Titel: | Nachtrag zur Abhandlung über die Wasserleitungen in London. |
Fundstelle: | Band 29, Jahrgang 1828, Nr. XCVII., S. 366 |
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XCVII.
Nachtrag zur Abhandlung uͤber die
Wasserleitungen in London.
Aus dem London Journal of Arts August 1828. S.
310.
(Im
Auszuge.)
Ueber die Wasserleitungen in London.
Wir ersehen aus dem London Journal
a. O., daß das Repertory seinen Bericht uͤber die
Wasserleitungen in London, den wir im 3. H. des XXIX. B. des polytechnischen
Journales im Auszuge mittheilten (aus Nationalscham oder Nationalstolz?), sehr
verstuͤmmelt mittheilte, und eilen daher aus demselben die noͤthigen
Nachtrage als Belege unseres fruͤheren Unheiles zu liefern, indem Wasser
nicht bloß fuͤr Fabriken, sondern auch fuͤr die Corporis humani fabrica von der hoͤchsten Wichtigkeit ist.
Aus dem vorgenommenen Zeugenverhoͤre ergibt sich: „daß Dr. Johnson, am Suffolkplace, das Wasser der
Chelseacompany sehr ungesund fand, daß ein oͤhliger Schaum sich auf
demselben ansezt, und daß es viele schaͤdliche Stoffe aufgeloͤst
enthaͤlt.“
„Das New-River Wasser kann erst nachdem es gesotten wurde und sich
gesezt hat, nach Aussage des Directors der Apotheker-Compagnie, zum
Apothekergebrauche, jedoch niemahls zum Waschen weißer Praͤcipitate,
gebraucht werden.“
„Dr.
Dill fand nichts an dem New-River Wasser zu
tadeln; der Secretaͤr des London Hospitals fand aber Garneelen (Cancer
squilla, eine kleine Krebsart) und andere Insecten
in demselben.“
„Die Eigenthuͤmer von Hatchett's-Hotel erklaͤren das Wasser der Grand-Junction-Company als durchaus
unbrauchbar, indem es einen sehr stinkenden Schlamm absezt, voll Insecten ist,
ja einmahl sogar einen drei Viertel Pfund schweren Aal ihnen lieferte. Zwei
Quart von diesem Wasser geben, nach Aussage des Wirthes of the Blue Ports, Cork
Street, einen halben Eßloͤffel voll schwarzen Schlamm, und oben auf
demselben schwimmt ein oͤhliger Schaum. Ein Fische und ein
Austernhaͤndler erklaͤrten dieses Wasser fuͤr durchaus
unbrauchbar, um Fische und Austern darin lebend, viel weniger gut, zu erhalten.
Der faule thierische Geruch dieses Wassers laͤßt sich, nach Hrn. Hall's Aussage, nicht einmahl durch Kochen
vertreiben, und Weiber, die darin waschen muͤssen, werden davon
krank.“ Fuͤnf namentlich angefuͤhrte Zeugen
erklaͤren das Wasser der Lambeth-Works fuͤr eben so verdorben
und schaͤdlich.
Eine Menge von Zeugen betheuerte die Unbrauchbarkeit des Southwarkwassers.
„Es ist dik, wie Erbsenbruͤhe, sezt in 14 Tagen drei bis vier
Zoll hoch Schlamm ab, und enthaͤlt Garneelen und andere Insecten, auch
Schneken (Periwinkles) und riecht sehr
garstig.“
Es wurde durch viele Zeugen erwiesen, daß seit den lezten 15 Jaͤhren die Zahl
der Fischerbothe, deren ehevor zwischen Deptford und Richmond Jahr aus Jahr ein an
400 mit Lachs- und Stintfang in der Themse beschaͤftigt waren (in
manchem Jahre wurden an 10,000 Lachse, und oft in Einem Tage 50,000 Stinte (Salmo Eperlanus, Smelts gefangen), sich um die
Haͤlfte verminderte. Alle Fischer bezeugen, daß jezt kein Fisch mehr in
Themsewasser unter Chelseahospital (dem aͤußersten westlichen oder oberen
Ende Londons) lebendig erhalten werden kann. Acht hollaͤndische Schiffe kamen
zu Gravesend (unter London) im Julius des Jahres 1827 mit 100,000 Pfund gesunden
lebendigen Aalen an: zwei Drittel, oder 67,500, starben in denselben, ehe sie den
Markt erreichen konnten. Noch vor zwoͤlf Jahren konnte man hoͤchstens
etwas mehr als 30 Pf. Verlust an todten Aalen fuͤr Eine Nacht rechnen; jezt
kann ein Schiff seine ganze Ladung (14,000 Pf.) im schoͤnsten Wetter
waͤhrend einer einzigen Fluch verlieren. Die Fischer schreiben dieß allgemein
den Abfaͤllen aus den Gaswerken zu, die eine Art von Oehl, das auf dem Wasser
schwimmt, erzeugen. Wenn die Fische von diesem „boͤsen
Wasser“ ergriffen werden, springen sie in die Hohe, und werden
aͤußerst unruhig und sterben. Nach dem Tode werden sie gestekt, und die
Fischbehaͤlter, in welchen sie an den Schiffen aufbewahrt werden, riechen
auffallend nach Gas. Es scheint aber, daß dieses Oehl nicht allein die Aale
toͤdtet, indem sie auch in demjenigen Wasser sterben, das aus dem Grunde der
Themse geholt wird, und daß ein Wasser, welches einen so zaͤhelebigen Fisch,
wie der Aal ist, zu toͤdten vermag, der Gesundheit der Menschen nicht
zutraͤglich seyn kann.
