern zuruͤkblieben. Die
Fluͤssigkeit war schleimig, und gleich einer Aufloͤsung von arabischem
Gummi, welchem sie dem Geschmake nach vollkommen aͤhnlich war. Sie
roͤthete das Tournesol-Papier. Nachdem man sie uͤber Nacht
stehen ließ, klaͤrte sie sich, blieb aber noch immer schleimig, und bildete
einen haͤufigen, schmuzig weißen Bodensaz. Die Fluͤssigkeit wurde
abgegossen, der Niederschlag gewaschen, und die erhaltenen Fluͤssigkeiten
wurden abgedampft.
Der Niederschlag war Sazmehl, und wog getroknet 125 Gramm.
Das trokne Extract wurde mit verschiedenen Reagentien behandelt, und gab folgende
Resultate, wonach 1000 Theile dieser Wurzeln, im December gesammelt,
730
Theile
Wasser,
125
–
Sazmehl,
15
–
– –
– –
–
Gummi,Zuker,Gaͤrbestoff,Aepfelsauren
Kalk,eigenen Extractiv-Stoff,nebst Spuren von
Eiweiß-Stoff,
130
–
Holzfaser enthielten
Eben so viel von diesen Wurzeln im April gesammelt gab
730
Theile
Wasser,
108
–
Sazmehl,
52
–
– –
– –
Gummi,Zuker,Gaͤrbestoff,Extractiv-Stoff,Spuren
von Eiweiße-Stoff,
130
–
Holzfaser.
Die Menge des Sazmehles ist also in verschiedenen Jahreszeiten verschieden, und es
scheint, daß obige beide Analysen die aͤußersten Graͤnzpuncte der
Menge desselben angeben. Zuker und Gummi nimmt im Fruͤhjahre auf Kosten des
Sazmehles zu, so daß die beste Zeit zum Ausgraben der Wurzel der Spaͤtherbst
ist, wo auch die Ernte durch den geringeren Wasserstand in den Moraͤsten
erleichtert wird. Das Sazmehl der Herbstpflanze gibt mit Wasser einen Schleim, der
dem Salepschleime vollkommen aͤhnlich ist, und sich auch mehren Tage lang
haͤlt: im Mai gibt das Sazmehl keine solche Gallerte.
Da die Wurzeln Sprossen treiben und sich mittelst derselben vermehren, so vermehrt
sich diese Pflanze sehr leicht, wenn man ein solches Sproͤßchen 2 Fuß weit
von dem anderen in den Schlamm des Morastes stekt. Im dritten Jahre hat der
Wurzelstok bereits 1 1/2 Fuß Dike erhalten. Bei dem Ausziehen der Wurzel muß man
dafuͤr sorgen, die Sprossen, die man ohnedieß nicht brauchen kann, wieder
dort hin zu werfen, wo der alte Wurzelstok stand.
Die ausgezogenen Wurzeln werden sortirt, und das, was daran zu alt und verdorben ist,
weggepuzt; hierauf werden sie gewaschen und in einem Moͤrser gestoßen, oder
sie koͤnnen auch mittelst eines Reibeisens zerrieben werden. Um nun das
Sazmehl aus dem Breye zu erhalten, laͤßt man 1) einen Strahl Wasser
ununterbrochen auf diesen Teig so lang fallen, bis alles Sazmehl ausgewaschen ist,
und sezt 2) dem Teige eben so viel Wasser zu, als er wiegt, und treibt ihn durch ein
Sieb. Auf diese Welse erhaͤlt man eine weiche, etwas zukerhaltige und sehr
schleimige Masse, die in Schalen abgeraucht, einen Sazmehlteig wie Tapioka oder Sagu
gibt. Man kann bei einem gewissen Grade von Abdampfung diese Masse koͤrnen,
indem man sie durch ein Sieb aus Eisenblech druͤkt, oder ihr auch die Form
von Maccaroni geben. Durch weiteres Waschen laͤßt sich auch ganz reines
Sazmehl erhalten.
Auf diese Weise koͤnnte man Moraste, die gar keinen Ertrag geben, wenn man
diese Pflanzen in denselben vermehrt oder anbaut, zu irgend einem Ertrage bringen,
und selbst die Luft durch die Vegetation in denselben verbessern.Diese Rohrkolben geben auch ein nur sehr vernachlaͤssigtes
Spinn-, Flecht- und Papiermaterial. Siehe Boͤhmer's technische Geschichte der
Pflanzen. A. d. Ueb.