Das Wasser wurde nicht nur von Hrn. Dr. Bostock, sondern
auch von den HHrn. DDr. Lumlie, Pearson und Gardiner analysirt. Es scheint indessen, daß das Wasser
seine schaͤdlichsten Theile vielleicht gleich im Anfange der Analyse verlor,
indem man dasselbe langsam in offenen Gefaͤßen abrauchte, wodurch
wahrscheinlich viel thierischer Stoff zersezt wurde, indem Dr. Bostock bemerkte, daß waͤhrend dieses Abrauchens ein sehr
ekelhafter Geruch aus dem Wasser aufsteigt. Die schaͤdlichen Eigenschaften
dieses Wassers scheinen vorzuͤglich in diesen stinkenden Gasarten, und in der Entwikelung desselben
in dem Wasser zu bestehen.
Die unreinsten Wassersorten, die Dr. Bostock erhielt,
waren von der Grand-Junction bei niedrigem
Wasser; von der New-River engine bei halber Ebbe
und bei Hochwasser; und von Lambeth bei Hochwasser. Dr.
Bostock glaubte vorzuͤglich zwei verschiedene Arten fremdartiger
Stoffe in diesen Wassern zu bemerken: eine flokige Masse, die aus einer faserigen
Substanz zu bestehen schien, und wahrscheinlich vegetabilischen Ursprunges war; und
eine andere, weit haͤufigere, in Gestalt von kleinen Schuppen, wie man sie
oͤfters von der Haut abgehen sieht. Leztere brauchte laͤngere Zeit,
bis sie sich sezte, und wurde durch die geringste Erschuͤtterung wieder mit
dem Wasser gemengt. Ueberdieß fanden sich Koͤrper darin, die den Hauten von
Insecten glichen, und in einem dieser Wasser fanden sich Massen von weißen Fasern,
die wie Strahlen aus einem Mittelpunkte ausliefen, wie an gewissen Zetteln in den
Apotheken.
Jedes der oben erwaͤhnten Wasser enthielt in 60 Kubikzollen 8/10 Gran feste
unaufloͤsliche Bestandtheile, und ungefaͤhr eben so viel Salz. Das
reinste Wasser unter allen (das von der Middlesex-Engine) enthielt, bei
niedrigem Wasserstande, (in 10,000 Granen)
fremdartige Bestandtheile
1,95 Gran.
–––––
Davon waren
kohlensaurer Kalk
1,53
schwefelsaurer Kalk
0,15
kochsalzsaure Soda und Bittererde
0,20
organischer Stoff
0,07.
In eben so viel Wasser von der unreinsten Art (Lambeth-Engine bei Hochwasser)
fand man
fremdartige Bestandtheile
3,90 Gran.
–––––
Davon waren
kohlensaurer Kalk
1,55
schwefelsaurer Kalk
0,12
kochsalzsaure Soda und Bittererde
0,23
Spuren von Thonerde und
Ammoniumorganischer Stoff
2,02.
Der Hauptunterschied besteht also in organischen Stoffen, von welchen das unreinste
Wasser zehn Mahl mehr enthaͤlt, als das reinste. Das Wasser hat dort mehr
vegetabilische Stoffe, wo viel Holz in der Nahe ist, wie an Bankside; in der Nahe
großer Kloaken enthaͤlt es mehr thierische Stoffe; an der Lambethmaschine, in
der Naͤhe der großen Bleiwerke, schmekt es sogar saͤuerlich.